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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Schröder signalisiert Bereitschaft zum Kanzlerverzicht » 026-050 « Zurück Weiter »

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Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 17:14 Uhr:   

Es wundert mich ein wenig, dass man in der SPD offenbar nicht bereit ist, die Vorteile einer Konstellation mit Merkel als Kanzlerin und Schröder als Außenminister zu erkennen. Merkel könnte als Regierungschefin keine entscheidende Dominanz ausüben, da der Koalitionspartner nahezu gleichstark ist, außerdem Stoiber am Kabinettstisch sitzt und eine Reihe zähnefletschender Zukurzgekommener in den Staatskanzleien auf die Chance zum Zubeißen wartet. Schröder als Außenminister wäre ein schönes Signal eben an das Ausland im Sinne von Kontinuität - in der Türkei wird man gar begeistert sein. Außerdem neigen Außenminister hierzulande generell zu hoher Beliebtheit. Wird Stoiber Wirtschafts- oder Finanzminister, dann könnte außerdem auch Otto Schily Sportminister bleiben, da nicht zwei Schlüsselressorts an die CSU gehen werden und so für Beckstein definitiv kein Platz mehr ist.

Ich glaube ja sogar, dass sich einige in der Union der Gefahren einer solchen Konstellation durchaus bewusst sind und daher jetzt einen besonders herrschsüchtigen und unversöhnlichen Tonfall anschlagen, um so der SPD Argumente in die Hand zu geben, die große Koalition zu verhindern. Andererseits geben Meldungen, die sich auf Sitzungsrandäußerungen "eines Präsidiumsmitglieds" berufen, nicht viel her.

Das Bundestagspräsidium in einen Kuhhandel einzubeziehen wird eh nicht funktionieren, da hier ein halbwegs überzeugender Kandidat der Union (läuft ja wohl auf Lammert oder Schäuble raus) ziemlich sicher mit den Stimmen der Grünen rechnen kann.
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Good Entity
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 17:16 Uhr:   

Die wirkliche Verhandlung von Union und SPD wird momentan die Kanzlerfrage nur "unter anderem" berühren. Entscheidend dürfte die Besetzung der wichtigeren Ministerien sein, und zwar nicht nur, weil dabei personelle Fragen geklärt werden, sondern auch, weil das wegweisende programmatische Zeichen für die nächsten Monate und dann wohl auch wenigstens zwei Jahre setzt. Derjenige, der das Arbeitsministerium besetzt (oder wo immer das dann zugehört), wird sich bei der Arbeitsmarktpolitik verstärkt durchsetzen können. Die Partei, die den Finanzminister stellt, hat in der Steuerpolitik das erste Wort. Usw.

Genau darüber wird man die Öffentlichkeit (auch die parteiinterne) in der Verhandlungsphase aber nicht gerne informieren oder diese womöglich reinreden lassen. Die Frage: "Greifen wir uns lieber das Umwelt- oder das Familienministerium?" ist zB peinlich: Man verärgert bei den eigenen Anhängern entweder Naturfreunde oder Familien, je nach der vernachlässigten Alternative. Da ist es doch viel angenehmer, am Ende eine Liste mit ausgehandelten Erfolgen vorzuweisen. Mehr war eben nicht drin.

Und das momentane öffentliche Kanzlergerangel lenkt wunderschön von genau diesen Fragen ab.
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 17:20 Uhr:   

@Mörsberg,

ich kann mir nicht vorstellen, dass Schröder unter Frau Merkel Außenminister wird.
Im übrigen wäre das kein gutes Signal ans Ausland, besonders nicht an die USA. Da wäre mir Klose lieber. Den wird die SPD aber kaum nominieren. Es gibt ja Spekulationen, das Schily oder Vernheugen in dieses Amt kommen könnten.
Ob die SPD das Innenministerium behält bezweifle ich. Ob Otto Schily noch für eine volle Periode zu Verfügung steht weiß ich nicht. Könnte mir eher vorstellen, dass die SPD unter Clement das Wirtschaftsministerium behält und vielleicht auch das Gesundheitsministerium. Das Innenministerium ginge dann an die Union. Ob dieses an Beckstein geht ist auch fraglich, da dieser sich in Bayern um die Nachfolge von Herrn Stoiber im Amt des Ministerpräsidenten bemüht. Dies käme also wohl nur in Frage wenn Beckstein scheitern sollte.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 17:24 Uhr:   

@GE:
> Und das momentane öffentliche Kanzlergerangel lenkt wunderschön
> von genau diesen Fragen ab.
Volle Zustimmung!
Die großen Parteien haben sich zumindestens im Wahlkampf so konträr in allen wichtigen Fragen positioniert, daß Kompromisse nur schwer zu finden und noch schwerer zu verkaufen sind.
Da ist es schon extrem hilfreich, wenn die Verhandlungsdetails nicht täglich in der Presse durchgekaut werden.
So eine schöne überflüssige Personaldebatte ist ein wunderbarer Tarnvorhang.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 17:45 Uhr:   

@Ralf:

>Ich finde es ziemlich schlimm, daß in den letzten Tagen von der SPD >auch das Amt des Bundestagspräsidenten in die Verhandlungen >einbezogen wurde.
>Das ist ein Affront gegen das ganze Parlament.

>Dieses Amt ist NICHT politisch, sollte neutral sein und über den >Parteien stehen und wird deswegen nach ältester parlamentarischer >Tradition ohne Aussprache von der stärksten Fraktion besetzt.

>Das hat mit den Koalitionsverhandlungen nichts zu tun.
Einerseits richtig. Andererseits Das ist auch nur die Retourkutsche dafür, dass die Union in der letzten LP mit genau diesen Traditionen gebrochen hat und bei Thierse gegen den Rest des Parlamentes explizit mit Nein gestimmt hat. Was also den Affront angeht: der ist etwas älter und hat einen ganz anderen Ursprung.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 18:29 Uhr:   

F.A.Z.-Berichterstattung zu diesem Thema
1.)
SPD
Kulissenschieber und Poltergeister
Von Peter Carstens, Berlin


04. Oktober 2005 Die Partei, sagte der bayerische Abgeordnete Stiegler am Dienstag, stehe zu Gerhard Schröder. Wenn die Union das nicht akzeptiere, „dann wird es eben keine Verhandlungen geben. Dann werden wir den Tee austrinken und nach Hause gehen”. Wo aber ist die SPD derzeit zu Hause? Bei Schröder, dem Kanzler der weniger schlimmen Wahlniederlage, oder bei Franz Müntefering, dem Parteivorsitzenden? Was eint, was trennt die beiden Sozialdemokraten? Was will eigentlich die SPD? Mit Schröders welkendem Wunsch Politik machen?


Die SPD verschließt sich nach dem Wochenende abermals. Es ist, als ängstige sie die Wirklichkeit. Wer was weiß, sagt nichts, und wer was sagt, weiß nichts. Das ist das Bestimmteste, was sich jetzt über die traditionsreiche Sozialdemokratie feststellen läßt. Müntefering ist der Parteivorsitzende. Er hat ungefähre Vorstellungen von einer großen Koalition. Eine Ampel mit der FDP? Mit Westerwelle nicht zu machen. Erledigt. Eine Neuwahl? Schädlich für die Demokratie. Doch wer aus der SPD Irritierendes zu Ampeln und abermaliger Wahl sagen möchte, kann das tun.

Wer jetzt zuviel sagt, hat später nichts mehr zu sagen

Man kann darüber rätseln, ob Müntefering Parteifreunde als Kulissenschieber und Poltergeister erträgt oder ob er sie geradezu losschickt, damit die Union nicht auf den Gedanken kommt, sie habe in Koalitionsverhandlungen ein leichtes Spiel. Inzwischen sind einige, die in den vergangenen beiden Wochen allerlei Unzuverlässiges gesagt haben, zu den Stilleren übergelaufen. Denn es gilt als zweite Halbwegsgewißheit: Wer jetzt zuviel sagt, hat später nichts mehr zu sagen. So eilte beispielsweise Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit am Sonntag stumm lächelnd ins Willy-Brandt-Haus. Auch andere Sozialdemokraten widerstanden sonstiger Neigung, vor und nach der Sitzung Auskünfte und Einschätzungen unter die Leute zu bringen.

Lediglich Schröder selbst äußerte sich in einer Weise, die eventuell den Anschein vermittelt haben sollte, er bereite möglicherweise einen Rückzug von seinem Anspruch vor, auch ohne Mehrheit im Bundestag Kanzler bleiben zu wollen. In der Wahlnacht hatte Schröder gesagt: „daß niemand außer mir in der Lage ist, eine stabile Regierung zu stellen. Niemand, außer mir!” Zwei Woche später klingt das verändert. Nun sagt Schröder, er wolle „nicht einer Entwicklung zur Fortführung des von mir eingeleiteten Reformprozesses und zu einer stabilen Regierung in Deutschland im Wege stehen”.

Bundeskanzler Erhard, von der eigenen Partei beiseite geschoben, äußerte am 2. November 1966 resigniert, daß eine Regierungsbildung „nicht an seiner Person scheitern” werde. Damit war der Weg frei zur Großen Koalition.

Wie lange noch falscher Alarm?

Am Montag morgen hatte Schröder in Potsdam beim Gottesdienst vor dem Festakt zum Jahrestag der deutschen Einheit gefehlt. Spekulationsfutter für kurze Zeit. Hatte er eine Entscheidung getroffen? Wollte er diese abends dem Präsidium mitteilen, das ungewöhnlicherweise für diesen Feiertagstermin einbestellt worden war? Falscher Alarm. Nebel in Hannover. Schröder kam verspätet nach Potsdam. Doch vielleicht ist Nebel das richtige Stichwort. Nach der Präsidiumssitzung der SPD wird in Berlin der Anschein erweckt, die Parteiführung habe Schröder von Verzichtsgedanken abgebracht. Für wie lange? Bis Mittwoch? Noch länger? Angeblich ist der Bundeskanzler inzwischen zu einem Verhandlungsobjekt im vorgezogenen Koalitionspoker geworden.

Er durfte demnach noch nicht sagen, daß er gehen würde. Er bekommt vielleicht schon von Müntefering gesagt, wann er das sagen darf. Denn die SPD kann Schröder noch eintauschen gegen Ämter oder politische Zusagen. Ein Kanzler Schröder gegen drei SPD-Minister? Oder: Je weniger Schröder desto weniger Mehrwertsteuererhöhung? Die Verhandlungen führt Müntefering. Der sagte letzte Woche, man möge den Ausgang der Wahl abwarten. Die Wahl geht in Dresden aus, jeder erklärt sich zum Sieger. Die CDU gewinnt ein Mandat, die SPD verliert und sagt, sie habe gewonnen. Alles scheint unverändert.

Sigmar Gabriel wiederholt am Sonntag abend im Fernsehen die Berechnungen der SPD zum Thema „stärkste Partei”, indem er die Union auseinanderdividiert. Dann stellt die SPD also den Kanzler. Gabriel sagt auch, daß eine Mehrwertsteuererhöhung denkbar wäre, wenn sie ganz der Senkung der Arbeitskosten zugute käme. Das entspricht beinahe dem Vorschlag der Union. Die SPD hat sie dafür im Wahlkampf mit zahlreichen Plakaten zur „Merkelsteuer” bekämpft.

„Israelische Lösung” vorstellbar?

Am Dienstag redet neben Stiegler auch ein Sprecher des Seeheimer Kreises, der SPD-Abgeordnete Kahrs. Er sagt, sein Kreis - eine Vereinigung konservativer Sozialdemokraten - werde Angela Merkel nicht für vier Jahre zur Kanzlerin wählen. Am letzten Donnerstag hatte er gesagt: „Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel wird von den Seeheimern definitiv nicht zur Kanzlerin gewählt, es sei denn, es kommt zu einem tragfähigen Kompromiß bei Inhalten und Personal.” War die Dienstagsaussage das Gegenteil der Donnerstagsauskunft? Nicht ganz, denn der Seeheimer Kreis steht für einen Kompromiß zur Verfügung, allerdings nur für den „einzig vorstellbaren”. Der bedeute die sogenannte „israelische Lösung”: Zwei Jahre bleibe Gerhard Schröder Bundeskanzler, zwei Jahre sei es dann Angela Merkel.

Gilt das auch beim Parteivorsitzenden als „einzig vorstellbarer Kompromiß”? Müntefering hat den öffentlichen Deutungen der Äußerung Schröders am Dienstag widersprochen und sie im übrigen als „nicht neu” bezeichnet. Und dann beteiligte er sich abermals am Spekulieren darüber, wann denn die ganz persönliche Kanzlerfrage entschieden werden könnte. Am Anfang, eher am Anfang, während, gegen Ende oder am Ende von Koalitionsverhandlungen? Vergangene Woche hatte man ihn so verstehen können, als meinte er, ziemlich am Anfang müsse über die Führungsfrage geredet werden. Am Dienstag sagte er: „Wir gehen in die Verhandlungen mit Gerhard Schröder als Kandidat für das höchste Regierungsamt.”

Sinn für Staat und Tradition

Die Union geht mit Frau Merkel und den Zahlen im Gepäck. Was wird Müntefering nachher den Seeheimern sagen, was den Stieglers, was der Partei, die gerade um eine ehrenhafte Niederlage betrogen wird? So vergehen Tage, in denen die SPD erstaunlich viel von ihrem früheren Sinn für Staat und Tradition preisgibt: die fadenscheinig begründete Parlamentsauflösung, die verfassungswidrige Beendigung des Visa-Ausschusses, die Umdeutung des Wahlergebnisses zur bloßen Formalie, die Aufkündigung Jahrzehnte alter parlamentarischer Gepflogenheiten, unverhüllte Drohungen von Kanzler und Innenminister an die Presse.


Text: F.A.Z., 5. Oktober 2005
Bildmaterial: AP
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 18:31 Uhr:   

Sondierung für Große Koalition
SPD hält an Schröder fest - Gespräche vor dem Abbruch?


04. Oktober 2005 Vor der zweiten Sondierungsrunde zwischen Union und Sozialdemokraten über eine große Koaltion zeichnet sich im Kanzlerstreit vorerst keine Bewegung ab. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering besteht darauf, die Kanzlerfrage ausschließlich im Laufe formaler Koalitionsverhandlungen zu klären, und nicht vor Beginn, wie von der Union gefordert.



Die Entscheidung, ob Angela Merkel (CDU) oder Gerhard Schröder (SPD) das Amt des Bundeskanzlers übernimmt, müsse in den Verhandlungen fallen, sagte Müntefering am Dienstag in der ARD. „Ganz sicher wird das nicht ganz am Schluß sein, aber es müssen jedenfalls Verhandlungen sein. In den Sondierungsgesprächen kann man an dieser Stelle nicht zur Entscheidung kommen.” Die SPD gehe mit der Union „auf gleicher Augenhöhe” in die Gespräche, mit Schröder „als „Kanzlerkandidat”.

Kauder: SPD muß „Realitäten anerkennen”


Müntefering: Verhandeln mit "Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat"
In der Führung der Union wächst der Unmut über die SPD-Haltung. Denkbar sei, daß die Sondierungsgespräche abgebrochen würden, falls die Sozialdemokraten abermals keine Bewegung in der Kanzlerfrage zeigten, hieß es in der CDU-Parteispitze am Dienstag. Unter den Präsidiumsmitgliedern habe die Haltung vorgeherrscht, daß es keinen Sinn habe weiter zu sprechen, wenn die Sozialdemokraten nicht bereit seien, die Grundbedingung der Union für eine große Koalition zu akzeptieren, hieß es.

CDU-Generalsekretär Volker Kauder beharrte darauf, die SPD müsse vor der Aufnahme von Verhandlungen eine Kanzlerschaft der Unions-Kandidatin Angela Merkel akzeptieren. Ohne dieses Zugeständnis werde es keine Koalitionsverhandlungen geben, sagte Kauder der ARD. Die SPD müsse jetzt „die Realitäten anerkennen”. Das Ergebnis der Nachwahl in Dresden habe noch einmal gezeigt, „daß Angela Merkel, den Auftrag erhalten hat, eine Regierung zu bilden”, sagte er im ZDF. (Siehe auch: FAZ.NET-Spezial: Nachwahl in Dresden)

Müntefering: „Kein neues Signal”


Schröder: "Werde jede Entscheidung akzeptieren"
Schröder hatte am Montag abend erstmals die Bereitschaft zum Verzicht auf die Führung einer großen Koalition signalisiert. „Es geht nicht um meine Person, es geht um den politischen Führungsanspruch meiner Partei, und über den kann nur die Parteiführung entscheiden”, sagte er vor einer Sitzung des SPD-Präsidiums. Er wolle der Bildung einer stabilen Regierung nicht im Wege stehen.

Zu den Äußerungen Schröders, er wolle nicht um jeden Preis an der Kanzlerschaft festhalten, sagte Müntefering, Schröder habe immer klar gemacht, daß es ihm nicht um seine persönliche Zukunft, sondern um eine stark sozialdemokratisch geprägte Regierung gehe. Deshalb sei sein „Signal nicht neu” gewesen.



Müntefering sagte, Schröders Signale bedeuteten keinen Rückzug vor den Verhandlungen. „Wir haben als Partei den Anspruch, sozialdemokratische Politik zu machen, und die mit Gerhard Schröder zu machen. Das ist die Grundlage, mit der wir in die Verhandlungen gehen.”

„Dann werden wir nach Hause gehen”

Auch der bayerische SPD-Landesvorsitzende Ludwig Stiegler hat den Spekulationen über einen Rückzug Schröders scharf widersprochen. Es sei unglaublich, wie manche medialen Beobachter „immer noch im falschen Film” seien, sagte Stiegler am Dienstag.


Die künftige Kanzlerin und ihr Vize? Am Tag der Einheit sind Merkel und Müntefering ausgelassen
Die SPD-Spitze wisse, daß Schröder Reformen nicht im Wege stehe. Schröder sei vielmehr „der Garant für Reformen mit Augenmaß und sozialer Balance”, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. „Wir stehen zu Gerhard Schröder. Und wenn die Union am Mittwoch sagt, die Frage muß zuerst gelöst werden, dann wird es eben keine Verhandlungen geben. Dann werden wir den Tee austrinken und nach Hause gehen.”

Clement: Schröder hat keinen Verzicht angedeutet

Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte, sollte die Union auf ihrer Position beharren, daß vor inhaltlichen Fragen zunächst die Führungsfrage in einer großen Koalition im Sinne von Kanzlerkandidatin Merkel geklärt werden müsse, riskiere sie, daß erst gar keine formellen Koalitionsverhandlungen von Union und SPD beginnen.



Clement sagte im Bayerischen Rundfunk, wenn die Union Vorbedingungen der Art stelle, man sondiere so lange, bis die SPD klein ist, „dann wird das nicht zustande kommen”. Die Frage der Führung einer großen Koalition habe nichts mit der Person von Schröder zu tun. Dieser habe keine „persönlichen Ambitionen in diesem Amt zu sein und zu bleiben”. Schröder habe vielmehr mit seinen jüngsten Äußerungen klarmachen wollen, daß es um die Verteilung der Verantwortung in diesem Lande insgesamt gehe. „Und da muß man schon sehen, daß die Machtverteilung in Deutschland eine sehr einseitige ist.” Bundesrat und andere Institutionen des Staates seien eindeutig auf der Seite der Union. „Und deshalb ist schon sehr die Frage, wie in einer Regierung über die Führung entschieden wird”, sagte Clement dem Sender.

Er halte weitere Sondierungsgespräche von Union und SPD über den kommenden Mittwoch hinaus für unnötig, sagte Clement. „Wir sollten sehr rasch in Verhandlungen kommen.” Was die Führungsfrage angehe, werde man „eine Lösung finden, wenn man sich in Verhandlungen über die Sache begibt. So ist die Lebenserfahrung.”

Jamaika: FDP nicht abgeneigt


Bleibt Schröder Kanzler? „Das ist im Moment ungeklärt”
Mit den Äußerungen Schröders, Münteferings, Stieglers und Clements rückte die SPD stärker den Führungsanspruch der Partei als den des Kanzlers in den Vordergrund. Damit wollte sie offenbar den Eindruck vermeiden, der Kanzler verhindere durch persönliches Machtinteresse eine Einigung mit der Union.

Müntefering sagte: „Die Verhandlungen könnten diese oder in der kommenden Woche beginnen.” Die SPD könne nach der Sondierung am Mittwoch im Vorstand grünes Licht für Verhandlungen geben.


Kurzes Winken: Schröder verläßt die Einheits-Feier in Potsdam
Die FDP brachte angesichts der gegensätzlichen Positionen von Union und SPD wieder eine so genannte „Jamaika-Koalition” aus Union, FDP und Grünen ins Gespräch. Wenn die Hängepartie zwischen den großen Parteien weitergehe, müsse noch einmal über andere Optionen nachgedacht werden, sagte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle.

Daß die SPD offenbar den Regierungsauftrag Merkels nicht akzeptiere, zeige „daß Gespräche mit anderen Optionen aufgenommen werden sollten. Das ist die Konsequenz aus dem heutigen Tag.” Die FDP werde darüber im Laufe der Woche beraten.

Grüne weiterhin gegen Jamaika

Die Grünen jedoch unterstützen Westerwelles Vorschlag nicht. Sie bleiben bei ihrem Nein zu abermaligen Gesprächen mit der Union über eine mögliche schwarz-gelb-grüne Koalition. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte am Dienstag nach Beratungen des Grünen-Vorstandes in Berlin, angesichts der programmatischen Unvereinbarkeiten und der „kulturellen Differenzen” sehe sie keine Grundlage für eine Wiederaufnahme solcher Gespräche. Auch werde es mit den Grünen „keine Tolerierung von Schwarz-Gelb geben”.

Die Verantwortung für die Regierungsbildung liege nun bei Union und SPD. Nach der Äußerung von Bundeskanzler Schröder, daß es dabei nicht um seine Person gehe, eröffne sich die Möglichkeit, wieder „Inhalte der Politik in den Vordergrund zu stellen” und die „Machtkämpfe der Großen” zu beenden.

(Siehe auch: Kulissenschieber und Poltergeister)
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 18:34 Uhr:   

>> Wenn die Union ihre harte Linie weiterfährt, schadet sie im Prinzip
>> Angela Merkel und schadet Frau Merkel sich selber, denn scheitert
>> eine Gr. Koalition an der K-Frage, ist eine Kanzlerschaft Merkels in
>> weite Ferne gerückt

Merkel wird jetzt Kanzlerin oder nie. Gerade deswegen wird sie beharrlich weiter auf ihrem Anspruch bestehen. Wenn sie jetzt nachgibt, macht sie sich a) lächerlich und wird b) bei der nächsten Wahl sicherlich nicht mehr als KK aufgestellt...

Gruß, Dave
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 18:35 Uhr:   

Ich sage noch einmal: ich rechne definitiv mit baldigen Neuwahlen, da ich nicht sehe, wie hier eine Einigung und eine Vertrauensbildung erreicht werden kann. Allerdings muss ich dann auch sagen, dass ich nicht glaube, dass Neuwahlen die Mehrheitsverhältnisse strukturell ändern werden. Der Wähler wird vermutlich erneut an die Urne gerufen, weil die großen Parteien die notwendige beiderseitige (!) Kompromissbereitschaft für eine große Koalition nicht zeigen - so meine Sicht der Dinge heute. Ich rechne mit einem Abbruch der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD. Ansonsten: Zustimmung zu Moersberg, wobei ich nicht davon ausgehe, dass Schröder unter Merkel Außenminister und Vizekanzler würde. Kein Bundeskanzler ist nach seiner Abwahl als Minister in ein Kabinett gegangen, nur umgekehrt; so wurde etwa Willy Brandt, der Außenminister und Vizekanzler in der Großen Koalition 1966-69 gewesen war, Bundeskanzler, die früheren Bundesminister Erhard und Schmidt Bundeskanzler; niemals aber wurde ein früherer Bundeskanzler Bundesminister in einem Kabinett eines späteren Bundeskanzlers. Dies wird auch nicht kommen.
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 19:28 Uhr:   

Ich bin mir fest davon überzeugt, dass Neuwahlen an der Pattsituation nichts ändern werden. Die Parteien werden sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, ein paar abgefallene SPD-Wähler die Links gewählt haben werden sich wieder auf ihre Wurzeln besinnen und ein paar CDUler die Ihre Zeitstimme der FDP gegeben haben werden wieder die Union wählen. Aus einem Prozent Vorsprung der einen oder anderen Fraktion werden vielleicht zwei wenn es hochkommt, aber im Grunde wird es wahrscheinlich genauso knapp werden und das ganze geht wieder von vorne los. Verlieren werden FDP und Links, außerdem würde die Wahlbeteiligung wahrscheinlich wesentlich geringer sein, weil sich bestimmt einige Leute auch etwas verar***t vorkommen werden...

Gruß, Dave
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burkhard.schuett
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 21:31 Uhr:   

Nachgeben ist doch nicht automatisch ein Zeichen der Schwäche;
ich glaube, wenn Angela Merkel die K-Frage zurückstellt und
den Weg frei macht zu Koalitionsverhandlungen mit der SPD, wird
sie von der Öffentlichkeit so viel Zustimmung bekommen, wie sie
es während des gesamten Wahlkampfes nicht bekommen hat.

Während der Verhandlungen muß Angela Merkel ausgleichend agieren,
sie kann sich in den Verhandlungen durch eine geschickte Verhandlungsführung durchaus den Respekt der SPD-Führung gewinnen.
Wenn sie dann noch gewisse Zugeständnisse an die SPD macht, ist sie so gut wie Kanzlerin.

Jede ultimative Forderung, jede Unnachgiebigkeit macht dagegen Angela Merkel für die SPD noch weniger wählbar. Angela Merkel hat es jetzt in der Hand, die CDU/CSU steht hinter ihr, die SPD kann sie in den Verhandlungen vielleicht überzeugen. Einen Versuch sollte es doch Wert sein.
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burkhard.schuett
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 21:52 Uhr:   

Anstelle von Frau Merkel würde ich Müntefering und/oder Schröder mal anrufen und mich zu einem Gespräch in persönlicher Atmosphäre verabreden, gemachte Fehler im Umgang miteinander eingestehen, für einen Neubeginn plädieren, um eine faire Chance bitten, Gerhard Schröder bitten, in der neuen Regierung das Amt des Außenministers und Vizekanzlers zu übernehmen. Ich denke, das Eis wäre gebrochen und
es könnte endlich damit begonnen werden, die Probleme unseres Landes wieder in Angriff zu nehmen, nachdem schon so viel Zeit (seit mindestens dem 22. Mai) verstrichen ist.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 21:54 Uhr:   

@Burkard: Ich sehe dies genauso wie Du. Ich verstehe die Union hier auch nicht. Ich würde anders taktieren: eine große Koalition wasserdicht machen und einfach davon ausgehen, dass die stärkste Fraktion den Kanzlerposten erhält. Wenn nämlich dann die SPD - bei komplett ausgehandelten Sachfragen - die große Koalition wegen der Kanzlerfrage scheitern lässt, hätte sie eindeutig den "Schwarzen Peter" und müsste dies bei den nachfolgenden Neuwahlen ausbaden. Natürlich fürchtet die Union, für den Verzicht von Schröder am Ende von Koalitionsverhandlungen zu viele Sachpositionen (Steuerpolitik, Gesundheitspolitik, Arbeitsmarktpolitik) der SPD opfern zu müssen. Aber: wenn die Union morgen die Sondierungsgespräche scheitern lässt - womit ich allerdings fest rechne - weil sich die SPD weigert, Schröder bereits morgen ad acta zu legen (und die SPD hat ihren hohen Stimmenanteil Schröder zu verdanken, deshalb kann sie ihn nicht ohne weiteres opfern), dann hätte die Union den "schwarzen Peter", wenn es zu Neuwahlen kommt.

Die Union scheint aber Neuwahlen mehrheitlich zu wollen. Sie rechnet wohl damit, dass zahlreiche Unionsanhänger, die am 18. September 2005 FDP gewählt haben, bei einer Neuwahl zur Union zurückkehren. Selbst wenn es dann wieder nicht für die Union und FDP reichen sollte, würde die Union durch die Rückkehr zahlreicher FDP-Wähler eindeutig vor der SPD stärkste Partei; da einige SPD-Wähler, die eigentlich Linkspartei wählen wollten und die SPD nur wählten, um Schröder als Kanzler zu behalten, zur Linkspartei gehen werden, einige Schröder-Wähler aufgrund des Schröder-Verhaltens in der Berliner Runde möglicherweise nicht wählen oder anders wählen und dies dürfte nicht ausgeglichen werden durch einige neue, von den Grünen herkommende Wähler, die wegen der Möglichkeit einer Jamaica-Koalition jetzt SPD wählen dürften.

Vor allem die Union wird - allen offiziellen Beteuerungen zum Trotz - auf Neuwahlen zusteuern oder auf die bereits in einem anderen Thread diskutierte Variante einer Minderheitsregierung Union und FDP mit eventuellem Gesetzgebungsnotstand (Art. 81 GG)zusteuern. Ich denke, wir werden spätestens im Dezember oder Januar Neuwahlen haben.
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:01 Uhr:   

@Bernhard,

eine solche Taktik hielte ich für riskant. Den es verbleibt - allen Beteuerungen der SPD zum Trotz - immer noch die Option Linkspartei, also rot-rot-grün.
Und nach weiteren Neuwahlen dürften die Hemmungen der SPD hierfür geringer sein.
Für die Union gibt es durchaus logische Gründe Koalitionsverhandlungen mit der SPD abzulehnen, wenn nicht ihr Führungsanspruch akzeptiert wird. Den letztlich könnte es der SPD darum gehen bei ihrer Personaloption zu bleiben, eine große Koalition auszuhandeln, diese letzlich an der Personalfrage scheitern zu lassen und die Neuwahl quasi über die Frage eines Plebiszits über die Kanzlerschaft in einer großen Koalition laufen zu lassen.
Daneben könnte - eine weniger gewagte und wahrscheinlichere Variante - es ihr Ziel sein Frau Merkel abzuschießen, d.h. zwar grundsätzlich den Kanzleranspruch der Union zu akzeptieren aber Frau Merkel abzulehnen. Dann wäre die Union in einer noch schwierigeren Situation, da in diesem Fall Frau Merkel gegenüber der Vorwurf erhoben würde am Stuhl zu kleben.
Die Ablehnung solcher Verhandlungen zeigt daher, dass Frau Merkel bislang jedenfalls gut im Rennen ist für die Kanzlerschaft.
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:06 Uhr:   

@Bernhard,

ich habe eher den Eindruck, dass die SPD auf Neuwahlen zusteuern will. Trotz der Erklärung Schröders - die ohnehin sehr vage ist - hält die SPD am Anspruch den Kanzler zu stellen kategorisch fest.
Sie scheint darauft zu spekulieren, dass bei einer Neuwahl die SPD aufgrund der Popularität Schröders (die aus meiner Sicht immer weniger verständlich ist) profitieren wird und stärkste Kraft werden könnte. Die SPD könnte auch von einer Wählerwanderung von den Grünen und u.U. auch von Linkspartei-Wählern profitieren.
Die Union könnte zwar einige Leihstimmen von der FDP abziehen. Wie eine solche Neuwahl ausgehen würde und wer dann vorne läge vermag ich allerdings nicht zu sagen.
Aber aus meiner Sicht spielt die SPD hier Vabanque. Sie ist es die mit ihrem Festhalten am Kanzleranspruch sich nicht bewegt und letztlich Gesprächen im Wege steht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:12 Uhr:   

@Marc K.: Nein, letzteres - d.h. Frau Merkel abzuschießen und einen anderen Unionskanzlerkandidaten zu akzeptieren, das hat Müntefering gestern explizit ausgeschlossen. Auf eine entsprechende Frage eines Journalisten, ob die SPD die Tatsache anerkenne, dass Frau Merkel und nicht ein anderer Unionspolitiker Kanzlerkandidatin der Union sei, erklärte Müntefering, die SPD habe dies - dass die Kanzlerkandidatin der Union Frau Merkel sei - nie in Frage gestellt.

Anders argumentiert Ludwig Striegler aus Bayern: er lehnt Frau Merkel aus programmatischen Gründen ab; er will ja partout Schröder, aber würde vermutlich mit einem Unionskanzler, der den Arbeitnehmern näher steht, etwa Laumann aus NRW, eher einverstanden sein.

Ich verstehe aber die Taktik der SPD auch nicht mehr. Ich sage aber voraus: morgen platzen die Sondierungsgespräche, eine Jamaica-Koalition oder eine Tolerierung einer schwarz-gelben Minderheitsregierung durch die Grünen wird nicht kommen, also kommen entweder Neuwahlen (womit ich rechne) oder eine Minderheitsregierung aus Union und FDP, die mit Hilfe Köhlers den Gesetzgebungsnotstand nach Art. 81 GG ausruft und ihre Gesetze mit Hilfe des Bundesrates durchsetzt und dann nach sechs Monaten Neuwahlen anstreben wird. Ob dann allerdings die SPD nicht doch mit Hilfe der Linkspartei einen SPD-Kanzler - evtl. Müntefering - per konstruktivem Misstrauensvotum wählt, bleibt offen.

Ich halte es sogar für durchaus möglich, dass die Koalitionsverhandlungen der SPD mit der Union scheitern und dann mit Hilfe der Linkspartei Müntefering zum Kanzler gewählt wird. Müntefering war immer - egal wie man zu seiner Position stehen mag, loyal zu Schröder, da wäre ihm Schröder zu Dank verpflichtet. Ich habe keine Ahnung, wie es weiter geht.
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:26 Uhr:   

@Bernhard,
ich glaube nicht das Müntefering Kanzler werden will noch Kanzler wird. Es ist möglich, dass die Sondierungsgespräche scheitern. Ob dieses Scheitern endgültig ist oder ob man nach einer Denkpause wieder zusammenkommen wird, wird man sehen.

Die SPD hat natürlich das Drohpotential mit der Linkspartei, das muss man ganz realistisch sehen. Nur: die Union wird sich niemals darauf einlassen Schröder - der ja schließlich nur der zweitgrößten Fraktion angehört - zum Kanzler zu wählen. Da würde die Union lieber eine rot-rot-grüne Koalition oder Tolerierung in Kauf nehmen und gegen diese dann Opposition machen. Die Chacen von Schwarz-Gelb in vier Jahren oder auch weniger - wer weiß wie lang eine solche Koalition gegen den die Mehrheit des Bundesrates geschlossen stehen wird überhaupt hält - wären dann sicherlich günstig.
Frau Merkel wäre dann nicht mehr Kandidatin. Aber: diese Machtfragen und strategischen Fragen werden niemals von einer Person allein entschieden. Schröder hat seine Position jetzt ja sehr theatralisch in die Hände der Parteiführung gelegt und diese sehr theatralisch an ihm festgehalten.
Die SPD möchte offensichtlich bis zum Ende an Schröder festhalten um immer wieder für einen möglichen Rückzug Konzessionen auszuhandeln. Im Falle eines Scheiterns will sie weiterhin auf ihn als Kanzlerkandidat zurückgreifen, sei es für rot-rot-grün oder für erneute vorgezogene Neuwahlen bei der sich die SPD wohl erhofft stärkste Partei werden zu können.
Die Union will sich auf dieses Spielchen so nicht einlassen und erwartet eine klare Aussage, dass im Falle einer großen Koalition der größere Partner den Kanzler stellt.
Niemand verlangt ja den Rücktritt von Schröder. Er kann solange amtieren bis eine neue Regierung gebildet ist. Und im Falle eines Scheiterns der Regierungsbildung kann die SPD immer auf ihn zurückgreifen. Nur: den Bundeskanzlerposten derart als Faustpfand einzusetzen wird aus meiner Sicht auch der Würde des Amtes nicht gerecht. Entweder man kann sich inhaltlich verständigen oder nicht. Da bedarf es nicht eines solchen Theaters, dass doch sehr den Eindruck macht, als wolle die SPD keine große Koalition. Denn das die SPD in einer solchen nicht den Kanzler stellen würde ist doch klar. Das öffentlich zu sagen sollte doch nicht so schwer sein. Es sei denn man will dies eben eigentlich gar nicht und spekuliert auf andere Optionen (rot-rot-grün, Neuwahlen oder ein Umfallen der FDP (das es aber diesmal wohl nicht geben wird)).
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:31 Uhr:   

@Marc K.: Es kann ja noch eine andere Taktik bei der SPD möglich sein: es könnten doch 5 Abgeordnete von WASG und/oder Grünen der SPD beitreten. Bei den Grünen, weil sie "Jamaica" nicht wollen, die WASG-ler, weil sie "eingesehen" haben, bei der PDS nicht richtig aufgehoben zu sein. Ich will damit nur sagen: vielleicht rechnet die SPD mit "Zuwachs" aus diesem Lager; dann wäre plötzlich die SPD stärkste Fraktion. Vielleicht ist dies das, was die SPD erhofft. Dann würde zumindest klar, warum sie auf Zeit spielt.
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Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:48 Uhr:   

Die SPD müßte dazu schon sehr verzweifelt sein. Es gibt nur 12 WASG-Abgeordnete, davon zwei, die aus persönlichen Motiven nicht mehr mit der SPD gehen (Fontaine, Maurer) und noch mal einige, die gar nicht aus dem SPD-Sumpf kommen sondern vor allem Mitglied sind, um Abgeordnete zu werden (Schui etc).

Bei den Grünen geht keiner ab.
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Good Entity
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 23:07 Uhr:   

@Bernhard Nowak: Zeitspiel als Taktik vermutete ich auch schon. Nur die Begründung gelingt noch nicht überzeugend:

Grüne müssten wegen Jamaica nicht übertreten, denn gibt es Jamaica, entfällt die Große Koalition sowieso und die 5 zusätzlichen Abgeordneten nutzen der SPD nichts. Wenn hinreichend viele Grüne Jamaica prinzipiell ablehnen, wird daraus nichts (wahrscheinlich), also wieder kein Übertrittsgrund. Außerdem würden die 5 Antijamaicaner ja prompt in genau die Koalition mit der CDU geraten, wegen der sie aus den Grünen austreten. Die würden in der Öffentlichkeit und mehr noch bei den eigenen Anhängern schon als ziemliche Wirrköpfe dastehen.

Dann schon eher PDS- oder WASGler. Ist aber auch nicht überzeugend, siehe Nachwahl Dresden. Trotz des Wissens um die entscheidende Bedeutung der Erststimme hat praktisch keinerlei Stimmensplitting von den Wählern der Linkspartei zugunsten der SPD-Kandidatin stattgefunden. Wenige Prozente (ich glaube 4 oder 5) hätten ausgereicht, trotz der FDP-Unterstützung für den CDU-Kandidaten diesen auszuhebeln. Sole hat recht glaubhaft und offenbar zutreffend hier im Forum mehrfach auch genau dieses Statement unterstrichen: Wer die Linkspartei wählt, will Gerhard Schröder eben gerade nicht unterstützen, selbst wenn er es ohne Schaden für die von ihm favorisierte Linkspartei tun könnte. Natürlich können das einzelne Abgeordnete anders sehen, aber gleich 5? Und welche Wähler wollen die zukünftig für sich gewinnen? Ein Lufthauch beim ersten Wind des Jahres, und sie fallen um? Und die Zeiten eines Guillaume sind doch irgendwie vorbei ...

Aber vielleicht wechselt ja auch Seehofer die Fraktion ...
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Marek
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 00:11 Uhr:   

Hier wurde bisher viel über die Verhandlungsposition der SPD gegenüber der CDU diskutiert und die Frage warum die SPD den Anspruch von Merkel nicht anerkennt. Insbesondere herrscht wohl die Meinung vor, die Sozialdemokraten wollten vielleicht lieber Neuwahlen.
Was aber, wenn die momentane Taktik eine große Koalition vielleicht überhaupt ermöglichen soll?
Innerhalb der SPD gibt es eine Reihe von Politikern, die eine große Koalition ablehnen. Teils aus programmatischen Gründen oder um in der Kommunal- und Landespolitik besser dazustehen.
Angenommen die Verhandlungsführer der SPD würden zum jetztigen Zeitpunkt einer Kanzlerin Merkel zustimmen - was wären die Folgen?
Die SPD-Linke würde sich auf Merkel und die eigene Parteiführung einschießen um über diesen Weg die große Koalition zu verhindern. Da sich die Koalitionsverhandlungen über einige Wochen hinziehen werden, wären solche Aktionen vielleicht sogar erfolgreich. Zumindest aber würden die Unruhen innerhalb der SPD die Verhandlungen extrem behindern.
Wenn man jedoch die Kanzlerfrage offiziell offen hält und verhandelt, wird die Partei sich hoffentlich ruhig verhalten - es gibt ja noch keine angreifbare Entscheidung.
Am Ende wird dann ein Gesamtpaket auf den Tisch gelegt und innerhalb weniger Tage vom Bundesparteitag abgesegnet, sofern sich die SPD inhaltlich ausreichend berücksichtigt sieht. Das Ziel wäre dann erreicht.
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Görd
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 01:32 Uhr:   

Die SPD und Schröder haben sich bewegt indem Schröder besagtes Interview gegeben hat. Nun ist die Union dran sich auch mal zu bewegen, so einfach ist das.
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 09:46 Uhr:   

>> Die SPD-Linke würde sich auf Merkel und die eigene Parteiführung
>> einschießen um über diesen Weg die große Koalition zu verhindern.

Das glaube ich kaum. Wenn die SPD, nachdem sie Merkel als Kanzlerin anerkannt hat - sich nochmal "umentscheiden" würde (aus welchen Gründen auch immer), würde sie sich vor der Öffentlichkeit lächerlich machen und hätten bei den nächsten Wahlen keine Chance, weil sie dann Zwangsweise als Schuldiger dastehen würde.

>> Die SPD und Schröder haben sich bewegt indem Schröder besagtes
>> Interview gegeben hat.

Wo hat Schröder sich denn "bewegt"?? Ich sehe das bei weitem nicht so euphorisch wie die Presse die so tut, als hätte er für morgen seinen Rücktritt angekündigt. Wieso muss die Union sich bewegen? Wäre Schröder am Wahlabend nicht so unverschämt aufgetreten, würde sich die Problematik garnichterst stellen.

Gruß, Dave
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Florian
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 09:52 Uhr:   

Ich verstehe die Verhandlungs-Taktiken von SPD und Union nicht.

Es gibt doch zwei alternative Reihenfolgen:
A. Verhandlung über Kanzler sofort, über Sachfragen danach.
B. Verhandlung über Sachfragen sofort, über Kanzler danach.

Die Union wählt Taktik A.
Die Folge: Sie wird Merkel als Kanzlerin durchsetzen, muss dann aber in der Sache Zugeständnisse machen. D.h. die SPD kann sich bei den Sachfragen zu (sagen wir mal) 60% durchsetzen, die Union nur zu 40%

Bei Taktik B würde es hingegen so laufen:
Man einigt sich über die Sachfragen - und zwar irgendwo in der Mitte, d.h. die CDU könnte sich zu 50% durchsetzen.
Dann würden beide Seiten vor die Presse treten und sagen: Wir haben uns in der Sache geeinigt und jetzt müssen wir uns nur noch über den Kanzler einig werden.
Und da hat Merkel doch in der Öffentlichkeit klare Punktvorteile - jeder weiß, dass Schröder keinen legitimen Anspruch mehr hat.
M.a.W.: Merkel bekäme bei Taktik B die Kanzlerschaft wesentlich billiger als bei Taktik A.

Umgekehrt ist mir deshalb auch nicht klar, warum die SPD sich auf Variante B fixiert.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 10:01 Uhr:   

Der Führungsanspruch der Union leitet sich aus dem Wahlergebnis her.
Daran würden Überläufer (die ohnehin problematisch und unwahrscheinlich sind) nichts ändern.
Außerdem: Der Hauptgrund für die Gründung der WASG war die Politik Schröders. Wieso sollten die nun überlaufen, nur um ausgerechnet Schröder im Amt zu halten?

Was Neuwahlen betrifft: Wenn man bei den Nachwahlen von Dresden die taktisch motivierten Wanderungen zwischen schwarz und gelb mal ignoriert, dann bleibt in Summe ein deutlicher Zuwachs. Und gegenläufig deutliche Verluste für rot/grün.
Das deutet darauf hin, daß sich seit der Bundestagswahl die Stimmung eher zuungunsten gerade der SPD verschoben hat.

Wenn es jetzt zu Neuwahlen käme, dann wäre der Schröder-Bonus ziemlich angekratzt (und bei den Grünen der Fischer-Bonus weg).
Und vor allem würden Neuwahlen heißen, daß die große Koalition als Option gescheitert ist.
Und damit wäre es naheliegend, daß viele Mittewähler, die am 18. September noch SPD gewählt haben, doch zur Opposition umschwenken, weil ansonsten keine für sie akzeptable Regierung mehr möglich ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß in der SPD irgend jemand ernsthaft das Risiko einer weiteren Neuwahl eingehen wird. Was sollten sie denn dadurch gewinnen? Für rot/grün wird es bestimmt nicht reichen, aber sie riskieren die halbe Machtbeteiligung, die ihnen jetzt zusteht, sobald Schröder abgeräumt ist.

M. E. dienen die großen Sprüche derzeit nur der Ablenkung. Hinter den Kulissen wird wohl schon eifrig an den Sachthemen verhandelt, das ist ja nicht einfach für beide Seiten.

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