Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

Sitzverteilung ohne 5%-Hürde

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Sitzverteilung ohne 5%-Hürde « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

Bürger
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 14:19 Uhr:   

Ohne 5%-Hürde würde die Sitzverteilung wie folgt aussehen:
SPD 214 (incl. 9 Überhangmandate)
CDU 174 (incl. 8 Überhandmandate)
FDP 59
Linke.PDS 52
Grüne 49
CSU 44
NPD 10
REP 3
GRAUE 3
Familie 2
Tierschutz 1
PBC 1
MLPD 1
BüSo 1
BP 1
Übrige 0
Für die bisher nicht im Bundestag vertretenen Parteien würden einziehen:
NPD: Ulrich Eigenfeld (Niedersachsen), Sigmar Peter-Schuldt (Brandenburg), Ingmar Knop (Sachsen-Anhalt), Gerhard Frey (Nordrhein-Westfalen), Holger Apfel, Harald Neubauer (beide Sachsen), Hans Schmidt (Hessen), Rita Hoffmann (Thüringen), Sven Eggers (Baden-Württemberg), Ralf Ollert (Bayern)
REP: Ursula Winkelsett (Nordrhein-Westfalen), Ulrich Deutschle (Bade-Württemberg), Johann Gärtner (Bayern)
GRAUE: Norbert Raeder (Berlin), Trude Unruh (Nordrhein-Westfalen), Uwe Held (Baden-Württemberg)
FAMILIE: Volker Pitz (Baden-Württemberg), Werner Hummel (Bayern)
Tierschutz: Jürgen Foß (Nordrhein-Westfalen)
PBC: Walter Weiblen (Baden-Württemberg)
MLPD: Stefan Engel (Nordrhein-Westfalen)
BüSo: Helga Zepp-LaRouche (Sachsen)
BP: Andreas Settele (Bayern)
Da stellt sich doch die Frage, ob die Anhänger der Streichung der 5%-Hürde wirklich solche Gestalten wie Frey, Apfel, Unruh, Engel oder Zepp-LaRouche im Parlament sehen wollen, oder ob eine Sperrklausel nicht doch ein sinnvolles Instrument ist, uns vor solchen Kanaillen zu schützen, die nur das Ansehen Deutschlands in der Welt schädigen.
 Link zu diesem Beitrag

JG
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 14:26 Uhr:   

Na schöne Sch...die Rechten mit 13 Sitzen, dann doch lieber die 5%Klausel...
 Link zu diesem Beitrag

JG
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 14:31 Uhr:   

14
 Link zu diesem Beitrag

Charlotta
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 14:52 Uhr:   

@Bürger,

ich denke, es wär noch viel extremer.
Es gibt viele Menschen, die die kleinen Parteien gar nicht erst wählen, da sie ja davon ausgehen können, dass die Stimme damit verschenkt ist.

Nach 15 Jahren ohne 5%-Klausel hätte wohl keine Partei mehr über 100 Sitze, dafür hätten noch viel mehr Splitterparteien, die Einzelinteressen vertreten. Das würde die Regierungsbildung dann auch nicht einfacher machen.
 Link zu diesem Beitrag

Pappnase
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 16:00 Uhr:   

Das Ergebnis ist doch eine eindeutige Mehrheit für Rot-Rot-Grün.
Es verliert offensichtlich nur die Union an die kleinen Pateien.
 Link zu diesem Beitrag

Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 20:33 Uhr:   

Ich halte derartige Spekulationen ehrlich gesagt für ziemlich sinnfrei...
 Link zu diesem Beitrag

Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 07:43 Uhr:   

"Gestalten" wie Homann, Kappel, Brunner, Mißfelder werden nicht besser oder schlechter dadurch, ob ihre Parteien gerade über oder unter 5 % sind.

Man kann und darf den Wähler nicht mit solchen Mitteln vor sich selbst schützen.

Trude Unruh kann ein Parlament schon mal verkraften.
 Link zu diesem Beitrag

albert
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 12:24 Uhr:   

Ich halte eine Diskussion über Wahlsysteme in diesem Stil für niveaulos. Wo bleiben Toleranz und Demokratie, wenn man ein Wahlsystem nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet: die will ich nicht drinhaben. Ob mir jemand von diesen Leuten gefällt, frage ich mich gar nicht. Wenn ich Nachbarn und Kollegen mit gräßlichen Ansichten habe, ändert das nichts an meinen Ansichten, daß alle gleiche politische und soziale Rechte haben sollen.
Sicher wurden Wahlsytem-Debatten auch immer unter solchen Aspekten geführt. Wichtiger finde ich die Frage, ob ein Wahlsystem auch zur politischen Kultur eines Landes paßt. Vielfältige Interessen müßten auch im Parlament repräsentiert werden.
Daher wäre Mehrheitswahl z.B. in der Schweiz, Belgien und Israel völlig undenkbar.

Während der Großen Koalition ab 1966 gab es Überlegungen, die Mehrheitswahl in Deutschland einzuführen. Tatsächlich ging es um die Eliminierung von FDP und NPD. Durch Mehrheitswahl wäre die FDP auf einige wenige Mandate reduziert worden. Die NPD, die damals in den meisten Landaten saß, hätte vermutlich nicht mal einen Wahlkreis gewonnen. Aber die Chancen für einen Machtwechsel der SPD (durch Mehrheitswahl) waren in dieser Zeit nicht sehr sicher. Sie hätte vielleicht ein oder zwei Legislaturperioden mit knappen Mehrheiten regieren können, wäre danach aber wieder für Jahrzehnte in der Opposition gelandet. So zog die SPD 1969 eine Koalition mit der FDP vor, die sich mittlerweile etwas nach links geöffnet hatte - und Heinemann als Bundespräsidenten mitgewählt hatte. Die CDU/CSU wiederum fürchtete eine absolute Mehrheit der SPD und kam auch von ihrem Mehrheitswahlplänen ab.

Zu der Zeit der damaligen Großen Koalition gab es eine Flut von Mehrheitswahlvorschlägen, von denen einige aus heutiger Sicht ziemlich zurechtgezimmert wirken:

- RELATIVE MEHRHEITSWAHL wie in Großbritannien, propagiert von der Hermens-Schule, in völliger Verkennung deutscher Gegebenheiten! Hermens vertrat die monokausale These, die Weimarer Republik sei an der Verhältniswahl zugrundegegangen. Er rechnete tatsächlich damalige Wahlergebnisse auf relative Mehrheitswahl um, läßt aber die Wahlen 1932 bezeichnenderweise weg (da hätte Hitler noch früher regiert!).
In Deutschland gab es aber noch nie relative Mehrheitswahl. Seit der Kaiserzeit herrschte in Deutschland ein Vielparteiensystem mit absoluter Mehrheitswahl. Keine der Parteien hatte Interesse an einem Zwei-Parteien-System. Dieses Vielparteiensystem setzte sich in der ersten deutschen Republik dann fort. Regierungen wurden durch Koalitionen gebildet, eine politische Kultur, die bis heute fortdauert.

- KUBUS-REGEL: Man potenziert einfach alle Stimmen hoch drei und verteilt danach die Mandate nach Listen. Ebenfalls von der Hermens-Schule vorgeschlagen. Heraus kommt ein Mehrheitswahlsystem, das kleine dritte und weitere Parteien automatisch kleinhält, aber einen Bias vermeidet. Nach Simulationen von Wahlforschern bestand damals die Gefahr bei relativer Mehrheitswahl, daß eine Partei (damals die SPD), die nur die zweitstärkste an Stimmen ist, leicht eine absolute Mandatsmehrheit haben kann; diese Situation nennt man Bias (=engl. Schieflage). Dieses System hätte der CDU/CSU in den fünfziger und sechziger Jahren genauso starke parlamentarische Mehrheiten beschert, wie sie an Direktmandaten hatte: d.h. oft 60% der Sitze und mehr! (vgl. Großbritannien, wo die stärkste Partei mit 40% oft 60% der Sitze erhält.)
Abgesehen davon, daß ein Großteil der Wähler dieses System gar nicht begriffe, nicht jeder hat in der Schule Potenzen behandelt, würde es von vielen als Betrug angesehen werden. Ein Kritiker beschrieb diesen Vorschlag zu Recht als "Wahnsystem".

- KLEINE WAHLKREISE NACH D'HONDT: Es war geplant die Bundesrepublik in gleichgroße Wahlkreise aufzuteilen, in denen die Mandate nach d'Hondt verteilt worden wären. Bei Viererwahlkreisen hätte es beispielsweise 125 gleichgroße Wahlkreise gegeben, in denen jeweils 4 Mandate nach d'Hondt verteilt worden wären, ohne daß es sonst irgendwie einen Ausgleich gegeben hätte. In der SPD wurden übrigens Dreierwahlkreise propagiert. Da die Verteilung nach d'Hondt ohnehin größere Parteien bevorzugt, Ausgleichsmandate fehlten, hätten kleinere Parteien auch hier wieder nur das Gnadenbrot einiger weniger Mandate erhalten. Die Übermacht einer Mehrheitspartei bei Mehrheitswahl wäre gemildert worden.
Es gibt Länder, in denen die Methode d'Hondt mit unterschiedlich kleinen Wahlkreisen kombiniert ist, was immer zu leichten absoluten Mehrheiten für die stimmenstärkste Partei führt, z.B. Spanien und Portugal. Die Dreier- und Viererwahlkreise in der BRD hätten aber ähnliche Probleme wie die Mehrheitswahl gebracht und auch ein Bias wäre nicht ausgeschlossen gewesen. Vor allem hätte dieses System ganze Landstriche geschaffen, in denen man jahrzehntelang nicht mehr zur Wahl gehen muß, weil es ohnehin immer für eine der beiden großen Parteien gleich ausgeht.

- GRABENSYSTEM: Man nehme 50% relative Mehrheitswahl + 50% Verhältniswahl und addiere beides. In den 50er Jahren gab es schon Pläne der CDU, um ihre kleinen rechten Koalitionspartner nicht völlig zu vergrätzen; die FDP sah dies damals schon als Manipulation. In den Debatten der 60er gab es hier mehrere Modelle, die allerdings teilweise mehr Wahlkreis- als Listenmandate vorsahen, was wiederum noch mehr dritte und weitere Parteien ausgeschaltet hätte.

Glücklicherweise wurde aus diesen Plänen aus obengenannten Gründen nichts. Als die Grünen in den 80er Jahren bundesweit in Parlamente einzogen gab es vereinzelt Forderungen nach einer 10%-Klausel, was ich genauso unsachlich finde, wie bereits beschrieben. Übrigens haben bayerische Richter auch eine solch hohe Prozenthürde verboten.
Ein entscheidender Schritt in Richtung mehr Demokratie ist die Tendenz bei Kommunalwahlen Kumulieren und Panaschieren einzuführen, auf die 5%-Klausel zu verzichten und Bürgermeister direkt zu wählen. Bei Parlamenten, die nicht mal 100 Abgeordnete stellen, ist im Schnitt doch ohnehin mindestens 1% oder mehr nötig um einen Sitz zu bekommen. Auch das EU-Parlament sollte künftig einheitlich nach einem Verhältniswahlsystem ohne Klauseln gewählt werden.

P.S.: Der Teilnehmer "Bürger" greift hier übrigens zu dem Trick die Mandate nach Hare-Niemeyer für ein 598-Mandate-Parlament zu berechnen; so eine niedrige Hürde gab es noch nirgends, nicht mal in der Weimarer Republik!
 Link zu diesem Beitrag

Fragender
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Oktober 2005 - 22:16 Uhr:   

@albert
Diese niederige Hürde würde es tatsächlich geben, wenn man einfach die 5%-Klausel streichen würde. Die reine "Hare-Niemeyer-Hürde" gibt es bei Kommunalwahlen übrigens recht häufig.

Von der Tendenz auf die 5%-Klausel bei Kommunalwahlen zu verzichten, kann ich übrigens gerade in diesen Wochen nichts erkennen, da die Hamburger CDU die von der Bevölkerung per Volksgesetzgebung abgeschaffte Hürde nunmehr wieder einführen will. Die Aufhebung ist hingegen oft genug (z.B. NRW) nur durch ein Landesverfassungsgerichtsurteil erreicht worden. Das wird den Hamburgern nicht helfen, da das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden hat, daß die 5%-Hürde mit der Hamburger Verfassung vereinbar ist.
 Link zu diesem Beitrag

josh
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Oktober 2005 - 21:50 Uhr:   

Ich würde die Sperrklausel zwar nicht ganz abschaffen, aber z.B. auf 2% absenken, dann würde eine totale Splitterung immernoch verhindert, aber kleinere Parteien hätten trotzdem eine größere Chance
 Link zu diesem Beitrag

Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 13:27 Uhr:   

Was ich eine interessante Möglichkeit fände, wäre eine Art 5%-Klausel für Nichtwähler verbunden mit einer Möglichkeit, das auf einem Wahlschein ankreuzen zu können. Sprich: Wenn mehr als 5% nichtwählen, fließen diese Stimmen in das Ergebnis mit ein. So hätten die Politikverdrossenen Leute eine offizielle Möglichkeit, ihrem Frust Ausdruck zu verleihen. Das würde die Wahlbeteiligung imo deutlich erhöhen und hätte zur Folge, dass sich vielleicht doch ein paar Leute mehr mit Politik beschäftigen...

Gruß, Dave
 Link zu diesem Beitrag

Görd
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 15:30 Uhr:   

Wahlen sind aber nicht dazu da Frust auszudrücken, jedenfalls glaube ich immer noch, dass es darum geht, wer Deutschland regieren darf.
 Link zu diesem Beitrag

j
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 17:35 Uhr:   

Das ist m.E. eine verkürzte Sichtweise. In einigen Ländern (u.a. Rußland) gibt es die Möglichkeit, "gegen alle Listen" zu stimmen.

Das halte ich durchaus für gerechtfertigt, da es Menschen gibt, die in allen Parteien keine Lösung sehen, nicht "den kleinsten Haufen Scheiße" wählen wollen, die das aber gerne ausdrücken würden. Und bewußt ungültig wählen oder Wahlenthaltung ist zu anfällig, nicht als bewußter Protest interpretiert zu werden.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 18:04 Uhr:   

Wenn eine Partei gut abschneidet, interessiert sie die Wahlbeteiligung nicht und wenn sie sclecht abschneidet, freurt sie sich bestimmt nicht über hohe Wahlbeteiligung.

Wahlen sind dazu da, zu sagen, wofür man ist und nicht wogegen. Wer das nicht kapiert, sollte besser zu Hause bleiben. Eine Gegen-alle-Option hilft höchstens großen Parteien, wenn eine kleine dadurch unter 5% gedrückt wird. Wo soll da der Sinn sein? Wer gegen alle ist, kann ja eine eigene Partei gründen.
 Link zu diesem Beitrag

j
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 18:16 Uhr:   

AnarchistInnen sind für eine herrschaftsfreie Gesellschaft, also auch gegen Parteien, da sie aus Herrschaftstrukturen bestehen (ich weiß das ziemlich gut, da ich selbst Mitglied einer Partei bin). Sollen deren Stimmen einfach unter den Tisch fallen?

Die Gründung einer eigenen Partei ist recht einfach. Der Antritt zu Wahlen nicht. Ganz nebenbei müssen noch ein paar Tausend Unterschriften gesammelt werden. Die Zeit möchte ich mal neben meinem Beruf haben.

Und wer zuhause bleibt stimmt auch noch den Parteien zu, die er oder sie eben NICHT gewählt hat.
 Link zu diesem Beitrag

Martin_D
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. Oktober 2005 - 22:25 Uhr:   

Ich finde, das Wählen sollte grundsätzlich ein konstruktiver Vorgang sein und kein destruktiver. Deshalb bin ich strikt gegen die Möglichkeit, gegen alles zu stimmen.
 Link zu diesem Beitrag

Sansiba
Veröffentlicht am Freitag, 07. Oktober 2005 - 00:12 Uhr:   

@Dave
könntest du bitte einmal genauer beschreiben, wie die 5% Nichtwähler dann in das Ergebnis miteinfließen sollen.

Bleiben dann Sitze im Bundestag leer?
Zählen diese Sitze dann (z. B. bei der Kanzlewahl) als Stimmenthaltungen mit?

Ich sehe auch erst mal ein Problem darin, dass die Wahl ja vor allem dazu dient, dass wir hinterher einen Bundestag haben.
Ich verstehe ja deinen Frust. Und du hast sicher damit recht, dass wir ein wirksames Forum benötigen um die Parteien darüber zu informieren, dass da etwas gar nicht gut läuft.

Nur: Wenn wir nun wissen, dass ein Großteil der Menschen das nicht will, was die Parteien vorschlagen, dann wissen wir immer noch nicht wohin wir wollen. (Dagegensein ist halt immer leichter.)
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 07. Oktober 2005 - 08:41 Uhr:   

"AnarchistInnen sind für eine herrschaftsfreie Gesellschaft, also auch gegen Parteien, da sie aus Herrschaftstrukturen bestehen (ich weiß das ziemlich gut, da ich selbst Mitglied einer Partei bin). Sollen deren Stimmen einfach unter den Tisch fallen?"

Ganz einfach: Ein konsequenter Anarchist geht gar nicht wählen weil er andernfalls keiner ist.
 Link zu diesem Beitrag

Senf aus Österreich
Veröffentlicht am Sonntag, 09. Oktober 2005 - 01:46 Uhr:   

Konsequente Anarchisten gehen manchmal schon wählen. Es kommt nur auf den Zusammenhang an. Zum Beispiel gaben die Anarchisten von CNT und FAI den Auschllag bei den Wahlen in Spanien zur Bildung der Volksfrontregierung in den 30'er Jahren. Es gab während des Bürgerkrieges auch zwei Anarchisten als parlamentarische Minister (Garcia Oliver und noch eine)als Gegengeweicht zu Kommunisten/Sozialdemokraten. Dies beides taten die Anarchisten nicht aus proparlamentarischen sondern antidiktatorischen Impetus heraus.
Also: Geht es darum eine Ausweitung von Staatsmacht zu verhindern, kann es für Anarchisten strategisch sinvoll sein wählen zu gehen oder gar parlamentarisch zu arbeiten.
Als Beispiel bei der letzten Bundeswahl kann man sich ja folgendes vorstellen: ein konsequenter Anarchist hat was sowohl gegen Schily und/oder Beckstein (das werden wohl die Topfeindbilder dt. Anarchisten sein). Wenn er nicht wählt schadet er ihnen weniger als wenn er z.B. Linkspartei wählt (die hat ja angekündigt keine andere Partei im BT - also auch nicht Schily und/oder Beckstein - zu unterstützen).
Ich kann mir soar vorstellen, dass Anarchisten in großer Zahl in eine beliebige Partei eintreten könnten, nur um diese auf gewissen Ebenen arbeitsunfähig zu machen. Dabei könnten sie sogar Parlamentssitze über das Ticket der Partei bekommen.
Dies alles würde in keinster Weise dem Anarchismus widersprechen, da eine Instrumentalisierung entgegen der ursprünglich intendierten Funktionsweise vorliegen würde. Macht würde nicht missbraucht sondern ad absurdum geführt werden.

Gott sei Dank, sind Anarchisten nicht so clever.
 Link zu diesem Beitrag

Anarchistenfresser
Veröffentlicht am Sonntag, 09. Oktober 2005 - 01:57 Uhr:   

"Als Beispiel bei der letzten Bundeswahl kann man sich ja folgendes vorstellen: ein konsequenter Anarchist hat was sowohl gegen Schily und/oder Beckstein (das werden wohl die Topfeindbilder dt. Anarchisten sein). Wenn er nicht wählt schadet er ihnen weniger als wenn er z.B. Linkspartei wählt"

Sehr witzig. Dank der Linkspartei gibt es jetzt schwarz-rot, so daß Beckstein und Schily mit riesigen Mehrheiten im Parlament zusammenarbeiten können, ohne auf Grüne oder FDP Rücksicht nehmen zu müssen.
 Link zu diesem Beitrag

Senf aus Österreich
Veröffentlicht am Sonntag, 09. Oktober 2005 - 16:53 Uhr:   

Statt Rot-Grün/Schwarz-Gelb haben über Bundestag und Bundesrat bisher doch eh schon zusammenarbeiten müssen. Außerdem gab es davor eine noch größere Mehrheit im BT für Schwarz-rot - die ist jetzt so klein wie seit 1949 nicht mehr. Ein das dt. Staatssystem ablehnender Mensch wird wohl kaum großartig zwischen verschiedenen Regierungen differenzieren wollen. Er wählt destruktiv aber mit Sinn. Ich glaub auch nicht dass einem Anarchisten das Behagen von Grünen und FDP interessiert. Erstere sind für ihn zu etatistisch zweitere zu "kapitalistisch". Aber sowohl SPD als auch CDU gehen geschwächt aus der Wahl hervor. Schily und Beckstein direkt konnte er eh nicht schaden, aber deren Parteien; und wenn man ergänzen will: den Wunschkoalitionären der Parteien.

Lieber Anarchistenfresser, ich bin Mitglied der ÖVP seit 15 Jahren.
 Link zu diesem Beitrag

Anarchistenfresser
Veröffentlicht am Sonntag, 09. Oktober 2005 - 22:40 Uhr:   

"Ich glaub auch nicht dass einem Anarchisten das Behagen von Grünen und FDP interessiert."

Das wohl nicht. Aber diese beiden Parteien nehmen wenigstens noch etwas Rücksicht auf Freiheits- und Bürgerrechte, während Schily und Beckstein das nun in einer großen Koalition absolut nicht mehr machen müssen und auch nicht machen werden.

Der "destruktiv aber mit Sinn" wählende Anarchist hat nun also erreicht, daß es eine sehr schwache Opposition und eine sehr starke Regierung gibt, die zu allem Überfluss auch noch einen starken Staat will und auf Freiheits- und Bürgerrechte pfeift...
 Link zu diesem Beitrag

Senf aus Österreich
Veröffentlicht am Montag, 10. Oktober 2005 - 02:12 Uhr:   

Nochmal werd ich daraufhinweisen, dass Schwarz-Rot bis zur Bundestagswahl eine größere Mehrheit im Parlament hatte, dass also die Opposition zu Schwarz-Rot gestärkt wurde. Über den "Abbau" von Freiheits- und Bürgerrechten (wohl besser die Ausweitung von Sicherheit - je nach Standpunkt halt) entscheidet das Parlament und nicht die Regierung. Der "Abbau" des Asylrechts war ja auch eine Schwarz-rote Angelegenheit trotz Schwarz-Gelber Regierung.
Was also diesen Punkt angeht, kann man sagen: die formale Opposition im Bundestag ist tatsächlich geschwächt - die tatsächliche Opposition im Bundestag in Bezug auf viele politische Themenfelder ist gestärkt.
Ich glaube nicht, dass es einen Anarchisten interessiert, wie stark die formale Opposition ist, sondern nur wie stark die de-facto-Opposition in ihm wichtigen Bereichen ist.
Kleine Rechnung zum Nachdenken: de-facto-Oppositionsparteien auf Bundesebene in der letzten Legislaturperiode: null (außer zwei PDSlerinnen im BT und eingeschränkt Berlin und Meck-Pomm im BR), da Schwarz-gelb über den Bundesrat mitregiert hat und die Grünen im BT mitregiert haben;
de-facto-Opposition jetzt: drei Fraktionen im Bundestag (über 160 Abgeordnete immerhin).
Der überzeugte Anarchist wird ja sowohl den BR (Vertretung der Landesexekutiven) wie auch den BT ablehnen und sie gleichzeitg als Teil ein und desselben "Systems" ablehnen.
 Link zu diesem Beitrag

alexus (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 06. November 2005 - 14:05 Uhr:   

Sehr interessant für mich wäre:

Wer würde für diese oben genannten aus dem Bundestag rausfliegen ?

Hat da jemand Informationen ?
 Link zu diesem Beitrag

Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 07. November 2005 - 20:39 Uhr:   

Die fiktiven geänderten Sitzzahlen auch der jetzt schon im Bundestag vertretenen Parteien hat Bürger in seinem Posting auch schon mit angegeben. Ich nehme 'mal an, dass seine Zahlen stimmen, sie sind jedenfalls plausibel.

Dann verlieren gegenüber der "echten" Besetzung des Parlaments die SPD 8 Sitze, die CDU 6 Sitze und FDP, Linkspartei.PDS, Grüne und CSU alle jeweils 2 Sitze. Das sind zusammen 22 Parlamentarier, die gehen müssten, gegenüber 23 neuen, die hinzukämen. Es wären dann also 615 statt 614 Abgeordnete.

Der eine "Mehr-" Parlamentarier besetzt laut Bürgers Zahlen ein weiteres (achtes) Überhangmandat für die CDU. Da die Zahl der Listenplätze aller Parteien leicht abnimmt, reicht es vermutlich in Baden-Württemberg zu einem weiteren Überhangmandat (oder es kommt ein anderes Bundesland hinzu).

An den Mehrheitsverhältnissen ändert sich praktisch nichts, wenn man ganz exotische Kombinationen weglässt. Eine große Koalition hätte 432 statt 448 Abgeordnete, das reicht immer noch locker. Rotgrün und schwarzgelb gingen dagegen erst recht nicht und verlören je 10 Abgeordnete. Rotrotgrün behielte noch 315 Abgeordnete (minus 12), das würde nur noch sieben Abgeordnete über der absoluten Mehrheit liegen, anders als Pappnase das oben (vermutlich irrtümlich) annimmt. Sicherere Mehrheiten hätten noch Jamaica mit dann noch 326 Abgeordneten (auch minus 12) oder eine herkömmliche Ampel mit 322 Abgeordneten (auch minus 12).

Die 10 fiktiven Abgeordneten der NPD sind also bei der aktuellen Konstellation unerheblich. Erst recht ist es egal, ob zB der Abgeordnete der Bayernpartei bei der CSU hospitiert, der von der PBC bei der CDU oder der von der MLPD bei der Linkspartei.PDS.

Regional gäbe es eine leichte Verstärkung bei den größeren Bundesländern zuungunsten der kleineren, da bei den Kleinstparteien praktisch nur noch Abgeordnete aus den drei bevölkerungsreichsten Bundesländern NRW, Bayern und Baden-Württemberg eine Chance haben, während die ausscheidenden Parlamentarier gleichmäßig verteilt sein dürften. Überlagert wird dies durch eine leichte Verstärkung für die neuen Bundesländer, in denen die NPD bessere Ergebnisse hatte und daher mehr Abgeordnete von dort stellen würde.

Dave Remmel hat sicher recht, wenn er solche Zahlenspielerei als Spekulation einstuft - sie entspricht eben nicht den realen Gegebenheiten. "Sinnfrei" wäre aber imho der Sache nicht gerecht. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, die relative Bedeutung von Parteien oder politischen Strömungen in der Zahl der zugehörigen Abgeordneten zu messen. "200" oder "300" ist eine Volkspartei, "40" oder "50" eine von den anderen oder auch irgendein relevanter Parteiflügel der beiden großen Parteien. Da finde ich es fürs eigene Zahlengefühl schon ganz anschaulich zu sehen, dass die NPD dann bei "10" liegen würde - 10 Abgeordnete sind viel plastischer vorstellbar als die eigentlich ja genauso aufschlussreiche Prozentzahl oder Absolutzahl der Stimmen. Auch die weitere Relation zu den 2 Abgeordneten der Familienpartei oder Frau Zepp-LaRouche von BüSo wird klarer.

Beitrag verfassen
Beitrag:
Fett Kursiv Unterstrichen Erstelle Link Clipart einfügen

Benutzername: Hinweis:
Dies ist ein öffentlicher Bereich. Wenn Sie kein registrierter Benutzer sind, geben Sie lediglich Ihren Namen in das "Benutzername"-Eingabefeld ein und lassen das "Kennwort"-Eingabefeld leer. Die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse ist freiwillig.
Kennwort:
E-Mail:
Optionen: HTML-Code anzeigen
URLs innerhalb des Beitrags aktivieren
Auswahl:

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite