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Archiv bis 07. Mai 2010

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahlen, Abstimmungen usw. im europäischen Ausland » Vereinigtes Königreich – Großbritannien » Archiv bis 07. Mai 2010 « Zurück Weiter »

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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:05 Uhr:   

Mal abgesehen vom Wahlergebnis selber: Die Wahlen sind ja bemerkenswert chaotisch abgelaufen. Wegen schlechter Organisation konnten tausende von Wählern (trotz langer Wartezeiten) ihre Stimme nicht abgeben. In anderen Wahlkreisen wurde dagegen eigenmächtig die Wahlzeit verlängert. Und es gibt Hinweise auf echte Wahlfälschungen!
http://www.telegraph.co.uk/news/election-2010/7687416/By-permitting-fraud-we-betray-democracy.html

Und das sind wohl keine neuen Probleme, sondern im Prinzip schon länger bekannt, nur diesmal noch massiver auftretend.
Wenn das in irgendeinem Ostblock- oder Drittwelt-Land passieren würde, gäbe es wahrscheinlich heftige Proteste von internationalen Wahlbeobachtern.
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svsascha
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:17 Uhr:   

Das ist schon bemerkenswert. Probleme mit chaotischen Wahlverlauf mit langen Warteschlangen waren ja auch in Italien und USA in den letzten Jahren vorgekommen. In Deutschland wählen dagegen immer weniger und in den Wahllokalen ist es meist recht leer.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:22 Uhr:   

> Brown vertritt ja die Ansicht, die "Verfassung"
> sähe vor, dass zuerst einmal der amtierende PM
> eine Regierungsfortsetzung versuchen sollte.
Das ist jetzt schon etwas dreist.

Er hat deutlich verloren. Sowohl bei den Stimmen als auch bei den Mandaten (obwohl ihn der bewußt unfaire Wahlkreiszuschnitt begünstigt).
Labour liegt so deutlich hinter den Tories, bisher hat sich auch kein potentieller Bündnispartner zu Brown bekannt - es gibt überhaupt keine Basis für einen Führungsanspruch.

Und außerdem ist Brown natürlich auch verantwortlich für die völlig inakzeptable Form der Wahldurchführung, das ist ja schon skandalös und wäre für sich schon ein klarer Rücktrittsgrund.
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Wahlter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:37 Uhr:   

Brown wird das neue Parlament auch nicht führen, das wurde ja schon indirekt öfter bestätigt, wenn er sagt, dass er bei den Verhandlungen mithelfen will eine Koalition zu schmieden. Das sieht nicht nach Premier-Verhalten aus. Aber da voraussichtlich LibDems und Labour zusammen auch nicht auf die Stimmen kommen werden, dürfte es wahrscheinlich sein, dass es bald wieder Neuwahlen geben wird.
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Wahlter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:40 Uhr:   

"Brown vertritt ja die Ansicht, die "Verfassung" sähe vor, dass zuerst einmal der amtierende PM eine Regierungsfortsetzung versuchen sollte."

Laut BBC ist das aber auch eine berechtigte Ansicht, wenn man den Live Coverage mal verfolgt.
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albertk
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 11:48 Uhr:   

Laut BBC sind 617 von 650 Wahlkreisen ausgezählt.
Wenn sich nicht viel in den restlichen Wahlkreisen ändert, käme man nicht nur auf ein Hung Parliament, sondern zu einem Parlament mit schwierigen Koalitionsverhandlungen. Eigentlich wäre nur CON/LD oder LAB/LD/SNP möglich.

CONSERVATIVE 301-302
LABOUR 263-264
LIB DEM 55-56
DUP 8
SNP 6
PC 3
SF 5
SDLP 3
Green 1
Alliance P. 1
Respect 0-1
Others 1

(Die von-bis-Zahlen ergeben sich durch zwei eher unsichere Wahlkreise: Bethnal Green: entweder Labour oder Respect; Devon West: entweder Conservative oder LibDem.

Wie falsch lagen die ganzen Umfragen, die tagelang die Liberal Democrats vor der Labour Party sahen! LD hat bis jetzt im Schnitt gerade mal 1% im Vergleich zu 2005 gewonnen. Gewonnen haben vor allem die Conservativen (3,9%), BNP (1,2) und UKIP (0,8%).
Die Wahlbeteiligung stieg um rund 4%. Daß es da bei Wahllokalen mit Öffnungszeiten von 7-22 Uhr zu Chaos kam, ist mir eigentlich unbegreiflich.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 12:16 Uhr:   

Die Frage der Regierungsbildung ist einfach.
Der Monarch ist durch Gewohnheitsrecht verpflichtet denjenigen zum Premierminister zu ernennen, der eine parlamentarische Mehrheit hinter sich bringen kann oder könnte. Dazu wird die Königin die Vertreter der verschiedenen Parteien zu Gesprächen einladen. Zuvor werden diese zweifellos auch miteinander sprechen.
Nach Lage der Dinge ist Labour nicht in der Lage eine Mehrheit für sich zu organisieren. Die Tories hingegen sind nahe an einer Mehrheit. Es liegt daher nahe, dass nach Gesprächen mit der Königin eine Übereinkunft dahingehend erzielt wird, dass David Cameroon zum Premierminister ernannt wird. Diese wird sich dann von Fall zu Fall die parlamentarische Regierungsmehrheit suchen müssen.
Eine Koalitionsregierung wird es m.E. nach nicht geben. Es läuft auf eine Minderheitsregierung hinaus. Keine gute Konstellation um schwierige politische Entscheidungen, insbesondere die nötigen Einschnitte bei den explodierenden Staatsausgaben, vorzunehmen.
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Wahlter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 12:43 Uhr:   

Es wird spannend werden, es gibt widersprüchliche Aussagen der Tories:
"Tory MP Sir Malcolm Rifkind says there is no realistic prospect of a coalition between his party and the Lib Dems. But it is "perfectly possible" to reach an agreement."
Hört sich nach Minderheitenregierung an, wenn man aber hört, Cameron arbeite an einer "strong and stable government" steht das im Widerspruch.
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Wahlter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 14:10 Uhr:   

"Der Monarch ist durch Gewohnheitsrecht verpflichtet denjenigen zum Premierminister zu ernennen, der eine parlamentarische Mehrheit hinter sich bringen kann oder könnte. Dazu wird die Königin die Vertreter der verschiedenen Parteien zu Gesprächen einladen. Zuvor werden diese zweifellos auch miteinander sprechen.
Nach Lage der Dinge ist Labour nicht in der Lage eine Mehrheit für sich zu organisieren. Die Tories hingegen sind nahe an einer Mehrheit."

Die Tories sind nahe dran, aber auch das reicht nicht. Und die Vorbehalte gegenüber LibDem sind groß. Clegg wiederum sieht die Tories im Recht der Regierungsbildung. Sehr interessante Aussage von ihm. Vielleicht ein Mittel, den Preis für eine Koalition in die Höhe zu treiben bei Tories oder Labour.
SPON schreibt in gleicher Linie mit BBC: "Bei unklaren Mehrheiten sieht das britische Wahlrecht vor, dass der amtierende Regierungschef, also Brown, das Vorrecht hat."
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 14:41 Uhr:   

Ich denke, es wird am Ende entscheidend sein, ob die Konservativen eine "strategische Mehrheit" haben werden oder nicht. Mit "strategischer Mehrheit" meine ich, dass sie zwar die absolute Mehrheit verfehlt haben, aber als Einzelpartei vor Labour und Liberaldemokraten zusammen liegen. Zur Zeit scheint dies offen. Wenn es eine relative Mehrheit von Labour und Liberaldemokraten geben sollte, dürfte sich die Regierungsbildung noch hinziehen. Wenn die Konservativen über 300 Mandate und mehr Sitze als Labour und Libdems haben, denke ich, wird Cameron mit der Bildung einer Minderheitsregierung beauftragt werden.
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Markus B
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 15:09 Uhr:   

"Ich denke, es wird am Ende entscheidend sein, ob die Konservativen eine "strategische Mehrheit" haben werden oder nicht. Mit "strategischer Mehrheit" meine ich, dass sie zwar die absolute Mehrheit verfehlt haben, aber als Einzelpartei vor Labour und Liberaldemokraten zusammen liegen. Zur Zeit scheint dies offen."

Die beiden offen Londoner Wahlkreise sind Labour-Hochburgen mit LibDem als Zweite, selbst wenn die Konservativen alle anderen 10 Gewinnen sind sie hinter Lab+LibDem
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 15:20 Uhr:   

@albertk:
> Wie falsch lagen die ganzen Umfragen,
> die tagelang die Liberal Democrats vor
> der Labour Party sahen!
M. E. liegt das mehr am Wahlrecht als an den üblichen Prognoseunschärfen.
Das Mehrheitswahlrecht zwingt ja zum taktischen Wählen, wenn der eigene Kandidat im Wahlkreis chancenlos ist und man seine Stimme nicht wegwerfen möchte.
Insbesondere hat es wohl einen massenhaften Effekt gegeben in der Form, daß LibDem-Wähler in zwischen Tories und Labour umstrittenen Wahlkreisen den Labour-Kandidaten gestützt haben.

> Daß es da bei Wahllokalen mit Öffnungszeiten
> von 7-22 Uhr zu Chaos kam, ist mir eigentlich
> unbegreiflich.
Nicht vergessen: Das war ein Werktag, sehr viele Wähler kommen erst abends nach Dienstschluß.
Trotzdem sind natürlich die organisatorischen Pannen ein Skandal (verstärkt durch die Hinweise auf echten Wahlbetrug).
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 15:24 Uhr:   

@MarcK:
> Die Frage der Regierungsbildung ist einfach.
Das finde ich aber eine mutige Aussage angesichts der wochenlangen Diskussion über Regelungslücken in dieser Frage ;-)

@Bernhard:
> Mit "strategischer Mehrheit" meine ich,
> dass sie zwar die absolute Mehrheit verfehlt
> haben, aber als Einzelpartei vor Labour und
> Liberaldemokraten zusammen liegen.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Aspekt eine Rolle spielt.
Entweder geht man von den einzelnen Parteistärken aus, dann ist Cameron am Zug.
Oder aber man zählt Parteien zusammen, dann muß es auch für eine gemeinsame Parlamentsmehrheit reichen.

Die Relation Tories alleine vs. LibDem/Lab kann, da beide keine Mehrheit haben, nicht wirklich relevant sein.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 15:28 Uhr:   

A propos Organisation: Ich verstehe überhaupt nicht, warum immer noch 11 Wahlkreise offen sind.
Das Zählverfahren ist das simpelst mögliche, die Wahlkreise nicht übermäßig groß, die Wahllokale seit inzwischen 17 Stunden geschlossen - da müßten die Zettel eigentlich schon fünfmal durchgezählt worden sein.

Es gibt ja immer mal Zwischenfälle, wo der Schäferhund des Wahlleiters einen Stapel Zettel frißt oder ein Wahlhelfer eine Urne mit nach Hause nimmt und vergißt - aber das kann doch nur ganz selten mal einen Wahlkreis betreffen.
Ansonsten hätte man doch schon heute morgen ein landesweites Ergebnis haben müssen.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 15:51 Uhr:   

Die Umfragen waren wirklich extrem schlecht, und dass sie Labour überschätzt hätten, kann man diesmal nicht wirklich behaupten. Nach Rausrechnung von Nordirland (wie bei den Umfragen) und mit den verbliebenen relativ starken Wahlkreisen werden das über 30% für Labour.

Die Tories sind sitzmäßig zwar besser, als es sich mit konstantem Swing errechnet, aber gegenüber einer proportionaleren Rechnung und gegenüber den Umfragewerten in den Marginals haben sie wenig erreicht.

Taktisch sind die LibDems jetzt trotz Verlusten in der mit Abstand stärksten Position, aber bei den nächsten Wahlen wird ihnen das schaden, weil sie auf jeden Fall einen Teil ihrer inhomogenen Wählerschaft verärgern werden. Der Druck, eine Wahlrechtsänderung schnell durchzusetzen, ist also hoch.

@Ralf Arnemann:
"obwohl ihn der bewußt unfaire Wahlkreiszuschnitt begünstigt"

Naja, Labour hat halt eine Hochburgenstruktur, bei der man für einen "fairen Wahlkreiszuschnitt" schon ziemlich extremes Gerrymandering betreiben müsste, wenn man auch noch die ungleichen Wahlbeteiligungen (die ihrerseits zumindest teilweise eine Folge der Hochburgenstruktur in Verbindung mit dem Mehrheitswahlrecht sind) berücksichtigen will. Und dass Abwanderungsgebiete systematisch (und der Beständigkeit wegen auch gewollt) deutlich zu kleine Wahlkreise bekommen, ist bei uns nicht anders.

"Das Mehrheitswahlrecht zwingt ja zum taktischen Wählen"

Demnach hätten die LibDems aber viele Wahlkreise von Labour gewinnen müssen, weil sie nach den Umfragen dort in der wesentlich stärkeren Position waren. Tatsächlich haben sehr viele gerade nicht rational taktisch richtig gewählt. Womöglich waren sie allerdings der Meinung, taktisch richtig zu wählen. Wobei nach den Umfragen (denen man natürlich momentan nur begrenzt vertrauen sollte) der Anteil der taktischen Wähler sehr gering ist und viele davon tatsächlich keine Ahnung haben, was vernünftig wäre. Die Mehrheit der Briten wählt (anders als in den USA), als ob es ein Verhältniswahlrecht gäbe, weswegen das Mehrheitswahlrecht dort besonders absurd ist.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 16:23 Uhr:   

Derzeitiger Zwischenstand - es fehlen immer noch - 16einhalb Stunden nach Schließung der Wahllokale - 4 Wahlkreise - eigentlich unfassbar:
Page last updated at 14:07 GMT, Friday, 7 May 2010 15:07 UK


Results326 to win Party Predicted seats Seats Change Vote %
Conservative 304 +96 36.1
Labour 257 -90 29.0
Liberal Democrat 57 -5 23.0
Prediction 646 of 650 seats declared Full results
Quelle: www.bbc.com
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 16:25 Uhr:   

Über die Rolle der Queen findet sich auf BBC folgender Artikel: http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk_politics/election_2010/8667820.stm
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 16:28 Uhr:   

Den Election Bias zugunsten von Labour kann man bei dieser Wahl sehr schön sehen.
Abgesehen von Labour und Tories hatte keine Partei sehr große Änderungen im Ergebnis.

2005 war das Verhältnis Labour zu Tories bei den Stimmen 35,2% zu 32,3%. Diese knapp 3% Vorsprung brachte Labour einen Vorsprung von 158 Sitzen.

2010 war das Verhältnis Labour zu Tories rund 29% zu 36%. Dieser 7% Vorsprung der Tories bringt diesen einen Vorsprung von rund 47 Sitzen.

Wenn man zwischen diesen beiden Ergebnissen extrapoliert kommt man auf ziemlich genau 100 Sitze Vorsprung für Labour bei Stimmengleichstand.


Im Ergebnis konnten die Tories trotz eigentlich sehr günstiger Umstände (abgewirtschaftete Regierung mit uncharismatischem MP während einer Rezession!) keine eigene Mehrheit sichern.

Eigentlich wären daher die Tories ein natürlicher Bündnispartner für die LibDems beim Thema Wahlrechtsreform...
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Wahlter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 16:29 Uhr:   

Es fehlen genau genommen noch 3, ein Sitz hat die Wahl verschoben auf Grund Todesfall (Thirsk and Malton).
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 07. Mai 2010 - 16:33 Uhr:   

@Ratinger Linke:
> Die Umfragen waren wirklich extrem schlecht,
Das glaube ich nicht.
Die Wähler haben wohl auf die Umfragewerte reagiert, angesichts der ungewöhnlichen Entwicklungen (Tendenz zu drei fast gleichstarken Parteien) war taktisches Wählen viel wichtiger und naheliegender als früher.

> und dass sie Labour überschätzt hätten, kann
> man diesmal nicht wirklich behaupten.
Offenbar hat Labour massiv von LibDem-Wählern profitiert - denn wo Labour über den Umfragewerten liegt, liegt LibDem deutlich drunter.

> gegenüber den Umfragewerten in den Marginals
> haben sie wenig erreicht.
Auch hier vermute ich das Ergebnis taktischer Schwenks zwischen LibDem und Lab (manchmal auch umgekehrt). Das "Tories verhindern" ist doch eine gewisse Gemeinsamkeit der Wähler dieser beiden Parteien.

> Taktisch sind die LibDems jetzt trotz
> Verlusten in der mit Abstand stärksten
> Position, ...
Das ist jetzt vielleicht etwas übertrieben. Sie sind überhaupt in einer Position, wo sie taktisch etwas erreichen können. Aber sehr stark ist diese Position nicht, insbesondere eben schwächer als die der beiden klassischen Großen.

> weil sie auf jeden Fall einen Teil ihrer
> inhomogenen Wählerschaft verärgern werden.
Nur wenn sie wirklich mitregieren. Wenn sie sich auf die Wahlrechtsreform konzentrieren, müssen sie keine Verärgerung der Basis befürchten.

> Der Druck, eine Wahlrechtsänderung schnell
> durchzusetzen, ist also hoch.
Richtig. Das ist eine einmalige Chance. Wenn es jetzt nicht klappt - wann dann?
Nicht zuletzt deswegen, weil diese Wahlen und ihr Verlauf m. E. zu einer weiteren Delegitimation des alten Wahlsystems führen werden.

> Naja, Labour hat halt eine Hochburgenstruktur,
> bei der man für einen "fairen
> Wahlkreiszuschnitt" schon ziemlich extremes
> Gerrymandering betreiben müsste, ...
Daß die Labourwahlkreise im Schnitt so viel kleiner sind (und damit mehr wert sind), das hat wohl weniger mit Hochburgen, als eben mit Labour-Gerrymandering zu tun.
Denn gerade die Labour-Hochburgen liegen ja in dichtbesiedelten städtischen Gebieten, wo Wahlkreisgrenzen leicht zu verschieben wären - nicht so wie etwa bei dem hier diskutierten Isle-of-Wight-Beispiel, wo die Geographie dominiert.

> Und dass Abwanderungsgebiete systematisch
> (und der Beständigkeit wegen auch gewollt)
> deutlich zu kleine Wahlkreise bekommen,
> ist bei uns nicht anders.
Na ja, so schnell geht die Binnenmigration ja nun nicht, daß man damit die hohen Unterschiede in den Wahlkreisgrößen erklären könnte. M. W. sind diese Unterschiede bei uns auch deutlich geringer, obwohl die Binnenmigration sehr viel höher ist.

> Demnach hätten die LibDems aber viele
> Wahlkreise von Labour gewinnen müssen, ...
Nicht umbedingt. Es sind wohl vor allem LibDem-Wähler, die taktisch abstimmen.
Weil sie a) meist besser gebildet und politisch informiert sind und b) schon länger das Problem kennen, daß ihr Kandidat nicht gewinnen kann.

Für Labour-Wähler ist das meist anders. Die wählen halt, was sie immer gewählt haben. Sie sind daran gewöhnt, daß ihr Kandidat vielleicht dem Tory unterliegen kann. Aber nicht daran, daß ein Dritter mit ihrer Stimme den Tory besser schlagen kann als der eigene Labour-Kandidat.

> Tatsächlich haben sehr viele gerade nicht
> rational taktisch richtig gewählt. Womöglich
> waren sie allerdings der Meinung, taktisch
> richtig zu wählen.
Tja, das ist das Problem mit diesem Wahlrecht. Man muß überlegen, wie der Wahlkreis bisher gewählt hat, wie die Umfragen sind, und wie die anderen Wähler wohl auf diese Umfragen reagieren werden. Dreimal ums Eck gedacht kann leicht schief gehen.

> Die Mehrheit der Briten wählt (anders als in
> den USA), als ob es ein Verhältniswahlrecht
> gäbe, weswegen das Mehrheitswahlrecht dort
> besonders absurd ist.
Richtig. Besonders für ein Land wie UK, mit sehr vielen Parteien und großen regionalen Unterschieden ist diese archaische Wahlrecht völlig ungeeignet.

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