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Bewertung der OSZE zur BTW 2009

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2009 » Bewertung der OSZE zur BTW 2009 « Zurück Weiter »

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Saarländer
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 11:38 Uhr:   

Ich wollte mal nachfragen, wo es eigentlich den Bericht gibt von der OSZE nach ihren Beobachtungen bei der BTW 2009?
Spiegel Online hat dazu ein Forumsthema aufgemacht, habe aber keinen Bericht dazu finden können. Es wurde dort nur angedeutet, dass die OSZE hauptsächlich die Zulassung zur Wahl moniert hat.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 12:18 Uhr:   

Der Spiegel schreibt ja von "Analyse, die dem SPIEGEL vorliegt," sprich: Der Bericht ist noch nicht veröffentlicht, sondern der Spiegel hat ihn vorab irgendwie bekommen. Nachdem er für ungefähr 2 Monate nach der Wahl angekündigt war, wird er aber wohl die nächsten Tage auf http://www.osce.org/odihr-elections/39219.html erscheinen.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,666792,00.html
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Saarländer
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 12:23 Uhr:   

Ah, mit "Bericht" im zweiten Satz habe ich den Text von Spiegel gemeint, war missverständlich meinerseits. Aber anscheinend war ich vorhin genau zwischen Eröffnung des Forumsthemas und Veröffentlichung des Spiegel-Textes online gewesen. Danke für den Link.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 12:52 Uhr:   

Was der Spiegel kann, kann ich auch:

http://www.osce.org/item/42097.html
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 13:46 Uhr:   

@Ratinger Linke
Nach dem ersten Überfliegen ist der Bericht recht schwach, darin enthalten sind nur Mängel im deutschen Wahlrecht, die ohnehin diesmal in allen Medien kritisiert wurden. Etwa zur extrem langen Dauer und damit wirkungslosen Wahlprüfung habe ich nichts gefunden.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 18:56 Uhr:   

Der Bericht bemängelt schon Einiges, was nicht besonders diskutiert worden ist:

* Die Größendifferenz der Wahlkreise. Wobei das inkonsequent ist, weil der Bericht eigentlich die Länder als Wahlkreise bezeichnet, dazu aber keine Aussagen macht. Das mag daran liegen, dass die falsche Darstellung einer festen Sitzaufteilung auf die Länder (obwohl das Wahlsystem später richtig dargestellt wird) dem zitierten Wahlkodex des Europarats entsprechen würde.

Unerwähnt bleibt aber, dass ein Wahlkreis seine Repräsentation ganz verlieren kann, und auf die regional möglichst gleiche Repräsentation zielt die Forderung ja, nicht auf die Implikationen für Überhangmandate.

Die Forderung nach maximal 10-15 Prozent Abweichung ist übrigens für halbwegs reine Verhältniswahlen ziemlich hart, wenn man bedenkt, dass der Wahlkodex bei Mehrmandatswahlkreisen sogar von einer Minimierung der Abweichungen (abgesehn von der proportionalen Zuteilung) abrät, die dann bei kleineren Wahlkreisen wesentlich größer sein können.

* Das teilweise Ignorieren der Vorschläge der Wahlkreiskommission bzw. auch schon deren nicht konsequent genugen Vorschläge.

* Die Nachwahlen (wegen negativem Stimmengewicht). Wobei der Vorschlag halber Nachwahlen (nur Erststimmenwahl) unnötig halbherzig ist.

* Die zu kurze Frist für die Einsichtnahme in die Wählerverzeichnisse.

* Die Intransparenz der Wahlkampffinanzierung (konkret die späte Veröffentlichung der jährlichen Finanzberichte der Parteien). Wobei den Erwartungen das übliche Konzept von Wahlkampf zugrundegelegt wird, das in Deutschland nicht existiert. Hier ist konzeptionell (über die kontinuierliche Parteienfinanzierung) und tatsächlich immer Wahlkampf.

* Die intransparente Aufteilung der Sendezeiten für Wahlkampfspots (praktisch entspricht sie der Quadratwurzeln der Zweitstimmen 2005 mit einer Mindestsendezeit).

* Die Erfordernis von 100 Beitritten bei Wahlprüfungsbeschwerden (neben der breiter diskutierten Möglichkeit von gerichtlichen Einsprüchen vor der Wahl).

* Die fehlende formale Zulassung von Wahlbeobachtern.

* Die fehlende Zählung und Niederschrift von erhaltenen, ausgegebenen und übrigen Stimmzetteln durch die Wahlvorstände.

* Missbrauchsmöglichkeiten bei der Briefwahl.

Die Kritik an der Parteienzulassung bezieht sich eigentlich nur darauf, dass klarere gesetzliche Kriterien gefordert werden. Der Interessenkonflikt im Bundeswahlausschuss wird zwar genannt, aber nicht kritisiert (die Alternativen sind auch nicht unbedingt überzeugend).

Die lange dauernde Wahlprüfung wird schon genannt, aber nicht explizit kritisiert:

"It is recognized that the resolution of post-election complaints by the ESB and FCC in most cases requires considerable time."
mit Fußnote
"The OSCE/ODIHR EAM was informed that it had taken two to four years for the ESB and FCC to take decisions on all complaints and appeals filed in some previous elections."

Das negative Stimmengewicht und Überhangmandate im Allgemeinen scheinen die Verfasser nicht ganz komplett verstanden zu haben.

Interessant diese Aussage:

"In most cases, upon entering the polling station, voters were asked for their official identification documents and notification slips. However, certain instances of voters being allowed to vote without presenting identification documents were observed and reported to the OSCE/ODIHR EAM."

Hat man die hauptsächlich in ausgewählte Vorzeigewahllokale geschickt? Wobei es ja keine flächendeckende Beobachtung der eigentlichen Wahl war, sondern nur ein paar Stichproben.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Dezember 2009 - 23:19 Uhr:   

Die OSZE sollte ihre Kapazitäten besser auf die Wahlbeobachtung in Ländern konzentrieren, in denen Wahlbeobachtung wirklich nötig und erforderlich ist. Man darf nicht vergessen, dass dieser "Spaß" auch Geld kostet. Gab es eigentlich bei der umstrittenen rumänischen Präsidentschaftswahl OSZE-Beobachter? Russland läßt ja keine mehr rein.
Aufgrund dessen ist die OSZE nun offenbar unterfordert und vergeudet ihre Ressourcen für Wahlbeobachtung in Staaten, in denen dies nicht erforderlich ist. Vielleicht sollte man das Budget der OSZE reduzieren. Diese Organisation ist ohnehin so gut wie überflüssig. Die Erwartungen die man 1990 in sie gesetzt hat, hat sie nicht erfüllt. Man sollte besser Fragen der Menschenrechte und der Demokratie allgemein im Rahmen des Europarats behandeln. Da wären sie ohnehin besser aufgehoben.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 10:43 Uhr:   

Die gelegentliche Begutachtung von Wahlen in länger etablierten Demokratien ist ja keine Wahlbeobachtung im eigentlichen Sinn. Ich halte das schon für sinnvoll, insbesondere was Verbesserungsmöglichkeiten jenseits von echten Wahlfehlern anbelangt. Die Kosten sind im Verhältnis zu den Gesamtkosten einer Wahl minimal.

Wobei die Bedeutung von Wahlen generell überschätzt wird. Solang sie nicht im großen Stil manipuliert werden, sind das Wahlsystem und das politische System allgemein wesentlich bedeutender für die letztliche Wirkung.

In Rumänien waren Wahlbeobachter der OSZE, aber nicht flächendeckend:

http://www.osce.org/odihr-elections/40765.html

(Der vorläufige Bericht vom Tag nach der Stichwahl ist momentan offenbar nicht vorhanden, aber im Google-Cache zu finden.)
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Kay Karpinsky
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 15:59 Uhr:   

"certain instances of voters being allowed to vote without presenting identification documents were observed..."

In vielen Wahllokalen gibt es langjähriges und eingespieltes Helferpersonal, dem ein Großteil der regelmäßigen Wählerinnen und Wähler des Bezirks auch gesichtsbekannt ist. Manche der erwähnten Kritikpunkte wirken schon überbewertet, aber es ist schon interessant, was bei so einer Beobachtung von außen herauskommt.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 17:22 Uhr:   

In Großstädten (und die Beobachter waren ausschließlich in Großstädten (Berlin, München, Rostock, Dresden, Saarbrücken und Trier)) ist es aber eher selten, dass Wähler dem Wahlvorstand persönlich bekannt sind. Trotzdem wird in der Regel die Identität nicht geprüft.

Die Kritik ist generell sehr vorsichtig formuliert. Die Empfehlungen beginnen in der Regel mit "consideration could be given ...". Nur bei 5 Punkten steht statt dem "could" ein "should":

* Klarere Kriterien für die Zulassung der Parteien
* Möglichkeit von Wahlprüfungsbeschwerden für einen einzelnen Wähler
* Rechtsweg gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschuss schon vor der Wahl
* Ausdrückliche Regelung des Status von Wahlbeobachtern
* Überprüfung, ob die Briefwahl angemessene Sicherheit gegen Missbrauch bietet
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 18:25 Uhr:   

"certain instances of voters being allowed to vote without presenting identification documents were observed..."

Das steht ja auch leider nicht im Widerspruch zur Rechtslage. Von daher ist Überraschung unverständlich. Die Wähler sind übrigens außerhalb Deutschlands keineswegs durchweg verpflichtet, sich auszuweisen. Hier mal die Gesetzestexte im Original oder in englischer Übersetzung.

Deutschland (BWO)
(3) Danach tritt der Wähler an den Tisch des Wahlvorstandes und gibt seine Wahlbenachrichtigung ab. Auf Verlangen, insbesondere wenn er seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt, hat er sich über seine Person auszuweisen.
(4) Sobald der Schriftführer den Namen des Wählers im Wählerverzeichnis gefunden hat, die Wahlberechtigung festgestellt ist und kein Anlass zur Zurückweisung des Wählers nach den Absätzen 6 und 7 besteht, gibt der Wahlvorsteher die Wahlurne frei. [...]



Frankreich
Article L62 A son entrée dans la salle du scrutin, l'électeur, après avoir fait constater son identité suivant les règles et usages établis ou après avoir fait la preuve de son droit de voter par la production d'une décision du juge du tribunal d'instance ordonnant son inscription ou d'un arrêt de la Cour de cassation annulant un jugement qui aurait prononcé sa radiation, prend, lui-même, une enveloppe.


Österreich
§ 67.
(1) Jeder Wähler tritt vor die Wahlbehörde, nennt seinen Namen, gibt seine Wohnadresse an und legt eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vor, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist.
(2) Als Urkunden oder amtliche Bescheinigungen zur Feststellung der Identität kommen insbesondere in Betracht: Personalausweise, Pässe und Führerscheine, überhaupt alle amtlichen Lichtbildausweise.
(3) Besitzt der Wähler eine Urkunde oder Bescheinigung der in Abs. 2 bezeichneten Art nicht, so ist er dennoch zur Abstimmung zuzulassen, wenn er der Mehrheit der Mitglieder der Wahlbehörde persönlich bekannt ist und keine Einsprache gemäß § 71 Abs. 1 erhoben wird. Dieser Umstand ist in der Niederschrift über den Wahlvorgang ausdrücklich zu vermerken.



Dänemark
47.-(1) The right to vote is exercised by personal appearance at the polling station. Before voting a voter must turn over his poll card to the keeper of the electoral register. Where a voter has omitted to bring his poll card a new one shall be written out. Upon request the voter shall give his name, address and date of birth. In case of doubt about the identity of a voter, the identity must be proven, if necessary through production of documentation thereof. Then, and after the keeper of the electoral register has ticked off the voter's name in the electoral register, the voter is handed a ballot paper.


Schweden
A voter who is not known to the voting clerks shall produce an identity document or in another way verify her or his identity.


Belgien
Naarmate de kiezers zich aanmelden, voorzien van hun oproepingsbrief en hun identiteitskaart, houdt de secretaris aantekening van hun naam op de afroepingslijst; de voorzitter of een door hem aangewezen bijzitter doet hetzelfde op een andere lijst van de kiezers der stemafdeling, na zich te hebben vergewist dat de opgaven van de lijst overeenstemmen met de vermeldigen van de oproepingsbrief en van de identiteitskaart. De namen van de kiezers die niet ingeschreven zijn op de kiezerslijst van de stemafdeling maar door het stembureau tot de stemming zijn toegelaten, worden op beide lijsten ingeschreven.

A mesure que les électeurs se présentent, munis de leur lettre de convocation et de leur carte d'identité, le secrétaire pointe leur nom sur la liste d'appel ; le président ou un assesseur qu'il désigne agit de même sur une autre liste des électeurs de la section, après vérification de la concordance des énonciations de la liste avec les mentions de la letter de convocation et de la carte d'identité. Les noms des électeurs non inscrits sur la liste électorale de la section, mais admis au vote par le bureau sont inscrits sur l'une et l'autre liste.


Niederlande, jetzige Fassung
Artikel J 24
1. Tot de stemming wordt slechts toegelaten degene die bevoegd is aan de verkiezing deel te nemen, voor zover hij in het bezit is van de hem toegezonden of ingevolge artikel J 8 uitgereikte oproepingskaart, dan wel een kiezerspas of een volmachtbewijs.
2. De voorzitter van het stembureau kan, alvorens iemand tot de stemming toe te laten, verlangen dat hij van zijn identiteit doet blijken.


Niederlande, gültig ab 1.1.2010
Artikel J 24
1. Tot de stemming wordt slechts toegelaten de kiezer die bevoegd is aan de verkiezing deel te nemen, voor zover:
a. de voorzitter van het stembureau de identiteit van de kiezer heeft vastgesteld aan de hand van een document als bedoeld in artikel 1 van de Wet op de identificatieplicht;
b. de kiezer in het bezit is van de hem toegezonden of ingevolge artikel J 8 uitgereikte stempas, dan wel een kiezerspas of een volmachtbewijs.
2. De in het eerste lid, onder a, bedoelde vaststelling van de identiteit kan ook geschieden aan de hand van een kopie van het proces-verbaal dat van een vermissing van het document op ambtseed is opgemaakt door een opsporingsambtenaar van de Nederlandse, onderscheidenlijk de Nederlands-Antilliaanse of de Arubaanse politie, in combinatie met een document van de kiesgerechtigde op diens naam en voorzien van zijn foto.
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Helferin
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 18:25 Uhr:   

@ Ratinger Linke

"In Großstädten (und die Beobachter waren ausschließlich in Großstädten (Berlin, München, Rostock, Dresden, Saarbrücken und Trier)) ist es aber eher selten, dass Wähler dem Wahlvorstand persönlich bekannt sind."

Ich war in einer Großstadt Wahlhelferin in meinem eigenen Wahllokal und von den ca. 650 Wählerinnen und Wählern war mir mehr als die Hälfte von Ansehen und Namen her bekannt.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 20:03 Uhr:   

"*Klarere Kriterien für die Zulassung der Parteien"

Die Kriterien ergeben sich aus dem Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung. In § 27 BWG ist auch die Mindestzahl der Unterstützungsunterschriften genannt.

"* Möglichkeit von Wahlprüfungsbeschwerden für einen einzelnen Wähler"

Ein solches Recht würde Querulantentum Tür und Tor öffnen. Die Voraussetzungen 100 Personen für eine Klage zusammenzubekommen sind in einem 60 Millionen Wahlberechtigten zählenden Land auch nicht übermäßig hoch. Die Kritik ist daher unbegründet.

"* Rechtsweg gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschuss schon vor der Wahl"

Ein solcher Rechtsweg ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Man könnte aber der Auffassung sein, dass in diesem Fall eine Verfassungsbeschwerde zulässig sein könnte. Diese könnte etwa auf Art. 2 I GG verbunden mit dem Rechtsstaatsprinzip gestützt werden. Es wäre eine Aufgabe im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung Parteien die nicht zugelassen wurden diese Möglichkeit zu eröffnen.

"* Ausdrückliche Regelung des Status von Wahlbeobachtern"

Dieser Kritikpunkt ist begründet. Bislang waren solche Regelungen aber mangels Wahlbeobachtung auch nicht erforderlich.

"* Überprüfung, ob die Briefwahl angemessene Sicherheit gegen Missbrauch biete"

Diffuser Kritikpunkt. Die Briefwähler versichern durch Unterschrift die Wahlunterlagen selbst ausgefüllt zu haben. Weitere Sicherungen sind kaum vorstellbar, wenn man nicht vorschlägt die Briefwahl abzuschaffen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 20:28 Uhr:   

""*Klarere Kriterien für die Zulassung der Parteien"

Die Kriterien ergeben sich aus dem Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung. In § 27 BWG ist auch die Mindestzahl der Unterstützungsunterschriften genannt."
Gemeint ist die Feststellung der Parteieigenschaft. Die ist nun wirklich kritikwürdig. Da man bei der Europawahl und auch in einigen Ländern bei der Landtagswahl (u.a. NRW, BW, Hessen) ohne auskommt, ist nicht einsichtig, warum man so eine fragwürdige Regelung im Bundeswahlgesetz braucht, noch dazu ohne Rechtsweg vor der Wahl.



""* Rechtsweg gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschuss schon vor der Wahl"

Ein solcher Rechtsweg ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Man könnte aber der Auffassung sein, dass in diesem Fall eine Verfassungsbeschwerde zulässig sein könnte."
Das BVerfG war da bisher anderer Auffassung.


""* Möglichkeit von Wahlprüfungsbeschwerden für einen einzelnen Wähler"

Ein solches Recht würde Querulantentum Tür und Tor öffnen."
Da hat Ratinger Linke unpräzise formuliert. Diese Möglichkeit hat jeder Wähler. Die 100 Unterschriften braucht man für eine Klage gegen die Zurückweisung der Beschwerde beim BVerfG.


""* Ausdrückliche Regelung des Status von Wahlbeobachtern"

Dieser Kritikpunkt ist begründet. Bislang waren solche Regelungen aber mangels Wahlbeobachtung auch nicht erforderlich."
Da die Wahlhandlung öffentlich ist, kann grundsätzlich jeder den Ablauf der Wahl im Wahllokal und die Stimmauszählung beobachten, egal ob und wo man wahlberechtigt ist. Insoweit braucht es da keine Regelung. Eventuelle Nachzählungen dürfen aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden, wie das BVerfG bestätigt hat (Wilko hatte neben dem negativen Stimmgewicht auch deswegen geklagt).


"Die Briefwähler versichern durch Unterschrift die Wahlunterlagen selbst ausgefüllt zu haben. Weitere Sicherungen sind kaum vorstellbar, wenn man nicht vorschlägt die Briefwahl abzuschaffen."
Zustimmung
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 20:41 Uhr:   

@Thomas Frings,

""* Rechtsweg gegen Entscheidungen des Bundeswahlausschuss schon vor der Wahl"

Ein solcher Rechtsweg ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Man könnte aber der Auffassung sein, dass in diesem Fall eine Verfassungsbeschwerde zulässig sein könnte."
Das BVerfG war da bisher anderer Auffassung."

Vielleicht überdenkt das BVerfG seine Haltung dazu ja nochmal - gerade nach diesen Bericht.
Es gibt keine zwingenden Gründe hier keinen Rechtsweg vor das Bundesverfassungsgericht zu eröffnen. Die Entscheidung des Wahlleiters ist ein Akt der öffentlichen Gewalt. Parteien sind juristische Personen und können sich auf die Grundrechte berufen, soweit sie ihrem Wesen entsprechen. Von daher sehe ich keinen Grund der betroffenen Partei hier nicht die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde zu eröffnen..
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 22:23 Uhr:   

Das mit der Wahlprüfungsbeschwerde war schon exakt formuliert. Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestags, eine eventuelle Beschwerde geht an das Bundesverfassungsgericht (Art. 41 GG). Unexakt formuliert war dagegen in der Tat die "Zulassung der Parteien" statt "Feststellung der Parteieigenschaft".

Übrigens ist die Wahlprüfung im Bericht der OSZE nicht ganz richtig dargestellt. Offenbar gehen sie davon aus, dass der Wahlprüfungsausschuss nur vom Bundestag gewählt wird und nicht (unbedingt) aus MdBs besteht, und außerdem selber entscheiden kann.

Wenn man die Parteieigenschaft nicht feststellt, verschiebt man das Problem u.U. nur auf die Frage der Parteienfinanzierung. Trotzdem würde ich das bevorzugen, dann nur die strukturellen Anforderungen überprüfen und quantitative Forderungen streichen. Stattdessen sollte das Zulassungsquorum markant erhöht werden (wofür man wohl das Grundgesetz ändern muss, wenn man kein Problem mit dem Bundesverfassungsgericht bekommen will).

Wenn man für Volksinitiativen 5-25 % der Stimmberechtigten für angemessen hält, wären es bei Wahlen mit 5%-Hürde konsequenterweise 0,5-2,5 % (und zwar bundesweit, weil auch die Sperrklausel bundesweit gilt). Parteien, die dieses Quorum schaffen können, wird die mediale Aufmerksamkeit dabei auch helfen, tatsächlich die 5% bei der Wahl zu erreichen.

Einen Rechtsweg vor der Wahl zu eröffnen, ist Aufgabe des Bundestags. Gerichte sollten nur dann legislativ tätig werden, wenn der eigentliche Gesetzgeber völlig versagt.

Bei der Wahlbeobachtung sieht die OSZE das Problem, dass erstens die Öffentlichkeit nirgends definiert ist, zweitens sich offenbar nicht auf alle Phasen der Wahl bezieht und drittens auch dadurch eingeschränkt ist, dass sie im Konflikt mit Datenschutzbestimmungen steht.

Bei der Briefwahl gibt es schon diverse Möglichkeiten, sie einzuschränken. Gerade ist ja erst das Umgekehrte praktiziert worden. Eine Abschaffung könnte auch weiter die vorgezogene Wahl bei den entsprechenden Behörden ermöglichen (plus Sonderregeln für Leute mit eingeschränkter Mobilität).

Allmählich kommt der Briefwahlanteil in Größenordnungen, wo es sinnlos wird, überhaupt noch eine Urnenwahl durchzuführen. Bundesweit waren es 2009 (vorläufig) 21,4% (bisheriges Maximum 2005 18,7%), in Hamburg 29,0% und in Bayern 29,1%, darunter München mit 34,3%, und dort der Stadtbezirk 1 (Altstadt/Lehel) 40,7%. In einzelnen Wahlbezirken werden es demnächst wohl mehr als 50% sein.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Dezember 2009 - 23:37 Uhr:   

"Wenn man die Parteieigenschaft nicht feststellt, verschiebt man das Problem u.U. nur auf die Frage der Parteienfinanzierung."
Da kann man aber ohne Zeitdruck entscheiden..

Ich sehe im übrigen den Zusammenhang zwischen Feststellung der Parteieigenschaft und der Unterschriftenhürde nicht so ganz. Wer heute bundesweit kandidieren will, der muss immerhin knapp 30000 Unterschriften sammeln. Das geht ohne ein Mindestmaß an Organisation nicht. Wenn es da überhaupt Handlungsbedarf gibt, dann nicht wegen der Zahl, sondern wegen wiederholt vorgekommenen Fälschungsversuchen und Unterschriftensammlung unter einem Vorwand (wobei man natürlich schon hingucken sollte, wo man unterschreibt).

"Bei der Briefwahl gibt es schon diverse Möglichkeiten, sie einzuschränken. Gerade ist ja erst das Umgekehrte praktiziert worden."
Nein, nicht ohne großen bürokratischen Aufwand. Man doch schlecht in kürzester Zeit millionenfach restriktive Antragsvorraussetzung wirklich prüfen.


"Eine Abschaffung könnte auch weiter die vorgezogene Wahl bei den entsprechenden Behörden ermöglichen (plus Sonderregeln für Leute mit eingeschränkter Mobilität)."
Das ist im Prinzip bereits jetzt möglich, da man Briefwahlunterlagen persönlich abholen und gleich an Ort und Stelle ausfüllen und abgeben kann. So etwas in die Richtung ist tatsächlich die einzig praktikable Möglichkeit, die Briefwahl zu ersetzen.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Dezember 2009 - 00:41 Uhr:   

@Thomas Frings:
"Wer heute bundesweit kandidieren will, der muss immerhin knapp 30000 Unterschriften sammeln."

Die Mehrzahl will das aber gar nicht, und für die sind die Parteikriterien schon relevant. Aber ein Zulassungsquorum in der genannten Größenordnung würde natürlich nicht nur die ersetzen (dafür würden 30000 bundesweite Unterschriften wohl reichen), sondern eine zusätzliche Hürde bedeuten, die aber sinnvoll ist.

Momentan kandidieren viel zu viele Parteien, deren Maximalziel bestenfalls die Parteienfinanzierung ist (die man an die Erreichung eines Teils des Zulassungsquorums koppeln könnte). Beim jetzigen Wahlrecht ist die Zahl der Parteien zwar kein größeres Problem, bei manchen potenziellen Verbesserungen aber durchaus. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Parteien kandidieren können sollten, die nicht ernsthaft ein Mandat über die Liste anstreben.

Parteien mit ernsthaften Ambitionen würde so ein Quorum wie gesagt eher nützen. Die Piraten hätten ein Quorum von einem halben oder auch ganzen Prozent durchaus schaffen können, und mit diesem Erfolg im Rücken ihr Wahlergebnis wahrscheinlich verdoppelt.

Bei der Briefwahl ist bisher auch nichts geprüft worden. Trotzdem hat die (rudimentäre) Begründungspflicht manchen abgeschreckt (Nachteil war andererseits, dass der Ehrliche der Dumme war). Wenn man die Briefwahl sehr stark einschränkt und ansonsten auf persönlicher (vorgezogener) Wahl besteht, kann man die (nun deutlich objektiveren) Begründungen aber auch tatsächlich prüfen.

Dass die vorgezogene persönliche Wahl in der Regel (Sollvorschrift in der BWO) möglich ist, ist mir bekannt, aber wenn sie die Briefwahl ersetzen soll, müssten mindestens großzügige Öffnungszeiten garantiert werden.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Dezember 2009 - 22:27 Uhr:   

Übrigens gibt es schon mindestens eine Gemeinde, bei der die Briefwähler in der Mehrheit sind: In Rottach-Egern waren es 51,2% bei 75,6% Wahlbeteiligung (2005 hat Rottach-Egern mit 41,6% bayernweit den höchsten Briefwähleranteil gehabt; die Statistik für 2009 kommt erst im März raus). Die absoluten Zahlen sind 4453 Wahlberechtigte, 3366 Wähler, 1723 Briefwähler.

Daten (Wahlkreis 224 Starnberg) gibts auf http://www.lk-starnberg.de/index.phtml?mNavID=613.1370&sNavID=613.1370&La=1
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 01:40 Uhr:   

@Ratinger Linke,

"Einen Rechtsweg vor der Wahl zu eröffnen, ist Aufgabe des Bundestags. Gerichte sollten nur dann legislativ tätig werden, wenn der eigentliche Gesetzgeber völlig versagt."

Gerichte sollten grds. gar nicht gesetzgeberisch tätig sein. Das wäre auch nicht Gegenstand eine Beschwerde, sondern eine Rechtsverletzung durch den Wahlprüfungsausschuss. Neben geschriebenen Recht - Verletzung der Bundeswahlordnung oder Verfassungsgrundsätzen - könnte auch die ständige Praxis des Bundeswahlleiters zum Entstehen von Gewohnheitsrecht geführt haben. Von diesem dürfte dann auch nicht einfach abgewichen werden. Die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung auch schon vor der Wahl erscheint mir durchaus angezeigt. Wenn sich das Bundesverfassungsgericht Zeit nimmt um die Verfassungsmäßigkeit des Verbots des Reitens im Walde oder des Taubenfütterns im Park nimmt, sollte dafür auch Zeit sein. Der richterliche Prüfungsumfang ist dabei auf die Rechtmäßigkeit beschränkt.
Von daher dürfte in der Praxis weitgehend immer die Entscheidung des Bundeswahlleiters Bestand haben. Fast alle Verfassungsbeschwerden werden ja als unbegründet zurückgewisen. Die tatsächliche Lage und die mediale Wahrnehmung fallen da oft auseinander...
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 03:23 Uhr:   

§ 49 BWG schließt einen Rechtsweg vor der Wahl explizit aus, und das Bundesverfassungsgericht hat ja auch keinen Zweifel daran gelassen, dass es das für verfassungsgemäß hält. Ganz im Gegenteil deutet der Bezug auf den "Willen des Verfassungsgebers" darauf hin, dass für einen Rechtsweg vor der Wahl unter Umgehung des Bundestags womöglich erst Art. 41 GG geändert werden muss.

Im Übrigen entscheidet nicht der Bundeswahlleiter, sondern der Bundeswahlausschuss (wenngleich da der Bundeswahlleiter eineinhalb Stimmen hat und der Rest von ihm berufen wird (womit es sich seltsamerweise um ein reines Regierungsgremium handelt)).
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 15:28 Uhr:   

Ich halte das nicht für eindeutig. § 49 BWG könnte auch im Wege der teleologischen Redutktion auf den konkreten Wahlvorgang bezogen werden.
Die Zulassung der Parteien zur Bundestagswahl wäre bei dieser Auslegung nur mittelbar auf das Wahlverfahren bezogen und damit vom Ausschluss des § 49 BWG nicht erfasst.
Hier keinen Rechtsweg zuzulassen könnte im übrigen gegen Art. 19 IV 1 GG verstoßen, der das Gebot des effektiven Rechtsschutzes als Grundrecht festschreibt. Die anderslautende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ist nicht zwingend und aus rechtspolitischen Gründe eher bedenklich. Fehler die bei der Wahl selbst passieren können logischerweise auch erst nach der Wahl angefochten und ggf. behoben werden. In diesem Fall ist gemäß Art. 41 GG zunächst der Bundestag zur Wahlprüfung berufen.
Bei Fehlern vor der Wahl ist hingegen eine Behebung noch möglich. Durch einen effektiven Rechtsschutz kann in diesem Fall ggf. verhindert werden, dass es überhaupt zu einem Wahlfehler in der Folge kommt, der dann im Wege der Wahlprüfung vor dem Bundestag gemäß Art. 41 GG geltend zu machen ist.
Art 41 GG bezieht sich mithin nur auf die Zeit nach der Wahl - da dann erst festeht, ob üherhaupt ein Wahlfehler vorliegt.
Aus ihm einen Ausschluss der Rechtsweges vor der Wahl abzuleiten erscheint mir fernliegend.
Dies ergibt sich aus einer - nicht unbedingt zwingenden - Auslegung des Bundeswahlgesetz, die allerdings mit Blick auf Art. 19 IV 1 GG bedenklich ist.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 21:18 Uhr:   

@Ratinger Linke
"Die Mehrzahl will das aber gar nicht, und für die sind die Parteikriterien schon relevant."
Warum soll die Mehrheit der Parteien denn nicht bundesweit kandidieren wollen???


"Momentan kandidieren viel zu viele Parteien, deren Maximalziel bestenfalls die Parteienfinanzierung ist (die man an die Erreichung eines Teils des Zulassungsquorums koppeln könnte)."
Welche Parteien überflüssig sind, sollte man dem Wähler überlassen. Außerdem gibt es nur einen schwachen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, ein Unterschriftenquorum zu überwinden, und dem Wahlergebnis. Diverse Sekten (insbesondere K-Gruppen und BüSo) können trotz minimaler Wählerschaft erstaunlich viele Unterstützungsunterschriften auftreiben, andererseits gibt es Parteien mit gewissem Potential für nennenswerte Ergebnisse, die öfter am Unterschriftenquorum scheitern. Bei der BTW kandidierte die MLPD in allen Bundesländern und bekam nur 29261 Stimmen, in 10 Ländern sogar weniger als sie Unterstützungsunterschriften brauchte. Dagegen holte "Familie" in nur vier Ländern 120718 Stimmen und Tierschutz in sechs Ländern 230872 Stimmen.


"Parteien mit ernsthaften Ambitionen würde so ein Quorum wie gesagt eher nützen. Die Piraten hätten ein Quorum von einem halben oder auch ganzen Prozent durchaus schaffen können, und mit diesem Erfolg im Rücken ihr Wahlergebnis wahrscheinlich verdoppelt."
Ein Prozent der Wahlberechtigten wären über zwei Drittel ihrer tatsächlichen Stimmenzahl. Die hätten sie nie zusammenbekommen. Sie sind in Sachsen übrigens an der bestehenden Unterschriftenhürde gescheitert. Schon die 1000 Unterschriften für die LTW (also die Hälfte des Quorums für die BTW) schafften sie nach eigener Aussage nur knapp.


"Bei der Briefwahl ist bisher auch nichts geprüft worden. Trotzdem hat die (rudimentäre) Begründungspflicht manchen abgeschreckt (Nachteil war andererseits, dass der Ehrliche der Dumme war). Wenn man die Briefwahl sehr stark einschränkt und ansonsten auf persönlicher (vorgezogener) Wahl besteht, kann man die (nun deutlich objektiveren) Begründungen aber auch tatsächlich prüfen."
Sehr stark einzuschränken heißt im Klartext, Millionen Urlauber vom Wählen abzuhalten. Und auch bei sehr restriktiven Kriterien wird eine Prüfung schwierig. Was wären z.B. zwingende berufliche Gründe? Und aus einem Schwerbehindertenausweis allein läßt sich nicht ableiten, wie schwierig der Zugang zum Wahllokal für diese Person wirklich ist. Das gibt nur Schikane für die Bürger, großen bürokratischen Aufwand und das auch noch völlig sinnlos. Denn die Mißbrauchsgefahr ist doch nicht bei den Wahlberechtigten am größten, die im Urlaub oder übers Wochenende anderweitig unterwegs sind, sondern bei alten Wählern. Gerade die würden aber bei restriktiven Kriterien noch am ehesten per Brief wählen dürften.


"Dass die vorgezogene persönliche Wahl in der Regel (Sollvorschrift in der BWO) möglich ist, ist mir bekannt, aber wenn sie die Briefwahl ersetzen soll, müssten mindestens großzügige Öffnungszeiten garantiert werden."
Es versteht sich von selbst, dass angesichts der oft wenig bürgerfreundlichen Öffnungszeiten vieler Gemeindeverwaltungen besonders in kleineren Kommunen gewisse Mindestöffnungszeiten bestimmt werden müssten.


"Ganz im Gegenteil deutet der Bezug auf den "Willen des Verfassungsgebers" darauf hin, dass für einen Rechtsweg vor der Wahl unter Umgehung des Bundestags womöglich erst Art. 41 GG geändert werden muss. "
Klar ist, es gibt keinen Rechtsweg vor der Wahl und das BVerfG hat nichts dagegen einzuwenden. Aber Art. 41 ist m.E. nicht so zu verstehen, dass jeder Rechtsweg vor der Wahl verfassungswidrig wäre. Er besagt nur, dass der Bundestag selbst nach der Wahl über die Gültigkeit seiner Wahl entscheidet mit dem BVerfG als Berufungsinstanz und alle anderen Gerichte hier außen vor sind.
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Sachse
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 22:18 Uhr:   

@Thomas Frings
Die Piraten sind in Sachsen gar nicht erst zur Bundestagswahl angetreten, d.h. es wurde keine Liste aufgestellt, für die man hätte Unterschriften sammeln können. 2000 Unterschriften ist etwas, was die NRW Piraten inzwischen an einem Wochenende sammeln können und wegen der dortigen Formularpanne auch mußten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 22:43 Uhr:   

@Sachse
"Die Piraten sind in Sachsen gar nicht erst zur Bundestagswahl angetreten, d.h. es wurde keine Liste aufgestellt, für die man hätte Unterschriften sammeln können."
Stimmt. Was aber wohl auch daran lag, daß man nicht glaubte, die Unterschriften zu schaffen. Zitat aus oben verlinktem "offenen Brief":
Für die Bundestagswahl müssten wir abermals 2000 beglaubigte Unterstützerunterschriften in Sachsen sammeln - und dafür blieben uns nur 29 Tage Zeit (heute ist der 24.6.).


Interessant auch der Mangel an Durchblick:
Selbst wenn wir - entgegen aller vernünftigen Meinungen - die erforderliche 5-Prozent-Hürde überschreiten, können wir mit vier Kandidaten auf der Landesliste keine eigene Fraktion stellen, um Anträge einzureichen, das heißt, wir wären gezwungen mit anderen Parteien und Politikern zu kooperieren.
Um nur mit sächsischen Stimmen 5% bundesweit zu schaffen, wäre tatsächlich ein beinahe realsozialistisches Ergebnis erforderlich, aber das Bundestagswahlrecht hat der Autor offenbar nicht verstanden.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 23:17 Uhr:   

@Marc K.:

Wenn man das "Wahlverfahren" in § 49 BWG nur auf den konkreten Wahlvorgang bezieht, wäre der Verweis auf die vorgesehenen Rechtsbehelfe sinnlos. Daraus geht doch unzweideutig hervor, dass gerade die Entscheidungen des Bundeswahlausschuss gemeint sind, die vor der Wahl die letzte Instanz sind.

@Thomas Frings:
"Warum soll die Mehrheit der Parteien denn nicht bundesweit kandidieren wollen???"

Grundsätzlich vielleicht schon (abgesehn von Fällen wie der Bayernpartei), aber angesichts der Tatsachen beschränken sich viele auf das praktisch Machbare, und einzelne Landeslisten sind halt recht leicht zu bekommen. Und dass beispielsweise die FWD mit einer Landesliste allein in Brandenburg und ohne Direktkandidaten keinerlei Chance haben, die Sperrklausel zu überwinden, und folglich kein Mandat anstreben, ist ja offensichtlich.

"Welche Parteien überflüssig sind, sollte man dem Wähler überlassen."

Demnach müsste man die Parteieigenschaft an das Wahlergebnis (und nicht an die bloße Kandidatur wie derzeit) koppeln. Soweit die Vertretung im Bundestag gemeint ist, wird dem Wähler die Entscheidung ja nicht genommen, wenn sie teilweise von der eigentlichen Wahl zu einem Zulassungsquorum verlagert wird. In Grenzen ist das ja schon jetzt so.

"Millionen Urlauber" würden nicht vom Wählen abgehalten, wenn für 3-5 Wochen (wie bisher) oder auch länger persönliche vorgezogene Wahl möglich wäre. Dass die Missbrauchsgefahr bei alten Wählern am höchsten ist, ist allerdings richtig. Zumindest teilweise könnte man das über vermehrte bewegliche Wahlvorstände regeln, wo aber die Öffentlichkeit gegenüber einer ordentlichen Wahl auch schon eingeschränkt ist.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Dezember 2009 - 23:49 Uhr:   

@Ratinger Linke,

da haben Sie Recht. Die Logik des BWG spricht für einen Ausschluss des Rechtswegs. Rechtspolitisch ist das aber mit Blick auf Art. 19 IV 1 GG bedenklich.


Zum Unterschriftenquorum. Dieses ist auf jeden Fall sinnvoll. Das Quorum sollte aber nicht zu hoch angesetzt werden. Die Grenze von 1 von 1000 Wahlberechtigten, maximal 2.000 (bezogen auf das jeweilige Bundesland, bei dem die Landesliste antreten soll) halte ich für angemessen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Dezember 2009 - 00:55 Uhr:   

Was die Rechtsprechung des BVerfG zu Unterschriftenhürden angeht: 1953 sah das BWG für die 2. Bundestagswahl 500 Unterschriften für einen Kreiswahlvorschlag und 1 Promill der Wahlberechtigten für die Landesliste, höchstens aber 2500 vor. Die GVP klagte dagegen und bekam bezüglich der Hürde für den Kreiswahlvorschlag Recht.
http://www.wahlrecht.de/wahlpruefung/19530801.htm

Daraufhin wurde die Hürde auf 200 gesenkt.

Eine relativ präzise Höchstgrenze läßt sich, soweit mir bekannt, nur aus dem Urteil zum baden-württembergischen Landeswahlgesetz vom 6.2.56 entnehmen. Dort waren (und sind bis heute) 150 Unterschriften in jedem der 70 Wahlkreise erforderlich. Das BVerfG wies eine Klage dagegen ab, sagte aber, dies sei das Limit. Wörtlich im Urteil:
In Wahlkreisen mit durchschnittlich 67.000 Wählern dürfen von Parteien, die noch nicht im Landtag vertreten waren, höchstens 150 Unterschriften je Wahlkreisvorschlag gefordert werden.
http://www.wahlrecht.de/wahlpruefung/19560206.htm

Danach wären also etwas über 2 Promille erlaubt.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Dezember 2009 - 09:38 Uhr:   

Ich sag ja, dass man dafür wohl das Grundgesetz ändern müsste.

Wobei die faktische Logik des Bundesverfassungsgerichts, dass in den Wahlkreisen grundsätzlich (relativ) höhere Quoren zulässig seien, weil sie dort prohibitiv sein müssten, während bei den Landeslisten die Gleichheit stärker gewahrt werden müsse, weil die betroffenen Parteien wegen der Sperrklausel ohnehin chancenlos sind, schon etwas seltsam ist.

Wenn man die freie und gleiche Wahl ernst nimmt, dürfte es bei Kreiswahlvorschlägen gar kein Quorum geben. Denkbar ist da ja, dass ein Kandidat allein mit seiner eigenen Stimme gewählt wird (ein Szenario, in dem jeder Wähler kandidiert und sich selbst wählt, ist nicht völlig abwegig).
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Sonntag, 27. Dezember 2009 - 20:46 Uhr:   

Den Bericht gibt es mittlerweile auch in deutscher Sprache (als PDF bzw. als HTML).

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