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Archiv bis 02. Juli 2009

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2009 » Verfassungswidriges Wahlrecht: Änderung vor der Bundestagswahl 2009? » Archiv bis 02. Juli 2009 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 16:27 Uhr:   

Einen guten Artikel zu der Problematik fand ich hier: http://newsticker.welt.de/?module=dpa&id=21663606
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 17:17 Uhr:   

Wahlticker:

Ok, das war etwas hart ausgedrückt.
Aber es ist eben in Deutschland schon so, dass dem Kriterium "Mehrheit der Wähler" eine große Bedeutung beigemessen wird.

Amerikaner oder Engländer gehen damit viel lockerer um. Dass eine Partei mit 30% der Stimmen 60% der Sitze holt wird in England ohne Probleme geschluckt.
Aber in Deutschland würde der Wähler so etwas nicht akzeptieren.
Und wie Du richtig schreibst:
Es ist schon heute klar, dass es unpopuläre Entscheidungen geben wird. (Es ist ja aus Sicht der Union ja gerade der Vorteil eines Bündnisses mit der FDP, dass man z.B. in der Wirtschaftspolitik eine klare Linie fahren kann (die aber nicht unbedingt polulär sein wird und auf jeden Fall von der SPD als "unsozial" gebrandmarkt werden wird).
Wenn einem dann noch die gefühlte Legitimation für so einen Politikwechsel fehlt, dann wird es schwer für Merkel.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 17:54 Uhr:   

Für mich steht jedenfalls eines fest: wenn der Bundestag nach einem Wahlrecht gewählt wird, welches das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig einstuft, d.h. wenn der Antrag der Grünen am Freitag keine Mehrheit findet, werde ich Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundestag einreichen; im übrigen nicht zum ersten Mal... Sie wird vermutlich keinen Erfolg haben, aber dieses Signal werde ich - und sicherlich werden dies auch einige andere - setzen.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 18:09 Uhr:   

@Florian:
> Aber es ist eben in Deutschland schon so,
> dass dem Kriterium "Mehrheit der Wähler"
> eine große Bedeutung beigemessen wird.
Wird eigentlich gar nicht - wir hatten ja schon öfters Wahlergebnisse, wo hinterher eine Regierung gegen die Wählermehrheit gebildet wurde.
Nämlich dann, wenn eine Partei an der 5%-Hürde scheiterte.

Das wurde merkwürdigerweise nie problematisiert, obwohl man das genauso per Wahlrechtsreform reparieren könnte wie die Sache mit den Überhangmandaten.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 18:12 Uhr:   

@Bernhard:
> werde ich Wahlprüfungsbeschwerde beim
> Bundestag einreichen;
Nun ja, jedem seine Hobbies.
Aber obwohl ich Dir ja inhaltlich völlig zustimme, halte ich das für recht unsinnig.
Wenn das BVerfG eine Frist bis 2011 läßt, dann kann es nicht illegal sein, diese Frist auszunutzen. Und damit ist der Widerspruch auch als Symbolhandlung recht schwach.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 18:22 Uhr:   

@Ralf: Ich sehe dies etwas anders. Natürlich hat das BVerfG dem Bundestag ausreichend Zeit für eine Wahlrechtsreform gegeben. Aber dies doch ganz offensichtlich, um keine vorschnelle Regelung zu schaffen, die mehr Probleme schafft, als sie löst. Nun könnte das Problem des "negativen Stimmgewichtes" - wie hier ja öfters ausgeführt - mit einem Satz gelöst werden. Man braucht ja heute nur die News von Wahlrecht.de zu lesen, um zu sehen, mit welcher Ignoranz bei der Bundestagsanhörung offenbar Wahlrechtsfragen behandelt werden. Dies muss aufhören. Ganz offensichtlich fehlt hier einfach der "gute Wille" für eine Wahlrechtsreform, die aus einem einzigen Satz bestehen könnte. Dies hat das BVerfG sicher nicht gemeint, als es den Zeitrahmen so weit ausdehnte, eine Ausdehnung, die - wenn man den Kommentar von Prantl in der Süddeutschen Zeitung heute liest - zu recht von Ernst Mahrenholz, dem früheren Verfassungsrichter, heftig kritisiert wurde. Dessen Begründung kann man ja auch in eine solche Wahlrechtsbeschwerde schreiben. Hier wird doch ganz offenbar versucht, ein für die Politiker unbequemes Urteil einfach auszusitzen. Dies ist m.E. nicht im Sinne des Urteils. Daher halte ich eine Wahlprüfungsbeschwerde für ein richtiges Signal und daher werde ich eine solche Beschwerde auch einreichen bzw. eine entsprechende Klage vor dem BVerfG, sollte sie erneut eingereicht werden, mit meiner Unterschrift unterstützen.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 18:42 Uhr:   

@Ralf was die 5%-Klausel angeht sehe ich da schon einen Unterschied. Zwar entsprechen bei Knappen Sitzverhältnissen die Regierungsmandate nicht der hälfte der Bevölkerung, jedoch kann sich die Regierung auf mehr Stimmen berufen als die Opposition, das ist ja das entscheidente. Im Falle der Überhangsmandate kann es jedoch dazu kommen dass die Regierung sich auf weniger Stimmen berufen kann als die Opposition im Bundestag. Und das ist halt unschön. Allerdings sehe ich wenig erfolg für eine Anfechtung, weil das BVG sich ja dann selbst widersprechen würde. Es hat nun einmal die Fristen gesetzt wie sie sind.
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 29. Juni 2009 - 19:11 Uhr:   

Würde man die Überhangmandate nicht je nach Bundesland bemessen sondern bezogen auf das deutschlandweite Wahlergebniss, wäre die Sache für alle Klarer.
Warum man diese Reformierung nochmal verschiebt ist mir klar, allerding zeugt es von wenig Wählerwerbungsergeiz....wenn man sich diesem Thema erst in 4 Jahren aussetzt.

Zumindest hat man eine Bgeründung parat:

"Man schafft es zeitlich nicht mehr, da noch in dieser Wahlperieode etwas zu machen".....jaja die armen Politiker...

Aber bei anderen Themen war man allerdings schon schneller, da geht alles auf einmal von heute auf Morgen, sogar mit Nachtsitzungen.

Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt......
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 10:15 Uhr:   

@Bernhard:
> Natürlich hat das BVerfG dem Bundestag
> ausreichend Zeit für eine Wahlrechtsreform
> gegeben. Aber dies doch ganz offensichtlich,
> um keine vorschnelle Regelung zu schaffen,
> die mehr Probleme schafft, als sie löst.
Sehe ich auch so.

Und jetzt überlegen wir mal, wie qualitätvoll eine Wahlrechtsreform sein wird, die mitten im Wahlkampf von zwei in heftiger Konkurrenz befindlichen Koalitions-"Partnern" ausgekungelt wird.

Du sprichst ja zu Recht an, daß sich der Bundestag in Wahlrechtsfragen bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat. Das würde durch eine Beratung jetzt im Wahlkampf bestimmt nicht besser.

Dies wurde wohl auch vom Gericht so gesehen, anders ist die Fristsetzung wohl nicht zu verstehen.

> Dies ist m.E. nicht im Sinne des Urteils.
Damit sagst Du: "Ich habe das Urteil verstanden, aber die Verfassungsrichter nicht."
Du kannst ja gerne sagen, daß Du ein anderes Urteil gefällt hättest. Aber den Sinn des Urteils einfach ins Gegenteil zu interpretieren, das ist hanebüchen.
Die Bundesrichter haben darauf verzichtet, eine Korrektur schon zur Wahl 2009 zu erzwingen, und das haben sie bewußt getan.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 10:22 Uhr:   

@Wahlticker:
> Zwar entsprechen bei Knappen Sitzverhältnissen
> die Regierungsmandate nicht der hälfte der
> Bevölkerung, jedoch kann sich die Regierung
> auf mehr Stimmen berufen als die Opposition,
> das ist ja das entscheidente.
Kann sie nicht unbedingt: Wenn die Parteien A und B zusammen 45% haben, und die Parteien C und D zusammen 49% - dann können trotzdem die in der deutlichen Minderheit gebliebenen Parteien A und B die Regierung bilden. Wenn nämlich Partei C mit 4,9% aus dem Parlament geflogen ist.

Situationen dieser Art hat es schon einige Male gegeben (vor allem auf Landesebene), und die sind m. E. viel gravierender als das negative Stimmgewicht.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 10:54 Uhr:   

@Ralf Arnemann ich sprach ja bewußt von Regierungsmandaten, und meinte die Regierung und Opposition im Bundestag. Die Partei C wäre dann nicht Teil der Opposition im Bundestag.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 12:09 Uhr:   

@Wahlticker:
Das ist jetzt aber eine Begründung der Art: "Das muß so sein, weil wir das so machen".

Die Partei C existiert, ist Teil der Opposition, hat Wählerstimmen bekommen - aber weil das Wahlrecht eben in einer bestimmten Weise gestrickt ist, darf sie nicht in den Bundestag, und die Minderheit darf regieren.

Wobei ich übrigens die 5%-Hürde selber für sinnvoll halte, aber es ist falsch, daß die entsprechenden Wählerstimmen entwertet werden. Es wäre überhaupt kein Problem, diese Stimmen auf andere (im Parlament vertretene) Parteien weiterzuverteilen und damit eine verzerrungsfreie Repräsentanz des Wählerwilles herzustellen.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 12:42 Uhr:   

Naja das ist dann eben die Frage. Weiterverteilt werden die Stimmen ja (Denn obwohl z.B. bei der Europawahl 10% der Stimmen entwertet wurden, sind dennoch keine Mandate weggefallen). Um diese "verzerrungsfrei" zu verteilen müsste der Wähler eine Zweitpräferenz angeben, damit meinetwegen die Stimmen an die FW stattdessen an die CSU gehen (Beispiel). Meinen Sie das? Fände ich auch keine schlechte Lösung, aber darum ging es mir eigentlich gar nicht. Ich wollte nur sagen dass die 5%-Hürde nun einmal anerkannt ist, aber der Fall dass die Regierungsfraktionen weniger Stimmen hinter sich haben als die Oppositionsfraktionen (ich denke jetzt ist es perfekt formuliert) wäre doch eine andere Qualität.

//zusatz:
Dass dies in anderen Ländern gang und gäbe ist stimmt schon. Allerdings haben wir eben kein Mehrheitswahlrecht, sondern die Sitze werden ganz bewußt nach dem Verhältniswahlrecht verteilt, und das hat das BVG ja denke ich auch als Grundlage genommen. Andererseits zeigt das Beispiel USA 2000 auch dass solche Entscheidungen auch da, wo sie schon Lange "normal" sind, zu großen Debatten führen können.

(Beitrag nachträglich am 30., Juni. 2009 von wahlticker editiert)
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 15:27 Uhr:   

@Wahlticker:
> Um diese "verzerrungsfrei" zu verteilen
> müsste der Wähler eine Zweitpräferenz
> angeben, damit meinetwegen die Stimmen an
> die FW stattdessen an die CSU gehen (Beispiel).
Genau so.

> Ich wollte nur sagen dass die 5%-Hürde nun
> einmal anerkannt ist, ...
Das waren die Überhangmandate lange Zeit auch!
Schließlich kann man auch argumentieren, daß eine Verzerrung des reinen Zweitstimmenergebnisses durch die Direktmandate in einem gewollt gemischten Wahlsystem zu akzeptieren sei.

> aber der Fall dass die Regierungsfraktionen
> weniger Stimmen hinter sich haben als die
> Oppositionsfraktionen ...
Das ist jetzt prima formuliert, weicht aber damit der Streitfrage aus ;-)

Denn die Wähler interessiert "Fraktion" eigentlich wenig.
Wir haben uns schlicht daran gewöhnt, daß das Wegfallen einer Partei aus dem Parlament auch ein Wahlergebnis (in Koalitionen gedacht) auf den Kopf stellen kann. Aber eigentlich ist das skandalös.
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Roland
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 20:36 Uhr:   

Spannender als eine Verfassungsbeschwerde würde es wohl werden, wenn die Linke oder die Grünen im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG (als Landesverfassungsgericht) zur 5% Klausel bei schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen(
http://www.bverfg.de/entscheidungen/ks20080213_2bvk000107.html) einen Organstreit anstrengt.

Dort hat das BVerfG ja deutlich gemacht, dass die (sachgrundlose) Ablehnung der Änderung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch die Landtagsmehrheit eine Bekräftigung des verfassungswidrigen Rechtssatzes darstellt und damit selbst verfassungswidrig ist.

Ob jetzt die Frist des BVerfG für sich genommen ein solcher Sachgrund ist, und ob die (möglicherweise) ablehnende Mehrheit des Bundestages im parlamentarischen Verfahren hinreichend deutlich gemacht hat, dass sie an umfassenderen Änderungen arbeitet, die tatsächlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode beschlossen werden könnten, wäre auch spannend zu ergründen.

Jedenfalls wird die Argumentation der SPD ("Wir bekräftigen das verfassungswidrige Gesetz (nur) aus Koalitionsdisziplin") beim BVerfG nicht auf Gnade stoßen. Das hat es in der Entscheidung zu Harz IV sehr deutlich gemacht: Politische Kompromisse legitimieren keine verfassungswidrigen Regelungskonzepte.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 30. Juni 2009 - 21:23 Uhr:   

@Roland
"Jedenfalls wird die Argumentation der SPD ("Wir bekräftigen das verfassungswidrige Gesetz (nur) aus Koalitionsdisziplin") beim BVerfG nicht auf Gnade stoßen."
Das BVerfG hat doch selbst bewußt die Möglichkeit eröffnet, noch einmal nach einem verfassungswidrigen Wahlrecht zu wählen. Das hat das BVerfG selbst verbockt und nicht die SPD.


@Ralf
"Wir haben uns schlicht daran gewöhnt, daß das Wegfallen einer Partei aus dem Parlament auch ein Wahlergebnis (in Koalitionen gedacht) auf den Kopf stellen kann. Aber eigentlich ist das skandalös."
Daß die Sperrklausel die Mehrheitsverhältnisse verändern kann, ist doch ein gewollter Effekt der Sperrklausel. Auch bei einer Alternativstimme wäre das möglich. Wer das nicht will, der muß konsequenterweise gegen jede "künstliche" Sperrklausel sein. Es gäbe ja auch andere Möglichkeiten, die Verhältniswahl konzentrationsfördernd zu modifizieren.

Bisher gab es übrigens keine Bundestagswahl, die mit Alternativstimme definitiv anders ausgegangen wäre. Nur 1969 hätte es vielleicht wesentlich andere Mehrheitsverhältnisse gegeben. Die 4,3% NPD-Wähler hätten eine Zweitpräferenz sicherlich überwiegend der Union gegeben. CDU und NPD hatten zusammen 50,4%, SPD und FDP bekamen nur 48,44%. Von den Splitterparteien hätten die Wähler der DDR-finanzierten ADF (0,6%) eine Zweitpräferenz sicher größtenteils der SPD gegeben, die von BP und Zentrum (zusammen 0,2%) der Union. Es hätte also alles davon abgehangen, wie zahlreich die NPD-Wähler von einer Zweitpräferenz Gebrauch gemacht hätten und wie eindeutig sie die Union bevorzugt hätten.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Juli 2009 - 10:08 Uhr:   

@Thomas:
> Daß die Sperrklausel die Mehrheitsverhältnisse
> verändern kann, ist doch ein gewollter Effekt
> der Sperrklausel.
Das sehe ich nicht so.
Sie soll eine Zersplitterung im Parlament verhindern und damit eine Arbeitsfähigkeit sichern - nur daß ist m. W. die offizielle Begründung (wie sie auch schon vor Gericht verhandelt wurde).
Eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse ist nicht Ziel, sondern wird als angeblich notwendiges Übel in Kauf genommen.

Sobald man darstellen kann, daß dieses Übel vermeidbar ist, ist die 5%-Hürde eigentlich verfassungswidrig.

> Es gäbe ja auch andere Möglichkeiten, die
> Verhältniswahl konzentrationsfördernd zu
> modifizieren.
Möglich, aber die mir bekannten Möglichkeiten haben dann andere inakzeptable Nachteile.

> Bisher gab es übrigens keine Bundestagswahl,
> die mit Alternativstimme definitiv anders
> ausgegangen wäre.
Bis auf das von Dir genannte Ausnahmebeispiel ist das richtig. Wobei das natürlich nur Zufall ist, es wäre jederzeit möglich gewesen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Juli 2009 - 22:37 Uhr:   

"Das sehe ich nicht so.
Sie soll eine Zersplitterung im Parlament verhindern und damit eine Arbeitsfähigkeit sichern - nur daß ist m. W. die offizielle Begründung (wie sie auch schon vor Gericht verhandelt wurde).
Eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse ist nicht Ziel, sondern wird als angeblich notwendiges Übel in Kauf genommen."
Selbstverständlich kann der Ausschluß kleiner Parteien die Mehrheitsverhältnisse ändern - das ist natürlich auch gewollt, um die Regierungsbildung zu erleichtern. Deine Argumentation ist nur dann nachvollziehbar, wenn man von einer Konfrontation zweier geschlossener politischer Blöcke ausgeht. Das kann man im wirklichen Leben aber oft nicht. Als Beispiel mal die nordrhein-westfälische Landtagswahl 1995:

SPD 46,02%
CDU 37,67%
Grüne 10,02%
FDP 4,01%
REP 0,79%
Rest 1,49%

Die SPD koalierte zähneknirschend mit den Grünen, weil sonst nur noch die große Koalition geblieben wäre. Hätte es eine niedrigere Hürde gegeben (z.B. 3%), wäre eine Koalition mit der FDP möglich gewesen. Die 5%-Hürde verhinderte eine sozialliberale Koalition, obwohl SPD und FDP knapp die absolute Mehrheit der Stimmen hatten - das hätte eine Alternativstimme natürlich nicht geändert. Die SPD und FDP wären damals mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Koalition eingegangen, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten. Die tonangebenden Personen in der NRW-SPD waren damals sehr Grünen-skeptisch bis Grünen-feindlich. Die landespolitischen Unterschiede zwischen SPD und FDP waren kleiner als heute. Beim Thema Garzweiler lag man mit den Grünen völlig über Kreuz, die FDP hätte da keine Probleme gemacht.

Eine Sperrklausel ändert schon dadurch die Mehrheitsverhältnisse, daß die an ihr scheiternden Parteien nicht mehr als Mehrheitsbeschaffer in Frage kommen und gerade das kann eine Alternativstimme nicht ändern.

Aber selbst wenn nur Parteien antreten, die einem von zwei sich feindlich gegenüberstehenden Lagern angehören, kann die Sperrklausel dem kleineren Lager die Mehrheit bringen, wenn nicht alle Wähler einer scheiternden Partei erstens die Möglichkeit der Alternativ stimme nutzen und das zweitens geschlossen "linientreu" tun.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Juli 2009 - 23:20 Uhr:   

@Ralf:
Ich sehe nicht, dass ich den Sinn des Urteils des BVerfG ins Gegenteil verkehrt hätte und dass dies hanebüchen sein soll. Die Fristsetzung war als Hinweis an die Politik gedacht, eine umfassende Reform des Wahlrechts vorzunehmen. Aber was ist denn in einem Jahr geschehen? Gar nichts! Wilko Zicht hat hier im Forum ja deutlich gemacht, dass der Mathematiker Pukelsheimer einen Satz vorgeschlagen hat zur Änderung des Bundeswahlgesetzes: er schlug ein Divisionsverfahren der Zuteilung vor. Ist dies denn so schwer? Aber was geschieht denn nun? Zunächst gar nichts. Und dann wird ein Gesetzentwurf von der Union - und der FDP, die als kleine Partei ja wohl ein Interesse an einer Wahlrechtsreform haben müsste, der aber auch der Machterhalt wichtiger scheint als eine Wahlrechtsreform - abgelehnt, der zumindest in Teilen den Willen des Bundesverfassungsgerichtes erfüllen würde, nachdem die anderen Parteien gar nichts getan haben - sich nicht angestrengt haben.

Und was haben wir dann möglicherweise als Ergebnis? Ein verzerrtes Parlament, wie Prof. Behnke im Spiegel und im MDR-Interview zu recht betont hat. Dies mag noch angehen, wenn eine bestehende Mehrheit verstärkt und damit stabilisiert wird. Es kann aber doch nicht angehen, dass evtl. eine Minderheit zur Mehrheit gemacht wird. Dies wäre für mich der "demokratische Gau". Mal sehen, wie dann das BVerfG bei einer erneuten Klage in Bezug auf die Überhangmandate reagieren wird. Daher bleibe ich dabei: ich werde beim Bundestag Einspruch gegen das Wahlergebnis einlegen und erneut eine Klage vor dem BVerfG mit unterschreiben, sollte der derzeitige gesetzwidrige Zustand andauern. Denn Fristsetzungen, die ganz offensichtlich erfolgt sind, den Parteien eine Chance zu einer größeren Reform zu geben, innerhalb eines ganzen Jahres einfach auszusitzen, dies kann wohl nicht im Sinne des BVerfG sein. Dies ist aus meiner Sicht eine Verhöhnung des Wählers, der sein Stimmverhalten eben nicht vorhersehen kann, wenn er seine Stimme splittet und auch des Sinns des Urteils des BVerfG. So meine Sicht der Dinge und die ist keineswegs hanebüchen, um dies hier einmal deutlich klarzustellen.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. Juli 2009 - 10:09 Uhr:   

@Thomas:
> Selbstverständlich kann der Ausschluß kleiner
> Parteien die Mehrheitsverhältnisse ändern ...
Da sind wir uns völlig einig.
Aber diese Änderung ist kein "gewollter Effekt" im Sinne von "wir benutzen die 5%-Hürde, UM Mehrheitsverhältnisse zu ändern".
Sondern es ist ein in Kauf genommener Nebeneffekt. Und wenn man diesen vermeiden kann, muß man ihn auch vermeiden. Denn eine Verzerrung ist nur akzeptabel, wenn sie unvermeidbar ist, um ein wichtigeres Ziel (Regierungsfähigkeit bzw. Abwehr von Zersplitterung) zu erreichen.

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