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Archiv bis 28. März 2010

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) » Archiv bis 28. März 2010 « Zurück Weiter »

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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. März 2010 - 20:10 Uhr:   

@Thomas Frings
Danke für den Hinweis, ich hatte die öffentlichen Bekanntmachungen der Kreiswahlleiter und der Landeswahlleiterin über die – und das fehlte – Sitzungen der Wahlausschüsse zur Zulassung der Kreiswahlvorschläge und Landeslisten gemeint. Das ist aber wahrscheinlich auch nicht richtig, da in diesen Bekanntmachungen gemäß § 21 Abs. 2 LWahlO – neben Ort und Zeit – zwar der Gegenstand der Beratungen der Beratungen genannt sein muss, der vermutlich auch allgemein als „Zulassung“ von Landeslisten und Kreiswahlvorschlägen umschrieben sein kann. Ich ändere das mal in meinem Beitrag, damit das hier nicht falsch stehen bleibt. Die Verkündung der Zulassungsentscheidungen und damit die der zur Wahl stehenden Wahlkreiskandidaten und Landeslisten ist spätestens 5 Tage später, also am 31. März 2010 (wenn man von möglichen Änderungen durch spätere Entscheidungen über Beschwerden absieht).
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 13:30 Uhr:   

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat die schwarzgelbe Regierung in NRW die Zulassungshürden zur LTW erheblich gesenkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Regierung das ohne Hintergedanken macht, andererseits kann ich auch nicht erkennen, was dieser sein könnte. Ob man von einem "Massenantritt" kleiner Parteien zu profitieren hofft? Aber wie sollte das gehen?
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 14:31 Uhr:   

Wie gesagt ist es eher unwahrscheinlich, dass die Regierung dabei überhaupt gedacht hat, abgesehn davon, dass es der Landtag beschlossen hat (bzw. eben nichts in dieser Beziehung beschlossen hat).
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 17:10 Uhr:   

@Migan
Wie oben schon diskutiert, handelt es sich um eine kaum beachtete Nebenwirkung der Einführung des Zwei-Stimmen-Wahlrechts. Die wurde übrigens auch mit Stimmen der Grünen beschlossen. Hintergedanken kann man ausschließen. Es ist ja auch nicht klar, wem es am meisten schadet. Ich persönlich vermute, dass es am ehesten der Linkspartei zum Nachteil gereicht.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 18:18 Uhr:   

Schaden wird die größere Konkurrenz vor allem den Kleinparteien, die auch eine höhere Hürde genommen hätten, also zumindest Piraten, Reps, NPD und ÖDP. Insbesondere die NPD könnte deshalb an der 1%-Hürde für die Parteienfinanzierung scheitern.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 20:34 Uhr:   

Verzeiht, aber so ganz blicke ich da noch immer nicht durch. Man hätte das alte Wahlrecht, also das Einstimmenwahlrecht, ja auch einfach belassen können. Ich meine, ich kann mir schlecht vorstellen, dass CDU und FDP sich sagen, hey, lasst uns doch einfach mal ein Zweistimmenwahlrecht einführen, damit die anderen, kleinen Parteien mehr Chancen haben. Aber irgendwas MÜSSEN die sich doch gedacht haben, sonst hätten sie es ja nicht gemacht. Oder sind sie von irgendeinem Gericht dazu verdonnert worden?
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 20:47 Uhr:   

Das Zweistimmenwahlrecht hat die FDP im Koalitionsvertrag durchgesetzt, weil die kleineren Parteien sich durch das Stimmensplitting Vorteile beim (wichtigen) Zweitstimmenergebnis versprechen. Dass man damit auch die Hürde für Kleinstparteien, in ganz NRW flächendeckend anzutreten, ganz erheblich absenkt, hat man entweder nicht bedacht oder als unwichtig erachtet. Es war sicherlich kein erwünschter Nebeneffekt.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. März 2010 - 22:03 Uhr:   

Die formale Begründung war vor allem die Harmonisierung mit dem Bundestagswahlrecht, was angeblich für Wähler, Parteien und die Wahlorganisation vorteilhaft ist. Womit jetzt aber das Kommunalwahlrecht abweicht (und auch abgewichen wäre, wenn die Koalition ihre Absichten zur Reform des Kommunalwahlrechts umgesetzt hätte bzw. dem entsprechenden Gesetzentwurf der Grünen zugestimmt hätte).

Außerdem war die "Trennung der Persönlichkeitswahl von der Wahl der Landesliste" (die nicht wirklich gegeben ist, sondern nur die Verbindung komplexer macht) das Ziel, was man effektiv als Umschreibung der erhofften Vorteile durch unverstandenes Stimmensplitting werten kann. Dass das die Hürde für flächendeckende Kandidatur (die auch schon für FDP und Grüne nicht ganz trivial ist) senkt, war explizit beabsichtigt, aber wohl nicht die Nebenwirkung bezüglich der Unterstützerunterschriften.

Beschlossen worden ist die Änderung mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimme des exgrünen Neulinken.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 26. März 2010 - 08:25 Uhr:   

@Ratinger Linke
"Wie gesagt ist es eher unwahrscheinlich, dass die Regierung dabei überhaupt gedacht hat, abgesehn davon, dass es der Landtag beschlossen hat (bzw. eben nichts in dieser Beziehung beschlossen hat)."

Ich bezweifele, daß ein Parlament etwas beschließt, was nicht der Absicht der Mehrheit der Abgeordneten entspricht. So blöd sind Abgeordnete nun auch nicht (ob des Beschlossene, dann das beabsichtigte Ziel erreicht, ist natürlich fraglich, eine Zielverfehlung des eigenen Handelns ist aber immer im Leben immer möglich und auch nicht immer vermeidbar).
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 26. März 2010 - 16:26 Uhr:   

Das ist doch nur eine Formulierungsfrage. Wenn man nicht weit genug denkt, wird man eben das generelle Ziel, nicht irgendwelche Nebenwirkungen zu verursachen, nicht erreichen.

Im Übrigen weiß die Mehrheit bei komplexeren Gesetzen in der Regel gar nicht, was sie im Detail beschließt, sondern vertraut auf die Experten in Fraktion und/oder Regierung. Bei Koalitionen oder sonstigen Kompromisspaketen ist es auch nicht ungewöhnlich, dass bewusst etwas beschlossen wird, was die Mehrheit nicht will.

Im konkreten Fall ist auch die mögliche Unterzuteilung beschlossen worden, die grundsätzlich sogar bekannt war, und bei der ziemlich fraglich ist, ob eine Mehrheit explizit eine Regel will, die nicht funktioniert. (Die prinzipielle Möglichkeit hat auch schon vorher existiert, aber mit Sainte-Laguë ist sie wesentlich praxisrelevanter geworden.)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 10:24 Uhr:   

Erstaunlich, wie viele Kreiswahlvorschläge eingereicht werden, obwohl die ja jetzt bei zwei Stimmen viel weniger wichtig sind. In Köln wurden gestern für die 7 Wahlkreise (es gibt einen gemeinsamen Kreiswahlausschuss) 64 Bewerber zugelassen, also im Schnitt 9,14 pro Wahlkreis (Minimum 7, Maximum 11). Nicht weniger als 22 Kreiswahlvorschläge wurden wegen zu wenig Unterschriften zurückwiesen.
http://www.stadt-koeln.de/1/wahlen/landtagswahl/2010/05505/
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 11:09 Uhr:   

@Migan
"Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat die schwarzgelbe Regierung in NRW die Zulassungshürden zur LTW erheblich gesenkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Regierung das ohne Hintergedanken macht, andererseits kann ich auch nicht erkennen, was dieser sein könnte. Ob man von einem "Massenantritt" kleiner Parteien zu profitieren hofft? Aber wie sollte das gehen?"

Dazu habe ich mir auch mal gedanken gemacht:
1. Wie schon gesagt, stellt es für FDP, Grüne und (vielleicht) Linke einen Vorteil dar, wenn sie nur auf Zweitstimmen bauen können. Das sind die Koalitionspartner der Großen Parteien, die "Königsmacher", wenn man so will. Daher überrascht es wenig, wenn auch die Großen Parteien ein Interesse daran haben, diese Kleinen zu erhalten. Sie (die kleinen) können oft ja schon als "ausgelagerte Parteiströumgen" verstanden werden, mit denen sich die Mutterpartei dann nicht intern herumschlage muss (ob das ein Vorteil ist, kann in Frage gestellt werden ("Volkspartei" als posivies Aushängeschild); man kann aber davon ausgehen, dass das zumindest einige Politiker so gesehen haben werden). Auf der anderen Seite haben diese "Minderströmungen" in ihrer Partei dann auch mehr Macht in Koalitionen. Die Mutterpartei kann immer darauf verweisen, dass sie das nur des Kompromis wegen tat und eigentlich ja doch zu den guten gehört.
2. NRW ist traditionell ein starkes SPD-Land. Stärkt die Schwarzgelbe Koalition also die "kleinen Parteien", sprich die Opposition, arbeitet sie damit auch für ihre eigene (zukünftige) Position.
3. Ich denke ausserdem, aber das kann ich nicht beweisen oder weiter plausibel machen, dass eine Stärkung der Kleinparteien in erster Linie auf Kosten der etablierten Linken vonstatten gehen muss. Bereits das bloße Zustandekommen der Schwarz-Gelben Koalition ist, glaube ich, der Bundespolitik der SPD geschuldet, die nun von einem großen Teil ihrer traditionellen Wähler abgewatschelt werden sollte. Sie hat selbst wohl keine Überzeugungskraft für die meisten Wähler. Selbst eingefleischte Zweckrationalisten rechnen eher mit einem Vorteil bei der SPD. Vielleicht haben das die Politiker der Koalition bei Änderung des Wahlrechts geahnt?

@Wilko Zicht
"Dass man damit auch die Hürde für Kleinstparteien, in ganz NRW flächendeckend anzutreten, ganz erheblich absenkt, hat man entweder nicht bedacht oder als unwichtig erachtet. Es war sicherlich kein erwünschter Nebeneffekt."

Die Konstruktion eines Wahlrechts mit nur einer Stimme, die aber Personal- und Listenwahlelemente verbindet ist doch schon sehr exotisch, oder nicht? Da ist das Splitting schon eine echte Verbesserung!

Was ist eigentlich gegen eine Verbesserung der Situation der Kleinstparteien zu sagen? Ist das nicht Teil der demokratischen Vielfalt?
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 12:01 Uhr:   

>Die Konstruktion eines Wahlrechts mit nur einer Stimme,
>die aber Personal- und Listenwahlelemente verbindet
>ist doch schon sehr exotisch, oder nicht?

Eigentlich nicht. Das Bundestagswahlrecht 1949 mit Wahlkreisen und Landeslisten sah auch nur eine Stimme vor. In einigen Bundesländern war es lange Zeit ebenso. Erst nach und nach haben die jeweils kleineren Koalitionspartner die Umstellung auf zwei Stimmen flächendeckend durchgesetzt. In Hessen beispielsweise geschah dies 1988, in Niedersachsen 1990.

>Was ist eigentlich gegen eine Verbesserung der Situation
>der Kleinstparteien zu sagen?

Nichts. Dass eine Partei bisher weit über hundert regional verteilte Direktkandidaten aufstellen musste, um überhaupt landesweit wählbar zu sein, war ein Unding. Es wäre aber wohl angemessen gewesen, die Unterschriftenhürde für die Landesliste im Zuge der Umstellung auf 2000 anzuheben. Das entspräche der Zahl, die in NRW für eine Landesliste bei Bundestagswahlen gesammelt werden muss.}
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Marco
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 15:17 Uhr:   

@Thomas Frings

Ich denke mal, durch einen Direktkandidaten hat eine kleine Partei vor Ort auch eine etwas größere Präsenz und erreichen so eine größere Aufmerksamkeit.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 17:47 Uhr:   

@Interessierter:
"Die Konstruktion eines Wahlrechts mit nur einer Stimme, die aber Personal- und Listenwahlelemente verbindet ist doch schon sehr exotisch, oder nicht?"

Unter der Prämisse einer Verhältniswahl ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man mit der Person immer auch deren Partei wählt. Im Grenzfall von Einerwahlkreisen, in denen pro Partei nur 1 Kandidat aufgestellt wird, ist es halt keine Personenwahl im Sinne einer Auswahl mehr.

Aus systematischer Sicht exotisch ist eher die Möglichkeit des deutschen Zweistimmenwahlrechts, die Zusammensetzung von Listen, die man nicht gewählt hat, in einer Weise zu beeinflussen, die selbst für den überdurchschnittlich kundigen Wähler praktisch kaum zu durchschauen ist. Eigentlich ist es schon bedenklich, wenn eine Liste von ihren Wählern im selben Wahlgang personalisiert wird, weil man dann nie weiß, was man eigentlich wählt, womit die Unmittelbarkeit der Wahl verletzt ist. Zu rechtfertigen ist das nur dadurch, dass die Personen innerhalb einer Liste im Prinzip völlig austauschbar sind, was wiederum eine Personalisierung unsinnig macht.

"Was ist eigentlich gegen eine Verbesserung der Situation der Kleinstparteien zu sagen? Ist das nicht Teil der demokratischen Vielfalt?"

Substanziell ist es keine Verbesserung, sondern nur Kosmetik. Wo es eine 5%-Hürde gibt und keine Möglichkeit, mithilfe von Alternativstimmen o.Ä. allmählich über sie hinaus zu wachsen, führt das Antreten von Kleinparteien nur zu einem höheren Anteil an entwerteten Stimmen und damit geringerer Partizipation. Für das Antreten von Kleinparteien spricht nur die Parteienfinanzierung, die einer neuen Partei u.U. das Überspringen der Hürde im zweiten Anlauf ermöglicht. Dann sollte das Zulassungsquorum aber immer noch so hoch sein, dass zumindest Kleinstparteien damit ausgeschlossen werden, die auch bei der Parteienfinanzierungshürde chancenlos sind.
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 18:19 Uhr:   

@Wilko Zicht
"Eigentlich nicht. Das Bundestagswahlrecht 1949 mit Wahlkreisen und Landeslisten sah auch nur eine Stimme vor. In einigen Bundesländern war es lange Zeit ebenso. Erst nach und nach haben die jeweils kleineren Koalitionspartner die Umstellung auf zwei Stimmen flächendeckend durchgesetzt. In Hessen beispielsweise geschah dies 1988, in Niedersachsen 1990."

Wie muss man sich das Vorstellen? Die Stimme, die man für den Kandidaten A abgibt war gleichzeitig auch eine für seine Parteiliste?

Nichts. Dass eine Partei bisher weit über hundert regional verteilte Direktkandidaten aufstellen musste, um überhaupt landesweit wählbar zu sein, war ein Unding. Es wäre aber wohl angemessen gewesen, die Unterschriftenhürde für die Landesliste im Zuge der Umstellung auf 2000 anzuheben. Das entspräche der Zahl, die in NRW für eine Landesliste bei Bundestagswahlen gesammelt werden muss.

Die Zahl der Unterschrifen, die für eine Landtagswahl gesammelt werden müssen sollte schon kleiner sein als die Zahl der Stimmen für eine Bundestagswahl. Eine höhere Hürde ist für eine Partei, die den ganzen Bund beeinflussen will, schon angebracht (auch wenn die Landeslisten auf diesselben sein sollten).}

@Marco
"Ich denke mal, durch einen Direktkandidaten hat eine kleine Partei vor Ort auch eine etwas größere Präsenz und erreichen so eine größere Aufmerksamkeit."

Wenn man das erzwingen will, könnte man auch gleich Personen- statt Listenwahlen abhalten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 27. März 2010 - 19:00 Uhr:   

@Interessierter
"Wie muss man sich das Vorstellen? Die Stimme, die man für den Kandidaten A abgibt war gleichzeitig auch eine für seine Parteiliste?"
Ja, ist in Baden-Württemberg und Bayern (dort bei beiden Stimmen) immer noch der Fall und kommt auch im Ausland oft vor. Bis Ende der 80er Jahre gab es nur in Bayern und (West-)Berlin zwei Stimmen. In Bayern hatten die Wähler 1950 erstmals zwei Stimmen, In Berlin 1979, in Niedersachsen 1990, in Hessen 1991, in Rheinland-Pfalz 1991 (hier gab es zuvor keine Einerwahlkreise) und in Schleswig-Holstein 2000.

"Die Zahl der Unterschrifen, die für eine Landtagswahl gesammelt werden müssen sollte schon kleiner sein als die Zahl der Stimmen für eine Bundestagswahl."
Bei einer Landtagswahl muß man unbedingt 5% im Land holen für Sitze über Landesliste, bei einer Bundestagswahl nicht.


@Marco
"Ich denke mal, durch einen Direktkandidaten hat eine kleine Partei vor Ort auch eine etwas größere Präsenz und erreichen so eine größere Aufmerksamkeit."
Ja sicher, auch wenn das nicht für alle Parteien gilt. Aber der Effekt dürfte zumeist kaum meßbar sein. Die meisten Wähler kennen doch noch nicht einmal den Namen ihres Wahlkreisabgeordneten. Bisher aber war der Druck viel größer, weil eine Partei ja nur da wählbar war, wo sie auch einen Direktkandidaten hatte.
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 28. März 2010 - 12:05 Uhr:   

@Ratinger Linke
"Aus systematischer Sicht exotisch ist eher die Möglichkeit des deutschen Zweistimmenwahlrechts, die Zusammensetzung von Listen, die man nicht gewählt hat, in einer Weise zu beeinflussen, die selbst für den überdurchschnittlich kundigen Wähler praktisch kaum zu durchschauen ist. Eigentlich ist es schon bedenklich, wenn eine Liste von ihren Wählern im selben Wahlgang personalisiert wird, weil man dann nie weiß, was man eigentlich wählt, womit die Unmittelbarkeit der Wahl verletzt ist. Zu rechtfertigen ist das nur dadurch, dass die Personen innerhalb einer Liste im Prinzip völlig austauschbar sind, was wiederum eine Personalisierung unsinnig macht."

Dem könnte man doch einfach durch eine andere Verrechnung (vielleicht auch ein Grabensystem, meines Erachtens liegt im heutigen Wahlsystem sogar schon so etwas vor, indem die Zweitstimme nicht mehr gezählt wird, wenn ein Unabhängiger durch Erststimme gewählt wurde) oder durch geschlossene Listen begegnen.

"Wo es eine 5%-Hürde gibt und keine Möglichkeit, mithilfe von Alternativstimmen o.Ä. allmählich über sie hinaus zu wachsen, führt das Antreten von Kleinparteien nur zu einem höheren Anteil an entwerteten Stimmen und damit geringerer Partizipation. Für das Antreten von Kleinparteien spricht nur die Parteienfinanzierung, die einer neuen Partei u.U. das Überspringen der Hürde im zweiten Anlauf ermöglicht. Dann sollte das Zulassungsquorum aber immer noch so hoch sein, dass zumindest Kleinstparteien damit ausgeschlossen werden, die auch bei der Parteienfinanzierungshürde chancenlos sind."

Das ist richtig, eine Sperrklausel sollte grundsätzlich nur dazu dienen, die natürliche Sperrklausel aufzurunden. Einen Extremfall einer hohen Sperrklausel kann man z. B. in Kasachstan bewundern: Trotz demokratischer Wahlen (obwohl ich nicht 100% informiert bin) ist nur eine einzige Partei im Parlament. Grund: Rekordsperrklausel von 25% über die verständlicherweise nur wenige Partein kommen, diesmal eben nur eine. Ein 2 Parteiensystem ist dabei die einzige realistische Alternative.

Die Sperrklausel von 5% ist dabei ideologisch felsenfest verwurzelt. Schon in der Geschichtsdidaktik ist dies so. So wird das Versagen der Weimarer Republik darauf zurück geführt, dass das damalige Wahlrecht zuviel Vielfalt zuließ und daher eine stabile Regierung unmöglich machte. Auch die große Machtposition des Reichspräsidenten wird als möglicher Grund genannt.
Dass die Niederländer seit ewigen Zeiten ohne solche Sperrklausel demokratisch sind und dass Frankreichs 5. Republik mit einem ebenso starken Präsidenten (und unter Minterand (ich hoffe, ich habs richtig geschrieben) sogar mit zusätzlich Verhältniswahlrecht) wunderbar auskommt, wird nicht erwähnt. Auch dass in den USA der (ebenenfalls sehr mächtige) Präsident oft grade der Minderheitspartei im Kongress angehört und das Lang trotzdem seit 300 Jahren stabil ist, kommt nicht vor. So wird dann der Anschein erweckt, die 5%-Klausel sei ein wichtiger Schutz der Demokratie, dessen Wegfallen undenkbar wäre.

@Thomas Frings
"Ja, ist in Baden-Württemberg und Bayern (dort bei beiden Stimmen) immer noch der Fall und kommt auch im Ausland oft vor. Bis Ende der 80er Jahre gab es nur in Bayern und (West-)Berlin zwei Stimmen. In Bayern hatten die Wähler 1950 erstmals zwei Stimmen, In Berlin 1979, in Niedersachsen 1990, in Hessen 1991, in Rheinland-Pfalz 1991 (hier gab es zuvor keine Einerwahlkreise) und in Schleswig-Holstein 2000."

Interessant. Bei allen Nachteilen und Kritikpunkten des Wahlrechts mit 2 Stimmen haben doch alle Länder dieses irgendwann eingeführt. Die Länder zogen dem Bund blind nach...

"Bei einer Landtagswahl muß man unbedingt 5% im Land holen für Sitze über Landesliste, bei einer Bundestagswahl nicht."

Das stimmt, aber eine Partei die sich zur BTW stellt, will die ganze Republik vertreten, nicht nur einen Gliedstaat.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 28. März 2010 - 13:19 Uhr:   

@ Ratinger Linke:

"führt das Antreten von Kleinparteien nur zu einem höheren Anteil an entwerteten Stimmen und damit geringerer Partizipation"

Entschuldige mal, aber ich finde es irgendwie unverschämt, bei Stimmen für Kleinstparteien von "entwerteten Stimmen" zu reden. Es bleibt ja wohl jedem selbst überlassen, wen und was er wählt, und wenn sich jemand dafür entscheidet, seine Stimme NICHT den Mittel- und Großparteien zu geben, sondern einer kleinen Partei, mit der er aus welchen Gründen auch immer sympathisiert, dann ist diese Stimme nicht "entwertet". Auch Sie können nicht wissen, welchen Effekt der Wähler mit dieser Stimmvergabe erzielen wollte.

Über die Legende von Weimar muss wohl nicht mehr ernsthaft diskutiert werden. Wenn es eine 5%-Hürde in Weimar gegeben hätte, hätte diese wohl eher gerade der NSDAP in die Hände gespielt.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 28. März 2010 - 17:52 Uhr:   

@Interessierter:

Wie sollte eine "andere Verrechnung" ausschauen? Solang es ein Verhältniswahlsystem ist, bedeutet die Verrechnung immer, dass die Wähler einer Partei die Sitze mitbezahlen müssen, die andere Wähler für diese Partei generieren (was nur funktioniert, solang es genügend zahlungsfähige Wähler der Partei gibt). Ansonsten läuft es immer auf ein Grabensystem hinaus oder auf eine mehr oder weniger lose Kopplung zweier Systeme, bei der man insgesamt auch nicht von einer Verhältniswahl sprechen kann (wie z.B. im Fall unausgeglichener Überhangmandate oder auch den Einzelbewerbern).

Eine Möglichkeit, nicht allzu weit vom Charakter einer Verhältniswahl abzuweichen, wär allerdings ein Grabensystem aus Verhältniswahl und STV in halbwegs großen Wahlkreisen (8er aufwärts). Die Sperrwirkung von STV wär zwar deutlich höher als die 5%-Hürde, aber dafür ist die Möglichkeit von Alternativstimmen eingebaut. Die hauptsächliche Verzerrung läge darin, dass STV der vielfachen Anwendung von D'Hondt entspricht.

Einstimmenwahlsysteme gibt es noch in Baden-Württemberg und im Saarland, bloß nicht mit Einerwahlkreisen plus Landeslisten. Bayern, Hamburg und Bremen weichen auch grundsätzlich vom Bundestagswahlsystem ab.

Für flächendeckende Kandidatur bei der Bundestagswahl sind ungefähr 28'000 Unterschriften nötig, die zudem passend auf die Bundesländer verteilt sein müssen, so dass das faktisch mindestens dem Doppelten entspricht.

@Migan:

Dass Stimmen an Kleinstparteien entwertet werden, ist eine Tatsache. Zweck der Wahl ist nicht eine Meinungsumfrage, sondern die Sitzverteilung. Der Vorwurf gilt nicht den Wählern, sondern dem Wahlsystem.

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