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Archiv bis 11. Mai 2009

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahl des Bundespräsidenten » Bundespräsidentenwahl 2009 (war: Gesine Schwan als SPD-Kandidatin) » Archiv bis 11. Mai 2009 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
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Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 18:49 Uhr:   

@Wahlticker:
Wir reden irgendwie hier aneinander vorbei, habe ich das Gefühl. Wie in einem meiner obigen Posts deutlich wurde, kann der Bundespräsident - Präzedenzfall 1972 - Brandt-Heinemann, vgl. die Analyse von damaligen Verfassungsrechtlern nach Baring - sehr wohl das Parlament auflösen, solange mit der Abstimmung über ein konstruktives Mißtrauensvotum noch nicht begonnen worden ist. Der Satz: "Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt" bezieht sich genau darauf: das Recht zur Auflösung erlischt, sobald die Abstimmung über das konstruktive Mißtrauensvotum begonnen hat.

Nehmen wir doch einmal zur Verdeutlichung das von Müller-Vogg gewählte Szenario.

Bundestagswahl am 27.09.2007 ergibt eine rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit. Um keine erneute "Wortbruchdebatte" am Hals zu haben, wird die große Koalition zunächst für ein Jahr fortgesetzt.
Die SPD lässt die große Koalition Anfang November 2010 platzen, sagen wir am 07. November 2010. Dann beginnen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linkspartei zur Bildung einer neuen Regierung. Diese dauern ca. 2 Wochen.

Was hindert dann Frau Merkel daran, am 07. November 2010 dem Bundespräsidenten die Entlassung der SPD-Minister vorzuschlagen und gleichzeitig beim Bundestagspräsidenten die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG zu stellen? Solange mit der Abstimmung über ein - in diesem Szenario noch nicht eingereichtes - konstruktives Mißtrauensvotum (dieses wird bei Müller-Vogg erst am 23. November eingereicht, die Abstimmung über einen SPD-Kanzler findet - erfolgreich - am 25. November 2010 statt) noch nicht begonnen worden ist, kann der Bundespräsident jederzeit den Bundestag auf Ersuchen des Bundeskanzlers auflösen. Er ist nach Art. 68 GG nicht festgelegt, mit seiner Entscheidung 3 Wochen zu warten. Dies tat Heinemann 1972 nicht, als alle Parteien im Sommer 1972 den Bundestag vorzeitig auflösten. Carstens und Köhler haben dies 1982/83 bzw. 2005 getan, um - angesichts einer möglichen und dann realisierten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der "unechten" Vertrauensfrage - alle diesbezüglichen Möglichkeiten auszuloten.

Nochmal: niemand hindert den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin daran, den Bundestag aufzulösen, solange mit der Abstimmung über das konstruktive Mißtrauensvotum noch nicht begonnen worden ist. Dies geht aus den oben aus dem Werk "Machtwechsel" zitierten Materialien eindeutig hervor.
Und deshalb ist es eben sehr wichtig, ob der Bundespräsident nach dem 23.05.2009 Horst Köhler heißt oder Gesine Schwan - und deshalb ist die Diskussion auch relevant für diesen Thread hier.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 18:54 Uhr:   

Tippfehler: Bundestagswahl am 27.09.2009 natürlich.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 19:11 Uhr:   

Ja okay, wir reden hier aber über schwierige Materie. Ist alles Auslegungssache, wird mal so und mal anders interpretiert. Auf der von mir verlinkten Seite des Bundestags steht z.B. das auch davon ausgegangen wird, dass der Bundespräsident abwägt ob die Auflösung im Sinne aller Parteien ist. Nun ist es sicher denkbar dass der Präsident den Bundestag auch mal auflöst wenn ein paar Abgeordnete dagegen sind - aber gegen die Mehrheit des Parlaments?

Sicher: Der Bundespräsident KÖNNTE den Bundestag auflösen. Ob dies jedoch vom Verfassungsgericht zurückgenommen würde --> wahrscheinlich meiner Meinung, aber schwer zu sagen!

ABER: ich bleibe bei meiner Ansicht, ein vernünftiger Mensch wie Köhler würde das auf keinen, auf gar keinen Fall machen. Es ist einfach nicht Aufgabe des Präsidenten! Der Schritt wäre durch nichts zu rechtfertigen. Bei Schröders Mistrauensvotum glaubte ihm der Präsident, dass er kein Vertrauen mehr hat - und eine Alternative bestand nicht --> Machtvakuum --> Auflösung gerechtfertigt.

Im Falle Merkels wäre das Vertrauen auch dahin - trotzdem: WARUM SOLLTE DER PRÄSIDENT DEN BUNDESTAG AUFLÖSEN? Es lässt sich nicht begründen - Köhler würde es nicht tun.

Wie gesagt: Das ist meine Meinung. Aber dazu stehe ich!
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 19:19 Uhr:   

@Wahlticker: Klar kann hier jeder seine Meinung haben - eine Diskussion wäre sonst ja auch langweilig!
Aber genau da sprichst Du ja einen Punkt an: doch: die Auflösung wäre - aus Sicht von Köhler - durchaus gerechtfertigt: er kann nämlich sagen, dass die SPD im Wahlkampf 2009 ein Zusammengehen mit der Linkspartei im Bund ausgeschlossen hat und der Wähler deshalb erneut darüber entscheiden soll. Zudem kann er mit dem Begriff "Regierungsstabilität" argumentieren: eine - aus Neuwahlen möglicherweise - hervorgehende Koalition aus Union und FDP wäre möglicherweise stabiler als eine rot-rot-grüne Regierungskoalition von Johannes Kahrs von den Seeheimern bis zu Sarah Wagenknecht von der kommunistischen Plattform in der Linkspartei.

Und sonst muss ich mma rechtgeben. Der dem Bundespräsidenten Köhler an sich sehr gewogene Gerd Langguth, der eine Biographie über ihn geschrieben hat, kritisiert Köhler genau wegen des von mma zitierten Satzes in seiner Auflösungsansprache von 2005. Köhler hätte sich an juristische Fakten halten sollen, die aber nur den zweiten Teil seiner Ansprache ausmachten. So sehe ich dies auch. Gerade die Auflösungsansprache Köhlers von 2005 zeigt aus meiner Sicht die "Parteilichkeit" dieses Präsidenten. Aber auch dies ist nur "meine" Meinung.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 19:24 Uhr:   

Naja okay, kann sein. Wir werden es erleben oder auch nicht :-)

Ein anderes Thema, wieder mehr @ Topic: ich habe gerade Gesine Schwans Rede auf dem Parteitag der Grünen bei youtube geladen, hier der Link zur Playlist:
http://www.youtube.com/view_play_list?p=0C2FC6138DE61360
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 19:41 Uhr:   

"Sowieso wäre es absolut undenkbar, dass ein Bundespräsident das Parlament gegen den Wunsch der absoluten Mehrheit der Abgeordneten auflösen würde."
Nein. Wenn sich eine Lage einstellt, in der der BuPrä den Bundestag auflösen kann, also nach Kanzlerwahl mit relativer Mehrheit oder verlorener Vertrauensfrage, dann entscheidet allein er. Ob die Mehrheit im Bundestag dafür oder dagegen ist, spielt überhaupt keine Rolle. Auch praktisch vorstellbar ist eine Bundestagsauflösung gegen den Willen der Mehrheit sehr wohl: gibt es es am 27.9. eine Linksfrontmehrheit und wird ein Linksfrontkanzler nur mit relativer Mehrheit gewählt, dann wird Köhler den Bundestag sehr wahrscheinlich auflösen.


"Ich habe gerade nachgelesen, und der Bundestag hat zum Glück das recht seine eigene Auflösung zu verhindern.

Artikel 68 GG"
Das ist nun wahrlich keine Neuigkeit. Bloß: wenn z.B. Merkel die SPD-Minister entließe, dann müßten alle Linksparteien für Merkel stimmen, gesetzt den (wahrscheinlichen) Fall, daß Union und FDP das nicht täten. Das wäre ziemlich peinlich, erst recht, wenn es wegen ein paar Abweichlern schief ginge. Wahrscheinlich wäre in solch einem Fall mindestens eine der Linksparteien ohnehin für eine Neuwahl. Aber selbst wenn es gelänge, gäbe es Schwierigkeiten. Daß eine Linksfront mit knapper Mehrheit riskant ist, wenn man unbedingt die absolute Mehrheit braucht, hat Hessen ja hinreichend gezeigt. Nur bei einer ziemlich eindeutigen Mehrheit kann das linke Lager ohne hohes Risiko die Linksfront wagen. Wenn die Linksparteien erst durch ihre Stimmen Merkel im Amt hielten, aber dann keine Regierung zustande brächten, wären siec auch in einer miesen Lage.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 20:01 Uhr:   

@Bernhard
"Gerade die Auflösungsansprache Köhlers von 2005 zeigt aus meiner Sicht die "Parteilichkeit" dieses Präsidenten. Aber auch dies ist nur "meine" Meinung."

Der Bundespräsident hat KEINE Neutralitätspflicht. Er darf parteiisch sein und praktisch geht es ja auch kaum anders. Nur bei dem, was er lt. GG tun muß, also z.B. Ministerernennungen auf Antrag des Bundeskanzlers, darf er diese Pflichten natürlich nicht aus politischen Gründen außer Acht lassen. Die Frage Bundestagsauflösung ja oder nein ist eine rein politische. Es gibt keine objektiv "richtige" Entscheidungsalternative. Er ist also mit seiner Entscheidung praktisch gezwungen, eine Entscheidung nach seiner persönlichen politischen Auffassung zu treffen. Ich sehe auch nicht, was daran schlecht sein soll.
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Ralf Lang
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 20:24 Uhr:   

"Nur bei einer ziemlich eindeutigen Mehrheit kann das linke Lager ohne hohes Risiko die Linksfront wagen."

In Berlin funktionieren knappe Mehrheiten sehr gut.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Mai 2009 - 20:38 Uhr:   

@Thomas:
Ich zitiere jetzt einmal aus der - an sich sehr lesenswerten - Biographie über Köhler von Gerd Langguth:
"Karl Carstens begründete seine Auflösungsentscheidung...ausschließlich juristisch, während Horst Köhler eine politische Begründung an den Anfang seiner Ansprache stellte. Viele Fernsehzuschauer empfanden Köhlers Rede als politische Abrechnung mit der bisherigen Bundesregierung...Erst nach seiner inhaltlichen Begründung befasste sich Köhler mit juristischen Aspekten...Wohlgemerkt: er begründete seine Auflösung des Bundestages in erster Linie nicht mit formalen Kriterien, also der Frage, ob eine Mehrheit im Bundestag noch Vertrauen zum Bundeskanzler hatte, sondern er begründete es vor allem mit dem "Wohl unseres Volkes", das er zu kennen meinte.[...] Köhlers Begründung stieß auch wegen der Art seines Vortrages und wegen seiner politischen und weniger juristischen Begründung in den Medien auf erhebliche Kritik...Seit seiner Erklärung zu den Neuwahlen begann sich das Bild köhlers in den Medien und teilweise auch in der Öffentlichkeit zu wandeln. Sein Ansehensverlust begann nicht erst, wie manche meinen, mit dem Zustandekommen der Großen Koalition, sondern bereits mit seiner von vielen Millionen Menschen beachteten Rede zur Parlamentsauflösung. Die Art und WEise des Vortrages, vor allem die politische Akzentuierung in dieser Erklärung hat viele befremdet. Man kann sich gut vorstellen, was Köhlers juristische Berater alles tun mussten, damit bestimmte juristische Minimalia in den Text seiner Ansprache hineinkamen. Denn nur so konnte seine Auflösungsentscheidung auch vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert werden."
(zit. nach: Gerd Langguth: Horst Köhler. - München: Deutscher Taschenbuch-Verl., 2007, hier Auszüge von S. 292-296.

Ja, der Bundespräsident hat das Recht, so zu argumentieren. Er hat in der Tat keine Neutralitätspflicht. Ich bin aber mmas Auffassung, dass er hier sehr parteilich argumentiert hat und aus diesem Grunde nach Lübke der schwächste Bundespräsident ist - zumindest der parteilichste - den wir je hatten. Er hätte sich an meinem Lieblings-Bundespräsidenten, Karl Carstens, der das Amt so geführt hat, wie ich mir eine hervorragende und optimale Amtsführung eines Staatsoberhauptes in einer parlamentarischen Demokratie vorstelle, ein Vorbild nehmen sollen.
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 10:59 Uhr:   

("Nochmal: niemand hindert den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin daran, den Bundestag aufzulösen, solange mit der Abstimmung über das konstruktive Mißtrauensvotum noch nicht begonnen worden ist.")

Ich habe mal in dem GG-Kommentar von v. Münch/Kunig (allerdings nicht die neuste Auflage, die hatte ich nicht greifbar) nachgeguckt, wo es zum Erlöschen des Auflösungsrechtes bei Art. 68 I 2 heißt, dass der BPräs. sogar schon bei Kenntnisnahme von ernsthaften Vorbereitungen zur Neuwahl eines Kanzlers gehalten ist (Organtreue), mit der Auflösung zu warten.

Kennt jemand gegenteilige GG-Kommentare in diesem Punkt?
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 11:11 Uhr:   

("Bloß: wenn z.B. Merkel die SPD-Minister entließe, dann müßten alle Linksparteien für Merkel stimmen, gesetzt den (wahrscheinlichen) Fall, daß Union und FDP das nicht täten.")

Was für ein Szenario: Die Union stimmt nicht für die eigene Kanzlerin und ihre eigenen Kabinettsmitglieder (diese selbst haben voraussichtlich ebenso wie heute großenteils selbst ein BT-Mandat, wären also aus Fraktionsdisziplin gedrängt, sich selbst das Vertrauen zu verweigern!), während die rot-rot-grüne Mehrheit, um an die Macht zu kommen, die Regierung, die sie zu diesem Zweck stürzen müsste, unterstützt.

Dem Respekt der Bürger vor dem Parlament würde so ein Vorgehen sicher weiteren Schaden zufügen.
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 15:00 Uhr:   

mma:

Das ist eine perverse Situation.
Aber systembedingt gibt es diese Situation jedesmal, wenn ein Kanzler den Wunsch hat, das Parlament aufzulösen:
wer ihm politisch folgt, muss im Parlament gegen ihn stimmen - und umgekehrt.

War ja so z.B. auch 2005 und 1983.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 15:26 Uhr:   

Ja, aber mma hat es ja geschrieben, dieser Grundgesetzkommentar, und auch wenn ich mich mit dem GG nciht auskenne, ich habs ja oben schon greschrieben: soweit ich sehen gehört es schlicht nicht zur Aufgabe des Präsidenten, das Parlament gegen seinen Willen aufzulösen, für mich einfach nicht realistisch. Und ich bleibe dabei: Köhler würde das nicht tun. ich mag Köhler nicht besonders, ich fand auch damals die Argumentation bei Schröders Auflösung nicht gut, ich würde mir Gesine Schwan wünschen. Aber trotzdem: Köhler ist nicht schlecht, und so einen Käse würde er nicht mitmachen, da würde ich sogar Geld drauf wetten.
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 16:01 Uhr:   

("War ja so z.B. auch 2005 und 1983.")

Nein, so extrem nicht.
1983 hat die SPD nicht für Kohl gestimmt und 2005 die Union und die FDP nicht für Schröder
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 16:10 Uhr:   

mma:
Mein Punkt ist nur folgender:
Falls der Kanzler das Parlament auflösen will, muss er definitionsgemäß eine Abstimmung verlieren.

Wer VERHINDERN will, dass der Kanzler seinen Willen bekommt, muss in der entscheidenden Abstimmung FÜR den Kanzler stimmen.

Wer ERREICHEN will, dass der Kanzler seinen Willen bekommt, muss in der entscheidenden Abstimmung GEGEN den Kanzler stimmen.


Und es ist für jeden Bürger offensichtlich, dass jeder Abgeordnete hier ausdrücklich gezwungen ist, entgegengesetzt zu seinem politischen Ziel abzustimmen.
Das ist unschön.
Wollte man das vermeiden, dann müsste man dem Kanzler das Recht einräumen, eine Parlamentsauflösung zu beantragen.

1949 wollte man dies eben gerade nicht.

Nun hat man aber eine Situation, in der man inhaltlich genau so dasteht, also hätte man ein Selbstauflösungsrecht des Parlemants (dem Kanzler und Präsident zustimmen müssen).
Nur formal gibt es dieses Recht nicht, daher muss man formal widersinnig vorgehen um dieses Ziel zu erreichen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 16:43 Uhr:   

"Wer ERREICHEN will, dass der Kanzler seinen Willen bekommt, muss in der entscheidenden Abstimmung GEGEN den Kanzler stimmen."

Nein, er darf nur nicht für ihn stimmen, es reicht bereits Nichtteilnahme oder Enthaltung. Wer einen Kanzler gegen seinen Willen im Amt halten will, muß also einen Schritt weiter gehen als die Gegner.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 17:55 Uhr:   

@Wahlticker:
> soweit ich sehen gehört es schlicht nicht
> zur Aufgabe des Präsidenten, das Parlament
> gegen seinen Willen aufzulösen
Es gehört zu seinen Kompetenzen, also - wenn er es für angebracht hält - auch zu seinen Aufgaben.

Er kann dies nicht nach Gutdünken tun, sondern nur, wenn der Kanzler im Parlament kein Vertrauen mehr findet und den Präsidenten um Auflösung bittet.
Aber wenn diese Konstellation gegeben ist, dann ist es unerheblich, ob das Parlament mehrheitlich gerne noch weitermachen möchte - es wird nicht mehr gefragt.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 18:19 Uhr:   

Auf den Willen des Bundestages kann es in dieser Frage nicht ankommen. Es gibt kein Selbstauflösungsrechts des Parlaments (dass dieses mehrheitlich zum Ausdruck bringen könnte).

Entscheidend kann daher lediglich sein, ob die formalen Voraussetzungen für eine Bundestagsauflösung erfüllt sind oder nicht (also der Bundeskanzler die Vertrauensfrage verloren hat). Darüberhinaus verlangt das Bundesverfassungsgericht auch eine materielle Auflösungslage (abw. allerdings das Sondervotum, dass das Vorliegen der formalen Voraussetzungen für ausreichend hält).

In dem Fall steht es dem Bundespräsidenten zu entscheiden, ob er den Bundestag auflösen will oder nicht (politische Ermessensentscheidung).
So wurde ja letztlich auch die Bundestagsauflösung nach der Vertrauensfrage von 1983 und 2005 für zulässig erachtet, obwohl die Regierungsfraktionen eine Mehrheit hatten.

Allerdings gab es jedenfalls Unstimmigkeiten, so dass die Einschätzung des Bundeskanlzers, dass er nicht mehr über ein stetiges Vertrauen der Mehrheit des Bundestages verfügt zumindest nicht unplausibel war.

Im Fall eines Koalitionsbruchs ist hingegen offenkundig, dass der Bundeskanzler keine Mehrheit mehr hat. In dem Fall muss man derartige Erwägungen also gar nicht mehr anstellen.

Im Fall einer verlorenen Vertrauensfrage nach einem Koalitionsbruch ist daher ohne Zweifel auch eine materielle Auflösungslage gegeben.

Der Bundespräsident hat dann das Recht nach seinem politischen Ermessen zu entscheiden, ob der Bundestag weiter amtieren soll und damit selbst wie auch immer eine Lösung der Krise finden muss oder Neuwahlen der bessere Weg sind.

Der Bundespräsident muss mit dieser Entscheidung auch nicht 21 Tage warten (um abzuwarten ob sich in dieser Zeit etwa eine andere Möglichkeit zur Regierungsbildung ergibt), sondern kann auch unverzüglich nach der Vertrauensabstimmung auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen.

Es wurde hier in den Raum gestellt, dass möglicherweise schon die Kenntnis von ernsthaften Vorbereitungen zur Neuwahl eines Kanzlers dieses Recht einschränken können. Das halte ich für sehr zweifelhaft. Zunächst kann dies die materielle Auflösungslage nicht beseitigen. Von daher ließe sich nur mit dem Argument der Organtreue dies begründen. Das genannte Kriterium der ernsthaften Vorbereitungen ist allerdings diffus. Ab wann sollen den Vorbereitungen ernsthaft sein? Ab wann ist von Kenntnisnahme auszugehen? Das gilt zumal, da derartige Erwägungen auch in einer Lage der Instabilität angestellt werden und Teile nicht ernsthafter politischer Manöver sein können (etwa weil man aufgrund von Abweichlern in den eigenen Reihen diesen Schritt nicht ernsthaft in Betracht zieht, aber um zu blöffen "Vorbereitungen" hierzu ergreift). Letztlich wird damit auch der Grundsatz der Organtreue zu weit ausgedehnt. Dieser gilt dem Bundestag als Ganzen. Im Fall von bloßen politischen "Vorbereitungen" hat dieser aber noch gar nicht gehandelt.

Eine andere Frage ist, ob im Fall eines konkreten Antrags auf ein konstruktives Mißtrauensvotum der etwa nach der Vertrauensfrage aber vor der Entscheidung des Bundespräsidenten eingereicht wird, der Bundespräsident gehalten ist, diese Abstimmung abzuwarten. Eine ausdrückliche Regelung hierfür findet sich im GG nicht. Auch läßt eine solche Situation die materielle Auflösungslage nicht entfallen. Jedoch mag aus dem Grundsatz der Organtreue abzuleiten sein, dass in diesem Fall der Bundespräsident gehalten ist diese Entscheidung abzuwarten.
Andererseits würde dies eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Bundespräsidenten bedeuten, die Art. 68 GG so nicht vorsieht.

Rechtspolitische Erwägungen sprechen dafür, dass der Bundespräsident in dieser Situation abwarten sollte (ohne das damit abschließend gesagt werden kann, dass er hierzu verfassungsrechtlich verpflichtet ist; das bedarf weitergehender Prüfung).
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 18:30 Uhr:   

("Ab wann sollen den Vorbereitungen ernsthaft sein? Ab wann ist von Kenntnisnahme auszugehen?")

Wenn die Sitzung, in der eine Kanzlerwahl auf der Tagesordnung steht, begonnen hat, wird eine Auflösung wohl nicht mehr legitim sein. Aber wenn sie einberufen ist, doch bereits auch nicht mehr, oder?
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 11. Mai 2009 - 18:39 Uhr:   

@mma,

ich habe hier schon das Datum des Antrag als Kriterium angesetzt.
"Ernsthafte Vorbereitungen" ließen sich hingegen so verstehen, dass auch der Zeitraum in dem Vorgespräche zwischen den Partei- und Fraktionsvorsitzenden darüber, ob ein solcher Antrag gestellt werden sollte, eine Sperrwirkung für eine Entscheidung des Bundespräsidenten darstellen könnten.
Das ginge aus meiner Sicht zu weit.

Wenn man denn aus Gründen der Organtreue eine solches Abwarten des Bundespräsidenten verlangt, dann setzt das schon voraus, dass überhaupt ein Verfahren des Organs in Gang gesetzt wird. Und das ist erst mit dem Stellen des Antrags gemäß Art. 67 GG der Fall, nicht aber vorher.

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