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Peter
| Veröffentlicht am Sonntag, 22. September 2002 - 22:54 Uhr: | |
Ich bin eigetnlich der Meinung, dass die Möllemanaktion nicht der ausschlaggebende Punkt ist. Ich finde die Fdp hat sehr wenig Stammwähler. Der offensichtlich knappe Abstand der großen Partein hat dazu geführt, dass die jeweiligen Wähler eher die der Fdp nahestehende Cdu/CSu gewählt haben. Es steht ja außer Frage, dass kurz vor den Bundestagswahrlen die Cdu/Csu in den Bundestagswahlen sehr knapp zurückgelegen hat. Dass die Fdp keine Koaltionsaussage macht, haben wir ja schon alle vorher gewusst. Zumindest hab ich dementsprechen meine Wahlentscheidung getroffen. Jetzt wollte ich von euch wissen, ob Ihr das ähnliche seht oder doch andere Gesichtspunkte für ausschlaggebender haltet. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Sonntag, 22. September 2002 - 23:15 Uhr: | |
Peter, ich glaube, die FDP hat im Wahlkampf drei schwere Fehler gemacht hat: 1. Nicht nur fehlende Koalitionsaussage, sondern auch noch demonstrative Äquidistanz zu SPD und CDU. Damit wußten die FDP-Wähler nicht, in welcher Koalition sie ihre Stimme wiederfinden würden. Das hat nicht nur Stimmen in Richtung Union umverteilt (z.B. meine), sondern unser Lager insgesamt geschwächt, da der Wahlkampf jetzt weniger polarisierend war. Das brachte vielleicht 3% Verlust. 2. Möllemann-Kampagne gegen Friedman. Ich weiß nicht, was Möllemann da geritten hat, das Thema kurz vor den Wahlen noch einmal vorzukramen. Es ging möglicherweise gar nicht um Stimmenfang sondern um das Begleichen alter Rechnungen. Es war aber vorauszusehen, daß sich die Politischen Gegner sich öffentlich empören würden. 3. Distanzierung von Möllemann und Rücktrittforderungen durch führende Liberale kurz vor der Wahl. Damit wird die ohnehin sehr kleine Partei dann als heillos zerrissen dargestellt: Alt- und Uraltliberale, Westerwelle, Möllemann. Jetzt wußte der Wähler gar nicht mehr, wie er dran war. Das kostete vielleicht noch einmal 2 Punkte. |
Matze
| Veröffentlicht am Sonntag, 22. September 2002 - 23:25 Uhr: | |
Punkt 1 hat mich dazu gebracht, meine Zweitstimme der FDP zu geben, da mir fast egal ist, ob Schröder oder Stoiber Kanzler wird. Allerdings wollte ich keinesfalls die Grünen in der Regierung sehen und da wäre mir rot/gelb oder schwarz/gelb gerade recht gewesen. |
zigzag
| Veröffentlicht am Sonntag, 22. September 2002 - 23:36 Uhr: | |
nur zur Info: Sonntag 22. September 2002, 23:14 Uhr Möllemann legt in seinem Wahlkreis stark zu Berlin (AP) Der umstrittene FDP-Vizechef Jürgen Möllemann hat in seinem Wahlkreis Warendorf (Wahlkreis 131) überdurchschnittlich viele Stimmen dazugewonnen. Bei den Erststimmen erzielte er 9,3 Prozent, 4,8 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl, wie der Bundeswahlleiter am Sonntag in Berlin mitteilte. Bei den Zweitstimmen erzielte er 10,6 Prozent, das sind im Vergleich zu 1998 2,2 Prozentpunkte mehr. Nach der aktuellen Hochrechnung von infratest dimap bleibt die SPD in NRW trotz Verlusten mit 42,3 Prozent (- 4,6) stärkste Partei. Die Union gewinnt leicht dazu und liegt bei 35,4 Prozent. Die Grünen legen wie im Bund zu (9,5), die FDP liegt bei 9,2 Prozent. Das ist ein plus für die FDP von 1,9 %-Punkten allerdings lag die FDP bei der letzten Umfrage in NRW bei 11 % |
Berndo
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 01:50 Uhr: | |
Auch wenn die FDP-NRW zugelegt hat und auch wenn Möllemann zugelegt hat: Wer streitet den wählt man nicht und Möllemann ist für den Streit in der FDP verantwortlich. Sonst sehe ich die Gründe aber auch an der fehlenden Koalitionsaussage. Ein enormer Großteil der FDP-WählerInnen sind nun mal mehr zur CDU/CSU geneigt als zur SPD und auch inhaltlich tendiert die FDP mehr zur CDU/CSU als zur SPD. Es hätte ja gereicht, dass die FDP eine Koalition mit der CDU/CSU zur ersten Präferenz erklärt, dass die FDP auch mit der SPD koalieren kann wissen die meisten ja wohl. So kam aber der Eindruck auf dass sich die FDP-Spitze eine Schröder-Unterstützung offen halten will. |
Cram
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 01:58 Uhr: | |
Das FDP-Ergebniss in NRW wird Möllemann nicht retten. Auch das ist deutlich unterhalb des Minimalziels der FDP von 10% (von 18% gar nicht zu sprechen). Bei der Landtagswahl 2000 hatte die FDP in NRW 9,8%. Es ist also weniger als damals. Der Krawall-Kurs verschreckt Wähler. Abgesehen davon, dass die FDP unklugerweise keine Koalitionsaussage gemacht hat. Die FDP tut gut daran Möllemann zu entfernen. Der Mann ist einfach nur noch eine Zumutung. Mit ihm in der Parteiführung ist die FDP nicht mehr auf Bundesebene regierungsfähig. Daher muß er schnellstmöglich entfernt werden. |
Peter
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 02:10 Uhr: | |
Wieso sollte eine fehlende Koalitionsaussage eigentlich schaden? So kann doch der Wähler davon ausgehen, dass seine Interessen massiv vertreten werden und nicht unbedingt von einem anderen Parteipartner einfach zunichte gemacht wird. Es ist klar, wenn die Fdp zuwenige Stimmen auf diese Weise erfährt, würde eine Koalitionsaussage der Fdp z.B. tzur Cdu/Csu wahrscheinlich deutlich mehr Prozente bringen, der Cdu/Csu aber auch Prozente nehmen. Ich weiß nicht, ob sich dies insgesammt rechnet. Im Gegemsatz dazu ist es bei einem Anteil von mehr als 10% der Fdp doch viel wahrscheinlicher für alle, die Fdp zu wählen, weil sie ja aufgrund der Mehrheitsverhältnisse von Cdu/Csu und Der Spd ja dann ein klarer Mehrheitsbringer wären. Ich persönlich, habe die letzte Akion von Mölleman gar nicht mehr richtig mitbekommen, geschweige dass es meine Wahlabsichten beeinflusst hätte. |
Cram
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 02:23 Uhr: | |
Peter, die Ironie ist ja dass dann es wohl die CDU schwächer geworden wäre und die FDP stärker, was eine Rot-Gelb Option theoretisch eröffnet hätte (wenngleich bei einer Rot-Grünen Mehrheit auf jeden Fall mit Rot-Grün zu rechnen ist). Was die Koalitionsaussage angeht: die Parteien stehen für verschiedene Richtungen. Die Vorstellungen der CDU (3 x 40) stehen der FDP sehr nahe wärend die SPD, wie Parteivize Döring sagte "Lichtjahre von uns entfernt ist". Angesichts dessen von Äquidistanz zu Sprechen ist schon ziemlich neben der Kapp. Wenn man einen Politikwechsel will, kann man keine Koalition mit der SPD anstreben wollen oder diese als eine gleichwertige Option bezeichnen. Daher wäre die FDP klug beraten gewesen eine Koalitionsaussage für die UNion zu machen (wenn es reicht machen wir es mit der Union z.B.). Sie hätte somit erfolgreich um Zweitstimmen bürgerlicher Wähler werben können (die Grünen haben mit dieser Strategie jetzt einen unglaublichen Erfolg eingefahren). Wenn es dann nicht für Schwarz-Gelb gereicht hätte, es aber für Rot-Gelb gereicht hätte und dies zustande gekommen wäre, hätten die Wähler schon dafür Verständnis. Nur die FDP hat den Eindruck vermittelt, sie wolle regieren, egal mit wem und um jeden Preis. Und das kommt zurecht nicht gut an. |
fuska
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 02:33 Uhr: | |
also wenn Möllemann gehen muß, dann werde ich diese Partei in Zukunkt nicht mehr wählen. Letztendlich ist Westerwelle selbst Schuld an der Misere, durch sein Auftreten. Der Streit zum Schluß hat dann wahrscheinlich auch viele abgeschreckt FDP zuwählen -> man müßte sich dazu aber mal die genauen Ergebnisse Bundesländer ansehen und in NRW hat die FDP ja seltsamerweise gut abgeschnitten, komisch was? |
ts
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 10:27 Uhr: | |
Bei mir ist's genau umgekehrt wie bei fuska. Auch ich habe gestern (wie bei allen Bundes- und Lantagswahlen seit 1996) FDP gewählt. Aber in der festen Erwartung, dass Möllemann bald von seinem Posten als Partei-Vize abtreten wird. Sollte ich mich da getäuscht haben, wird die FDP meine Stimme nicht mehr bekommen. Ich will keinesfalls meine Stimme für die FDP als Unterstüzung für die Person Möllemann missverstanden wissen. |
Thomas L.
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:04 Uhr: | |
Ach fuska und ts, Ihr verzeiht mir, wenn ich Euch da nicht ganz glaube: Ihr habt in einer Situation FDP gewählt, in der sie (zu Recht) von allen Seiten Prügel bezog. Ihr werdet sie wohl auch wieder wählen, ob Möllemann jetzt gehen muss oder sich behaupten kann. In dieser Hinsicht hat Gerhardt wohl recht (ich glaube jedenfalls, er war das, der gestern sinngemäss gesagt hat): "Bei diesen 7,4 Prozent wissen wir wenigstens, dass es unsere treuesten Stammwähler sind..." Und das ist doch schon mal viel besser als noch zu Kinkels Zeiten. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:10 Uhr: | |
Cram und ts, ich bin auch der Meinung, daß Möllemann kaltgestellt werden muß, weil diese Richtung nicht zum Profil der FDP paßt. Entfernung aus dem Vorstand wird dazu auch nicht ausreichen, denn sonst erlebt er in ein paar Jahren vielleicht ein Comeback. Es ist aber Augenwischerei bei der FDP, die Schuld an der Misere allein Möllemann zuzuschreiben. Die fehlende Koalitionsaussage war der Anfang vom Ende. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:31 Uhr: | |
Der Spitzenkandidat der NRW-Bundesliste war Guido Westerwelle. Damit dürfte Möllemann das NRW-Ergebnis nicht helfen. Die negativen Folgen seiner Eskapaden haben vor allem die übrigen Landesverbände zu spüren bekommen - bei denen ist er unten durch. Koalitionsaussage: Selbstverständlich ist richtig, daß der FDP die taktischen Wähler gefehlt haben. Während umgekehrt die Grünen z. B. ganz massiv von SPD-Stimmen profitiert haben. Nur wäre der Schaden mit einer frühzeitigen Koalitionsaussage viel, viel schlimmer gewesen: Als kleine Oppositionspartei im Schatten Stoibers wäre die FDP überhaupt nicht wahrgenommen worden, dann hätten selbst die Unions-Leihstimmen nur gereicht, um mühsam über die 5% zu kommen. Das FDP-Ergebnis ist ja nur enttäuschend im Vergleich zu den propagierten 18 (die spätestens seit der Flut und der Irak-Krise nicht mehr erreichbar waren). Ansonsten sind die 7,4% völlig aus eigener Kraft ein recht gutes liberales Ergebnis, das man wohl nur mit den Spitzenergebnissen vor 50 Jahren vergleichen kann. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:55 Uhr: | |
Ralf, ich meine damit nicht, daß sich die FDP an die Union binden soll. Eine Koalitionspräferenz hätte es auch schon getan. Tatsache ist, daß die steuer-, wirtschafts-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen von SPD und FDP so weit auseinanderlagen, daß eine Koalition nicht in Frage kam oder als Verrat an liberalen Idealen angesehen werden müßte. Vor diesem Hintergrund war die zur Schau gestellte Äquidistanz zu SPD und Union (nach dem Motto: "Auf den Spaß-Kanzler kommt es an.") tödlich. Mir und anderen ist es so gegangen: Die Empfehlung von Wal-o-mat, Focus-Online usw. ergab: FDP, gefolgt von Union, und dann mit weitem Abstand Grüne und SPD. Wer möchte da seine Stimme schon für Rot-Gelb wegschmeißen. (Es wäre vielleicht eine gute Idee, so etwas einmal statistisch auszuwerten und den Wahlkampf darauf abzustimmen.) Wenn die FDP das nicht wahrhaben will und alles auf Möllemann schiebt, wird sie wohl in die nächste Wahlniederlage tappen. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 12:03 Uhr: | |
@Stephan, den feinen Unterschied zwischen Koalitionspräferenz und Koalitionsaussage hätte keiner verstanden. Die Medien hätten ab diesem Zeitpunkt die FDP in Stoibers Rucksack gesteckt und nicht mehr eigenständig wahrgenommen. Jede Strategie hat halt Vor- und Nachteile, und man kann nicht beliebig wechseln. Der Äquidistanzkurs hat die FDP weit nach oben gebracht, aber dann halt wieder ein gutes Stück nach unten. Ich bin ziemlich überzeugt, daß ein anderer Kurs im Endergebnis weniger gebracht hätte. So mal als Vergleich: In den letzten Wochen gab es viele Unionsanhänger, die sich doch gewünscht hätte, daß Merkel die Spitzenkandidaten gewesen wäre. Und bestimmt wäre die für die Flut, das Duell und für das Ergebnis im Osten wesentlich geeigneter gewesen, Stoiber hat im Endspurt nachgelassen. Aber die Union hätte mit Merkel wohl nie so schnell Tritt gefaßt und die sehr gute Ausgangsbasis des Frühsommers erreicht. Die Idealkombination, zuerst Stoiber, dann Wechsel zu Merkel - die kann halt nicht gehen. |
ts
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 14:53 Uhr: | |
Hallo Thomas L., hier ist zwar nicht der Platz sich zu sehr über eigene oder fremde persönliche Einstellungen zu verbreiten. Dennoch woher willst du mein künftiges Wahlverhalten besser einschätzen können, als ich selbst? Ich glaube schon, dass ich darüber besser Auskunft geben kann. In meiner Beziehung zur FDP verhalte ich mich eher antizyklisch zum allgemeinen Trend. 1997-99 war ich von ihr überzeugter als heute. Und wenn gerade mal FDP-Bashing angesagt ist, kann ich durchaus selbst unterscheiden, ob ich das für gerechtfertigt halte oder nicht. So ohne weiteres wirst du mein konkretes Wahlverhalten nicht aus deinem persönlichen Wählerwanderungs- und -verharrungsmodell projizieren können. Zustimmung aber in der Frage der Entwicklung der sogenannten Stammwählerschaft. Da hat die FDP in den letzten Jahren sicher zugelegt. Sie kann sich z.B. über den größten Zuwachs bei der bundesweiten Summe der Erststimmen freuen. (Auch hier habe ich mich antizyklisch verhalten, war aber ein anderer Thread.) Das ist gemessen an den Erwartungen natürlich nur ein kleiner Trost. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 15:29 Uhr: | |
Es gibt noch einen Grund fuer die Schwaeche der FDP, naemlich die fehlenden Koepfe. Die Vorschlaege zur Wirtschafts-, Arbeits-, Steuer- und Bildungs- und Familienpolitik finden sicher bei vielen Zustimmung. So etwas koennte ich mir auch uebers Wochenende ausdenken. Wer soll es aber umsetzen, d.h. Minister in einer Regierung werden? Als Minister wurden gehandelt: Moellemann, Westerwelle, Bruederle, Gerhardt. Moellemann waere sicher als Verteidigunsminister geeignet, das ist aber aus aussenpolitischen Gruenden unmoeglich. Westerwelle als Kanzler: ein guter Witz. Bruederle kommt nicht gegen Spaeth an. Gerhard redet etwas langweilig, wie es mit seiner Kompetenz aussieht, kann ich nicht beurteilen. Bei Finanzpolitik faellt mir vor allem Georg Milbradt ein, aber der ist nicht in der FDP. Die Personalprobleme gibt es zwar bei allen Parteien, aber die FDP als kleine Partei hat es da noch schwerer. Auch hier muss sich die FDP noch etwas einfallen lassen, denn wer will schon eine virtuelle Pertei waehlen. |
anna
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 16:08 Uhr: | |
Ich teile die Meinung von Ralf Arnemann. Die Enttäuschung von der jeder spricht haben sie sich selbst zuzuschreiben. Die 7,4% sind und waren eigentlich ein realistisches Ziel und keine 18%. Alle wußten, dass das utopische Zahlen sind, die nie erreicht werden. ich gehöre zu denen, die vorhatten Gelb zu wählen, sich jedoch wg. der fehlenden Koalitionsaussage für die Union entschieden. Nur kann man darin keine Ursache sehen, warum Gelb 7,4% erreicht hat, denn so habe ich den anderen Koaltionspartner doch gestärkt. Ich selber stehe hinter den Programmen von der FDP, jedoch glaube ich, dass Sie zu wenig Plattform hatten sich selbst darzustellen als ausgereifte und erstzunehmende Partei. Leider gilt sie für viele imemrnoch als die Spaßpartei und das wurde durch das Guido-Mobile nur noch unterstrichen. Das sind alles keine Patenterklärungen, jedoch glaueb ich, dass da was dran ist. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 16:33 Uhr: | |
@ts: > Sie kann sich z.B. über den größten Zuwachs bei der bundesweiten > Summe der Erststimmen freuen. So war das bei den anderen Wahlen dieses Jahres - aber wo hast Du denn schon Werte für den Sonntag gefunden? @Stephan Glutsch: > Es gibt noch einen Grund fuer die Schwaeche der FDP, naemlich die > fehlenden Koepfe. Na ja. Die Qualität der Bundespolitiker ist wohl insgesamt ein gewisses Problem geworden. Wenn man sich so mal das SPD-Minister anschaut - von denen wäre unter Helmut Schmidt keiner auch nur Staatssekretär geworden ... Und die Union sieht auch nicht viel besser aus. Späth und Milbradt, na gut. Also ein ganz alter Kämpe (dann könnte die FDP auch Genscher reaktivieren ...) und ein Landespolitiker. Ansonsten prickelt es aber auf Bundesebene nicht so sehr. Da ist die FDP derzeit noch ganz ordentlich aufgestellt. Westerwelle kommt von Alter (und Wahlergebnis) nicht für das Kanzleramt in Frage - aber er gäbe einen sehr guten Minister ab. Brüderle und Gerhardt haben sehr gute Landesminister abgegeben, Solms ist ein anerkannter Finanzer. Am Personal wäre eine Regierungsbeteiligung nicht gescheitert. Und das Programm bleibt immer noch der große Aktivposten: > Die Vorschlaege zur Wirtschafts-, Arbeits-, Steuer- und Bildungs- > und Familienpolitik finden sicher bei vielen Zustimmung. Eben. Sonst hätte die FDP nicht (im Gegensatz zu allen anderen Parteien) so massive Neueintritte gehabt. > So etwas koennte ich mir auch uebers Wochenende ausdenken. Da gratuliere ich aber ;-) Die übrigen Parteien scheinen ein solches Wochenende nicht hinzubekommen ... |
ts
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 17:12 Uhr: | |
Hallo Ralf Arnemann, du denkst wohl an Erstwähler-Stimmen. Den Zuwachs bei den Erststimmen habe ich dem vorläufigen Ergebnis entnommen, das der Bundeswahlleiter veröffentlicht hat: http://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahl2002/deutsch/ergebnis2002/bund_land/wahlkreis/kr99999.htm |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 19:01 Uhr: | |
Ich höre gerade im Deutschlandfunk einen Beitrag mit dem Wahlforscher Dieter Roth. Dieser ist der Ansicht, die unklare Richtung habe die FDP schon vor dem Möllemann-Desaster auf 7.x Prozent heruntergedrückt. Außerdem stünden immer noch 1/4 der FDP-Wähler der Union näher. |
Charles
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 21:07 Uhr: | |
Drei entscheidende Fehler: 1. Ein wirklicher Hammer-Mann hätte Kanzlerkandidat werden müssen - Jürgen W. Möllemann! Er war schließlich der Erfinder der Super-18-Prozent-Kampagne. Westerwelle ist ihm schonungslos in den Rücken gefallen! 2. Das Wahlziel war zu bescheiden! Hat man das Ziel "18" zu knapp der Hälfe erreicht, so hätte ein Wahlziel "40" (das man sich als Partei mit einem Kanzlerkandidaten ungeniert hätte setzten können) entsprechend zu einem ordentlichen Ergebnis von fast 18 Prozent geführt. 3. Statt aus taktischen Gründen auf eine Koalitionsaussage zu verzichten, hätte man sich besser zugunsten des wirklichen Wahlsiegers bekennen sollen. Also: Koalitionsaussage zugunsten der GRÜNEN. |
igor
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 22:06 Uhr: | |
Warum die FDP bundesweit so schlecht war, und in NRW relativ stark? Ich würd die Gründe nicht bei der FDP suchen, eher bei den Medien. Die Flugblattaktion von Mölli war mit Sicherheit taktisch unklug, aber eins war sie mit Sicherheit nicht: antisemitisch. Jeder NRWler dachte sich beim Flugblatt: Na und? Das ist weder ein grund, die FDP zu wählen (so wichtig ist den meisten Israel nicht), noch ein grund sie nicht zu wählen. Die potentiellen FDP-Wähler in den anderen Bundesländern haben das Flugblatt nie gesehen, haben nur gehört, dass in diesem Zusammenhang von Antisemitismus gesprochen wurde. Aus Abscheu vor jeder Form des Antisemitismusses haben sie dann halt lieber anders oder gar nicht gewählt. Hätte Mölli die Blätter doch entweder gar nicht verteilt, oder in ganz Deutschland. Dann hätte jeder gesehen: Da kritisiert jemand Israels REgierung und eine einzelne Person vom Zentralrat, ist aber kein Antisemit. Und doch, der Rücktritt ist nötig gewesen. So ein Eigenbrötler kann sich keine Partei leisten. Nicht die Flugblätter an sich, sondern die fehlende Abstimmujng mit der Parteiführung ist inakzeptabel. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 22:22 Uhr: | |
Ralf (16:33 Uhr): So etwas koennte ich mir auch uebers Wochenende ausdenken. Da gratuliere ich aber. Die übrigen Parteien scheinen ein solches Wochenende nicht hinzubekommen ... Wertvolle Anregungen gibt es bei www.mehr-freiheit.de |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 22:45 Uhr: | |
Trotz allem sollte man doch auch etwas bedenken: die FDP hat dieses Mal keinerlei "Leihstimmen" aus anderen Lagern erhalten - weil sie keine Koalitionsaussage gemacht hat und wegen der Möllemann-Affaire. Insofern ist das Ergebnis meines Erachtens - es ist ja doch ein Zuwachs - gar nicht so schlecht. Ich vermute, 2% hat die FDP an die Union aufgrund der beiden Faktoren - Möllemann und keine Koalitionsaussage oder -präferenz - verloren. Auch die Vermutung, die FDP werde bei einem Gleichstand beide Volksparteien gnadenlos gegeneinander ausspielen und die Union dazu zwingen, Brüderle statt Späth das Wirtschaftsministerium zu überlassen, halte ich für einen entscheidenden Grund für den Wahlverlust der FDP. Man sollte allerdings ein Verdienst Westerwelles nicht vergessen: sein Programm - man mag es teilen oder nicht - wirkt auf viele Wähler attraktiv. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Gerhardt und Kinkel (vgl. dessen Verhalten zu Hamm-Brücher bei den Bundespräsidentenwahlen 1994) wird Westerwelle zugetraut, einen Kanzler wirklich, wie die FAZ im Leitartikel heute schrieb, nach inhaltlichen Kriterien auszusuchen. Und kein Parteivorsitzender und Parteivorstand kann es sich leisten, dass jemand - wie Möllemann - derart parteischädigend vorgeht. Der entscheidende Fehler Westerwelles war meines Erachtens, das "Problem" Möllemann nicht schon vor 3 Monaten konsequent gelöst, sondern nachgegeben zu haben. Warum die FDP allerdings in NRW besser als im Bund abgeschnitten hat, weiß ich nicht. Aber das entscheidende ist etwas anderes: Westerwelle wurde seitens der Unionswähler "zugetraut", mit der SPD zusammenzugehen. Insofern wurde das Offenhalten der Koalitionsaussage nicht nur als taktische Finte gesehen (nach dem Motto, der geht nie mit der SPD, dies ist eine Wahltaktik). Westerwelle wurde zugetraut, mit der SPD zusammenzugehen. Inwieweit das Verhalten von Frau Pieper (nicht in Sachsen-Anhalt zu bleiben), die FDP dort geschwächt hat, vermag ich nicht zu sagen. Ob die "Kanzlerkandidatur" Westerwelles hilfreich war oder den Eindruck der Unseriosität hervorgerufen hat (Stichwort: Spasspartei) vermag ich im Augenblick nicht zu beurteilen. Es kann ihm Stimmen gebracht und gekostet haben (letzteres bei "Traditionswählern", die zur Union abgewandert sein dürften). |
mgs
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 12:04 Uhr: | |
Mal was anderes: Meine Theorie fuer die hartnaeckige Moellemann-Debatte ist die, dass sich Moellemann nach der gewonnen Sachsen-Anhalt-Wahl mit den aufgesaugten DVU-Stimmen eingebildet hat, das koennte auch auf Bundesebene so gehen. Und er hat da so fest dran geglaubt, dass er blind drauflosgestritten hat im Glauben so Punkte zu erhalten. Er hat aber nicht gesehen, dass das nicht zum restlichen Image der Partei passt und hat in dieser Hinsicht auch die Loyalitaet der Alten Garde ueberschaetzt. Das war ja bei Lafontaine so ein bisschen aehnlich, er haet sich verschaetzt in dem Glauben, Schroeder irgendwann plattmachen zu koennen. Nur war er so gescheit, bis zur Wahl Schroeders Weg mitzugehen. Und genau diese Abstimmung zwischen Westerwelle und Moellemann gab es bei der FDP nicht. Ich halte das Projekt 18 daher gar nicht fuer so fragwuerdig wie es zunaechst wirkt, aber durch stuemperhafte Kommunikation haben sie es sich selbst versaut. |
Volker
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 15:00 Uhr: | |
Diese Partei wird eigentlich nicht gebraucht, das kann auch die Union übernehmen. Die Bevölkerung besteht eben nur zu 1-3 % aus Besserverdienenden , ich meine die komplette Familie, denn selbst wenn einer zu dem erlauchten Kreis gehört, sind es ja selten alle in der Familie. Liberale Positionen in der Wirtschaft kann die Union auch vertreten und liberale Gesellschaftspolitk die SPD oder die Grünen. Also es gibt überhaupt keine Existenzberechtigung für die FDP. Die werden wieder in einer Existenzkrise kommen wie mitte der 90er Jahre. Ehrlich, ich sehe schwarz für die FDP. Das schlimmste ist, dass in der ganzen Führung nicht eine kompetente Person sitzt. |
Martin
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 15:47 Uhr: | |
Die F.D.P. macht es sich viel zu einfach, ihr Abschneiden hauptsächlich als die persönliche Schuld von Möllemann zu werten. Denn schließlich ist der Politiker Möllemann ein Produkt dieser F.D.P. . In einer der anderen im Bundestag vertretenen Parteien wäre ein Politiker wie Möllemann undenkbar. Die Strategie 18 und Möllemannsche Provokationen waren untrennbar miteinander verbunden. Jede Provokation von Möllemann wurde zunächst danach bewertet, ob sie der F.D.P. in den Umfragen nutzt oder schadet. Wenn man die Entwicklung von F.D.P. und Grünen in den letzten 15 Jahren betrachtet, fällt folgendes auf: In den 80er Jahren feierten Grüne viele erstaunliche Erfolge bei stimmungsdominierten Landtagswahlen, bei wirklich wichtigen und richtungsweisenden Wahlen wie Bundestagswahlen hielten sich die Erfolge aber dann doch in Grenzen, weil die Wähler vor diesen Wahlen sich wesentlich mehr mit Politik befassen und daher die Parteien vor ihrer Stimmentscheitung deutlich kritischer beurteilen. Nun hat offenbar die F.D.P. diese Rolle übermnommen. Ein klares Profil hat die F.D.P. eigentlich nur in der Wirtschaftspolitik und ich glaube, die 7,4 % der F.D.P. entspricht in der Tat ziemlich genau dem Anteil in der Bevölkerung, der sich wirklich inhaltlich mit dem Wirtschaftskonzept der F.D.P. identifiziert. In den anderen Politikfeldern sind ihre Aussagen diffus und stimmungsorientiert, aber nicht konkret. Ein Beispiel: Eine Parole, die ich mit der F.D.P verbinde, ist zum Beispiel "Mehr Bildung". Das ist so wie bei Parolen wie "Mehr Frieden", "Mehr Gerechtigkeit" usw. Damit kann sich jeder identifizieren, doch die Frage ist doch, mit welchen Inhalten dies verbunden ist. Und ich konnte bei der F.D.P. eben nur dieses "Mehr Bildung" wahrnehmen, nicht jedoch, welche bildungspolitischen und pädagogischen Konzepte dahinter stehen. Da es aber keine Partei gibt, die "weniger Bildung" fordert, ist das halt noch kein Grund, F.D.P. zu wählen. |
mgs
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 16:00 Uhr: | |
@Volker Ach das halte ich fuer Humbug. In Zeiten der Terrorismusbekaempfung, wo immer mehr auf Ueberwachung, Kontrolle, Protokollierung im Netz usw. usw. gesetzt wird, gibt es doch einen ueberaus starken Bedarf an Leuten auch in der Politik, denen Freiheit was wert ist. Ob die FDP das Zeug zu einer grossen Volkspartei hat ist was anderes, auch ob Moellemann spinnt ist was anderes, vielleicht, aber ob die FDP eine Existenzberechtigung hat, ist nun wirklich keine Frage. Ueberhaupt der Begriff der Existenzberechtigung ist fuer mich fraglich. Wann hat eine Partei eine Existenzberechtigung und wann nicht? Hat die PDS eine Existenzberechtigung? Haben die Gruenen eine Existenzberechtigung, weil der Aussenminister Ihnen zufaellig angehoert? Haben nicht anders herum alle Parteien mit einem auch nur annaehernd kompletten und demokratischen Prinzipien folgenden Programm eine Existenzberechtigung? Die FDP hat nun nicht glorreich gewonnen, aber hat sie deswegen ploetzlich keine Existenzberechtigung? Und ueberhaupt, warum gibt es sie dann eigentlich? |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 16:24 Uhr: | |
Volker und Martin, ich hätte gern starke wirtschaftsliberale Positionen, aber in einer u n i o n s g e f ü h r t e n Regierung. Selbst von den wenigen verbleibenden Wählern der FDP stehen 1/5 immer noch der Union näher. Der harte Kern der "Neutralliberalen" bringt die FDP nicht einmal über die 5%-Hürde. Die FDP hat die meisten Wähler an die Grünen abgegeben, also die Linksliberalen sind längt entsorgt. Und Frau Leutheusser-Schnarrenberger erreichte in Bayern mit 4.5% ein misearbles Ergebnis. Der Grund, warum einige FDP wählen, ist, daß ihnen das christliche und soziale an der Union suspekt ist. In den USA gibt es diese Berührungsängste nicht, deshalb sind dort FDP und Union eine Partei. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 16:37 Uhr: | |
@Martin: > Die F.D.P. macht es sich viel zu einfach, ihr Abschneiden > hauptsächlich als die persönliche Schuld von Möllemann zu werten. So einfach sieht die FDP das ja gar nicht. Nur von den verschiedenen Faktoren (z. B. Irak, Flut, ...) ist das halt der einzige "hausgemachte". > In einer der anderen im Bundestag vertretenen Parteien wäre ein > Politiker wie Möllemann undenkbar. Na ja. Populisten seiner Kragenweite gibt es in allen Parteien. Bei den Querschüssen dagegen sind nur die Grünen vergleichbar - bei den großen Parteien ist die Disziplin viel größer. > Die Strategie 18 und Möllemannsche Provokationen waren untrennbar > miteinander verbunden. Nein. Mit ungewöhnlichen Aktionen Aufmerksamkeit erregen, das gehörte dazu. Aber die FDP in diesem Wahlkampf allgemein angedichtete Neigung zu "Tabubrüchen" konnte ich nirgends sonst feststellen - da blieb Möllemanns Alleingang zu Nahost die krasse Ausnahme. Umgekehrt könnte man eher mit leichter Verwunderung feststellen, daß die FDP auf einige ganz interessante Tabubrüche verzichtet hat, die aus ihrem Programm leicht hätten hergeleitet werden können, z. B. Abschaffung der GEZ oder klare Einschränkungen für die Gewerkschaften. |
igor
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 17:09 Uhr: | |
@ Stephan: das mit den wirtschaftsliberalen Union seh ich sehr kritisch. Wie wirtschaftsliberal ist sie denn? Stoiber hat in Bayern eine interventionistische Politik betrieben, die mit der WiPo Schröders durchaus konkurrieren kann. Und bei aller Übereinstimmung zwischen Union und FDP: Eine unionsregierte Regierung wird sich NIE gegen die Gewerkschaften durchsetzen können. Da blockieren die Gewerkschaften schon aus Prinzip, wichtige Reformen, wie die Abschaffung des Flächentarifvertrages wären bei schwarzgelb daher nicht denkbar. Bei rot-gelb dagegen wären die Gewerkschaften viel mehr bereit, der SPD (und wegen des dringenden Handlungsbedarfs) zuliebe nachzugeben. Also: bei aller Vorliebe für schwarz-gelb vom programmatischen Standpunkt her: Mehr durchsetzen kann rot gelb. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass neben der Union noch eine zweite Partei wirtschaftsliberale Positionen vertritt und dass sich diese Partei für eine Koalition mit der SPD offen hält. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 11:36 Uhr: | |
Zur öffentlichen Entrüstung über Möllemann ein Zitat aus der New York Times vom 19. September, zitiert nach idea Spektrum: "Bei einem Treffen mit etwa 30 amerikanischen Freunden Deutschlands in Hamburg wurde der gerade wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten aus dem Kabinett von Kanzler Schröder geworfene Verteidigungsminister gefragt, warum Deutschland so lautstark gegen Präsident Bushs Kampagne zum Sturz von Saddam Hussein opponiere. Rudolf Scharping berichtete: Es gehe nur um die Juden. Bush werde zum Sturz von Saddam motiviert, weil er sich mit einer 'mächtigen - vielleicht übermächtigen - jüdischen Lobby' bei den bevorstehenden US-Wahlen lieb Kind machen wolle." |
Cram
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 01:12 Uhr: | |
Bernhard, ich kann dem was du schreibst voll und ganz zustimmen. Es gab Zeiten da hätte die FDP bei einem solchen Ergebnis gejubelt. Das kommt halt davon, wenn man die Hürde zu hoch anlegt. In NRW hat die FDP ja auch erst 8% angesetzt und das dann überschritten. Sie hat die Sache einfach überdreht, z.B. durch die Kanzlerkandidatur. Westerwelle hat 2001 zurecht gesagt, dass eine Kanzlerkandidatur unsinnig sei, da die FDP selbst bei 18% nicht den Kanzler würde stellen können. Er sagte, dies sei die Grenze zwischen Mut und Übermut und das, wenn man die Schraube zu stark drehe, das Gewinde bricht. Genau das ist bereits im April geschehen, als Westerwelle diese Position verlassen hat. Ein weiterer Fehler war das Frau Pieper nicht in SA geblieben ist. Sie wollte "keine Provinzpolitik" betreiben. Sie hatte für mich unverständlicherweise eine hohe Sympathie im Land (verstärkt durch Genscher-Bonus). Durch die Piep-Show in Sachsen-Anhalt hat die FDP in Ostdeutschland Wähler entäuscht. Es wäre auch in Ostdeutschland mehr für die FDP drin gewesen (auch wenn sie sich im Osten überproportional verbessert hat und mit 7,0% dort deutlich vor den Grünen mit 4,9% liegen. Natürlich hat das Hochwasser und Irak die FDP und ihre Wahlkampagne in den Hintergrund gedrängt. Aber: immerhin 4,7% in Mecklenburg-Vorpommern. Ohne die Piep-Show hätte sie es sicher geschafft (und in MV ist die FDP sehr sehr schwach, in Sachsen hat sie durchaus gute Ausgangsbediengungen). Die FDP ist keine Volkspartei zu der sie sich selbst erklärt hat, sie ist aber auch nicht im Sterben begriffen. Sie muß sich nunmehr neu sortieren. Dann hat sie durchaus Chancen zukünftig zuzulegen. Eine Tatsache sollte man nicht vergessen: Traditionelle Milieus lösen sich auf. Die Gewerschaften verlieren Mitglieder (SPD-Milieu) und die Kirchen verlieren ebenso an Mitgliedern und Einfluß (das gilt auch für die katholische Kirche, wenn auch in geringeren Maß als bei den Protestanten (CDU-Milieu). Diese Entwicklungen schwächen tendenziell die Volksparteien. Noch 1976 erhielten die beiden Volksparteien zusammengenommen mehr als 90% der Stimmen, heute sind es hingegen nur noch 77%. Tendenziell werden also die Volksparteien schwächer (nicht bei jeder Wahl in Folge aber eine Entwicklung in dieser Richtung ist auf eine längere Sicht betrachtet deutlich zu erkennen; es stellt sich daher die Frage ob sich dieser Trend fortsetzen wird oder nicht? Es deutet tendenziell doch nichts darauf hin das dieser Trend wirklich durchbrochen wird (Veränderungen der sozialen und ökonomischen Verhältnisse spricht für Fortsetzung des Trends). Bei dieser BTW erhielt zum ersten Mal seit 1949 keine der beiden "Volksparteien" über 40% der Stimmen, weder die eine noch die andere. Das hat es mit Ausnahme bei der ersten BTW 1949 nicht gegeben. Noch eines sollte man nicht vergessen. Die Arbeitswelt verändert sich, die Zahl der Arbeiter nimmt ab (SPD-Milieu), die Zahl der Selbstständigen und Freiberufler nimmt zu (-starke CDU und sehr, sehr starke FDP in diesem Milieu). Strukturell spricht daher einiges dafür, dass die FDP ihre Wählerschaft verbreitern kann. Vorausgesetzung ist natürlich, dass sie die Verhältnisse in der Partei wieder in Ordnung bringt. Dann hat sie dazu durchaus gute Chancen (wenn auch nicht 18%, so sind 9-10% durchaus realistisch für die FDP bei Landtagswahlen und bei der nächsten BTW; wie die Landtagswahlen in NRW(wirklich keine FDP-Hochburg), Berlin(FDP strukturell sehr schwach, bestes Ergebnis seit 1954), SA das ja auch schon gezeigt haben). |
Christian
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 01:28 Uhr: | |
@ Cram Zustimmung v.a. in einem: Was sich Frau Pieper in Sachsen-Anhalt geleistet hat ist absolut daneben. Erst tritt sie als Ministerpräsidentin an, dann nur noch Fraktionsvorsitzende und zum Schluß macht sie den Absprung nach Berlin. Umwerfend. Siehe Gysi: Die Wähler lassen sich im Osten auch nicht mehr alles gefallen, das ist für mich die positivste Erkenntnis aus dem Jahr insgesamt. Und andersrum zur FDP: Klar haben die mit 18% überzogen. Normalerweise wären 7,4%, ohne Koalitionsaussage und das beste Ergebnis seit 1990 ein Grund zum Feiern gewesen. Aber so? Die FDP hat einfach die Meßlatte zu hoch gelegt. Ich bin kein FDP-Anhänger, aber das Programm war ja gar nicht mal schlecht. Nur, auf der einen Seite mit Big Brother und Guidomobil wars einfach überzogen. Und, ich zitiere da diverse Nachrichtenagenturen, irgendein Politik-Professor hat gesagt, wenn der Wähler nicht weiß, wenn er FDP wählt, ob er dann Schröder, Stoiber oder Haider kriegt, das ist zuviel. Und das dürfte das Problem der FDP gewesen sein. Hätten sie wenigstens Haider weggelassen. Uns eins zum Abschluß: Ich finde es irritierend, das ausgerechnet im Stammland Baden-Württemberg die FDP 1% verloren hat. Die, letztliche, Niederlage (was ist eigentlich eine Niederlage bei plus 1,2%?) stammt mit Sicherheit v.a. daher. Irgendwas stimmt in der FDP innerparteilich nicht, auch NEBEN Möllemann. Ob Westerwelle im Südwesten einfach nicht so ankommt? Ich bleib dabei, die Idee war gut, die Programmatik auch, die Umsetzung und die Personen miserabel. |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 16:15 Uhr: | |
Ich denke, das Problem der FDP ist grundsätzlicher. Die Situation im Lande ist doch im Groben folgende: Der Mehrheit im Lande geht es im Großen und Ganzen gut, aber viele fürchten sich, dass sich dies in Zukunft ändern könnte. Daher will die grosse Mehrheit keine Veränderungen, keine liberalen Reformen, auch wenn die Notwendigkeit natürlich objektiv vorhanden ist. Mit ihren inhaltlichen Positionen wird die FDP nie 18% erreichen, mit guten Argumenten kommt man gegen Schröders populistische, staatsinterventionistische PR-Aktionen einfach nicht an, mit denen er immer wieder von seiner Unfähigkeit ablenkt. Daher muss man auf andere Weise Wähler gewinnen. Wie das geht, hat Möllemann in NRW ja vorgemacht: Er hat zwei Themen (v.a.Bildung, z.T. auch Verkehr) herausgegriffen und die populistisch bearbeitet und hatte im Wahlkampf immer die Initiative. Von Westerwelle dagegen hat man in der Schlussphase des Wahlkampfs nichts mehr gehört, das wäre selbst ohne Flut und Irak-Hysterie ein schwerer Fehler gewesen. Als einziges für die breite Öffentlichkeit wahrnehmbare Ziel auszugeben, 18% zu erreichen und in der Regierung zu kommen, reicht eben nicht. Abgesehen davon: Wer will den wirklich, dass Westerwelle Kanzler wird? |
guido
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 18:04 Uhr: | |
ich. |
guidos mama
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 18:08 Uhr: | |
ich auch. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 19:12 Uhr: | |
@Christian und Cram: ich stimme Euch in Euren Analysen zu. Auch Thomas hat recht, dass der FDP als der Reform-Partei grundsätzliche Reformen - aber eben keine soziale Gerechtigkeit - zugetraut wird (siehe das Reizthema: "Lohnfortzahlung im Krankheitsfall). Viel der alten "liberalen" Grundsätze ist ja heute - man mag zu ihnen stehen wie man will - auf die "Grünen" übergegangen. Der Austritt von Frau Hamm-Brücher aus der FDP zeigt ja deutlich, dass die FDP sich verändert hat. Langfristig hat aber die FDP durchaus Chancen, ihr Wählerpotential zu verbreitern. Sie sollte allerdings eine eindeutige Koalitonsaussage treffen. Außerdem glaube ich, dass die Koalition mit der Schill-Partei in Hamburg (auch wenn sie ein lokales Ereignis ist) - insbesondere nach den Ausfällen von Schill potentielle FDP-Anhänger verunsichert hat. Dies mag sich im Bund nicht so auswirken, prägt aber (ebenso wie das FDP-Verhalten in der hessischen Spendenaffaire (man fragt sich, warum Ruth Wagner und Fraktionschef Hahn nicht zur Union übertreten)längerfristig das Bild der FDP. Und es geht ja noch weiter: ich rechne mit einer Bestätigung Möllemanns als FDP-Landesvorsitzender in NRW - mit entsprechender Schwächung von Westerwelle. Dies tut der FDP sicherlich - kurzfristig - ebenfalls nicht gut. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 21:43 Uhr: | |
Bernhard, "soziale Gerechtigkeit" ist eine Mogelpackung, und wer das fordert, gibt damit zu, dass ihm normale Gerechtigkeit nicht genuegt. Nennen wir es lieber Umverteilung, der Begriff ist neutaler. Und wenn sich alle Parteien bei der "sozialen Gerechtigkeit" zu uebertreffen versuchen, warum sollte die FDP das auch noch im Angebot haben. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: In Schweden ist sie nahezu unbegrenzt, deshalb liegt der Krankenstand bei 20%. "Der Austritt von Frau Hamm-Brücher aus der FDP zeigt ja deutlich, dass die FDP sich verändert hat." - Das habe ich gar nicht mitbekommen. Das ist ja erfreulich, denn dann kann sie in Zukunft nicht wieder austreten. Gerade den Altliberalen wuerde ich mehr Schuld an der Wahlmisere geben als Moellemann. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 22:43 Uhr: | |
Stephan, natürlich kann und soll sich die FDP mit Programmen profilieren - aber wenn sie derartige Befürchtungen - und dafür war die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein Beispiel - weckt, dann wird sie eben nicht gewählt. Hauptursache sind für mich nach wie vor die fehlende Koalitionsaussage zugunsten der Union und die Möllemannschen Eskapaden. Der Austritt von Frau Hamm-Brücher, die gestern nach 54-jähriger Mitgliedschaft die Partei verlassen hat, dokumentiert für mich (wie die Koaliton mit der Schill-Partei in Hamburg), dass die FDP nicht mehr liberal zu nennen ist, sondern eine reine konservative Wirtschaftspartei geworden ist, die mit aller Macht an die Macht will - mit wem auch immer (siehe Schill). Die Grünen schnitten gegenüber der FDP laut Demoskopen auch deshalb besser ab, weil ihr Personal als kompetenter angesehen wurde (Fischer, Kynast etc.) als das der FDP. Diese Partei geht ja mit jedem, um an die Macht zu kommen - mit der SPD in Rheinland Pfalz, mit der Union in Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und mit Union und Schill-PArtei in Hamburg. Was hätte denn der FDP-Wähler bekommen am Sonntag? Stoiber? Christliberal? Schröder? Sozialliberal? Dafür ist ein Spass-Wahlkampf viel zu wenig und das Eintauchen in Container - gerade bei Katastophen wie der Flut - ebenfalls. Dies sind sicherlich Ursachen für den Misserfolg der FDP, wobei Cram recht hat, dass langfristig das Potential der FDP wachsen wird und die 7,2% "echte" FDP-Stammwähler sein dürften. Deren Stammwählerpotential liegt also deutlich über 5%, für die Partei ist dies doch gut. Was nützt es Möllemann oder Kubicki, in NRW und Schleswig-Holstein um die 10% zu haben und in der Opposition zu sein. In Hessen und Hamburg sitzen die FDP-Landesverbände in der Regierung - mit jeweils 5,1%. Na ja, mal sehen, wie es jetzt weitergeht. Gespannt bin ich auf den 7. Oktober, den Sonderparteitag der NRW-FDP. Im übrigen - dies wurde in dem Thread ja auch schon mehrfach angesprochen - lenkt Westerwelle durch seine Focussierung auf Möllemann von eigenen Schwächen - zur Zeit noch geschickt - ab. Aber lange dürfte dies nicht mehr tragen. |
Christian
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 00:01 Uhr: | |
Bernhard: Ich denke, DU hast vollkommen Recht. Die FDP hat eindeutig ein Problem der Glaubwürdigkeit. Man kann nicht einerseits mit Schill koalieren, der SPD eine Zusammenarbeit mit der PDS vorwerfen und dann gleichzeitig den eigenen OB-Kandidaten in Dresden mit der PDS durchwählen lassen. Und die Geschichte in Hessen, hat der FDP mit Sicherheit auch nicht geholfen. Ich denke, das die FDP in Deutschland einiges bewirken kann und könnte. Aber bestimmt nicht dadurch, das sie inhaltlich zugegeben gute Konzepte aufstellt, die aber nach außen völlig wirr publiziert. Wer nimmt der FDP denn ab, wenn Westerwelle eher in Richtung SPD gesehen wird, statt dessen die FDP auf Landesebene mit Koch und Schill koaliert und in Berlin die Ampel platzen läßt? Das hat doch nichts mit Eigenständigkeit zu tun, eher mit Irritation und eigener Zerrissenheit. Nichts gegen die FDP. Aber, kommuniziert doch mal was anderes als das Guidomobil! |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 00:54 Uhr: | |
Im Hinblick auf Koalizionen ist die SPD doch viel unglaubwürdiger als die FDP: In Rheinland-Pfalz koaliert sie mit der FDP (lt. Schröder angeblich nicht regierungsfähig), in Berlin und MeckPomm mit der PDS (die lt. Schröder nicht in der Bundesrepublik angekommen ist), in Brandenburg und Bremen mit der CDU und in Schleswig-Holstein und NRW mit den Grünen. |
Thomas Börner
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 14:40 Uhr: | |
Hätten die Möllemann-Kritiker in der FDP (z.B. der Greis Lambsdorff) mehr sachlich um die Möllemann-Aussagen diskutiert, damm wäre ich FDP-Wähler geworden. Der Beifall aus der falschen Ecke hatte aber die meisten FDP-Sensibelchen wohl aufgeschreckt und total verstört. Schade. Gute Ansätze waren da. |
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