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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Besonderheiten des Wahlrechtes » 001-025 « Zurück Weiter »

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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Sonntag, 09. Oktober 2005 - 23:24 Uhr:   

Nach meinem Dafürhalten sind die auf Wahlrecht.de kritisierten Besonderheiten des Wahlrechtes zu vernachlässigen, sofern sich Ereignisse wie die um Dresden I nicht ergeben.

Was ist denn in Dresden I passiert? Die Wahlen wurden um zwei Wochen verschoben, weil eine Direktkandidatin gestorben war, die ohnehin keine Chance hatte, das Mandat zu gewinnen. Bei der Nachwahl lag die NPD bei Erst- und Zweitstimme jeweils unter 3%.

Daß über mögliche Auswirkungen des Wahlrechtes auf die Mandatsverteilung überhaupt diskutiert und den Dresdnern ein taktisches Wählen ermöglicht wurde ist nur darauf zurückzuführen, daß sie das Ergebnis vom 18. September bereits kannten, als sie zur Urne schritten. Insofern sind eher die Veröffentlichtung des Ergebnisses und die anschließenden taktischen Spielchen problematisch. Hätte Dresden I am 18. September 2005 gewählt, wäre zum einen das Ergebnis im Wahlkreis anders ausgefallen, zum anderen hätte sich niemand über negatives Stimmgewicht Gedanken gemacht.

All die Diskussionen, die auch von den Betreibern von wahlrecht.de auf dieser Seite geführt wurden, wären nicht erwogen worden, hätte Dresden I auch 18. September gewählt. Keine Rede davon, daß Caeser in NRW sein Mandat wieder verloren hätte - er hätte es gar nicht erst bekommen -, keine Rede davon, daß in Dresden die FDP die Zweitstimmen in dem Ausmaß, welches sie an 17% herangetragen hat, von der CDU bekommen hätte, und auch keine Rede davon, daß das NRW-Mandat ins Saarland verschoben worden wäre.

All diese Details wären nach meiner Einschätzung nicht diskutiert worden. Der wirkliche Mangel im Wahlrecht ist nach meinem Dafürhalten nicht die Erststimme, die Überhangmandate oder das Zählverfahren, sondern der wirkliche Mangel ist, daß bislang nicht die Möglichkeit bestand, Reservekandiaten für die Wahlkreise zu bestellen, die im Falle des Ausfalls eines Kandidaten eintreten. Diesen Mißstand scheint man jetzt ändern zu wollen.

Es sollte sich in der Tat nicht wiederholen können, daß in einem Wahlkreis in Kenntnis des Ergebnisses aus den anderen 198 Wahlkreisen gewählt wird.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 00:17 Uhr:   

@Udo
Was ist denn in Dresden I passiert?

Die Wähler haben durch verstärkte Aufklärung der Medien mehr über die Besonderheiten unseres Wahlsystems erfahren, als die Wähler in den übrigen sächsischen Wahlkreisen und den anderen Überhangmandatsgefährdeten Ländern – und sie haben ihr Wissen umgesetzt.

Taktisches Wählen (gemeint ist hier die zu einem ungleichen Gewicht der Wählerstimmen führende Wahl) war aber auch bei der Hauptwahl möglich (siehe etwa die Tipps für Sachsen) – nur dass dort nach der Wahl jeder Skeptiker noch behaupten konnte, dass dies das normale Splittingverhalten der Wähler gewesen sei – und es wäre auch ohne Verkündung des Wahlergebnisses bis zum 2. Oktober möglich gewesen. Diskutiert wurde es auf Wahlrecht.de übrigens auch schon ein paar Jahre vor Dresden 2005 und wäre auch ohne Dresden weiter diskutiert worden. Nur für eine Vielzahl an Medien war Dresden erkenntnisfördernd.

BTW: Das Problem der erhöhten taktischen Möglichkeiten bei Nachwahlen war auch schon vor der Wahl diskutiert worden, übrigens angeregt durch Berichterstattung auf Wahlrecht.de und einem Wahleinspruch einer Leserin. Eine gesetzliche Änderung daraufhin war bereits angedacht, konnte wegen der vorgezogenen Neuwahl aber nicht umgesetzt werden.

Nachwahlen werden sich übrigens auch mit Ersatzbewerber nicht vermeiden lassen.
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Kalle
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 01:07 Uhr:   

"Besonderheiten des Wahlrechtes"

Es handelt sich nicht um "Besonderheiten", sondern ganz klar um Mängel, Regelungslücken und Konstruktionsfehler.

"Nach meinem Dafürhalten sind die auf Wahlrecht.de kritisierten Besonderheiten des Wahlrechtes zu vernachlässigen, sofern sich Ereignisse wie die um Dresden I nicht ergeben." [...] "Der wirkliche Mangel im Wahlrecht ist nach meinem Dafürhalten nicht die Erststimme, die Überhangmandate oder das Zählverfahren"

So? Irgendwann werden wir mal einen "echten Überhangkanzler" bekommen, d.h. eine Seite hat dank mehr Überhangmandaten die absolute Mehrheit der Bundestagssitze, die andere aber mehr Stimmen. Und dann?

Die Überhangmandate sind eine tickende Zeitbombe. Ich hoffe, daß sie bei der nächsten Wahl hochgeht, denn der deutsche Michel "weiß" ja, daß unser Wahlrecht perfekt ist und lästert über "undemokratische Staaten", wo man mit weniger Stimmen als der Gegner die Wahl gewinnen kann...

"All die Diskussionen, die auch von den Betreibern von wahlrecht.de auf dieser Seite geführt wurden, wären nicht erwogen worden, hätte Dresden I auch 18. September gewählt."

Das ist nachweislich falsch, hier wird schon seit Jahren darüber diskutiert. Es gab auch schon Wahlbeschwerden.
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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 09:51 Uhr:   

@ Matthias und Kalle

Jedes Wahlrecht spiegelt den Wählerwillen nicht 1:1 ab. Es gibt immer irgend welche Erwägungen oder Probleme, die dafür sorgen, daß man hier oder da ein Element findet, welches als problematisch betrachtet werden kann.

Tatsache ist doch, daß die Verschiebungen nicht stattgefunden hätten, wenn in Dresden am 18. September gewählt worden wäre. Der CDU-Abgeordnete Caesar hätte das Mandat gar nicht erst bekommen, und die Überhangmandate der CDU in Sachsen hätten in dieser Weise nicht durchgeschlagen, weil das Ergebnis von Dresden entsprechend gewesen wäre.

Überhangmandate haben übrigens schon in der Vergangenheit dazu geführt, daß die Mehrheiten im Bundestag klarer wurden. Die letzte Wahlperiode für Helmut Kohl wäre ohne die Überhangmandate für die CDU deutlich knapper geworden, und auch 2002 gründetete sich der knappe Vorsprung von rot-grün vor schwarz-gelb auf Überhangmandate der SPD.

Nun kennen wir ja die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts in der Frage der verkürzten Fristen, die durch die vorgezogene Neuwahl gerechtfertigt wurden. Da hatten kleine Parteien geklagt, weil sie sich (zurecht!) durch die verkürzten Fristen benachteiligt gefühlt haben. Das Verfassungsgericht stellte fest, daß diese verkürzten Fristen keine neue Erfindung seien, und daß es deshalb keine Grundlage für die Klage geben würde. Die hätte erhoben werden müssen, als die verkürzten Fristen ins Gesetz geschrieben wurden.

Wenn das Verfassungsgericht in dieser (fragwürdigen) Rechtsprechung konsequent bleibt, werden auch Anfechtungen bezüglich der hier diskutierten Wahlrechtsfragen entsprechend beschieden werden. Das ist eine politische und keine juristische Frage.

Daß die Wähler/innen in Dresden I so gewählt haben wie sie gewählt haben, ist ursächlich darauf zurückzuführen, daß sie das Ergebnis aus den anderen 298 Wahlkreisen bereits kannten, und daß ihnen entsprechende taktische Ratschläge durch die Parteien gegeben wurden, die ebenfalls auf der Kenntnis dieses Wahlergebnisses fußten. Das ist nach meinem Dafürhalten durchaus eine Verletzung des Grundsatzes der gleichebn Wahl, denn die Dresdner im Wahlkreis 160 hatten dem Rest der Republik gegenüber einen Vorteil.

Ursächlich war nun einmal der Tod der im Grunde chancenlosen NPD-Kandidatin, und hätte hier sofort jemand nachrücken können, wäre in Dresden am 18. September gewählt worden, und viele Diskussionen hätten wir dann eben nicht gehabt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 10:33 Uhr:   

@Udo Ehrlich:
> Jedes Wahlrecht spiegelt den Wählerwillen nicht 1:1 ab.
Das ist zwar richtig - aber nur weil einige kleinere Verzerrungen unvermeidbar sind ist das kein Argument dafür, zusätzlich größere und völlig überflüssige Verzerrungen einzubauen.
Die Fehler des deutschen Wahlrechts sind deswegen undemokratisch, weil sie den Wählerwillen verzerren, obwohl dies mit einfachen Mitteln vermeidbar wäre.

> Daß die Wähler/innen in Dresden I so gewählt haben wie sie gewählt
> haben, ist ursächlich darauf zurückzuführen, daß sie das Ergebnis
> aus den anderen 298 Wahlkreisen bereits kannten
Nicht wirklich.
Sie haben anders gewählt, weil in den zwei Wochen Sachen passiert sind (besonders Schröders Fernsehauftritt), die zu einer Meinungsänderung geführt haben (das hat sich beim Direktmandat ausgewirkt).

Und sie haben anders gewählt, weil die Berichterstattung ihnen das Problem des "negativen Stimmgewichts" vor Augen geführt hat.
Dieses Problem existierte aber auch ohne Nachwahl, gerade für Sachsen war klar, daß CDU-Wähler dort möglichst nicht ihre Zweitstimme der CDU geben sollten, weil Überhangmandate fast sicher waren.
Das war z. B. hier auf der Wahlrechts-Seite auch so diskutiert und empfohlen, das Problem hatte also nichts mit der Nachwahl zu tun.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 11:07 Uhr:   

@Udo
Jedes Wahlrecht spiegelt den Wählerwillen nicht 1:1 ab.

Ich glaube, das sind sich hier die meisten durchaus bewusst.

Zu den anderen Punkten hat Ralf meine Antworten schon vorweggenommen.

Das ist eine politische und keine juristische Frage.

Da gebe ich Dir insofern recht, dass es _auch_ eine politische Frage ist. Ein wenig tut sich da ja auch, siehe den FOCUS, 41/2005 vom 10. Oktober, S. 40, allerdings weiß man – sehr gut an den Vorhaben in der letzten Legislaturperiode zu erkennen – nie, mit welcher Intensität das umgesetzt wird. Wahlprüfungsverfahren sind daher allein als „Erinnerung“ für die Politik notwendig.

Übrigens betrifft die bei den Organstreitverfahren der kleinen Parteien vom BVerfG festgestellte Verfristung nicht die Wahlprüfungsverfahren (es kann daher auch durchaus sein, dass eine Wahlprüfungsbeschwerde wegen der Unterschriftenquoren in der Sache – wegen fehlender Mandatsrelevanz nicht im Verfahren – Recht bekommt).
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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 11:10 Uhr:   

@ Ralf

Das Wahlergebnis hat sehr wohl etwas mit der Nachwahl zu tun, weil die Diskussionen um die möglichen taktischen Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit Einfluß genommen haben auf die Wahlentscheidung der Dresdner im Wahlkreis 160 Dresden I.

Ich mag ja Bundeskanzler Schröder auch nicht, aber das Wahlergebnis aus Dresden auf seinen Auftritt in der Elephantenrunde zurückzuführen halte ich für eine reichlich gewagte These. Der Wahlkreis Dresden I ist 2002 auch von der CDU gewonnen worden, und es stand zu erwarten, daß es diesmal nicht wesentlich anders würde, zumal ja in Umfragen die SPD sehr schlecht da stand.

Daß sich die Mehrheit der Wähler/innen in ihrem Wahlverhalten tatsächlich an die Überlegungen bezüglich der Überhangmandate halten, die hier auf wahlrecht.de angestellt werden, halte ich darüber hinaus auch für eine gewagte These. Das Ergebnis in Sachsen fällt ja auch weitgehend nicht aus dem Rahmen.

Sie müssen doch aber zugeben, Ralf, daß das Ergebnis im Wahlkreis 160 Dresden I anders ausgeefallen wäre, wenn die Dresdner in diesem Wahlkreis am 18. September mitgewählt hätten. Die ganzen Probleme, die möglicherweise mit diesem Wahlrecht bestehen, und die an der einen oder anderen Stelle durchschlagen (dabei jedoch keine Partei besonders bevorzugen, und das ist ja wesentlich), hätten, dabei bleibe ich, keine solche Rolle gespielt, wenn man in Dresden I das Ergebnis aus den anderen 298 Wahlkreisen nicht gekannt hätte.

Das Problem mit diesem Wahlergebnis, welches ich für viel bedeutsamer halte, ist, daß hier die Gleichheit der Stimmabgabe in Frage steht, denn daß die Menschen im Wahlkreis 160 Dresden I in Kenntnis des Ergebnisses der anderen 298 Wahlkreise wählen konnten, halte ich für demokratietheoretisch bedeutsamer als die Frage der negativen Stimmengewichtung.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 11:17 Uhr:   

Ergänzung:

Tatsache ist doch, daß die Verschiebungen nicht stattgefunden hätten, wenn in Dresden am 18. September gewählt worden wäre.

Das mag sogar sein, aber für die nächsten Wahlen wäre ich mir da nicht sicher, allein Dresden I hat bei dieser Wahl so vielen Wählern und Journalisten die Schwächen des Bundeswahlgesetzes näher gebracht, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass es noch stärkeres, taktisch bedingtes Stimmensplitting als in diesem Jahr geben wird. Und da reichen schon 10 % der Wähler eines „Lagers“, um die Ergebnisse noch zu verzerren.

Aber noch habe ich ja die Hoffnung, dass man solchen „Wahlen“ einen Riegel vorschiebt.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 12:25 Uhr:   

Daß sich die Mehrheit der Wähler/innen in ihrem Wahlverhalten tatsächlich an die Überlegungen bezüglich der Überhangmandate halten, die hier auf wahlrecht.de angestellt werden, halte ich darüber hinaus auch für eine gewagte These. Das Ergebnis in Sachsen fällt ja auch weitgehend nicht aus dem Rahmen.

Angesicht des Erst- und Zweitstimmenergebnisses der FDP und der CDU (bzw. deren Kandidaten), verglichen mit dem Bund, Sachsen oder Dresden II halte ich eher das Gegenteil für eine sehr gewagte These.

Mal ganz ohne repäsentative Wählerstatistik: Schau mal bitte auf die Zweitstimmenergebnisse der Stadt Dresden.

Dazu noch folgende Info, in Dresden hat fast jeder fünfte Wähler per Briefwahl abgestimmt, ein großer Teil von ihnen bereits mehr als eine Woche im Voraus, also vor der konzentrierten Berichterstattung in (vor allem auch lokalen) Presse, Rundfunk und Fernsehen über das negative Stimmgewicht. Die Ergebnisse der Briefwähler müssten daher erkennbar von denen der „normalen" Wähler abweichen. Briefwahllokale sind als "160.Bxxx" zu erkennen.

Sortiere nun in dem Auswahlmenü oben links nach „Rangfolge CDU“ – ich denke, das Ergebnis sagt alles. Unter den ersten 30 Wahllokalen findest Du nur Briefwahllokale.

Ohne die Möglichkeit zur Briefwahl war sicher ein noch besseres Ergebnis für die FDP und CDU (bei letzterer in Form weniger Stimmen) möglich. (Auch ganz interessant von den Ergebnissen her: Schau mal nach den besten bzw. schlechtesten FDP-Wahllokalen).
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 13:24 Uhr:   

Daß die Wähler/innen in Dresden I so gewählt haben wie sie gewählt haben, ist ursächlich
auf die negativen Stimmengewichte zurückzuführen.

Dann, daß sie auf diesen Effekt kannten, bzw. darauf aufmerksam gemacht wurden und die Erkenntnis, daß dieser Effekt das Einzige war, was sich bei der Abgabe der Zweitstimme real auswirken konnte.
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Good Entity
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 21:38 Uhr:   

Gleichnis: Eine Tresortür hat ein dickes Loch. Macht eigentlich nix, nur ein paar Insider wissen Bescheid und bedienen sich ab und zu. Der Schaden hält sich in Grenzen.

Nun entdeckt es die Zeitung und berichtet darüber. Alle lesen es und schauen mal nach. Ruckzuck ist der Tresor leer.

Was nun? Die Zeitung verbieten, wie Udo Ehrich im Grunde analog anregt? Nun haben die Geschichte aber doch viele gelesen und ein paar mehr Insider werden das auch dann behalten, wenn es wieder dunkel ist und man nichts mehr lesen kann. Oder sollte man doch lieber die Tresortür reparieren (noch besser: ersetzen)?
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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. Oktober 2005 - 09:15 Uhr:   

@ Good Entity, Matthias und Martin

Wo habe ich denn gefordert, Zeitungen zu verbieten? Unsinn!

Dresden I - und dabei bleibe ich - ist ein Sonderfall, der vor allem dadurch entstanden ist, daß dort in Kenntnis des Ergebnisses der anderen 298 Wahlkreise gewählt wird, und das wird hier ja mittlerweile durchaus eingeräumt.

Der Link funktioniert übrigens nicht mehr, und auch über Dresden.de sind die Einzelergebnisse nicht mehr abzurufen.

Daß es Besonderheiten im deutschen Wahlsystem gibt, stelle ich gar nicht in Abrede, aber es gibt nun einmal kein perfektes Wahlsystem, welches den Wählerwillen 1:1 abbildet.

Was mich übrigens bei Euren Ausführungen noch stört: Ihr tut immer so, als gäbe es eine große Absprache unter den Wähler/innen. Die gibt es natürlich nicht. Zum Zeitpunkt der Stimmabgabe kann ein/e Wähler/in allenfalls vermuten, wie andere abstimmen, und daß Leute abseits ihrer Überzeugungen ihr Wahlverhalten auf mutmaßliche Stimmabgaben anderer stützen, die dann noch aus - wie sich gezeigt hat fragwürdigen - Umfrageergebnissen folgern lassen, würde ich doch eher in Abrede stellen wollen.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. Oktober 2005 - 10:05 Uhr:   

@Udo
Das Verbot von Zeitungen war _nur_ eine Analogie von Good Entity auf sein Gleichnis.

Der Link auf die Wahlseite müsste jetzt wieder funktionieren (dort auf die Zwweitstimmenergebnisse von Dresden I – Wahlkreis 160). Schaue ihn Dir bitte erst mal an, ob Dich die Ergebnisse überzeugen, dass taktisch gewählt wurde.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. Oktober 2005 - 15:56 Uhr:   

@Udo
Die Zeitung ist die Analogie zum in "Kenntnis von".
Wobei hier der entscheidene Punkt das Wahlsystem (in der Analogie das Loch in der Tresortür) ist, und das im wesentlichen heißt: Je mehr Zweitstimmen für die CDU, umso schlechter für sie und als Alternative: da könnte man genausogut und mit Zusatznutzen die Stimme der FDP geben.

Und die Nachwahl hat nun dafür gesorgt, daß den Wählern im Wahlkreis 160 dieser Wahlrechtsfehler und seine Auswirkung bekannt waren, und die Wähler entsprechend mitspielen konnten. Das ändert aber nichts daran, daß auch für alle anderen Wähler in Sachsen und den anderen Überhangländern diese Spielregeln gelten, es war halt nur nicht so bekannt. Auf Wahlrecht.de wurde es trotzdem vorher diskutiert. Da braucht es auch keine Absprache, es reicht die Erwartung oder Möglichkeit, daß es Überhangmandate geben könnte.

Das Problem ist halt, an einem System, das SPD-Stimmen für die CDU und CDU-Stimmen für die SPD zählen würde, würde sich vermutlich kaum einer stören, solange beide Stimmenzahlen annähernd gleich groß wären. Und bei einer Nachwahl fällt es dann auf.
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Good Entity
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. Oktober 2005 - 16:46 Uhr:   

@Martin Fehndrich & Matthias Cantow: Danke, genau so.
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Florian
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. Oktober 2005 - 23:39 Uhr:   

@ M. Fehndrich:

Sehe ich nicht ganz so.
Die Wähler in Dresden hatte nicht nur (wie Du annimmst) den Vorteil, besser über die Auswirkungen des Wahlrechts informiert zu sein. Sondern er hat die Chance, auf eine Weise zu taktieren, die auch ein noch so gut über das Wahlrecht informierter Wähler bei am "normalen" Wahltag nicht hat.

Denn:
Ein Dresdner CDU-Fan wusste vor seiner Stimmabgabe MIT SICHERHEIT,
dass er der CDU Schaden würde, wenn er für sie stimmt - und konnte entsprechend reagieren.

Hätte die Wahl in Dresden gleichzeitig mit den anderen Wahlkreisen stattgefunden, hätte der CDU-Fan das NICHT MIT SICHERHEIT wissen können, auch dann nicht, wenn er die Feinheiten des Wahlrechts kennt.
Denn er kann ja nicht sicher wissen, ob es in Sachsen zu Überhangmandaten für die CDU kommt. Selbst wenn er die Wahlprognosen der Forschungsinsitute kennt (und selbst wenn diese zuverlässig sind...) hilft ihm das nicht unbedingt weiter, denn er weiß ja nicht, wie viele andere CDU-Fans in Sachsen die gleiche Kalkulation aufmachen wie er.
Es ist also auch für den perfekt informierten taktischen Wähler ein Ratespiel.
Ähnlich wie z.B. für den CDU-Fan, der Schwarz-Gelb will und der raten muss, ob die FDP über die 5%-Hürde kommt oder nicht. Wenn ein solcher CDU-Fan an einer Nachwahl teilnimmt, hat er auf jeden Fall einen Informationsvorsprung vor jedem noch so gut informierten Wähler bei der Haupt-Wahl.
Nehmen wir als Szenario nur einmal an, die FDP wäre (vor der Dresden-Wahl) bei 4,97% gelegen - jede Wette, dass die FDP in Dresden dann ein anderes Wahlergebnis bekommt, als wenn sie bei 4,0% liegt.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. Oktober 2005 - 01:06 Uhr:   

Ein Koordinierungsproblem besteht für die Wähler nicht. Mit einer Zweitstimme z.B. für die FDP in Sachsen eröht man die Chance auf ein weiteres FDP-Mandat und ein CDU-Überhangmandate.

Der wesentliche Informations-Vorteil in Dresden lag bei den Gegnern der CDU, die wirklich ohne Befürchtungen der CDU mit der Zweitstimme schaden konnten.

Der entscheidene Punkt liegt hier am absurden Wahlsystem, was ja keine Feinheit des Wahlsystems ist. Bei einer Nachwahl unter einem normalen Wahlsystem entsteht kein eine Wahl ins Gegenteil verkehrender Anreiz seine Partei nicht zu wählen oder gar eine gegnerische Partei schädigend zu wählen
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Martin_Dauser
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. Oktober 2005 - 14:19 Uhr:   

Einen Informationsvorteil gab es aber schon noch:

Bei gleichzeitiger Wahl in allsen Stimmbezirken könnte eine aus taktischen Motiven erfolgte Zweitstimme für die FDP, dass die Union ein Proporzmandat weniger bekommt, aber nicht die FDP, sondern zum Beispiel die SPD dafür eines mehr bekommt.
Auch wenn sich an der Gesamtzahl der Sitze für die CDU dadurch nichts ändert (weil das fehlende Proporzmandat durch ein Überhangmandat ausgeglichen worden wäre, hätte man dadurch den Gegner gestärkt.

Die Wähler aus Dresden I wussten, dass diese Möglichkeit ausgeschlossen ist.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Sonntag, 16. Oktober 2005 - 00:04 Uhr:   

Die Wähler in Dresden I konnten also einen Wahlrechtsfehler durch die Nachwahl besser ausnutzen, weil sie erstens auf diesen Fehler aufmerksma gemacht wurden und zweitens durch das bekanntee Ergebnis genauer wußten, wie dieser wirken kann.
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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Sonntag, 16. Oktober 2005 - 18:04 Uhr:   

@ Martin

Der Punkt ist doch einfach, daß mit Sicherheit die Wähler/innen überhaupt sich von verschiedenen taktischen Momenten haben leiten lassen, aber das Wahlergebnis im Bund insgesamt lehrt doch zwei Dinge:

1. Die Überhangmandate haben keine signifikante Verschiebung im Wahlergebnis bewirkt, sondern die Sitzungsverteilung bestätigt.

2. Die Wähler/innen der CDU haben insofern taktisch gewählt, daß eine erhebliche Zahl von ihnen der FDP die Zweitstimme gegeben hat, zum einen aus der Erwägung heraus, eine große Koalition zu verhindern und zum anderen in diesem Zusammenhang aus der Lehre von 2002, als der Machtwechsel an der schwächelnden FDP scheiterte. Diesmal wollten die Unionsanhänger die FDP in der Weise stärken, daß es zum Machtwechsel reicht.

Unter dem Strich, und das ist vielleicht eine dritte Schlußfolgerung, hat es nicht gereicht, weil das Wählerpotential von schwarz-gelb insgesamt zu schwach war. Es kam nicht zu einer schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag, so oder so.

Den Punkt, um den es mir geht, hat Florian sehr treffend bezeichnet. Im wensentlichen wurde dieses Wahlergebnis in Dresden I dadurch beeinflußt, daß die Wähler/innen bereits das Bundesergebnis aus den anderen 298 Wahlkreisen kannten und deshalb andere taktische Erwägungen in Betracht ziehen konnten als die Wähler/innen in den anderen 298 Wahlkreisen, die alle am 18. September gewählt haben.

Der Ausweg aus diesem Problem lautet: Ersatzkandidaten für die Erststimme ermöglichen, damit, wenn ein Kanididat ausfällt, die Wahl im betroffenen Wahlkreis nicht verschoben werden muß.
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Martin_D
Veröffentlicht am Sonntag, 16. Oktober 2005 - 22:39 Uhr:   

"1. Die Überhangmandate haben keine signifikante Verschiebung im Wahlergebnis bewirkt, sondern die Sitzungsverteilung bestätigt. "

Das kann aber bei einer der nächsten Wahlen anders aussehen und dann gibt es vielleicht eine Parlamentsmehrheit mit fragwürder Legitimation.

Überhangmandate gibt es genau dann, wenn eine Partei in einem Bundesland (nahezu)landesweit stärkste Partei, aber insgesamt deutlich unter 50% in diesem Land ist. Ich sehe nicht, wie man diese Bevorzugung politisch begründen könnte.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 17. Oktober 2005 - 18:26 Uhr:   

@Udo
Die taktischen Erwägungen resultieren aber im wesentlichen auf den Wahlrechsfehler (und den konkreten, nun bekannten Auswirkungen), auf die die Wähler in Dresden zwie Wochen lang hingewiesen wurden.
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Udo Ehrich
Veröffentlicht am Freitag, 21. Oktober 2005 - 16:17 Uhr:   

@ Martin

Auch wenn wir langsam anfangen uns mit einer gewissen Ausdauer im Kreis zu drehen, aber wenn dieser »Wahlrechtsfehler«, wie Ihr ihn nennt, nicht bestanden hätte, hätten die Dresdner im WK 160 bei einer Nachwahl trotzdem andere taktische Möglichkeiten gehabt als der Rest der Republik, der »blind« gewählt hat.

Das wesentliche Problem bei dieser Nachwahl im Wahlkreis 160 Dresden I ist nicht die negative Stimmgewichtung, sondern der Umtand, daß die Dresdner das Ergebnis aus dem Rest der Republik bereits kannten. Auf meiner wahlergebnisse.info-Seite habe ich dazu ausgeführt, daß man bei praktisch jedem Wahlkreis spekulieren könnte, wie sich das Ergebnis verändert, wenn man ihn herausrechnet und das Wahlergebnis später hinzurechnet.

Das Wahlergebnis, welches wir in der Nacht zum 19. September bekommen haben, war ein vorläufiges, weil sich die Verteilung der Bundestagssitze auf der Grundlage von 298 Wahlkreisen errechnet haben. Insofern ist auch die Aussage falsch, daß der CDU-Abgeordnete Caesar seinen Sitz ans Saarland verloren hat, den Sitz hatte er noch gar nicht gehabt, weil das Ergebnis der Wahl noch gar nicht feststand.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 21. Oktober 2005 - 16:23 Uhr:   

@Udo
Die "taktischen" Möglichkeiten wären aber vernachlässigbar gewesen und man hätte am Ende wieder das gewählt, was man blind gewählt hätte.
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ja
Veröffentlicht am Freitag, 21. Oktober 2005 - 17:01 Uhr:   

Ist es nicht so, dass wir am Beispiel Dresden mindestens zwei Schwächen unseres derzeitigen Wahlrechts sehen?

Auch nach einer potenziellen Eliminierung negativer Stimmgewichte kann es doch bei einer solchen Nachwahl zu einer Situation kommen, in der die Wähler einen Informationsvorsprung haben. (Bsp.: ein Wähler steht zwischen den Parteien A und B und weiß aufgrund der bekannten Teilergebnisse, dass seine Stimme für A mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem zusätzlichen Mandat führt.)

Und anders herum bleibt auch nach einer Eliminierung von Nachwahlnotwendigkeiten das Phänomen negativer Stimmgewichte.

Das "schöne" an Dresden ist doch nur, dass hier (beinahe) beides zusammengekommen wäre.

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