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Böser Bube Köhler

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Böser Bube Köhler « Zurück Weiter »

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hajo
Veröffentlicht am Samstag, 01. Oktober 2005 - 13:42 Uhr:   

Die Bundestagswahl hätte nicht stattgefunden, wenn Bundespräsident Köhler seine Entscheidung in Sachen Auflösung des Bundestags auf der Grundlage des Grundgesetzes gefasst hätte.

Als hauptsächliche Begründung für die Auflösung des Bundestages wurde vom Bundespräsidenten angezeigt: „In dieser ernsten Situation braucht unser Land eine Regierung, die ihre Ziele mit Stetigkeit und mit Nachdruck verfolgen kann. Dabei ist die Bundesregierung auf die Unterstützung durch eine verlässliche, handlungsfähige Mehrheit im Bundestag angewiesen. … Der Bundeskanzler hat am 1. Juli vor dem Bundestag deutlich gemacht, dass er mit Blick auf die knappen Mehrheitsverhältnisse keine stetige und verlässliche Basis für seine Politik mehr sieht. Ihm wurde mit abweichendem Abstimmungsverhalten und Austritten gedroht.“

Die Auflösung des 15. Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten ist willkürlich vollzogen worden, wird den Bestimmungen und der Intention des Grundgesetzes, vor allem aber der Bestimmung Artikel 38 GG nicht gerecht. Es ist bestimmt, dass die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen NICHT GEBUNDEN und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind.

Es ist somit das verbriefte Recht eines jeden Abgeordneten, in freier Entscheidung Vorhaben der Regierung beizutreten, oder den Beitritt zu verweigern. Der Bundespräsident hat dieses Recht der Abgeordneten auf freie Entscheidung in allen Bereichen als unzulässig gewertet.

Die Behauptung des Bundeskanzlers, dass er bei seiner Regierungsarbeit auf eine „verlässliche, handlungsfähige Mehrheit im Bundestag angewiesen“ sei, wurde vom Bundespräsidenten grob fahrlässig und offensichtlich ohne qualifizierte Prüfung, wahrscheinlicher aber zielgerichtet übernommen. Die Folge: Die Aufhebung der Gewaltenteilung, die im Grundsatz seit Installation der Fraktionen sowieso schon praktiziert wird, wurde durch Bundespräsident Köhler salonfähig gemacht und wurde von den Verfassungsrichtern in Karlsruhe auf der Grundlage von „verfassungsfremden Erwägungen“ (Arnulf Baring) bestätigt.

Demokratie ade!
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Sole
Veröffentlicht am Samstag, 01. Oktober 2005 - 14:08 Uhr:   

Der Bundespräsident hat die Feststellung des Kanzlers anerkannt, dass von den rund 600 Abgeordneten die Mehrheit nicht für die Vorhaben der Regierung gewonnen werden konnte. Dies widerspricht in keiner Weise dem Recht der Abgeordneten, nach eigenem Wissen und Gewissen Bundeskanzler zu bestellen und Gesetze zu beschließen sondern rührt genau von diesem Recht her.

Fraktionen sind freiwillige Zusammenschlüsse der Abgeordneten. Die Reglementierung der Fraktionen, ihrer Macht und ihrer Bildungsmöglichkeiten obliegt der Geschäftsordnung des Bundestages und damit den Abgeordneten selbst.

Wenn Baring schon so ein Gazetten-Niveau bedienen muss, sollte er vielleicht aufhören, Spießbürgerbefriedigungsbücher zu schreiben. Oder aber, er sollte sich verständlicher ausdrücken.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 01. Oktober 2005 - 15:00 Uhr:   

Auch die FAZ hatte sich ja in ihrem Hauptkommentar nach der Wahl Köhler als willkommenen "Sündenbock" herausgesucht. Ich habe dies schon einmal im Forum zurückgewiesen. Bundespräsident Köhler hat zunächst die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 68 GG geprüft. Da hat er sich eng an das Urteil des Verfassungsgerichtsurteils von 1983 gehalten. Und dies sagte nun einmal, dass eine eigene Einschätzung, der Artikel 68 GG werde vom Bundeskanzler missbräuchlich gebraucht, der des Kanzlers eindeutig vorzuziehen sei. Und dass Köhler - auch angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat - zu der Überzeugung kam, eine Auflösung sei 2005 besser, als bis zur regulären Auflösung 2006 zu warten, wurde von allen im Bundestag vertretenen Parteien befürwortet. Also hier Köhler die Schuld zuzuweisen, halte ich für völlig falsch und eine Schuldzuweisung ist sehr kurzsichtig und wird diesem Mann nicht gerecht. Wenn man schon von "Schuld" sprechen kann, so hätte das Verfassungsgericht 1983 die Auflösung von Kohl zurückweisen müssen; dann wäre es zu der Auflösung 2005 auch nicht gekommen. Was wäre denn wohl geschehen, wenn Köhler die Auflösung des Parlaments verweigert hätte? Den "Aufschrei" der Parteien und Medien nach dem Motto: "Köhler verhindert Neuwahlen und trägt zur Lähmung des Landes bei" hätte ich sehen wollen! Natürlich hätte der Bundespräsident anders entscheiden können, er hätte aber plausible Gründe finden müssen. Und wer sagt denn, dass sich das Ergebnis 2006 substantiell von dem von 2005 unterschieden hätte? Nein, hier wird Unzufriedenheit mit dem Wahlergebnis dem Bundespräsidenten - meines Erachtens zu unrecht - angelastet.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Samstag, 01. Oktober 2005 - 17:14 Uhr:   

Da kann ich mich Sole und Bernhard nur anschließen.
Es ist absolut widersinnig, nun Köhler zu beschuldigen - nur weil die Wahl nicht das gewünschte Ergebnis brachte.

Ich halte ja nicht viel von der großen Koalition, aber das sind halt normale politische Differenzen.
Auf jeden Fall: Wer immer nun Kanzler/in wird, hat eine ausreichend große Mehrheit im Parlament.
Und wenn diese Mehrheit dann nicht das beschließt, was das Land braucht, dann ist das halt Demokratie und die Wähler dieser Parteien müssen sich an die eigene Nase fassen.
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Samstag, 01. Oktober 2005 - 17:28 Uhr:   

Sehe ich ähnlich wie meine Vorredner. Es ist generell schon lächerlich hier einen "Schuldigen" zu suchen, aber hier Köhler verantwortlich machen zu wollen entbehrt jeglicher Grundlage. Was hätte er denn machen sollen? Wenn er sich gegen Neuwahlen entschieden hätte, wäre er erst recht von der Presse zerissen worden...
Wenn hier jemand schuld ist, sind es WIR, die Wähler und sonst niemand, und mit dem Ergebnis müssen sich die Parteien nunmal auseinandersetzen und eine Regierung bilden.

Gruß, Dave
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 10:18 Uhr:   

Hätte sich Köhler gegen Neuwahlen entschieden, dann wäre er vielleicht als standhafter, aufrechter Charakter in die Geschichte Deutschlands eingegangen und hätte sich die Chancen auf eine Wiederwahl als Bundespräsident vertan.
Tendentiell teile ich die Auffassung, dass das Urteil des BVG von 1983 einen sehr unglücklichen Argumetationsgang gewählt hat und dass die damalige wie die heutige vorzeitige Neuwahl des Bundestages nicht der Intention des Verfassungsgebers, aber vielleicht doch gerade noch dem Wortlaut der Verfassung entspreche.
Das ist aber nîcht ein Verschulden Köhlers, sondern wenn überhaupt ein Fehlurteil des BVG. Nach seinem Urteil, das geltendes Verfassungsrecht darstellt, MUSSTE Köhler ja die Neuwahl anordnen, sofern er nicht "offensichtlich" eine andere Einschätzung der politischen Lage als die, die ihm der Bundeskanzler servierte, vorziehen musste. Welche Wahl hätte er also gehabt?

Zum Problem des Wahlausgangs kann man sich ganz schlicht äussern: Daran sind die Wähler schuld. Im übrigen (Refrain) sind schon die letzten drei vorausgehenden (ordentlichen) Wahlen durch knappe Ergebnisse zwischen Bürgerblock und Links-Grün aufgefallen. Nur gab es damals keine vereinigte, deutschlandweite Linkspartei, die gerade soviel Sitze holte, dass zwischen den traditionellen Parteien keine Entscheidung mehr möglich wurde.
Mit seinem schnellen Entschluss wollte Schröder ja eben gerade die Bildung dieser vereinigten Linkspartei verhindern, was ihm allerdings nicht gelungen ist. Durchd das Auftreten der Linkspartei hat zwar nun die zusammengerechnete links-grüne Seite gewonnen (Mehrheit aller Sitze im Bundestag), doch daraus entsteht nun gerade die Blockade. Hätte es die Linkspartei nicht gegeben oder wäre sie nicht erfolgreich gewesen, dann hätte Schröder vermutlich auch CDU/CSU-FDP zur Mehrheit verholfen.
Somit hat es Schröder immerhin geschafft, durch die Neuwahl gleich ALLE Kräft, sich selbst eingeschlossen, in die Pfanne zu hauen. Auch ein Erfolg.
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Hadrian Silberer
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 10:48 Uhr:   

Köhler handelte völlig richtig. Er glaubte Schröder mehr als Müntefering und erkannte, daß der Bundeskanzler keine parlamentarische Mehrheit für seine Politik hinter sich hatte. Daher mußte er gemäß der parlamentarischen Demokratie für stabile Verhältnisse sorgen - durch Neuwahlen, da der Bundestag nicht in der Lage war, einen neuen Bundeskanzler zu wählen.

Und das Bundesverfassungsgericht entschied in meinen Augen ebenso hervorragend.

Grundgesetz, Artikel 68:

"(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen.[...]"

Steht hier irgendwo, daß dieses ausgesprochene Vertrauen ehrlich sein muß? Oder daß die Entscheidung des Bundespräsidenten vom Bundesverfassungsgericht zu prüfen ist?

Nein. Das Bundesverfassungsgericht hob den Wortlaut des Grundgesetzes über das eigene Einschätzungsvermögen und verhielt sich damit verfassungsgemäßer als 1983. Es ist nämlich nicht da, um am Grundgesetz herumzudeuten, sondern um das geschriebene Recht anzuwenden.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 16:37 Uhr:   

Also, ich bin schon einigermaßen überrscht, wie einmütig hier die meisten Köhler unterstützen und noch dazu teilweise auf die "böse Presse" verweisen - ganz nach dem Motto: "Er konnte ja nicht anders".
Wenn überhaupt irgendjemand ohne größere "Rücksicht" auf Parteien, Presse etc. agieren könnte, dann ja wohl der Bundespräsident. Viel Verfassungsrechtliches habe ich übrigens aus der Fernsehrede von Köhler nicht in Erinnerung, dieser erging sich praktisch nur darin, was für tolle Möglichkeiten es jetzt für die Bevölkerung gebe, endlich richtig abzustimmen.

Und rechtlich war die Neuwahl natürlich fragwürdig. Es war wohl fast allen (auch hier im Forum) klar, dass Schröder einzig und allein aus taktischen Gründen diese ausgerufen hat. Und aus genau den gleichen taktischen Gründen war auch die Union (und insbesondere Frau Merkel) mit dieser Entwicklung sehr zufrieden. Dummerweise haben beide Seiten die Rechnung aber ohne den lachenden Dritten gemacht, nämlich die Linkspartei.

Und jetzt werden wir wohl die schlechteste aller denkbaren Regierungen überhaupt erhalten, nämlich die große Koalition. Und natürlich trägt hieran Köhler eine Mitschuld, denn von Beginn der Diskussion um die Neuwahl an, schwang diese Große Koalition als eine sehr plausible Variante mit.

Mir jedenfalls graust jetzt vor dem, was wir in den nächsten Jahren erleben werden. Schon bei der ersten Großen Koalition in den beschaulichen Sechzigern kam es zu Verwerfungen (APO, NPD-Aufstieg), die damals zu Beginn der Großen Koalition niemand für möglich gehalten hätte. Und gerade im Hinblick auf neue "Notstandsgesetze" oder die weitere Aushöhlung der Pressefreiheit (siehe "Cicero") können wir auch diesmal bei den Großkoalitionären wieder mit dem Schlimmsten rechnen.

Gerade unter den letzten Aspekten bin ich auch bitterlich von FDP und Grünen enttäuscht, wie schnell sich diese in die vermeindlich bequeme Oppositionsrolle fügen und stattdessen lieber um die tollen Fraktionsposten streiten.
Was für ein Coup wäre es etwa gewesen, wenn sich die beiden kleinen Parteien zunächst zu Gesprächen getroffen hätten und dann GEMEINSAM mit Union und SPD weiterverhandelt hätten. Wie hätten dann Schröder und Merkel da gestanden. Aber soviel Phantasie darf bei deutschen Parteipolitikern wohl wirklich nicht erwartet werden ...
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 17:40 Uhr:   

Man kann Köhler die "Mitschuld" natürlich insofern nicht absprechen, als er ja als Bundespräsident, der den förmlichen Entscheid fällen musste, auch formell mitverantwortlich ist.
Allerdings verkennt das doch die Lage, in der er sich befand:
1.) Müntefering/Schröder posaunen laut "Neuwahl" aus.
2.) Allgemeiner Applaus so ziemlich aus jeglicher politischen Ecke.
3.) Schröder inszeniert die Vertrauensfrage.
4.) Eine grosse Mehrheit im Bundestag stimmt gegen Schröder oder mit Enthaltung, was sich gleichermassen aufs Ergebnis auswirkt (Vertrauen = Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des BT zum Kanzler).
5.) Schröder ersucht unter Berufung auf diese Abstimmung Köhler um Neuwahlen.
Und an dieser Stelle kommt das BVG ins Spiel: 1983 hat es faktisch entschieden, dass der Bundespräsident nicht ungestraft von der Einschätzung des Bundeskanzlers abweichen DARF. Mit andern Worten: Er darf gar nicht frei und unabhängig urteilen, sondern ist weitestgehend ans Kanzlerwort gebunden.
Natürlich hätte er eine Alternative suchen können, und vermutlich wäre ihm auch etwas eingefallen, wenn er gründlich gesucht hätte. Allerdings hätte das ziemlich Ärger gegeben: Die Parteien, die ihn gewählt hatten, waren ja geschlossen für die Neuwahl und hätten ihm gewiss die nächste Amtszeit verwehrt, hätte er Wahlen abgelehnt. Ja, auch die Drohung stand im Raum, einfach das GG zu ändern. (Und da beide grossen Parteien dahinter standen, wäre das wohl auch durchgegangen.) Dann wäre aber auch eine Anklage gegen den Bundespräsidenten wegen Verfassungsbruchs denkbar gewesen. Und sicher hätten dann auch einfach andere Leute gegen den Entscheid gegen die Neuwahl geklagt.
Hätte Köhler anders entschieden, wäre er vielleicht als letzter aufrechter Deutscher in die Geschichte eingegangen, aber vielleicht auch als erster abgesetzter Bundespräsident.

Für den Wahlausgang kann er im Übrigen nicht haftbar gemacht werden. Gleichgültig wie und warum er die Neuwahl angeordnet hat: Die Wahl selbst war allein die Entscheidung der Wähler. Eine andere, rein spekulative Betrachtung ist die, wie Wahlen nächstes Jahr nach einem weiteren Durchwursteln bis zur ordentlichen Neuwahl ausgehen würden. Im Blick auf die drei letzten Wahlen dürfte man annehmen, dass auch ordentliche Wahlen 2006 ein knappes Ergebnis gebracht hätten; mit Linkspartei wäre auch eine Hängepartie dringelegen.
Immerhin wissen wir ja jetzt, dank der Neuwahl, wie gespalten die Wählerschaft ist.
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John Rawls
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 17:51 Uhr:   

>>>Und jetzt werden wir wohl die schlechteste aller denkbaren Regierungen überhaupt erhalten, nämlich die große Koalition.

Mit was, außer mit Demokratiekritik lässt sich denn so eine Pauschalität begründen? Warum sollten denn knappe Mehrheiten "besser" sein als große, an Konsens grenzende?

>>> Schon bei der ersten Großen Koalition in den beschaulichen Sechzigern kam es zu Verwerfungen (APO, NPD-Aufstieg), die damals zu Beginn der Großen Koalition niemand für möglich gehalten hätte.

Mythenbildung. Der NPD-Aufstieg begann weit vor der großen Koalition und war im Gegenteil zum Zeitpunkt der Koalitionsbildung bereits über den Zenit. Interessanter ist da der Zusammenhang mit der FDP, die parallel zum Aufstieg der NPD mit etlichen ihrer nicht wenigen Alt-Nazis aufräumte.

Und dass die große Koalition an der APO Schuld war, kann nur glauben, wer kein Auge für die internationale Dimension (Berkeley FSM, Pariser roter Mai etc.) hat. Ich weiß auch nicht, wer außer Guido Knopp eigentlich die Theorie von den "beschaulichen Sechzigern" vertritt.

Mal zur Erinnerung:

Bau der Mauer: 1961
Kuba-Krise: 1962
Vietnamkrieg: ab 1964
Kulturrevolution und Tibetkrise: 1966
6-Tage-Krieg: 1667

Ich glaube kaum, dass sich da irgendwer zurückgelehnt hat und davon geschwärmt hat, wie beschaulich doch die Zeiten sind.
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Jeki
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 18:12 Uhr:   

@ John Rawls

Es liegt doch auf der Hand, dass eine grosse Koalition zu nichts fuehren wird. Der "Konsens" wird darin bestehen, dass umstrittene Themen ueberhaupt nicht in Angriff genommen werden, beim Rest wird man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Die grossen Strukturreformen der sozialen Sicherung werden nicht kommen. Die Probleme werden aber noch groesser werden und voraussichtlich ueber neue Schulden bezahlt werden. Das Bloede ist, dass diese Schulden irgendwann einmal zurueckbezahlt werden muessen - und zwar von einer alternden, schrumpfenden Bevoelkerung.
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Good Entity
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 18:24 Uhr:   

@Martin Jurgeit: >>wenn sich die beiden kleinen Parteien zunächst zu Gesprächen getroffen hätten und dann GEMEINSAM mit Union und SPD weiterverhandelt hätten<<

Dieser Gedanke drängte sich verhandungstaktisch natürlich gleich am Anfang auf, er lag sicherlich der Phantasie der Grünen und der FDP auch nicht ganz so fern, wie Du befürchtest. Beide Parteien zusammen haben trotz ihrer guten Ergebnisse aber auch nur rund 18 % der Stimmen und rund 120 Sitze bekommen, also kein Fünftel vom Kuchen. Es geht locker ohne sie beide, auf was immer sie sich einigen. Jeder der möglichen Partner ist deutlich größer als beide zusammen.

Das hätte keiner ernst genommen, schlimmer noch, Joschka Fischer wäre ein Festkleben am Posten des Außenministers ("Pattex-Joschka") und Guido Westerwelle die Rückkehr zu seiner Kanzlerkandidatur aus 2002 und zur 18 % Idee mit anderen Mitteln um die Ohren gehauen worden.
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 20:11 Uhr:   

Ich sehe das wie Jeki... Wenn sich die beiden großen Parteien jetzt schon so in den Haaren liegen, wie soll das dann erst später aussehen?

Gruß, Dave
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 22:55 Uhr:   

John Rawls schrieb:
"Mythenbildung. Der NPD-Aufstieg begann weit vor der großen Koalition und war im Gegenteil zum Zeitpunkt der Koalitionsbildung bereits über den Zenit."

Der Durchbruch der NPD im November 1966 bei der Landtagswahl in Hessen mit 7,9 Prozent war unmittelbar an die Verhandlungen zur Bildung der Großen Koalition gekoppelt. Zuvor war die NPD immer klar unter der 5-Prozent-Hürde geblieben und hatte Mitte 1966 sogar bereits ganz auf die Kandidatur in NRW wegen fehlender Erfolgsperspektive verzichtet. Solange die Große Koalition andauerte, sollte die NPD bei keiner einzigen Landtagswahl mehr an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Erst bei der BTW 1969 scheiterte sie dann bekanntlich mit 4,3 Prozent.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Oktober 2005 - 23:06 Uhr:   

@Hadrian Silberer: Meines Erachtens interpretierst Du das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2005 nicht ganz korrekt. Auch das Urteil von 2005 sagt, es gibt auch eine materielle Grundlage des Art. 68 GG. Was Du zitierst, ist das Minderheitenvotum von Frau Lübbe-Wolff, welches sicherlich gut argumentiert, aber eben nicht Mehrheitsmeinung des Gerichtes ist. Das Gericht hat das Urteil zu Neuwahlen zwar weiter geöffnet als die Vorgänger 1983, so korrekt Mahrenholz, aber sich generell - wie Vizepräsident Hassemer auch erklärt hat - an die Vorgänger von 1983 gehalten.

Nein, wie Philipp korrekt dargestellt hat: Der Bundespräsident darf nicht bei der Beurteilung, ob Art. 68 GG verfassungskonform angewandt wurde oder nicht, die eigene Einschätzung gegen die des Kanzlers setzen. Und hier hat Köhler glasklar argumentiert und sowohl die Echtheit der formalen Voraussetzungen (Bundeskanzler begründet Vertrauensfrage und stellt sie, Bundestag stimmt darüber ab, Bundeskanzler bittet Bundespräsident um die Auflösung des Bundestages) geprüft, als auch die verfassungsrechtlichen, d.h. materiellen Voraussetzungen und hat hier die Erklärung Schröders akzeptiert, da er in der Tat zwar eine eigene alternative Einschätzung haben durfte, sie aber nur der Kanzlerauffassung entgegen stellen durfte, wenn diese eindeutig der Kanzlerauffasung vorzuziehen war. Das konnte nicht begründet werden. Und politisch wollten alle Parteien Neuwahlen. Also hat Köhler korrekt entschieden.

Nein, der frühere Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm hat recht: wenn hier jemand falsch geurteilt hat, dann das Gericht 1983. Der Bundespräsident mußte - gemäß dem 83-ger Urteil - auflösen, er hätte nur bei seiner politischem Leitentscheidung gegen Neuwahlen sein können. Aber sollte er dies - gegen den gemeinsamen Willen aller Parteien? Er wäre doch zerrissen worden! Nein, nicht Köhler kann der Adressat der Vorwürfe sein, sondern das Verfassungsgericht 1983, welches ein Fehlurteil in der Anwendung geliefert hat, um Carstens und Kohl zu gefallen und ihre Nachfolger 2005, die nicht den Mut hatten, diese Entscheidung zu revidieren.
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Mr.Matze
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 11:53 Uhr:   

>um Carstens und Kohl zu gefallen und ihre Nachfolger 2005, die nicht >den Mut hatten, diese Entscheidung zu revidieren.

Genau so ist es!
Das Urteil von 2005 ist genau so falsch wie das von 1983!
Wenn der BP keine eigene Einschätzung der Lage vornehmen darf und sich zwingend die Einschätzung und Beurteilung der Mehrheitsfähigkeit im BT des Kanzlers zu eigen machen muss dann braucht man den BP auch nicht mehr einbinden in dieses Verfahren zur Auflösung des BT und der Festsetzung von Neuwahlen.
Das Amt des BP ist so unnötig wie ein Kropf das kann der jeweilige Bundesrats-vorsitzende gleich mitmachen, spart man eine menge Geld.
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Dave Remmel (dave)
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 12:47 Uhr:   

>> Das Urteil von 2005 ist genau so falsch wie das von 1983!

Das ändert aber nichts daran, dass Köhler da nichts zu kann...

Gruß, Dave
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 13:34 Uhr:   

> Das Urteil von 2005 ist genau so falsch wie das von 1983!
Dann ist das GG "falsch".
Da dort aber die Auflösung des Bundestags wie beschrieben vorgesehen ist, ist es auch legitim, das auch zu machen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.
Bremsen sind immer noch genügend eingebaut, um leichtfertige Auflösungen zu verhindern - ich verstehe die Aufregung nicht.

> Wenn der BP keine eigene Einschätzung der Lage vornehmen darf ...
Natürlich darf er das.

Lediglich bei der Beurteilung der Mehrheitsfähigkeit hat bei vergleichbarer Beweisstärke die Einschätzung des Kanzlers den Vorrang.
Und daß Schröder im Mai erhebliche Schwierigkeiten mit seiner knappen Mehrheit hatte, das läßt sich ja nicht leugnen.

Bei der Beurteilung, ob man wg. Vertrauenskrise des Kanzlers gleich Neuwahlen macht, hat aber alleine der BP die Entscheidung.
Der Bundeskanzler liefert da nur die Anregung, der Rest liegt alleine beim Präsidenten.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 17:06 Uhr:   

@Ralf: Nicht das Grundgesetz ist falsch, sondern man kann sich fragen, ob die Interpretation des Grundgesetzes durch das BVerfG korrekt ist, denn nur das BVerfG kann das Grundgesetz ja rechtsverbindlich interpretieren. Ansonsten hast Du recht: nur bei der materiellen Beurteilung der Lage ist der Bundespräsident an die Einschätzungsprärogative des Bundeskanzlers gebunden, nicht bei der - darauf folgenden - politischen Leitentscheidung, dies ist eine Ermessensfrage.

Nein, ich wehre mich nur dagegen, dass jetzt der Bundespräsident für Urteile des BVerfG in Haftung genommen wird.

Ich habe dies schon so oft geschrieben, wiederhole es aber hier in Grundzügen.

Man kann in der Tat der Meinung sein, dass lediglich der Wortlaut des Grundgesetz-Artikels 68 zählt, dann hat der Bundestag das Vertrauen entzogen, Punkt, aus, Ende. Dies ist dann juristisch nicht mehr überprüfbar. Genau dies hat - zwingend logisch - die Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff festgestellt und meines Erachtens hervorragend begründet.

Oder man kann der Meinung des Minderheitenrichters Rinck von 1983 sein, der sagt, der Grundgesetz-Artikel 68 verbiete die "auflösungsgerichtete" Vertrauensfrage, eine Ansicht, die der jetzt ausgeschiedene Verfassungsrichter Jentsch in seinem Minderheitenvotum - auch klug begründet - vertreten hat. So hat ja das Verfassungsgericht 1983 auch argumentiert. In der konkreten Fallanwendung (Subsumption) ist es dann aber - dies hat Dieter Grimm völlig korrekt festgestellt - von seinen eigenen Grundsätzen im Fall Carstens-Kohl abgewichen; dies hat Jentsch inkonsequenterweise in seinem Minderheitenvotum 2005 aber nicht moniert, dies tat lediglich Grimm.

Ich bin der Meinung: entweder - oder, also entweder kann man - mit guten Grünen - Frau Lübbe-Wolff zustimmen oder Herrn Rinck (und in der Folge für 2005 auch Herrn Jentsch). Alles andere ist ein Entweder-Oder.

Im übrigen ist der Bundespräsident natürlich schon auch in seiner politischen Leitentscheidung meines Erachtens nicht mehr ganz frei, wenn er feststellen muss, die Einschätzung des Kanzlers ist juristisch nicht angreifbar; denn bei einer alternativen Leitentscheidung, muss diese der Präsident begründen und dies kann dann leicht als Parteilichkeit gegen den Kanzler ausgelegt werden.

De facto haben wir ein "Kanzlerauflösungsrecht" 2005 erhalten oder - wie Mahrenholz es sagte - das "Tor zu Neuwahlen" wurde 2005 noch weiter geöffnet als 1983. Aber dafür kann der Bundespräsident nichts; seine juristische Einschätzung und die politische Leitentscheidung wurden meines Erachtens sehr gut begründet. Dass ich beide Urteile - das von 1983 und auch das von 2005 - für falsch halte, habe ich ja immer betont, aber sie sind nun einmal geltendes Recht.
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Toby
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 18:02 Uhr:   

@ Bernhard Nowak

Der letzte Satz riecht aber stark nach Rechtspoitivismus. Wie wär's einmal mit einer eigenen rechtsphilosophischen Diskussion?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 03. Oktober 2005 - 20:30 Uhr:   

Nein, denn dieser Begriff besagt ja nur, dass man nicht den Geist, sondern nur das Formale, den Wortlaut, der Gesetze beachtete. Dies wurde ja den Juristen in der Weimarer Republik immer zum Vorwurf gemacht, dass man sich streng an die Verfassung hielt, deren Geist aber (etwa bei Hitlers Ernennung zum Kanzler, also der Ernennung eines Mannes, der 1933 im Reichstag zwar mit NSDAP und DNVP über die relative Mehrheit verfügte, aber ein Verfassungsfeind war, weil er vorher die Abschaffung der Verfassung deutlich als Ziel formuliert hatte und dennoch gab der juristisch versierte Staatssekretär des Reichspräsidialamtes, Meissner, Hindenburg den Rat, Hitler zu ernennen, weil dies die einzige verfassungsmäßige Lösung sei, ein rechtspositivistischer Hohn!), also die materiellen Grundlagen von Gesetzen, nicht beachtete. Rechtspositivismus in diesem Sinne kann nicht sein, den Wortlaut von Gesetzen - etwa bei der Vertrauensfrage - zu betonen. Sonst wäre ja das Sondervotum von Frau Lübbe-Wolff rein rechtspositivistisch aufzufassen und sie hat ja nur - korrekterweise - darauf hingewiesen, dass das Votum des Bundestages nicht kritisch hinterfragt werden solle und misstrauisch von Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht "überprüft" werden dürfe. Man kann genauso gut die andere Interpretation der Richter Rinck und Jentsch befürworten. Ich habe ja nur darauf verwiesen, dass die Urteilsinterpretation durch das Verfassungsgericht nun geltendes Recht in der Anwendung ist, weil das Gericht 2005 nicht den Mut fand, dass Urteil - aus meiner Sicht Fehlurteil - von 1983 zu korrigieren, es hat im Gegenteil die materielle Prüfung von Art. 68 GG derart eingeschränkt, dass man mit Frau Lübbe-Wolff durchaus argumentieren kann, bei dieser Einschränkung der Prüfungsfunktion des Verfassungsgerichtes könne man auf eine solche durchaus verzichten. Da gebe ich ihr - was das Urteil von 2005 angeht - vollkommen recht.

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