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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Tsunami-Auswirkungen auf deutsche Wahlen » 001-025 « Zurück Weiter »

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 18:18 Uhr:   

Allgemein wird in den Medien davon ausgegangen, daß die Bundesregierung in der ganzen Frage der Südost-Asien-Katastrophe eine gute Figur gemacht habe und die Wähler das wohl honorieren würden.
Da ändert auch wenig Kritik der Art, daß die Regierung letztlich dabei nichts Besonderes geleistet hätte außer die üblichen betroffenen Statements absondern und den Profis von THW und Co. nicht im Wege stehen - solche Ereignisse sind nun einmal die Stunde der Exekutive und einer Opposition bleibt nur ohnmächtig zuzuschauen, wie sich die Regierenden profilieren können.

Unklar ist natürlich, wie stark der Effekt ist. Direkt betroffen sind fast alle Deutschen doch nicht, und das geht dann wohl auch schnell wieder vergessen.

Da hat dann die Regierung beschlossen, noch einmal draufzusatteln und mit dem 500-Millionen-Hilfsprogramm alle anderen Staaten in den Schatten zu stellen (eine Hilfe, die ich persönlich sehr begrüße).

Mir scheint nun, wahltaktisch hat die Regierung damit überreizt.
Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist zwar in der Sache für die Hilfe, aber doch zum Teil mit erheblichen Bauchschmerzen.
Da kommen dann Einwände der Art "können wir uns das leisten?", "damit will Schröder doch bloß seinen Sicherheitsratsitz kaufen", "soviel Geld können die Hilfsorganisationen doch gar nicht umsetzen", "da wird wohl viel in Korruption da unten fließen" etc.
Eine Minderheit der Bevölkerung lehnt mit ähnlichen (z. T. noch drastischer formulierten) Argumenten die Hilfe ab.

Es ist sehr schwer zu sagen, was davon letztlich bei einer Wahlentscheidung noch hängen bleibt und wirkt.

Ich vermute, daß die ursprünglich positive Wirkung sich in ihr Gegenteil verkehren wird und die Regierung durch dieses Nachlegen eher Punkte verlieren wird.
a) Die optische Parallele zur Oderflut wird verstärkt, "jetzt versucht der Schröder wieder, mit einer Flut die Wahl zu gewinnen" - die Uneigennützigkeit der Hilfe wird nicht mehr so geglaubt.
b) Die Befürworter der Hilfe sind zwar in der Mehrheit, aber davon nicht so begeistert, daß sie deswegen von der Opposition ins Regierungslager wechseln würden.
c) Dagegen gibt es bei den Gegnern eine Reihe ehemaliger SPD-Stammwähler, die ohnehin schon über Kürzungen im Lande verärgert sind, und nun endgültig beschließen werden, bei der nächsten Wahl zu Hause zu bleiben. Und mangelnde Mobilisierung der eigenen Anhänger war der Hauptgrund für die SPD-Wahlniederlagen der letzten Jahre.

Falls meine Vermutung stimmt, würde man das in den Umfragen fast überhaupt nicht merken, sehr wohl aber am Wahlergebnis.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 18:28 Uhr:   

Ich kann das nachvollziehen. Andererseits hatte der ursprüngliche Hilfebetrag in einigen Kreisen auch wieder Diskussionen angeregt.

Schröder hätte wohl von Anfang an eine etwas höhere Summe vorschlagen sollen und dann nicht mehr nachlegen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 20:09 Uhr:   

Ich finde, man sollte diese furchtbare Naturkatastrophe aus dem Wahlkampf und aus diesem Forum heraushalten!
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 20:20 Uhr:   

@Bernhard Nowak
Natürlich ist es eine furchtbare Naturkatastrophe. Aber sie hat eben - wie alles um uns herum - Auswirkungen auf die Befindlichkeit der Menschen und damit auch auf die Wahlen und darüber zu diskutieren, wie hoch dieser Einfluß ist und in welche Richtung er geht, halte ich durchaus für angebracht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 21:18 Uhr:   

Tut mir leid, hier wird auf dem Rücken von Toten und Verletzten, von Opfern, Wahlkampf betrieben. Dies halte ich für widerlich - egal von welcher Seite dies kommt.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 10. Januar 2005 - 23:04 Uhr:   

@Bernhard Nowak
Über eventuelle Auswirkungen auf die Wahlen (und das können ja auch völlig unbeabsichtigte Auswirkungen sein) zu diskutieren, ist doch kein Wahlkampf. Natürlich bin ich auch dagegen, das Leid der Opfer von Naturkatastrophen für den Wahlkampf zu instrumentalisieren, aber darum geht es doch garnicht.

Wahlkampf wird übrigens mit dem Irak-Krieg täglich gemacht - es gibt sogar Leute, die behaupten der ganze Krieg sei ein Wahlkampfmanöver von GWB gewesen.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 00:59 Uhr:   

Ach herjeh. Zumindest hat bislang hier noch keiner behauptet, Fischer hätte die Tsunami ausgelöst; vielleicht durch bewusst unvorsichtiges Baden und man wisse ja, dass er nun wirklich etweas zugelegt hat und überhaupt. Das muss man wohl als positiv verbuchen.

Also: Ich bin erst Samstag aus Irland zurückgekehrt und kann nur schwer einschätzen, wie die allgemeine Reaktion auf die Katastrophe in Deutschland war. Der hier eröffnete Disput ist da sicher nicht sehr repräsentativ, schon gar nicht die wie ich ebenfalls finde, gerade zynische Frage, was das denn für die Wahlen bedeutet.

Mich hat in Irland sehr beeindruckt, mit welcher ehrlichen Empathie in Irland sehr bereitwillig, ernst und dennoch zugleich unaufgeregt, gespendet wurde. Das hat vielleicht mit der Tatsache zu tun, dass auch Irland eine Insel ist und vielleicht auch damit, das es dort noch immer eine Generation gibt, für die Hunger, Leid und Entbehrung weitaus realer erlebt wurden als nur in Fernsehbildern. Aber es hat auch was mit gelebter Gemeinschaft zu tun.

Und wenn ich hier nun lese, dass die eigene Belastung durch die Spenden gegengerechnet werden könnte, ganz so, als ob irgendwer die eigene moralische Verpflichtung zu Hilfe oder zumindest zu Mitgefühl, zu (pardon) Nächstenliebe, ohnehin mit dem Finanzamt geklärt habe, oder die Wechselwirkung der Bilder der damaligen Flut mit dieser Katastrophe... - also, das erschüttert mich schon. Da fehlt der Blick für das Wesentliche.

Dort ist, um es mal mit H.C. Andersen, zu sagen, schon "das Herz einem Klumpen Eis gleich".
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 09:11 Uhr:   

@Bernhard:
> Tut mir leid, hier wird auf dem Rücken von Toten und Verletzten, von
> Opfern, Wahlkampf betrieben.
Eine Diskussion hier im Forum hat nichts mit "Wahlkampf treiben" zu tun.

Man kann sicher davon ausgehen, daß sowohl Regierung wie Opposition intern sehr intensiv diskutieren, was der Tsunami für die Wahlen bedeutet. Und daß jede Maßnahme und Äußerung der betreffenden Politiker dies berücksichtigt.
Wenn man darüber aus Pietät nicht nachdenken will, läßt man sich unkritisch manipulieren, das kann m. E. nie richtig sein.

Gerade bei so emotional anrührenden Vorgängen muß man einen kühlen Kopf bewahren und aufpassen, wer darauf ein Süppchen kochen will.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 09:17 Uhr:   

@John:
> Mich hat in Irland sehr beeindruckt, mit welcher ehrlichen Empathie
> in Irland sehr bereitwillig, ernst und dennoch zugleich unaufgeregt,
> gespendet wurde.
Grundsätzlich war und ist das in Deutschland wohl nicht so viel anders.
Die private Spendenbereitschaft ist sehr hoch, die Hilfsmaßnahmen finden breite Unterstützung.

Aber ich war überrascht, wie kontrovers bei Kollegen und Bekannten (aller politischen Couleur) und in Internet-Foren die 500-Millionen-Kiste diskutiert wurde.
Diese Meinungen können natürlich nicht repräsentativ sein. Aber es traut sich selbstverständlich niemand, in den Medien kritische Äußerungen der oben zitierten Art zu veröffentlichen. Das "offizielle" Stimmungsbild wird also erheblich von der echten Stimmung in der Bevölkerung abweichen.
Und ich finde es schon interessant und wichtig, diese Abweichung zu diskutieren.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 11:13 Uhr:   

>Diese Meinungen können natürlich nicht repräsentativ sein. Aber es >traut sich selbstverständlich niemand, in den Medien kritische >Äußerungen der oben zitierten Art zu veröffentlichen. >Das "offizielle" Stimmungsbild wird also erheblich von der echten >Stimmung in der Bevölkerung abweichen.

Tut mir Leid, aber diese Paranoia von der alles Kritischen deckelnden "political correctness" habe ich noch nie teilen können.

Mein Eindruck ist eher dass die Meinung noch so abstrus sein kann, sie findet dennoch ihren vielzitierten Widerhall. Und Minderheitenmeinungen werden besonders dann überrepräsentiert, wenn sie Aufmerksamkeit versprechen. Dies ist gerade bei Verstößen gegen den Geschmack, die guten Sitten oder einfach nur Takt, Respekt und Höflichkeit so.

Werter Ralf Arnemann, ich will da nichts unterstellen. Aber diese Argumentationsschiene ist genau die klassische der Rechtsextremisten: "Man darf sowas ja nicht laut sagen, aber... ....und seien Sie gewiss, dass Volk denkt anders als was die Zeitungen schreiben; viele denken wie wir". Ja,ja. Alles böse Verschwörer wieder die wahre Volksmeinung.

Nein, die dort postulierte Abweichung ist nicht des Diskutierens nicht wichtig; selbst wenn sie überhaupt bestünde. Im Gegenteil. Man muss auch nicht jeden breiten, überparteilichen Konsens zu zerreden versuchen. Und ich bin zutiefst, wirklich zutiefst davon überzeugt, dass dieser Konsens diesen hochsymbolische Akt des Hilfeversprechens als ernstegemeinte Solidaritätsbekundung aller Deutschen erachtet und nicht als "500-Millionen-Kiste".

Solche Ausdrücke nämlich sind zynisch. Scham wäre die richtige Antwort.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 11:41 Uhr:   

@John:
> Tut mir Leid, aber diese Paranoia von der alles Kritischen
> deckelnden "political correctness" habe ich noch nie teilen können.
Unfug, das hat mit dem Thema hier gar nichts zu tun und alle weiteren Spekulationen über angeblich rechtsextreme Argumentationsmuster sind so daneben, da gehe ich überhaupt nicht drauf ein.

Es ist völlig normal, daß jetzt in den Medien (u. a. den vielen Spendensammelsendungen) die Befürworter groß dargestellt werden (was ich auch richtig finde) - aber doch kein Mensch sich vor ein Mikrophon stellt und laut sagt, daß ihm die Asiaten sonstwo vorbeigehen und er das alles für Geldverschwendung hält.

Ich habe auch deutlich gesagt, daß ich das für eine Minderheitsmeinung halte und nicht etwa für die "wahre Volksmeinung" oder ähnlichen Quatsch.

Und diese Meinungsunterschiede werden Auswirkungen haben, und das wird derzeit in den Parteizentralen und Regierungsbehörden sehr wohl diskutiert.

Und genau so können wir dies hier sachlich und neutral tun - irgendwelche Moralhämmer sind da absolut unangebracht.
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Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 11:58 Uhr:   

Wir haben hier ein Problem. Ein Konsens unter den im Bundestag vertretenen Parteien (zuzüglich viele, aber nicht alle weiteren) ist noch lange kein Konsens in der öffentlichen Meinung, und jeder, der mal am Stammtisch oder in der Mensa aus irgendeinem Grund auf Themen wie Todesstrafe oder Polizeifolter gekommen ist wird das ahnen.

Ich denke, eine Mehrheit findet die Flut ganz schrecklich und die Hilfe selbstverständlich und notwendig. Aber eine Mehrheit sind eben nicht alle.

Erstaunlich viele, auch gebildete Leute geben ziemlich uninformierte Meinungen ab. Das ist nicht verwunderlich, denn für sie haben solche Themen eine geringe Priorität. Aber das sind Wähler. Die wählen nicht unbedingt Schill oder REP, die wählen durchaus auch CSU, SPD, PDS oder Grüne. Sie fühlen sich bei einem Anteil ihrer Meinungen von diesen Parteien nicht repräsentiert. Ich habe keine Idee, wie man damit anders umgehen soll als in einer möglichst entspannten Diskussion die objektiven Fakten zusammenzutragen. Die meisten Menschen sind nicht "böse". Sie sind schlecht informiert.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 12:09 Uhr:   

Es ist angesichts der Ausdrücke wie 500-Millionen-Kiste wohl nicht nur bei mir der Eindruck entstanden, dass nicht zuletzt Ihnen "die Asiaten sonstwo vorbeigehen". "Some people say", wie es immer so demaskierend bei Fox heißt. Nein! Ich finde die ganze Haltung, man müsse doch auch mal darüber reden dürfen, ob denn der Schröder nun hübscher in Gummistiefeln aussah als damals und ob das noch so richtig glaubwürdig rüberkam, für pietätlos. Und ganz persönlich für ekelerregend.

Warum können Sie den Toten nicht einfach dadurch etwas Reverenz erweisen, in dem Sie einmal NICHT versuchen, dies Vorkommnisse auf hergebrachte Weise zu dekonstruieren?
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Robert Z.
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 12:10 Uhr:   

Mich würde mal interessieren, wieso plötzlich alle so mitfühlend und empfindlich sind wegen dieser Naturkatastrophe. In Afrika (z.B. Sudan) sterben innerhalb von wenigen Monaten genausoviele Leute, da schnürt komischerweise niemand 500-Millionen-Pakete.

Ich teile die Besorgnis, daß Teile der 500 Millionen Euro nun von anderen Entwicklungshilfeprojekten abgezogen werden. Denn wo soll das Geld denn herkommen? Noch vor wenigen Wochen sollte der Nationalfeiertag wegen deutlich geringerer Beträge abgeschafft werden, Eichel sagte damals, daß jeder, der dagegen ist, sagen soll, wo das Geld sonst herkommen soll, da sonst der Haushalt zusammenbrechen würde.

Zynisch oder nicht, aber wenn z.B. Wulff von Regierungsseite vorgeworfen wird, er sei "herzlos", habe eine Registrierkasse statt ein Herz oder lasse ein "zweifelhaftes Menschenbild" erahnen, nur weil er befürchtet, daß die 500 Millionen nun bei anderen Hilfsprojekten gestrichen werden könnte, dann zeigt sich doch ganz klar, daß hier tatsächlich auf Leichenbergen Wahlkampf gemacht wird.

Wenn den USA, die nun tatsächlich massiv vor Ort helfen (mit Hubschraubern, Trinkwasser, usw), vorgeworfen wird, sie täten dies nur aus PR-Gründen, dann muß man sich nicht wundern, wenn Deutschland das selbe unterstellt wird.

Deutschland hat außer ein paar dutzend Hilfskräften und dem Ausfliegen der eigenen Staatsbürger bislang wenig geleistet. Wie sich die 500 Millionen aufteilen werden ist nicht mal in groben Zügen bekannt, ob sie je gezahlt werden (solche Zusagen werden leider gerne nicht umgesetzt), wo sie herkommen sollen - all dies ist bislang unbekannt.

Auch meine Freude über die Spenden der Bürger halten sich in Grenzen. Gespendet wird um die Weihnachtszeit herum ohnehin viel, nun ist vieles davon nun eben zweckgebunden in die Tsunami-Hilfe geflossen. Die Erfahrung zeigt, daß große Naturkatastrophen zwar zu hohem Spendenaufkommen im Augenblick führen, sich die Spendensumme über das Jahr gemittelt aber nicht ändert. Das Geld, was nun nach Asien fliesst, wird also wohl leider in Afrika fehlen.

Nun kann man es sich leicht machen und alles, was ich oben geschrieben habe, als "zynisch, herzlos, menschenverachtend" usw bezeichnen. Es wurden ja schon Parallelen zu den Nazis hier gezogen, wundern würde es mich also nicht. Aber so ist nunmal leider die Realität.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 12:16 Uhr:   

@John:
> Es ist angesichts der Ausdrücke wie 500-Millionen-Kiste wohl nicht
> nur bei mir der Eindruck entstanden, dass nicht zuletzt Ihnen "die
> Asiaten sonstwo vorbeigehen".
Dieser Eindruck ist absolut falsch.
Das können Sie jetzt glauben oder nicht, ich kann nicht mehr tun, als das so deutlich zu sagen.

Aber getrennt von den persönlichen Emotionen muß eine sachliche Diskussion möglich sein. Sole hat das korrekt aufgegriffen.

Ich hielte es nicht nur für falsch, sondern sogar für gefährlich, aus falsch verstandener Pietät mit dem Denken aufzuhören, wenn etwas Schlimmes passiert ist.
Ob es nun um Verbrechen geht, Kriege, Katastrophen - das Leben geht weiter, die Konsequenzen müssen diskutiert werden.

Wir haben hier auch ausführlich die Auswirkungen des Irak-Kriegs auf diverse Wahlen diskutiert - das war doch auch nicht pietätlos den Opfern gegenüber.
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HolgerBirne
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 12:33 Uhr:   

Vor lauter Mitleid mit denen, die gestorben sind dürfen wir die Hilfe für die, die weiterleben und mit den Umständen leben MÜSSEN nicht aus den Augen verlieren. Die Frage nach der richtigen Wahl der Mittel stellt sich.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 12:38 Uhr:   

Nachtrag:
Zwei gelungene Beispiele aus der Neuen Züricher Zeitung für Journalismus, der auch bei Katastrophen noch Reflexion zuläßt:

[URL]http://www.nzz.ch/2005/01/07/em/page-articleCI39B.html[/URL]
[URL]http://www.nzz.ch/2005/01/07/em/page-article9E36N.html[/URL]
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 14:28 Uhr:   

>>>Ich hielte es nicht nur für falsch, sondern sogar für gefährlich, aus falsch verstandener Pietät mit dem Denken aufzuhören, wenn etwas Schlimmes passiert ist.

Wieso Denken? Denken Sie was Sie wollen, das tue ich auch. Man kann auch über alles reden; aber man muss es auch nicht - und manchmal eben sollte man nicht.

Und ich rede davon, dass es kein Zeichen von Dummheit, einfach mal schweigen zu können. Darüber z.B., ob denn der Schröder nun einen Tick weniger glaubwürdig in Gummistiefeln wirkte als damals und ähnliche Belanglosigkeiten. Das ist nicht "falsch verstandene Pietät", genau das ist der Kern von Pietät.

Wenn sie etwas bereden wollen, dann, wie etwa eine internatinoale Solidargemeinschaft die Auswirkungen solcher Naturverwerfungen eindämmen kann, um ähnliche Schicksalsschläge vermeiden zu hilfen. Oder welche Maßnahmen der Seucheneindämmung überdacht werden müssen. Meinetwegen auch die Rolle der Medien, wenn Sie glauben, dazu fachkundig beitragen zu können: ob es wirklich not tut, wie RTL Massengräber mit dem Film Score aus Twin Peaks zu untermalen. Liberatio von Krypteria, was, analog bei NTV in, pardon, der heavy rotation läuft, schafft ja jetzt den Sprung in die Charts. SOWAS wäre ein paar kluge Gedanken wert und m.E. auch etwas Schriftum.

Aber konstruieren Sie nicht Wählerbewegungen um seiner selbst willen, nach dem Motto: "Ach herjeh, so viele Tote, ja,ja, schlimme Sache so was. So. Aber wie der Schröder da so rum stapft, na da wird die SPD nun bestimmt was verlieren". Das ist unangemessen und geschmacklos.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 15:02 Uhr:   

@John:
Nachdem nach mehreren Erklärungen hier von Mißverständnissen nicht mehr auszugehen ist, nehme ich Ihnen die moralische Empörung nicht mehr ab.

Wir reden hier nicht über Seuchenbekämpfung oder irgendwelche Musik in irgendwelchen Sendern.
Wir reden hier über Wahlen, Wähler, Wählermotivation, Wählerbewegungen.

Es ist völlig klar, daß sowohl der Tsunami wie auch die verschiedenen Reaktionen deutscher Politiker Einfluß auf Wahlen haben wird - damit ist das ein legitimes Thema hier.

Der Respekt vor den Opfern hat nicht dagegen gestanden, die Wahlauswirkungen der Terroranschläge in New York oder Madrid zu diskutieren, oder die Auswirkungen des Irakkriegs, oder die des Kosovokriegs.
Es ist nichts dran an Ihrer Behauptung, für den Trunami würden andere Maßstäbe gelten und über dessen Auswirkungen zu reden wäre in irgendeiner Weise moralisch zu beanstanden.
Das erinnert sehr häßlich an das Verhalten von Hans Eichel, der ganz berechtigte Nachfragen nach der Art der Finanzierung mit der Moralkeule niederzumachen sucht.
Das bestärkt mich eher in der Vermutung, daß man darüber reden muß.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 15:53 Uhr:   

>>>Der Respekt vor den Opfern hat nicht dagegen gestanden, die >Wahlauswirkungen der Terroranschläge in New York oder Madrid zu >diskutieren, oder die Auswirkungen des Irakkriegs, oder die des >Kosovokriegs.

Damals redeten wir über Krieg und Terror, seine politischen Ursachen und seine politischen Folgen. Und in dieser Folge auch über die Frage, was dies für die Wahlen bedeutet. Das war nicht nur legitim, das war geboten. Auch wenn damals durchaus mitunter manche Beiträge das Gespür für das vermissen ließen, was Krieg und Terror für die Opfer bedeutet. So wurden mitunter durchaus leichtfertig Topen und Begriffe der Kriegsberichterstattung ("Kollateralschäden") unhinterfragt übernommen. Aber das ist ein ganz eigenes Thema.

>Es ist nichts dran an Ihrer Behauptung, für den Trunami würden >andere Maßstäbe gelten und über dessen Auswirkungen zu reden wäre in >irgendeiner Weise moralisch zu beanstanden.

Noch einmal: Für ersteres gibt es nur insofern einen Unterschied, als das wird politische Ursachen ausschließen können. Und natürlich die Quantität, auch wenn das gerne negiert wird. Weit über 100.000 Tote bei einer Naturkatastrophe - da gibt es nicht mehr viele Vergleiche in der jüngeren Geschichte. Aber ich habe gar nichts dagegen, über die Folgen zu reden. Was den Maßstab angeht,geht es um die Verhältnismäßigkeit, also die Relevanz des Themas für das Ereignis. Internationaler Katastrophenschutz ist so ein Thema, das okay ist.(Sie sagen selber, das ist nicht hier zu diskutieren - meinethalben.)
Pietätlos ist es hingegen, nun über Immobilienpreise in Thailand zu reden. Oder eben über die Frage, ob Schröder seine Stammwähler verprellt, wenn er in Thailand wieder so wie in Pirna guckt.

Ihnen geht es aber nicht um erstere Sachfragen. Sie sagen:
"Man kann sicher davon ausgehen, daß sowohl Regierung wie Opposition intern sehr intensiv diskutieren, was der Tsunami für die Wahlen bedeutet. Und daß jede Maßnahme und Äußerung der betreffenden Politiker dies berücksichtigt." Das ist ein sehr böser Generalverdacht, dessen sind sich wahrscheinlich gar nicht bewusst. Und deshalb kommen sie zu so absonderlichen Ideen, wie die Zweifel, ob die "Uneigennützigkeit" geglaubt wird. Und deshalb wiederum zu solchen Fragen.

Können Sie sich nicht vorstellen, das in einem solchen Moment an einem Ort der Verwüstung wie diese ganz, ganz andere Überlegungen bei den handelnen Personen auftauchen als ob die Frisur sitzt? So etwas, was man früher staatmännische Gedanken genannt hat? Ein Gefühl der Verantwortung bei gleichzeitiger Hilfslosigkeit? Jetzt werde ich mal sehr direkt.

Sie haben selber zwei Kinder. Was, wenn eines davon spektakulär bei einem Verkehrsunfall verunglückt? Fänden Sie die Frage eines Lokaljounalisten, ob dieser medienmäßig enorm bekannte Schicksalschlag ihre Chancen auf Wiedereinzug als Stadtverordneter erhöht, legitim? Sicherlich nicht.

Was nun, wenn es nicht ihres traf, sondern das eines Nachbarn? An einer Stelle, für die sie schon lange einen Schutz gefordert haben. Fänden Sie nun die Frage eines Lokaljounalisten, ob dieser medienmäßig enorm bekannte Schicksalschlag ihre Chancen auf Wiedereinzug als Stadtverordneter erhöht, legitim? Vielleicht eher, aber wenn Sie nun zumindest zögern, dann haben Sie etwas über Pietät verstanden.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 16:35 Uhr:   

@John:
> Für ersteres gibt es nur insofern einen Unterschied, als das wird
> politische Ursachen ausschließen können.
Politische Ursachen für den Tsunami selber können wir ausschließen.
Aber es ist schon sehr naiv zu glauben, für die Reaktionen danach gäbe es nur edle Hilfsbereitschaft, aber überhaupt keine politischen Ursachen.

Es hat politische Ursachen, wenn die Bundesregierung ein Hilfspaket auflegt, daß demonstrativ ungleich größer ist als das vergleichbarer Staaten. Oder (siehe aktuell Spiegel-Online) den Bau eines Tsunami-Warnsystem ankündigt - ohne die zu Beschenkenden überhaupt gefragt zu haben.

Noch einmal:
"Man kann sicher davon ausgehen, daß sowohl Regierung wie Opposition intern sehr intensiv diskutieren, was der Tsunami für die Wahlen bedeutet. Und daß jede Maßnahme und Äußerung der betreffenden Politiker dies berücksichtigt."
Sie bezweifeln das - und ich wundere mich über diese Blauäugigkeit.
Es geht hier übrigens nicht um Verdacht. Ich WEISS definitiv von drei Bundestagsparteien, daß genau solche Diskussionen in Berlin laufen (und sehe keinen Grund, daß es bei den übrigen anders ist).

Wenn Sie darüber nicht nachdenken wollen, werden Sie Opfer dieser Manipulationsversuche.

> Was, wenn eines davon spektakulär bei einem Verkehrsunfall
> verunglückt?
Das ist eine ganz andere Ebene - keiner der Berliner Akteure ist irgendwie persönlich betroffen.
Als ein Journalist versucht hat, in der Pressekonferenz einen solchen Bezug herzustellen (wg. Schröder und Adoption von Waisenkindern) ist das zu Recht rüde abgebürstet worden.

Ansonsten aber ist allgemeine Pietät nie ein Grund, eine konkrete politische Diskussion abzuwürgen.
Ob es die Zahl der Verkehrsopfer sind, die der Drogentoten, die der Kriminalitätsopfer - mit so etwas werden Wahlkämpfe geführt. Und hier darüber diskutiert.
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Frank Schmidt
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 16:55 Uhr:   

Eine Frage stellt sich mir bei dieser "Wahlkampf"-Diskussion doch: für welche Wahlen macht denn Schröder nun angeblich seinen Wahlkampf? Da ist doch eigentlich nur die Bundespolitik beteiligt, und wenn die Bundestagswahlen im Herbst 2006 anstehen, ist das Thema Tsunami längst nicht mehr so emotional besetzt wie jetzt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 16:57 Uhr:   

@Frank:
> für welche Wahlen macht denn Schröder nun angeblich seinen
> Wahlkampf?
Für die beiden Landtagswahlen.
Schröder braucht nach den heftigen Niederlagen 2004 dringend eine Trendwende. Bessere Umfragezahlen alleine helfen ihm wenig.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 16:59 Uhr:   

Viel unerträglicher als alle Geschehnisse im öffentlichen Raum - die Regierung soll schließlich regieren, und es ist doch schön, dass sie es auch getan hat - ist für mich das omnipräsente Selbstlob der ach so tollen privaten Spendenbereitschaft. Laut aktuellem Spiegel bekennen sich nur 15% der in einer Flutumfrage Befragten dazu, nichts gespendet zu haben und das auch nicht tun zu wollen. Irgendwann gilt es schon als unanständiges Verhalten, keine private Spende zu leisten, und das auch noch völlig bewusst. Dieser moralische Druck ist es, was ich nicht akzeptabel finde.
Und es hat wirklich nichts mit Pietät zu tun, wenn man den Zeitpubkt nun für angemessen hält, bestimmte Themen zu diskutieren. Und eines dieser Themen ist sehr wohl auch, ob und in welcher Form man in Südasien Urlaub machen sollte. Ein anderes ist, wie man angemessen auf eine Naturkatastrophe mit hohen Opferzahlen reagiert. Und da verlangt es die emotionale Berichterstattung doch geradezu von den politisch Verantwortlichen, Maßnahmen zu ergreifen, die zur Beruhigung der Gemüter geeignet sind.
Positiv ist immerhin der nun erfolgte allgemeine Schnellkurs in globaler Plattentektonik, der allen bisherigen Skeptikern bewiesen haben sollte, dass es sinnvoll ist, auch solche Dinge in der Schule zu behandeln.
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John Rawls
Veröffentlicht am Dienstag, 11. Januar 2005 - 17:13 Uhr:   

"nur edle Hilfsbereitschaft", "überhaupt keine politischen Ursachen" - "jede Maßnahme und Äußerung der betreffenden Politiker dies berücksichtigt"....

Das ist mir alles viel zu absolut; negiert mir zu sehr die Bedeutung der Trauer, der Empathie. Und dieses Politiker-, wohl besser Menschenbild stört mich sehr. Sie werfen mir Naivität vor?

Natürlich gibt es nicht nur edle Hilfsbereitschaft in diesen Tagen, Sie selber sind ein Beispiel dafür. Ich habe nie anderes gesagt. Aber es gibt sie auch und sie prägt das Bild dieser Tage mehr als die falsche Variante und das ist gut so. Wer dies leugnet, sind Sie. Polische Nebengeräuische, hidden agendas? Auch die gibt es, sicher, nie etweas anderes behauptet. Aber nicht sie sind bestimmend in diesen Tagen und auch das ist gut so. Wer dies leugnet, sind Sie. Sie sagen:
"... dass jede Maßnahme und Äußerung der betreffenden Politiker dies berücksichtigt" -
und das ist offensichtlich falsch, ein Trugbild ihres bemitleidenswerten Menschenbildes. Es gab echte Tränen, aufrichtige Rührung und den großen Wunsch der Verantwortlichen, frei von parteipolitischem Geplänkel diese schweren Stunden für die Menschheit würdevoll zu gestalten. Wer sind Sie, dass sie sich anmaßen, alles dies in Zweifel zu ziehen, zu sagen: "Alles Lug uind Trug, alles geschwindelt, ihr wahlkämpft ja nur, aber ich - ha! - habe euch durchschaut!" ?

Verwechseln sie nicht Zynismus mit Realismus. Vielleicht ist ja auch alles einfach. Wäre ein Verwandter von Ihnen so elendig abgesoffen, würden sie zweifelsohne anders reden. Los, schreiben Sie all ihre Audführungen doch mal den Angehörigen. Sagen Sie Ihnen: "damit will Schröder doch bloß seinen Sicherheitsratsitz kaufen", erklären Sie ihnen, wie das ist mit den Stammwählern der SPD. Aber besten gleich morgen. Ist ja wichtig, darüber zu reden.

Weil warten, die Toten begraben, Trauerzeit zulassen - das ist ja keine Frage von Anstand, von Respekt, von Takt, von Pietät.
Das ist ja nur ein Zeichen, dass man "keinen kühlen Kopf" hat, dass ist falsch verstandene Pietät, dass heißt mit dem Denken aufzuhören.

Sie widern mich an.

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