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Archiv bis 21. Dezember 2008

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Ministerpräsidentenwahl und Regierungsbildung in Hessen » Archiv bis 21. Dezember 2008 « Zurück Weiter »

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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 18. Dezember 2008 - 18:52 Uhr:   

nur zur Klarstellung: ich bin kein Fan von Herrn Koch.

Aber ich bin auch kein Fan davon, Leuten grundsätzlich alle möglichen Charakterdefizite zu unterstellen, nur weil sie Politiker sind.

Insbesondere finde ich es ärgerlich, wenn erkennbare Kleinigkeiten zu riesigen Affären aufgebauscht werden - und wenn umgekehrt echtes politisches Versagen nicht angemessen thematisiert wird.

Da muss dann z.B. ein Cem Özdemir seinen Hut nehmen, weil er (oh Gott wie schlimm!) Bonusmeilen nicht korrekt abgerechnet hat.
Schaden für den Staatshaushalt: Wenn's hochkommt ein paar Tausend Euro.

Aber umgekehrt kann ein Stolpe jahrelang im Amt bleiben, obwohl er in regelmäßigen Abständen riesige Milliarden-Projekte in den Sand setzt (Lausitz-Ring, Zeppelin-Fabrik, Toll Collect, ....).

So etwas passiert deshalb, weil es vielen Leuten anscheinend sehr schwer fällt, die DIMENSION eines politischen Fehlverhaltens einzuordnen.

Im Falle Spenenaffäre wird das sehr deutlich:
Da gab es bei der Union einige echte Verbrecher. Wobei das Hauptopfer hier die CDU selbst war. Denn die Schwarzgelder wurden ja z.B. von Kohl gezielt eingesetzt, um seine Macht parteiintern abzusichern. Dass gerade die CDU-Parteimitglieder dagegen nicht stärker rebelliert haben, wundert mich noch heute.

Daneben gibt es aber auch einige CDUler, die mit dem EIGENTLICHEN Spendenskandal überhaupt nichts zu tun hatten.
Sondern die erst an der Macht waren, als es um die AUFARBEITUNG des Spendenskandals ging - und dabei dann eine schlechte Figur abgegeben haben.
Neben Koch war das z.B. auch Schäuble. Der eigentliche Fehler von Schäuble war so minimal, dass es geradezu grotsek ist, dass man darüber stürzen kann (es ging nur darum, dass er - womöglich - nicht die Wahrheit sagte, WANN er einen bestimmten Geldbetrag bekommen hat. Allerdings wäre das eigentlich ganz egal gewesen. Ihm wäre kein Vorwurf zu machen gewesen, ganz EGAL, wann er das Geld bekommen hat. Nur hat er dummerweise das Datum in einer eidesstattlichen Versicherung erwähnt. Also echter Kinderkram).

Natürlich ist es für den politischen Gegner nett, Koch einen "Lügenbaron" nennen zu können.
Aber wenn man wirklich nüchtern dran geht, muss man einfach sehen, dass Koch in dieser Affäre eine Randfigur war.
Nicht komplett unschuldig. Aber das war wirklich eine einfache Lüge, wie sie in der Politik und im Privatleben täglich vorkommt.
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Rhönschaf
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 18. Dezember 2008 - 19:41 Uhr:   

Zumindest mußte damals Franz Josef Jung als Leiter der Staatskanzlei für Roland Koch in der Spendenaffäre als Bauernopfer herhalten und zurücktreten.

Dieser allerdings ist heute als farbloser Bundeskriegsminister wieder in Amt und Würden.

http://www.tagesspiegel.de/politik/art771,1941594


Der Herr Koch ist schon ein feines Beispiel für ehrliche Politik in unserer Heimat.Da kann sich Frau Ypsilanti wahrlich noch eine Scheibe von abschneiden.


Wer eine politische Lüge, einer Lüge im Privatbereich gleichsetzt, darf gerne auch gleich unser Grundgesetz zum Altpapier schaffen!
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 18. Dezember 2008 - 20:10 Uhr:   

Tatsache bleibt für mich:
die FDP regt sich wortreich darüber auf, dass SPD, Grüne und Linkspartei nach dem Wortbruch von Frau Ypsilanti nicht sofort den Weg zu Neuwahlen geöffnet hätten und so lange warteten.

Tatsache bleibt: SPD, Grüne und Linke haben letztlich Neuwahlen zugestimmt. CDU und FDP hatten alleine nur 53 Stimmen, um Neuwahlen herbeizuführen.

Tatsache bleibt für mich, dass Frau Ypsilanti gelogen hat. Dies war nicht in Ordnung.

Ob sie aber gelogen hat, weil sie von vornherein Stimmen gewinnen wollte, die sie mit einer offenen Ankündigung, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten, nicht bekommen hätte und es somit keine Mehrheit für rot-rot-grün gegeben hätte oder ob sie die Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht in Angriff genommen hat, weil die FDP sich verweigert hat (ich vermute nach wie vor letzteres), bleibt für mich offen.

Es wundert mich nur, dass jetzt wochen- und monatelang dieser Wortbruch von Frau Ypsilanti thematisiert wird und außerdem durch die FAZ insinuiert worden ist, die Fraktionsführung der SPD habe die Abgeordneten aufgefordert, ihr Stimmverhalten zu dokumentieren, was nachweislich nicht geschehen ist (was nicht ausschließt, dass sich Fraktionsabgeordnete unter Druck fühlten und privat miteinander über eine solche Option sprachen), das Verhalten des CDU-Wurmfortsatzes FDP aber mit keinem Wort kritisiert wird.

Die FDP-Führung hat m.E. nach ihrem Verhalten in der Schwarzgeldaffaire, wo sie bedenkenlos aus Machterhaltsgründen die Regierung Koch/Wagner stützte, m.E. nicht das Recht, sich auf das hohe moralische Ross zu setzen und den Wortbruch von Frau Ypsilanti zu verurteilen, ohne ihre Verweigerungshaltung zu begründen.

Mehr sage ich zu diesem Thema nicht, aber dies ist meine Meinung. Eine Berichterstattung, die diese ganzen Faktoren außer Acht lässt und nur einseitig auf die - aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigende - Lüge von Frau Ypsilanti fokussiert, ist für mich nichts anderes als eine Kampagne und hat mit ausgewogener und seriöser Berichterstattung nicht mehr das Mindeste zu tun.
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Hesse
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 01:36 Uhr:   

@ Florian

Ein Politiker hat für mich ein Vorbild für die Bevölkerung zu sein. Das heißt für mich:

1) Er darf nicht lügen (hat z.B. Schäuble mit seiner falschen Darstellung des Datums getan)
2) Er hat Affären sofort und vollständig aufzuklären (hat z.B. Koch mit der Spendenaffaire nicht getan)
3) Er hat nach der Wahl das zu tun, was er vor der Wahl gesagt hat (hat Ypsilanti nicht getan, indem sie vor der Wahl eine Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen hat und dies hinterher doch getan hat).

Insofern sind weder Koch noch Schäuble noch Ypsilanti für mich fürderhin wählbar. Ich halte ohnehin die Aussage "Alle demokarttischen Parteien müssen miteiander koalitionsfähig sein" für unsinnig. Ich will doch, daß die von mir prtäferierte Partei ihr Programm durchsetzt. Dann soll sie auch nicht auf eine Koalition, wo sie ihre Wahlversprechen brechen muß, setzen, sondern ich erwarte, daß es eine Alleinregierung gibt, damit die Bevölkerung auch klar ja oder nein und nicht nur vielleicht sagen kann. Der Kompromiss ist demokratriewidrig. Besse4r wäre es, wenn es eine linke und eine rechte Partei gäbe, mit klaren Abgrentzungen zwischen sozialistisch-antireligöser Staatswirtschaft einerseits und konservativ-christlicher Marktwirtschaft andererseits. Für weitere Parteien gibt es eh keinen wirklich wohlverstandenen Bedarf.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 11:31 Uhr:   

@Bernhard:
> SPD, Grüne und Linke haben letztlich
> Neuwahlen zugestimmt.
Aber nicht aus moralischen Erwägungen, sondern weil die Grünen nur noch die Wahl zwischen Neuwahlen und Jamaika hatten - und das letztere nicht wollten.
Damit war die Mehrheit im Landtag klar, und SPD/Linke mußten nachziehen, obwohl sie eigentlich keine Neuwahlen wollten.

> Tatsache bleibt für mich, dass Frau Ypsilanti
> gelogen hat. Dies war nicht in Ordnung.
Es war aber eben nicht nur "mal eben gelogen", sondern ein ganz massiver Wahlbetrug.
Und deswegen reagieren Medien und Wähler deutlich stärker als bei "normalen" Politikerlügen.
Da muß man eben schon differenzieren.
Eine Vorstellung wie von "Hesse", ein Politiker müsse perfekt sein, ist realitätsfremd und wird auch von den meisten Leuten nicht erwartet.
Es wird unterschieden zwischen den kleinen Notlügen (wie damals bei Koch), wenn man irgendeinen Fehler vertuschen will, zwischen vagen Versprechungen ("wird alles ganz toll"), denen man von vorneherein nicht wirklich glaubt - und eben zentralen und klaren Zusagen, die dann gebrochen werden.

Im übrigen solltest Du nicht vergessen, daß Ypsilantis Lüge nur ein Teil des Problems ist, ihr undemokratischer Führungsstil und der Umgang mit den Kritikern ist inzwischen schwerwiegender.

> Ob sie aber gelogen hat, weil sie von
> vornherein Stimmen gewinnen wollte, die sie
> mit einer offenen Ankündigung, mit der
> Linkspartei zusammenzuarbeiten, nicht
> bekommen hätte ...
Genau dies.
Es hat ja seinen Grund, daß die Frage mit der Linkspartei im Wahlkampf so häufig kam - es gibt viele SPD-Wähler, die aus ganz grundsätzlichen Erwägungen eine solche Zusammenarbeit ablehnen und davon auch ihre Wahlentscheidung abhängig machten.
Noch heute ist ja in den Umfragen eine deutliche Mehrheit der SPD-Wähler (!) gegen diese Zusammenarbeit.

Das war Ypsilanti bekannt, und deswegen hat sie im Wahlkampf ihre Absichten verleugnet.

> ob sie die Zusammenarbeit mit der Linkspartei
> nicht in Angriff genommen hat, weil die FDP
> sich verweigert hat
Über die "Verweigerung" kann man streiten (siehe diverse Beiträge weiter oben) - aber es ist klar, daß Ypsilanti nie ernsthaft eine Ampel versucht hat. Damit entfällt diese Möglichkeit.

> außerdem durch die FAZ insinuiert worden ist,
> die Fraktionsführung der SPD habe die
> Abgeordneten aufgefordert, ihr Stimmverhalten
> zu dokumentieren, ...
Nochmal: Das hat keiner behauptet, auch nicht die FAZ!
Es waren Überlegungen innerhalb der Fraktion - in Reaktion auf den Druck durch die Führung.

> Die FDP-Führung hat m.E. nach ihrem Verhalten
> in der Schwarzgeldaffaire, ...
Wie oben gesagt: Man muß differenzieren.
Und da ist die "Schwarzgeldaffäre", soweit sie Koch betrifft, eher eine Marginalie.
Wie das ja auch die Wähler gesehen haben, die ihm anschließend eine absolute Mehrheit bescherten.
Letztlich hat es außerhalb der politischen Kernbereichs um Abgeordnete und Journalisten eben kaum jemand interessiert, ob die CDU ihr eigenes Geld korrekt verwaltet.
Es wurde nichts geklaut, es wurden keine Steuergelder verschlampt - es war letztlich eine Frage von korrekter Buchhaltung.
Und das ist politisch eben ziemlich unwichtig.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 12:29 Uhr:   

"Ich halte ohnehin die Aussage "Alle demokarttischen Parteien müssen miteiander koalitionsfähig sein""
Zustimmung. Das ist implizit eine Forderung nach Beliebigkeit. Aber Widerspruch zum REst...


"Ich will doch, daß die von mir prtäferierte Partei ihr Programm durchsetzt. Dann soll sie auch nicht auf eine Koalition, wo sie ihre Wahlversprechen brechen muß, setzen, sondern ich erwarte, daß es eine Alleinregierung gibt, damit die Bevölkerung auch klar ja oder nein und nicht nur vielleicht sagen kann. Der Kompromiss ist demokratriewidrig."
Quatsch. Es ist schon fraglich, ob die Wähler zwangsläufig wollen, daß ihre Partei allein regiert. Waren z.B. alle, die 1998 Grüne wählten, auch für 5 DM Benzinpreis? Die Grünen werden von nicht wenigen ihrer Anhänger nur gewählt, gerade weil sie wissen, daß ihre Forderungen niemals 1:1 durchkommen. Wenn nichtt die absolute Mehrheit hinter einer bestimmten Politik steht, dann geht es eben nur mit Kompromiss (oder Diktatur). Und selbst wenn eine Partei die absolute Mehrheit hätte, dann wäre da immer noch der Bundesrat und Kompromisse werden auch innerparteilich geschlossen, man denke nur an den Streit in der Union bezüglich Kopfprämie.


"Besse4r wäre es, wenn es eine linke und eine rechte Partei gäbe, mit klaren Abgrentzungen zwischen sozialistisch-antireligöser Staatswirtschaft einerseits und konservativ-christlicher Marktwirtschaft andererseits. Für weitere Parteien gibt es eh keinen wirklich wohlverstandenen Bedarf."
Soviel Unverstand ist schon bemerkenswert. Als ob alle gläubigen Menschen Verfechter der Marktwirtschaft wären und umgekehrt alle Atheisten auch Sozialisten.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 16:13 Uhr:   

"... mit klaren Abgrenzungen zwischen sozialistisch-antireligiöser Staatswirtschaft einerseits und konservativ-christlicher Marktwirtschaft andererseits."

Und wen wählen dann die Muslime, Juden, Jeziden, Buddhisten ...?
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 17:21 Uhr:   

Also, manchmal fällt es mir schon schwer, sachlich zu bleiben und nicht polemisch zu werden. Wenn Herr Koch lügt oder etwa die CDU-Fraktion ihren Abgeordneten empfiehlt, bei der geplanten Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag einfach sitzen zu bleiben, dann sind dies offenbar "Marginalien" oder zumindest keines medialen "Entrüstungssturmes" wert.

Wenn Frau Ypsilanti ihr Wort nicht einhält, dann wird monatelang darüber diskutiert ohne das Verhalten der FDP - aus meiner Sicht eine reine Verweigerungshaltung - ebenso kritisch zu diskutieren.

Mir ist dies zu einseitig, dies tut mir leid.

Im übrigen gibt es immer in dieser Hinsicht 2 Sichtweisen und ich kann von außen nicht beurteilen, wer recht hat.

Die eine Sichtweise, die sagt: Frau Ypsilanti hat mit Absicht vor der Wahl gelogen, weil viele SPD-Wähler und -anhänger eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht wollten. Dies ist die "negative" Sichtweise.

Oder eine Sichtweise, die sagt: die FDP hat ja sogar Gespräche verweigert - und aus der Pressekonferenz mit Herrn Hahn geht dies eindeutig hervor. Dies führte dazu, dass die SPD-Führung keine Alternative mehr sah, da sie keine große Koalition mit Koch eingehen wollte.

Ich neige zur letzteren Sichtweise.

Was den Druck angeht. Wenn nicht insinuiert worden wäre, die Fraktionsführung hätte Druck auf die Abgeordneten ausgeübt, warum verlangt dann die CDU eine "eidesstattliche" Erklärung dazu von Frau Ypsilanti, Herrn Schmitt etc.?

Für mich ist dies alles eine sehr einseitige und unsaubere Berichterstattung.

Meines Erachtens haben sich die Dinge sehr viel differenzierter abgespielt.

Frau Ypsilanti hat einen Wahlkampf betrieben, der dezidiert das Thema "soziale Gerechtigkeit" in den Mittelpunkt der Argumentation der SPD gestellt hat - egal, wie man nun zu den einzelnen Themen - Mindestlohn, Agenda 2010, Hartz IV - stehen mag. Sie vertrat Positionen, die sich dezidiert mit Programmpunkten der Linkspartei und denen der Grünen deckten.

Dennoch hieß es vor der Wahl: wir wollen rot-grün und werben zusätzlich um die FDP, falls es für rot-grün alleine nicht reicht. Außerdem schließt die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei aus.

Letztere Zusage wurde gebrochen. Aus welchem Grunde - zwei Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an (s.o) - bleibt m.E. bis heute offen. Zumindest erwarte ich von einer seriösen Berichterstattung, dass nicht automatisch die Erklärungsvariante: Frau Ypsilanti hatte von vornherein vor, zu lügen - kritiklos übernommen wird, zumal wenn man die Pressekonferenz von Herrn Hahn dazu noch im Ohr hat. Oder hat etwa Herr Walter in der Plenarsitzung des Landtags zu diesem Punkt - er kritisierte die Verweigerungshaltung der FDP auch nur zu Sondierungsgesprächen - gelogen? Dies glaube ich nicht, denn Hahn hat es bestätigt.

Daraufhin stand Frau Ypsilanti vor dem Dilemma, entweder mit der CDU zu koalieren und zahlreiche SPD-Wähler und -anhänger dadurch zu verprellen oder eine Tolerierung durch die Linkspartei zu suchen. Eine dritte Möglichkeit wäre gewesen, bereits im März Neuwahlen auszurufen.

Ich wundere mich, dass niemals ernsthaft über eine große Koalition unter Führung der CDU ohne Koch gesprochen worden ist.

Aber ansonsten akzeptiere ich für mich die Aussage der SPD-Spitze, dass aufgrund der Verweigerungshaltung der FDP zu reinen Gesprächen der Weg zur Tolerierung der Linkspartei gegangen worden ist. Denn in der Tat steht die SPD von Frau Ypsilanti der Linkspartei programmatisch näher als der CDU. Bei einer Koalition mit der CDU hätte die SPD doch ebenfalls viele Wähler und Anhänger verloren.

So ergibt sich meines Erachtens ein differenziertes Bild.

Außerdem gibt es sicherlich Gründe für die Verweigerungshaltung der FDP. Sie hatte Angst, als fünftes Rad am Wagen einer rot-grünen Mehrheit wahrgenommen zu werden, die jederzeit durch die Linkspartei hätte ersetzt werden können. Dies rechtfertigt aus meiner Sicht aber nicht die schroffe Ablehnung jeglicher Gesprächsbereitschaft, vor allem, wenn man - wie Hahn es tut - die Beteiligung der Linkspartei an einer hessischen Regierung als das größte Übel bezeichnet. Dann hätte der Herr über seinen Schatten springen müssen.

Die Verweigerungshaltung der FDP macht dann Sinn, wenn Hahn von vornherein darauf spekuliert hat, dass neben Frau Metzger noch weitere Abgeordnete Frau Ypsilanti das Vertrauen versagen würden. Darauf deutet sein Statement vom Sommer dieses Jahres hin, er lade Koch und die Grünen-Spitze "am Abend des Scheiterns von Frau Ypsilanti" zu gemeinsamen Gesprächen über die Führung einer Ampel ein.
Woher konnte er damals schon so zuversichtlich sein, dass Frau Ypsilanti scheitern würde? Mir bleibt dies rätselhaft.

In jedem Fall ist dies alles kein Lehrbeispiel für den Umgang demokratischer Parteien miteinander und der Berichterstattung einiger Medien über diese Vorgänge, die noch nicht einmal versuchen, die Darstellung der Gegenseite in ihre Argumentation mit einzubeziehen und daher reinen Kampagnencharakter - für mich - besitzen. Die zunehmende Politikverdrossenheit verwundert mich daher nicht mehr.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 19. Dezember 2008 - 21:12 Uhr:   

@Bernhard
"Also, manchmal fällt es mir schon schwer, sachlich zu bleiben und nicht polemisch zu werden. Wenn Herr Koch lügt oder etwa die CDU-Fraktion ihren Abgeordneten empfiehlt, bei der geplanten Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag einfach sitzen zu bleiben, dann sind dies offenbar "Marginalien" oder zumindest keines medialen "Entrüstungssturmes" wert."
Das ist doch Quatsch. Die Spendenaffäre ist damals in den Medien hinlänglich breitgetreten worden und Koch kam da nicht gut weg. Aber das hat mit Ypsilantis Lüge rein gar nichts zu tun, ganz abgesehen davon, daß in Hessen Anfang 2000 gar keine Wahl anstand, bei der eine Lüge irgend etwas hätte beeinflussen können.

"Daraufhin stand Frau Ypsilanti vor dem Dilemma, entweder mit der CDU zu koalieren und zahlreiche SPD-Wähler und -anhänger dadurch zu verprellen oder eine Tolerierung durch die Linkspartei zu suchen. Eine dritte Möglichkeit wäre gewesen, bereits im März Neuwahlen auszurufen."
In dieses "Dilemma" hat sich die SPD doch selbst gebracht. Die FDP hat doch schon vor der Wahl gar keinen Zweifel daran gelassen, daß sie die Ampel nicht will. Und diese Aussage war auch glaubwürdig, da die FDP in den letzten Jahren mehrfach eine Ampel ausgeschlagen hat (Bund, Schleswig-Holstein, in Berlin scheiterten Verhandlungen).

"Die Verweigerungshaltung der FDP macht dann Sinn, wenn Hahn von vornherein darauf spekuliert hat, dass neben Frau Metzger noch weitere Abgeordnete Frau Ypsilanti das Vertrauen versagen würden."
Hahns klare Absage war für ihn schon deshalb sinnvoll, weil eine Ampel so viel Widerstand hervorgerufen hätte, daß er vielleicht sehr bald nicht mehr Vorsitzender gewesen wäre. Er konnte gar nicht anders, er ließ meines Wissens schon ein paar Tage nach der Wahl (also bereits vor Metgers Nein) eine E-Mail an sämtliche hessischen FDP-Mitglieder schicken, daß man bloß keine Ampel machen werde.

Die SPD verlangte von der FDP, über ihren Schatten zu springen, war dazu aber selbst nicht bereit. Die SPD hat überhaupt kein Recht, der FDP irgendwelche Vorwürfe zu machen.


"In jedem Fall ist dies alles kein Lehrbeispiel für den Umgang demokratischer Parteien miteinander und der Berichterstattung einiger Medien über diese Vorgänge, die noch nicht einmal versuchen, die Darstellung der Gegenseite in ihre Argumentation mit einzubeziehen und daher reinen Kampagnencharakter - für mich - besitzen. Die zunehmende Politikverdrossenheit verwundert mich daher nicht mehr."
Das ist doch arg einseitig. Nehmen wir mal an, die Sachsen-CDU würde eine Koalition mit der NPD eingehen wollen, nachdem sie im Wahlkampf hoch und heilig das Gegenteil versprach, und würde sich dann so zerlegen wie die Hessen-SPD. Würde irgend jemand von einer Kampagne reden, wenn die Sachsen-CDU dann mächtig in der Kritik stünde? Wohl kaum. Und würde man es als Entschuldigung durchgehen lassen, daß die Grünen ja Jamaika verweigert hätten? Ganz sicher nicht.

Ypsilanti steht natürlich auch deshalb so schlecht da, weil sie am Ende nicht MP wurde. Viele Menschen und besonders Journalisten beurteilen die Dinge ja immer vom Ende her und bilden sich ein, es ja schon immer gewußt zu haben. Wäre Y letztlich gewählt worden, hätten viele Journalisten, die jetzt über sie herfallen, sie als zielstrebig, zäh, durchsetzungstark oder gar visionär gelobt. Gut, die Opposition und die FAZ hätten noch eine Zeit lang gegeifert, aber das hätte Ypsilanti egal sein könne, 2013 hätte die Wahlkampflüge von vor 5 Jahren keinen mehr interessiert, außer die Leute, die eh nicht SPD wählen würden. Jetzt hat sie aber den Schaden und braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das ist keine Kampagne, sondern ein völlig normaler Mechanismus, den es bei jedem anderen Politiker in vergleichbarer Situation auch gegeben hätte. Es ist die Kombination aus (eigenstandenem) Bruch eines zentralen Wahlversprechens und das Scheitern dabei, was die Hessen-SPD so runterzieht und nicht irgendeine imaginäre Kampagne.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 20. Dezember 2008 - 00:17 Uhr:   

Ich sehe dies nach wie vor etwas anders. Dass die FDP keine Ampel wollte, hat sie in der Tat vor der Hessen-Wahl klargestellt und dies ist auch legitim. Aber es muss doch immer der Grundsatz gelten, dass demokratische Parteien miteinander koalitionsfähig sein müssen. Ich kritisiere hier ja nicht die Tatsache, dass Gespräche zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite und der FDP auf der anderen Seite wegen mangelnder inhaltlicher Übereinstimmung möglicher- oder wahrscheinlicherweise nicht zu einem erfolgreichen Abschluss geführt hätten. Ich kritisiere die Dialogverweigerung der FDP (und ebenso der Grünen in Richtung schwarz-gelb, die aber weniger stark ausgeprägt zu sein schien wie die Dialogverweigerung der FDP). Klar, die FDP wollte keine Ampel, aber sie hat das Prinzip, dass demokratische Parteien untereinander koalitionsbereit sein müssen, missachtet und dies wird in den Medien kaum thematisiert. Und die Wortwahl von Herrn Hahn in der Pressekonferenz gegenüber Frau Ypsilanti war wirklich mehr als grob. Aber daran stößt sich offenbar niemand. Genauso wie sich die konservative Presse nicht daran zu stören scheint, dass die CDU ihren Fraktionsmitgliedern die Beteiligung an der Ministerpräsidentenwahl durch Sitzenbleiben verweigern wollte, zumindest dieser Schritt ebenfalls in der CDU diskutiert worden war. Dies verstehe ich eben nicht und zeigt, dass es offenbar nicht um seriöse Berichterstattung, die viele Facetten berücksichtigen muss, geht, sondern um eine Medienkampagne. Und dies trifft aus meiner Sicht zur Zeit besonders auf die FAZ zu.

Die Sache mit der Schwarzgeldaffäre zeigt für mich lediglich, dass die FDP-Führung in Hessen hier offensichtlich erheblich mit zweierlei Maß zu messen scheint. Die FDP hat damals Neuwahlen, die die Mehrheit der Bürger nach den Umfragen wünschte, verhindert und durch ihr Verhalten im Jahre 2000 eine Auflösung des Landtags verhindert. Nur darum standen eben keine Neuwahlen an.SPD, Grüne und Linke haben dies - aus welchen Motiven auch immer - nicht getan. Nach dem Scheitern der Ministerpräsidenten-Wahl hat die Linke noch am Montag, dem 3. November 2008, die Grünen zwei Tage später Neuwahlen gefordert und damit erst ermöglicht. Die FDP hat sie 2000 bzw. 2001 verweigert. Und dann ist es aus meiner Sicht ein Zeichen von Doppelmoral oder - milder vormuliert - mangelnder Konsistenz, 2008 Neuwahlen vehement zu fordern und SPD, Grüne und Linke dafür zu kritisieren, dass sie sie vor November 2008 nicht wollten, und Neuwahlen aber selber 2001 zu verweigern.

Dass dies Anhänger, Wähler und Vertreter der FDP nicht gerne hören, ist verständlich, sollte aber dennoch in die Ursachenanalyse über die Gründe, die die SPD-Führung veranlasst haben, ihr Wahlversprechen zu brechen und mit den Linken zusammenzuarbeiten, mit einbezogen werden. Denn ohne die Verweigerungshaltung der FDP hätte es ohne Einbeziehung der Linkspartei eine Lösung der verfahrenen Mehrheitssituation geben können. Dies gilt natürlich auch für den Fall, dass die Grünen ernsthaft Jamaica in Erwägung gezogen hätten. Sowohl FDP wie auch Grüne waren nicht bereit, als Mehrheitsbeschaffer für eine jeweils ideologisch andersfarbige Koalition herzuhalten. Die FDP sicherlich auch deshalb, weil sie ein Scheitern von Frau Ypsilanti erwartet hatte (in realistischer Einschätzung, dass neben Frau Metzger noch Herr Walter Frau Ypsilanti nicht wählen werde) und für Neuwahlen auf Stimmen von CDU-Anhängern hoffte bzw. hofft, die 2009 nicht FDP wählen würden bzw. 2008 FDP gewählt hätten, wenn die FDP mit SPD und Grünen Verhandlungen über eine Ampel-Koalition eingegangen wäre. Dies ist sicherlich parteipolitisch gesehen verständlich, aber demokratiepolitisch aus meiner Sicht kurzsichtig und gefährlich, da das Freund-Feind-Denken, welches insbesondere die Endzeit in Weimar so geprägt hat, besonders in Hessen so stark ausgeprägt scheint, dass demokratische Parteien noch nicht einmal miteinander reden. Und diesen Vorwurf muss sich die FDP aus meiner Sicht machen lassen. Es mag durchaus sein, dass ein Teil der Hessen-SPD nicht mit der FDP koalieren wollte und es gar nicht ungern sah, dass die FDP sich Gesprächen überhaupt verweigert hat. Aber es war eben die FDP, die diese Gespräche verweigert hat, nicht die SPD, die diese Gespräche angeboten hat.
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 20. Dezember 2008 - 10:38 Uhr:   

Bernhard:

ich glaube, die Argumente wurden hinlänglich ausgetauscht und wir drehen uns da langsam im Kreis.

Um aber einmal einen Aspekt herauszugreifen, bei dem ich Dir ausdrücklich zustimme:
aber demokratiepolitisch aus meiner Sicht kurzsichtig und gefährlich, da das Freund-Feind-Denken, welches insbesondere die Endzeit in Weimar so geprägt hat, besonders in Hessen so stark ausgeprägt scheint, dass demokratische Parteien noch nicht einmal miteinander reden

Es ist wirklich sehr beachtlich, wie ideologisch verbohrt die Parteienlandschaft in Hessen zu sein scheint.
Und zwar grundsätzlich alle Seiten.
Im Bund mag es eine große Koalition geben - aber in Hessen wird eine große Koalition von der SPD auch nach der Wahl 2009 ausgeschlossen. "Koch muss weg" ist wichtiger als jedes Sachargument.
Ähnlich hart argumentieren auch die FDP und die Grünen (einzig die CDU hatte mit keiner demokratischen Partei Berühungsängste).

Eigentlich ist die Situation im Vergleich zu "Weimar" und zu diversen sonstigen aktuellen deutschen Landtagen ja angenehm:
In Hessen gibt es eine 95%-Mehrheit für demokratische Parteien.
In Weimar gab es in der Spätphase ja nicht einmal mehr 50% staatstragende Parteien im Parlament. Und auch in einigen - speziell ostdeutschen - Landtagen wird die Situation langsam prekär (z.B. aktuell in Sachsen wo die "große" Koalition gerade noch 51% der Stimmen hat und PDS und NPD auf zusammen 33% kommen).

Dass in Hessen die demokratischen Parteien wegen (vergleichsweise) geringen Differenzen nicht einmal über eine Regierung verhandeln wollen, ist ein Trauerspiel.
Ebenso ist es ein Trauerspiel, dass die dann letztlich versuchte Variante ausgerechnet auf die Duldung durch eine kommunistische Partei angewiesen gewesen wäre, obwohl 95% Demokraten im Parlament zur Verfügung gestanden hätten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 20. Dezember 2008 - 15:02 Uhr:   

"Die Sache mit der Schwarzgeldaffäre zeigt für mich lediglich, dass die FDP-Führung in Hessen hier offensichtlich erheblich mit zweierlei Maß zu messen scheint. Die FDP hat damals Neuwahlen, die die Mehrheit der Bürger nach den Umfragen wünschte, verhindert und durch ihr Verhalten im Jahre 2000 eine Auflösung des Landtags verhindert. Nur darum standen eben keine Neuwahlen an."

Das ist doch völliger Quatsch. Zum x-ten Mal: Warum soll man neu wählen lassen, wenn man eine Mehrheit hat? Und da liegt ja auch der fundamentale Unterschied zur jetzigen Situation, wo es eben keine handlungsfähige Regierung mit Mehrheit gibt. Das wäre vielleicht anders, wenn sich die SPD die letzten Monate anders verhalten hätte. Die Grünen hätten Anfang 2000 auch nicht nach einer Neuwahl geschrien, wenn Schröder eine Spendenaffäre am Hals gehabt hätte.


"Dass dies Anhänger, Wähler und Vertreter der FDP nicht gerne hören, ist verständlich, sollte aber dennoch in die Ursachenanalyse über die Gründe, die die SPD-Führung veranlasst haben, ihr Wahlversprechen zu brechen und mit den Linken zusammenzuarbeiten, mit einbezogen werden. Denn ohne die Verweigerungshaltung der FDP hätte es ohne Einbeziehung der Linkspartei eine Lösung der verfahrenen Mehrheitssituation geben können."
Nochmal: Es gab immerhin noch drei Optionen außer Linksfront und Ampel, nämlich

1) sofortige Neuwahl
2) große Koalition
3) Jamaika

Es ist also schlicht falsch zu behaupten, SPD und Grüne hätten keine Alternative zu ihrem Linksaußenkurs gehabt wegen der bösen, bösen FDP.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 20. Dezember 2008 - 23:32 Uhr:   

Dies habe ich auch nicht behauptet. Wohl aber habe ich festgestellt, dass die FDP mit ihrer Verweigerungshaltung eine erhebliche Mitschuld daran trägt, dass eine Regierungsbildung mit der Linkspartei versucht wurde, weil sie - ebenso wie die Grünen in Bezug auf die CDU - den Grundsatz mißachtet hatten, dass demokratische Parteien miteinander koalitionsfähig sein müssen. Und es sind eben die Feindbilder in Hessen, die auch eine große Koalition verhindert haben, weil die SPD fürchtete, dann viele ihrer Wähler zu verlieren. Eine große Koalition mit Koch an ihrer Spitze wäre auch ein Wortbruch gewesen.

Nein, die FDP kann m.E. nicht aus ihrer Mitschuld - ihrer Verweigerungshaltung - entlassen werden. Sie trägt erhebliche Mitschuld daran, dass eine Regierung der demokratischen Parteien ohne Linke nicht zustande gekommen ist.

Ich denke, man kann diese Meinung vertreten, ohne dass diese als "vollkommener Quatsch" diffamiert werden muss. Die Pressekonferenz von Jörg-Uwe Hahn mit seiner Weigerung, SPD und Grünen überhaupt Gespräche über eine Regierungssbildung anzubieten belegt dies ja auch.

Meine Meinung ist eine andere Auffassung zu diesem Sachverhalt als die anderer Redner hier und die sollte hier toleriert werden. Ich kann keinen "völligen Quatsch" in dieser Haltung erkennen.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 20. Dezember 2008 - 23:41 Uhr:   

Noch etwas: wenn die "funktionsfähige Regierung" als solche ein Wert an sich ist, dann wird der Grundsatz mißachtet, dass Politik pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken ist, wie es Kant oder etwa Helmut Schmidt formuliert haben. Der Punkt ist, dass die Wähler das Vertrauen in die Integrität von Roland Koch im Jahre 2001 nach Umfragen verloren hatten und es der FDP gut angestanden hätte, dem Wunsch der Wähler nach Neuwahlen aus moralischen Gründen zu entsprechen. Jörg-Uwe Hahn hat der Landtagsmehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei ja zum Vorwurf gemacht, aus Machtgier - um an die Macht zu kommen - Neuwahlen verweigert zu haben. Dies mag richtig sein. Die FDP hat aber 2001 genau das gleiche getan. Und daher ist Hahns Ausage aus meiner Sicht unglaubwürdig und nicht ernstzunehmen. Sie erscheint mir rein interessegeleitet gewesen zu sein. Und dies schadet der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. So denke ich.
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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 01:16 Uhr:   

"Der Punkt ist, dass die Wähler das Vertrauen in die Integrität von Roland Koch im Jahre 2001 nach Umfragen verloren hatten und es der FDP gut angestanden hätte, dem Wunsch der Wähler nach Neuwahlen aus moralischen Gründen zu entsprechen."

Vollkommen falsches Politikverständnis.

Erstens:
Es kann ja wohl nicht richtig sein, dass es jedes Mal Neuwahlen gibt, wenn die Wähler "nach Umfragen" mit der Regierung nicht zufrieden sind.
Wenn man dieses Prinzip umsetzen würde, dann würden unpoluläre politische Maßnahmen vollkommen unmöglich gemacht.

Zweitens:
Dass diese Umfragen nicht immer richtig liegen müssen, zeigt ja gerade das hessische Beispiel wunderbar: In den nächsten Wahlen bekam Koch eine absolute Mehrheit. Kaum ein Indiz dafür, dass die Wähler die moralischen Bedenken von Bernhard Nowak in ihrer Mehrheit geteilt hätten.

Drittens:
Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass in der deutschen (Nachkriegs-) Verfassungstradition eine "funktionsfähige Regierung" sehr wohl ein Wert an sich ist (deren Wert man eben gerade im Kontrast zu Weimar sehr gut erkennen kann)?
Es ist daher ein in der Praxis anerkanntes Prinzip, dass Parlamente nicht aufgelöst werden, solange die Regierung im Parlament eine Mehrheit hat.
Siehe z.B. unsere Diskussion anläßlich der Bundestags-Auflösung 2005. Das ganze kreiste immer um die Frage, ob die Regierung noch das Vertrauen des Parlaments hat, wer ggf. wie prüfen kann, ob das Vertrauen noch vorhanden ist etc.
Völlig unstrittig war dabei aber, dass die entscheidende Voraussetzung das Fehlen einer Handlungsfähigen Regierung ist.
Ein Parlament in dem die Regierung eine unbestrittene Mehrheit hat, wurde im Nachkriegsdeutschland m.W. noch nie aufgelöst.
Warum nun ausgerechnet die Lüge von Koch dazu so ein entscheidender Anlass gewesen sein soll, entzieht sich mir.
Zumal - wie bereits ausgeführt - diese Lüge ziemliche Peanuts war im Vergleich zu vielen wesentlich dramatischeren Fällen von politischen Versagen, bei denen auch nicht jedesmal gleich das Parlament aufgelöst wird.

Auch 2008 hätte sicher niemand in der FDP oder CDU in Hessen Neuwahlen gefordert, wenn Ypsilanti eine funktionsfähige Regierung gebildet hätte.
Der Ruf nach Neuwahlen kam nur deshalb auf, weil eine solche Regierung eben fehlte und auch nach fast einem Jahr keine Aussicht auf eine solche Regierung bestand.
Der Lügen-Vorwurf an Ypsilanti war hingegen NICHT der Anlass für Neuwahlen. Es wäre nett, wenn B.Nowak diesen Sachverhalt zur Kenntnis nehmen würde.
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Bernhard Nowak
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Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 09:34 Uhr:   

Doch, genau dies ist es ja. Die FDP in Hessen machte Ypsilanti ja zum Vorwurf, die Bildung einer funktionsfähigen Regierung - SPD, Grüne und Linke - überhaupt zu versuchen. Denn damit würde Ypsilanti ihr Wahlversprechen, nicht mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten, brechen. Dass zusätzlich diese Regierung als instabil dargestellt wurde, weil auf die Linkspartei kein Verlass sei (was nicht bewiesen werden konnte), war ein zusätzliches Argument der FDP, aber nicht das Hauptargument. Das Hauptargument, weshalb Neuwahlen von seiten der FDP gefordert worden war, war der Vorwurf der Lüge.

Funktionsfähigkeit einer Regierung kann doch kein Wert an sich sein. Es geht um moralische Integrität. Auch die Regierung Hitler war - streng formaljuristisch gesehen - nach den Wahlen vom 6. März 1933 mit einer parlamentarischen Mehrheit aus NSDAP und DNVP ausgestattet und damit "funktionsfähig." Die Erhaltung einer "funktionsfähigen Regierung" kann dann aus meiner Sicht sehr schnell zum Vorwand dafür werden, trotz eklatanter Fehlentwicklungen an einer Regierung - koste es was wolle, festzuhalten. Und dies hat die FDP ja auch 2001 getan. Vollkommen legitim. Dann aber bitte sich 2008 eine andere Argumentationsstrategie ausdenken. Wenn man nur Neuwahlen möchte, um selber an die Macht zu kommen - was ebenfalls vollkommen legitim ist - dann soll man es so auch sagen und nicht den Wunsch nach Neuwahlen mit der Forderung der Wähler, die sich aufgrund eines Wortbruchs getäuscht fühlten, verbinden.

Aus meiner Sicht sind diese Überlegungen weder Quatsch, noch zeugen sie von einem "falschen Politikverständnis." Wer definiert denn hier, was "Quatsch" bzw. "richtiges Demokratieverständnis" zu sein hat? Ich habe ein Politikverständnis, welches sich nahe an dem von Kant und Helmut Schmidt orientiert.
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Thomas Frings
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Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 13:08 Uhr:   

@Florian
Zustimmung zu Punkten 1 und 2. Aber eine funktionsfähige Regierung ist kein Wert an sich. Lieber eine handlungsunfähige Regierung als eine handlungsfähige, die konsequent in die falsche Richtung fährt. Wohl aber ist eine handlungsfähige Regierung, an der man selbst beteiligt ist und etwas in seinem Sinne bewegen kann, ein Wert, den man ohne Not nicht hergibt.


@Bernhard
"Die FDP in Hessen machte Ypsilanti ja zum Vorwurf, die Bildung einer funktionsfähigen Regierung - SPD, Grüne und Linke - überhaupt zu versuchen. Denn damit würde Ypsilanti ihr Wahlversprechen, nicht mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten, brechen."
Wie die Hessen-FDP das begründet, ist irrelevant. Die Neuwahl findet einfach deshalb statt, weil keine Regierung zustande kam.
Richtig ist aber natürlich, daß die SPD die Wähler VOR der Wahl in einer zentralen Frage getäuscht hat. Koch hat dagegen weder 1999 noch später mit einer dicken Lüge vor der Wahl diese in seinem Sinne beeinflußt, auch wenn man über seinen Stil sicher geteilter Meinung sein kann.

"Die Erhaltung einer "funktionsfähigen Regierung" kann dann aus meiner Sicht sehr schnell zum Vorwand dafür werden, trotz eklatanter Fehlentwicklungen an einer Regierung - koste es was wolle, festzuhalten. Und dies hat die FDP ja auch 2001 getan."
Die "eklatanten Fehlentwicklungen" fanden aber schon lange vor der Bildung der Regierung 1999 statt. Das Geld, um das es ging, wurde bereits 1983 ins Ausland verschoben, Koch spielte damals in der Hessen-CDU gar keine Rolle. Und vor allem hätte ein Ausscheiden der FDP aus der Regierung überhaupt nicht dazu beitragen können, diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Die Grünen würden sicher auch keine Koalition mit der SPD aufkündigen, wenn die SPD mit Parteispenden außerhalb der Legalität operieren würde und das herauskäme.
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Lars Tietjen
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Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 13:22 Uhr:   

@Thomas Frings
"Koch hat dagegen weder 1999 noch später mit einer dicken Lüge vor der Wahl diese in seinem Sinne beeinflußt, auch wenn man über seinen Stil sicher geteilter Meinung sein kann."

Aber die CDU hatte gegen das Grundgesetz verstoßen (Art. 21 "Sie [Parteien] müssen über die Herkunft ihrer Mittel sowie ihr Vermögen öffentlich Recenschaft geben.") und diverse Wahlkämpfe illigal finanziert.

Finde ich persönlich schlimmer als die Lüge von Ypsilanti. Auch wenn ich die Lüge von Ypsilanti auch falsch finde. Aber die Lüge hat gegen kein Gesetz verstoßen.
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Thomas Frings
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Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 15:43 Uhr:   

"Finde ich persönlich schlimmer als die Lüge von Ypsilanti. Auch wenn ich die Lüge von Ypsilanti auch falsch finde. Aber die Lüge hat gegen kein Gesetz verstoßen."
Das ist hier völlig schnurz und dieses Forum ist nicht dazu da, das ethische Niveau von Politikern und Parteien zu bewerten. Koch war in der Geschichte obendrein allenfalls eine unbedeutende Randfigur. Fest steht jedenfalls, daß es rein gar keine Parallele zwischen Ypsilantis Lüge und der Spendenaffäre gibt.

Viele Linke halten sich halt für moralisch überlegen und können deshalb einfach nicht zugeben, daß in diesem Fall Ypsilanti die "Böse" ist. Daher dieses infantile Hervorkramen von Sachen, die nicht das geringste damit zu tun haben, nur um zu "beweisen", daß der böse Koch ja viel, viel schlimmer sei. Selbst wenn er das wäre, würde es rein gar nichts daran ändern, daß Ypsilanti log und damit den Wahlausgang beeinflußte. Das sehen wohl auch viele so, die im Januar SPD gewählt haben, sonst stünde die SPD nicht so schlecht da.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 21. Dezember 2008 - 17:51 Uhr:   

Das Forum ist nicht dazu da, das ethische Niveau von Politikern und Parteien zu bewerten? Wenn das so ist, dann verstehe ich nicht, warum sich über den Wortbruch von Frau Ypsilanti überhaupt aufgeregt wird. Denn hier wird doch das ethische Niveau von Frau Ypsilanti andauernd bewertet. Und dies finde ich auch richtig: sie hat gelogen und damit Vertrauen verspielt. Nur die Frage, ob sie von vornherein gelogen hat, weil sie wußte, dass es anderenfalls nie zu einer Mehrheit von SPD, Grünen und Linkspartei gekommen wäre und somit die Wähler vor der Wahl am 27.01.2008 bewußt getäuscht hat (was viele annehmen) oder ob ihr Erklärungsansatz, ihr seien die Inhalte, die sie vertritt, wichtiger gewesen als Koalitionen und zudem habe die Verweigerungshaltung der FDP erst zu ihrer Entscheidung geführt, die Zusammenarbeit mit der Linken - entgegen vorherigen Versprechungen zu suchen - zu suchen, ist nach wie vor umstritten. Und angesichts der Pressekonferenz von Herrn Hahn, in dem dieser in brüsker Weise auch nur Gespräche mit SPD und Grünen zur Bildung einer Ampelkoalition ausschloss und Frau Ypsilanti sogar geistige Verwirrtheit vorwarf, falls sie weiterhin Gespräche mit der FDP aufnehmen wolle, halte ich das letztere für korrekt. Dass Vertreter der FDP sich gerne an erstere Version halten, um das demokratiepolitische Versagen und die Feindbild-Haltung ihrer Partei zu vertuschen, ist klar. Ob dies aber richtig ist - und dieser Thread dient schon auch dazu, alle Aspekte zu untersuchen, warum die Regierungsbildung in Hessen gescheitert ist - bleibt offen.

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