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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Schröder tritt zurück » 1-25 « Zurück Weiter »

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 15:24 Uhr:   

Gerade in den Nachrichten: Schröder reagiert auf die Rücktrittsforderungen seiner innerparteilichen Gegner und übergibt den SPD-Vorsitz an Müntefering.

Grundsätzlich halte ich Müntefering durchaus für geeigneter für diesen Posten als Schröder, der das eigentlich immer nur widerwillig gemacht hat und immer eine Distanz zur Partei hatte.
Aber so einen Wechsel hätte er in einer ruhigen Zeit und aus eigenem Entschluß machen müssen.

Jetzt so sichtbar einzuknicken ist ein Schwächezeichen, das gerade bei einem Machtmenschen wie Schröder ein fataler Fehler ist.
Er wird auch seinen Job als Kanzler nicht mehr lange halten können.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 15:45 Uhr:   

"Jetzt so sichtbar einzuknicken ist ein Schwächezeichen, das gerade bei einem Machtmenschen wie Schröder ein fataler Fehler ist."

Richtig.

"Er wird auch seinen Job als Kanzler nicht mehr lange halten können."

Er wird bis 2006 durchhalten wenn er nicht freiwillig das Handtuch schmeißt. Clement ist noch umstrittener als Schröder und andere vorzeigbare Kandidaten gibt es nicht. Außerdem: Wer will den Job in der Situation?
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Florian
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 15:59 Uhr:   

"
Außerdem: Wer will den Job in der Situation?
"

Wenn Du mich schon so fragst: Ich würd's machen... ;-)

Im Ernst:

Was bedeutet diese Personalie für die Stabilität der Regierung Schröder?
Schröder begibt sich nun völlig in die Hand Münteferings. Wenn Müntefering z.B. den Reformkurs nicht mehr weiter gehen will, dann kann er Schröder total ausbremsen.
Ich schätze Müntefering zwar als sehr loyal ein - aber als loyal gegenüber seiner Partei, nicht unbedingt gegenüber der Regierung. Wenn er selber Partei-Chef ist, hätte er vielleicht wenig moralische Bedenken, Schröder auszubremsen.

Das war jetzt zugegebenermaßen eine sehr oberflächliche Analyse, mit der ich nur einmal die Diskussion in Gang bringen wollte.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 16:26 Uhr:   

> Wer will den Job in der Situation?
Man kann wohl davon ausgehen, daß in Berlin unglaublich viele Leute rumlaufen, die sich selber durchaus für kanzlerfähig halten.
Und wenns nötig würde, dann würden einige davon auch in der SPD-Fraktion mehrheitsfähig sein, auch wenn sie sich uns momentan nicht als Kandidaten aufdrängen ...

Ich glaube auch nicht, daß Schröder wegen des Machtzuwachses von Müntefering scheitern wird - der ist loyal.

Aber nach diesem (unerwarteten und weitreichenden) Erfolg werden Schröders in der SPD reichlich vorhandene Gegner aus den unterschiedlichsten Gründen und Anlässen querschießen.
Es ist jetzt nicht mehr die Angst da, mit einem Widerspruch gleich eingemacht zu werden.

Und das alles zusätzlich zur weiterlaufenden Regierungskakophonie und den Koalitionsstreitigkeiten.

Das wird m. E. einfach auf eine Situation hinauslaufen, in der die SPD-Spitze in einem Kanzlerwechsel die einzige Möglichkeit sieht, per Neustart Ruhe in den Laden zu bringen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 19:43 Uhr:   

Wenn Müntefering den Parteivorsitz so führt wie den Fraktionsvorsitz, also wie eine Art zweiter Herbert Wehner, der versucht, die Partei zu disziplinieren, wird dies keinen Erfolg haben. Die SPD macht doch - aus Sicht ihrer Anhänger - reine CDU-Politik. Diese wurde 1998 und 2002 nicht erwartet und nicht versprochen. Dafür bekommt die SPD nun die Quittung. Ich möchte nicht missverstanden werden: man kann über Vermögensabgabe, Ausbildungsabgabe etc. völlig unterschiedlicher Meinung sein, aber dass dies keine Politik ist, welche die klassische SPD-Klientel befriedigen kann, da von sozialer Gerechtigkeit (siehe Praxisgebühr) nicht die Rede sein kann, dies dürfte unbestritten sein. Und ein Müntefering, der - angeblich - das "Herz" der Partei hat und nur sagt: ihr müsst diesen Kurs stützen, der wird die SPD nicht aus dem Tief holen.

Meines Erachtens hätte - dies habe ich immer so gesehen - Müntefering nach Lafontaines Rücktritt den SPD-Vorsitz übernehmen sollen. Dann wäre die Ämtertrennung im Sinne der Tradition Brandt/Schmidt verstanden worden. Heute dies zu tun, ist eine eindeutige Niederlage Schröders und ein Autoritätsverlust für ihn, den er - so sehe ich dies - nicht mehr aufholen kann. Das Problem ist, dass die SPD aus zwei Parteien besteht: einer Partei, die diese Reformen als Konsequenz der weltweiten Globalisierung befürwortet (Clement etc.) und als "Modernisierer" bezeichnet werden können. Sie wollen Standortvorteile für Unternehmen und Mittelstand schaffen, Steuern senken etc. Der andere Flügel - lange von Lafontaine repräsentiert - will soziale Gleichheit etc. Diese Flügel sind meines Erachtens in Zukunft nicht mehr "kompatibel". Münteferings Position selber ist ja auch schwankend. Als SPD-Generalsekretär vor 2002 lehnte er Steuersenkungen ab, danach war er - zähneknirschend - dafür. Also, Fazit der Ausführungen: Operation erfolgt, Patientenzustand unverändert.

Noch etwas: dies ist ja ein weltweites Problem. Blair hat mit seiner Labour Party (siehe Studiengebühren) dasselbe Problem, auch bei den französischen Sozialisten gibt es einen Richtungskampf etc.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 06. Februar 2004 - 23:06 Uhr:   

Interessant fand ich jedoch noch etwas: vor mehreren Wochen habe ich irgendwo gelesen (wo, habe ich leider vergessen), dass bei einer Niederlage der SPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2005, die ja - zusammen mit einer ebenfalls wahrscheinlichen SPD-Niederlage in Schleswig-Holstein im selben Jahr Union und FDP im Bundesrat die Zweidrittelmehrheit und damit eine Total-Blockade der Bundespolitik von rot-grün bringen würde - Schröder von beiden Ämtern (Bundeskanzler und SPD-Vorsitzender) abtreten würde. Die Ämter würden dann getrennt. Nachfolger würden die beiden Personen, die Nachfolger Raus in NRW wurden: Müntefering würde SPD-Vorsitzender, Clement Bundeskanzler). Ich habe dies damals für reine Spekulation gehalten, halte es aber nach den heutigen Ereignissen für durchaus möglich, dass Schröder vor 2006 auch als Bundeskanzler abtritt und entweder Müntefering in Personalunion auch Bundeskanzler oder Clement Bundeskanzler oder Kanzlerkandidat für 2006 wird. Wie gesagt, die Ämtertrennung muss keine Schwächung sein - Helmut Schmidts Aussage, er wäre erfolgreicher gewesen, wenn er auch SPD-Vorsitzender während seiner Kanzlerschaft gewesen sei, halte ich für falsch -, aber nur, wenn Müntefering wirklich die SPD auf den Reformkurs mitnehmen kann. Oskar Lafontaine hat ja einen Politikwechsel gefordert. Dies ist nicht ganz unplausibel. Wenn Müntefering nur "Sprachrohr" Schröders an der SPD-Basis wird, wird die SPD nicht aus dem Stimmungstief herauskommen. Ich mag hier altmodisch sein, aber ich denke schon, die SPD muss mehr deutlich machen, dass sie eine Politik der sozialen Gerechtigkeit verfolgt. Sonst wird sie noch mehr verlieren und die Satire der TAZ nach den verlorenen Landtagswahlen in Berlin 1995, die zur Ablösung Scharpings als SPD-Chef durch Lafontaine führte, könnte Wirklichkeit werden: SPD deutlich über fünf Prozent !
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Stephan Glutsch
Veröffentlicht am Samstag, 07. Februar 2004 - 00:05 Uhr:   

Ich koennte mir auch vorstellen, dass das ein Abgang auf Raten ist. Die SPD befindet sich in einem Dilemma. Setzt sie den bisherigen "pragmatischen" Kurs fort, laufen ihr die Waehler davon.
Mit mehr Sozialismus, wie das ihre Waehler wuenschen, faehrt sie die Karre weiter in den Dreck. In jedem Fall wuerde sie abgewahlt. Die Loesung koennte so aussehen, dass Schroeder 1/2 Jahr vor der naechsten Wahl zum Suendenbock gemacht und in die Wueste geschickt wird. Ein neuer Hoffnungstraeger verspricht dann das Blaue vom Himmel. Er wird in der kurzen Zeit nur noch Wahlkampf machen, und so wird nicht herauskommen, dass er auch nichts kann. Fuer die Fehler von Schroeder muss er auch nicht geradestehen. Da ein nicht geringer Teil der Waehler betrogen werden will oder durch den Sozialstaat schon so degeneriert ist, koennte die Rechnung aufgehen.
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Niederbayer
Veröffentlicht am Samstag, 07. Februar 2004 - 08:27 Uhr:   

Stepahn Glutsch, ich stimme Ihren Aussagen bezüglich des Dilemmas zu. Mit Einschnitten kann man kaum Wahlen gewinnen, für Wohltaten ist kein Geld da. Zumal moch hinzukommt, dass die handwerkliche Machart grottenschlecht war (z. B. LKW-Maut). Da der entscheidende Punkt die Politik der Regierung ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Personalwechsel irgend etwas für die SPD verbessert, im Gegenteil, die Leute sehen den Rücktritt Schröders eher als Eingeständniss des Scheiterns an. Die einzige Chance diese Regierung abzulösen besteht aus meiner Sicht übrigens darin, dass NRW 2005 an die CDU geht. Denn in diesem Falle kann ich mir nicht vorstellen, dass die Regierung eine völlige Lähmung durchhält. In diesem Falle könnte sie auch durch eine personele Umbesetzung nichts mehr ändern.
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Juwie
Veröffentlicht am Samstag, 07. Februar 2004 - 12:17 Uhr:   

Ich bin mir nicht so sicher, dass die Strategie keinen Erfolg haben wird.

Schröder kann jetzt deutlich als "Genosse der Bosse" Politik für die "neue Mitte" machen, während Müntefering die Seele der Partei pflegt, sie ein bisschen herumkritisieren lässt, aber in der entscheidenden Phase auch mal sagen kann: "Jetzt habt Ihr Euch ausgetobt, jetzt ist aber auch mal wieder gut, und wir müssen nun mal wieder den Gerhard unterstützen."

Das hat m.E. auch schon in der zweiten Hälfte der 70er ganz gut funktioniert - auch wenn Helmut Schmidt immer der Meinung ist, er hätte damals auch Parteivorsitzender werden müssen. In Doppelfunktion hätte er nie und nimmer solange durchgehalten, während Brandt gegenüber dem ungeduldigen linken Flügel immer wieder mal Verständnis durchblicken lassen konnte und auf diese Weise Konflikte entschärfte.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 07. Februar 2004 - 14:11 Uhr:   

@Juwie: Diese Analyse wäre dann meines Erachtens hundertprozentig richtig, wenn Müntefering, wie von Schröder übrigens gewollt, dies darf man hier nicht vergessen, direkt nach Lafontaines Abgang 1999 die Parteiführung übernommen hätte. In der jetzigen Situation wird - zumal Müntefering Fraktionsvorsitzender bleibt - der Rückzug Schröders - meines Erachtens zu recht - als Schwächezeichen interpretiert. Ein solcher Autoritätsverlust ist meines Erachtens für Schröder nicht mehr aufholbar. Zweitens: Konflikte können sicherlich bis zu einem gewissen Gerade moderiert werden (Brandt-Schmidt). Aber irgendwann kommt (siehe Nato-Nachrüstung 1982/83) ein Punkt, wo man sich entscheiden muss. Die damalige sozial-liberale Koalition wäre spätestens 1983 an dieser Frage auseinandergebrochen, da die SPD Schmidt in dieser Frage nicht mehr unterstützt hätte.

Und jetzt ist der Konflikt in der Wirtschafts- und Sozialpolitik innerhalb der SPD so eskaliert, dass eine Moderation kaum noch möglich scheint - zumal aufgrund der Unionsmehrheit im Bundesrat die SPD ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit - Ausbildungsplatzabgabe etc. - nicht durchsetzen kann, also selbst Beruhigungspillen für die Parteilinke sind nicht durchsetzbar. Müntefering wird meines Erachtens daher tatsächlich so agieren, wie er dies - in Anlehnung an Wehner, nicht an Brandt ! - als Fraktionschef schon tat: Appelle an die Solidarität als Tugend an die Kritiker richten und diese massiv einschüchtern. Dies wird aber die Kritiker nicht befrieden, Müntefering muss Farbe bekennen, er wird das "Herz" der Partei verlieren. Dann muss er sich entscheiden: entweder für Schröder und gegen die Parteilinke (was den Verlust an Integrationsfähigkeit bedeutet) oder für die Parteimehrheit gegen Schröder, was zu dessen Sturz und - analog zu 1982/83 das Ende der Regierung Schröder bedeuten würde, was sowieso spätestens 2006 kommen dürfte. Also: Die Personalveränderungen bringen nichts, solange - da hat Oskar Lafontaine recht - ein Politikwechsel nicht kommt und wo soll der denn herkommen? Die nächste Hürde werden die Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein sein. Wenn die verloren gehen und die Union mit der FDP eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat erhält, dann könnte es wirklich sein, dass die Regierung vorzeitig scheitert oder Schröder zugunsten Clements - falls der noch dann durchsetzbar wäre - auch als Kanzler abtritt. Spätestens 2006 jedoch gibt es dann den Regierungswechsel zugunsten von Union und FDP. Wir erleben also wohl doch den Anfang vom Ende der Regierung Schröder, auch wenn er dies natürlich nicht so betrachtet und nicht als Schwächung auslegen möchte.
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Juwie
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Februar 2004 - 15:07 Uhr:   

@ Bernhard Nowak:

Die Politik der Union, mit "noch größeren Schweinereien" zu drohen, kann aber gerade bei Rollenteilung letztlich doch wieder disziplinierend wirken.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 09. Februar 2004 - 11:51 Uhr:   

Die Situation damals mit Schmidt ist nicht vergleichbar.
Der hatte nämlich bei den Wählern ein unglaubliches Prestige als Fachmann, der konnte sich damit als Kanzler auch mal gegen die Partei positionieren. Schröder dagegen kann da nichts in die Waagschale werfen.
Und ab und zu konnte man damals trotzdem ein "linkes" Bonbon beschließen lassen - da ist heute Ende.
Und letztlich ist die Doppelspitze auch bei Schmidt dann gescheitert, als echte Knackpunkte (Nachrüstung und Haushaltskrise) kamen.

Müntefering wird versuchen, loyal zu Schröder zu sein.
Aber die inhaltlichen Kontroversen zwischen der SPD und Schröder sind weiterhin da und stärker als jemals unter Schmidt. Und wenn die nächsten Turbulenzen kommen (noch nicht nach der Hamburgwahl, aber bei einer späteren Wahlniederlage), dann wird die Partei keinen anderen Ausweg mehr sehen als einen personellen Neuanfang.
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alberto
Veröffentlicht am Montag, 09. Februar 2004 - 12:10 Uhr:   

smile
Das sah auch damals nur so aus

Quote:

Die Situation damals mit Schmidt ist nicht vergleichbar. Der hatte nämlich bei den Wählern ein unglaubliches Prestige als Fachmann, der konnte sich damit als Kanzler auch mal gegen die Partei positionieren.  


 Aber der bloße Anschein war damals wie heute ein unverzichtbarer Politikersatz. Was ist anders? Der für eine Veränderung wichtige Leidensdruck wird nun täglich spürbarer und den kann niemand so zuverlässig gewährleisten wie die Diensthabenden. Sie waren angetreten, um das Gesetz des Handelns immer auf fünf nach zwölf zu verschieben. Und weil die notwendigen Grausamkeiten durch die Fakten bestimmt sind, müssen auch die dramatischer sein, der besseren Anschaulichkeit wegen. Erkenntnisse sind schmerzhaft, dagegen helfen keine Pillen und kein Krankenschein. Nur jetzt nicht die Pferde wechseln. Jetzt ist Lernen angesagt. Alles wird gut.

WahlRechtReform
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 10. Februar 2004 - 15:01 Uhr:   

SPD im Niedergang - fraglich ob Regierung bis 2006 durchhält
Helmut Schmidt hat als Grund für sein Scheitern die Tatsache genannt das er nicht zugleich Parteichef war.
1999 nach dem Rücktritt Lafontaines hat selbst Müntefering gesagt, das müsse der Gerd machen. Erst 2003 ließ sich Schröder als Parteichef wiederwählen.
Und nun Anfang 2004 schmeist er es hin. Ein Anzeichen dafür das der Zustand von Rot-Grün noch schlimmer ist als angenommen und die inneren Schwierigkeiten der SPD so substanziell sind, dass es zweifelhaft erscheint ob sie es schafft bis 2006 durchzuhalten. Die nötigen Reformen die eben Einschnitte in den Sozialstaat enthalten und enthalten müssen werden von großen Teilen der SPD und deren Anhängerschaft abgelehnt. Es gibt von daher eine Sehnsucht sich als Opposition zur Regierungspolitik zu positionieren. Schröder leistet durch seinen Rücktritt diesen Kräften noch Vorschub.
Sollte es der SPD am 29 Februar nicht gelingen in Hamburg die Regierung wieder zu übernehmen könnte schon 2005 Schluß sein mit Rot-Grün, wenn NRW verlorengeht.
Denn dann gäbe es die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat und damit könnte bei nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen ein Einspruch des Bundesrates auch nur noch mit 2/3 Mehrheit im Bundesrat zurückgewiesen werden.
Die Regierung wäre vollkommen handlungsunfähig und das wäre ihr Ende.
Gegenwärtig haben die Schwarz-Gelben Länder ja 41 von den 69 Stimmen. Mit NRW wären es 47 von 69 und damit die Zwei-Drittel-Mehrheit (ohne Hamburg wären es 44 von 69 und damit weniger als eine Zwei-Drittel-Mehrheit). Die Wahl in Hamburg hat daher praktisch die selbe Wichtigkeit für das überleben von Rot-Grün über 2005 hinaus wie die in NRW.
Wenn Hamburg bei Schwarz-Gelb verbleibt und NRW 2005 verlorengeht ist Rot-Grün k.o.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 10. Februar 2004 - 22:27 Uhr:   

Zumal ja noch in Schleswig-Holstein 2005 gewählt werden wird. Dort ist ja ebenfalls ein Regierungswechsel zu erwarten.
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Sole
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 11:42 Uhr:   

Wir werden jetzt bei jeder Landtagswahl hören, sie sei das Ende von Schröder oder wenigstens der Anfang davon. Genau wie bei den letzten paar Wahlen.

Was soll's, Wahlen kommen, Wahlen gehen.
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Marc K.
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 11:48 Uhr:   

@Bernhard
Ich halte einen Machtwechsel in SH für unwahrscheinlicher als in NRW.
In Schleswig-Holstein ist der Abstand zwischen CDU und SPD größer. Zudem gibt es mit dem Südschleswigschen Wählerverband eine Gruppierung die von Rot-Grün in eine Koalition eingebunden werden könnte falls es weder für Rot-Grün noch Schwarz-Gelb reicht.
Schwarz-Gelb müssen in Schleswig-Holstein jedenfalls prozentual mehr zugewinnen als in NRW um einen Machtwechsel zu erreichen. Von daher halte ich einen Machtwechsel in SH für unwahrscheinlicher als in NRW.
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Marc K.
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 11:56 Uhr:   

@Sole,

solange es im Bundesrat keine 2/3-Mehrheit von schwarz bzw. schwarz-gelb regierten Ländern gibt ist es in der Tat so das die Regierung nicht in Gefahr ist zu stürzen.
Sollte es aber zu einer 2/3 Mehrheit kommen (was Anfang 2005 der Fall sein könnte) wäre das anders. Denn dann könnte aufgrund der Verfassungslage KEIN Gesetz mehr allein durch die Regierung durchgesetzt werden, da ein Einspruch des Bundesrates dann nicht mehr mit der Kanzlermehrheit sondern nur mit einer 2/3-Mehrheit zurückgewiesen werden könnte.
Die Regierungsmehrheit von Rot-Grün im Bundestag würde damit de facto hinfällig.
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Niklas
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 12:38 Uhr:   

@Marc K.

Die beiden letzten Wahlen in NRW und SH waren von der CDU-Spendenaffaire geprägt. Trotzdém waren die Vorsprünge der SPD im Vergleich zur Union nicht überragend groß (wie etwa 2003 in NS und Hessen zugunsten der Union). SH ist außerdem kein Land in dem die Union traditionell wenig zu holen hätte, so dass ich -wenn keine große Flut kommt- eine unionsgeführte Zweidrittelmehrheit für eher wahrscheinlich halte.

Ich bezweifle, ob dann die Regierung stürzen würde, da sie ja nur durch eine konstruktives Mißtrauensvotum abgelöst werden könnte. Eine Auflösúng des Bundestages durch den Bundespräsidenten und Neuwahlen wären nur durch eine verlorene Vertrauensfrage der Regierung möglich.
Eine künstliche Niederlage, um den Weg für Neuwahlen freizumachen (wie 1982/83) wäre verfassungspolitisch bedenklich. Wieso sollte die SPD außerdem freiwillig auf die Macht verzichten, solange sie noch eine kleine Chance hat, das Ruder herumzureissen?
Möglich wäre höchstens eine Ablösung des Kanzlers innerhalb der SPD, z.B. ein Kanzler Franz Müntefering. Was würde das aber bringen?
Wenn man davon ausgeht, dass dieser Fall im Frühjahr 2005 eintreffen sollte, gäbe es ein ziemliche übles Trauerspiel: Eine völlig handlungsunfähige Regierung, die aber nicht abtreten kann, eine vor Kraft strotzende Opposition, die aber den überfälligen Wechsel nicht vollziehen kann. Denkbar wäre , dass die Union sich hier durch ungeschickte Blockadepolitik selbst ausmanövriert.
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Stefan Z.
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 15:58 Uhr:   

Daß Rot-Grün noch vor 2006 endet, wäre zwar wünschenswert, ist aber so gut wie ausgeschlossen.
Das heißt jedoch nicht, daß auch Schröder zwangsläufig bis 2006 durchhält. Bis zur letzten Woche hätte ich gesagt, Schröder wird niemals zurücktreten, aber seit seinem Abgang als SPD-Chef hat sich die Situation geändert. Es ist gut möglich, daß wir am Freitag tatsächlich den Anfang vom Ende der Kanzlerschaft Schröders erlebt haben. Ein Rücktritt oder gar ein Sturz Schröders vor 2006 ist nicht mehr ausgeschlossen.
Dennoch: Sollte auch die Regierung Schröder scheitern, so wird Rot-Grün mit Sicherheit trotzdem weitermachen. Irgendein Kanzler wird sich schon finden (und das wird nicht Clement sein, der ist viel zu Schröder-freundlich). Neuwahlen, ob jetzt oder 2005, würden mit Sicherheit das Ende von Rot-Grün bedeuten. Wenn auch eine absolute Mehrheit der Union unwahrscheinlich ist; mit der F.D.P. würde es auf jeden Fall für eine komfortable Mehrheit reichen. Das weiß die SPD und das wissen die Grünen. Und ich kann nicht unbedingt erkennen, daß es in diesen Parteien so viele politische Selbstmörder gäbe, daß Neuwahlen zu erwarten wären.
Deshalb wird uns Rot-Grün auf jeden Fall bis 2006 erhalten bleiben. Und mag für die reguläre BTW 2006 eine Wiederwahl von Rot-Grün auch unwahrscheinlich sein, ausgeschlossen ist sie nicht (anders als bei einer vorgezogenen Neuwahl).
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 16:59 Uhr:   

@Sole:
> Wir werden jetzt bei jeder Landtagswahl hören, sie sei das Ende von
> Schröder oder wenigstens der Anfang davon.
Und eine der nächsten Landtagswahlen wird dies auch sein.
Meiner Einschätzung nach am ehesten die im Juni in Thüringen - aber nur wegen der Verbindung mit der Europawahl und den vielen Kommunalwahlen.
Wenn es da wieder flächendeckend Katzenjammer für die SPD gibt, ist Schröder nicht mehr zu halten.

Wie Stefan sehe ich deswegen aber keine Ende von rot/grün - die machen auf jeden Fall bis 2006 weiter.

Und potentielle Schröder-Nachfolger werden sich finden, wenn die SPD einen braucht.
Dabei glaube ich aber weniger an die oft genannten Namen Clement oder Müntefering.
Eher könnte ich mir da einen wie Struck vorstellen. Der war als Fraktionschef halbwegs akzeptiert, leitet relativ störungsfrei ein wichtiges Ministerium und hat sich bei aller notwendigen Loyalität zu Schröder aus keinem Fenster gehängt, wenn es um Pro oder Contra Agenda geht.
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m.g.s.
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 19:24 Uhr:   

Zum Ausmanövrieren: Ja, das sollte die CDU/CSU gut im Auge behalten, so hat sich auch die SPD mehrmals ins Abseits geschossen.

Wenn aber vorher tatsächlich jemand als Schröder-Nachfolger eingesetzt wird, glaube ich nicht, dass dieser in der existierenden Situation noch Fuß fassen, geschweige denn das Image des Nach-Schröder-Lückenbüßers abstreifen kann. Leute wie Struck, auch aber Münte meiner Meinung nach, haben längst nicht die Ausstrahlung und das Format von Schröder, was allein die Persönlichkeit anbelangt. Ein Lafontaine, der den Karren aus dem Dreck zieht, ist zunächst nicht in Sicht (es sei denn, the most dangerous man in Europe himself wartet auf genau diesen Augenblick - obwohl ich das eigentlich für abgehakt halte).

Da muss die CDU sich schon ins Zeug legen um trotzdem zu versemmeln. Was nicht heißt dass sie nicht auch das scahffen könnte...
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Kai
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Februar 2004 - 22:48 Uhr:   

@niklas:

Denkbar wären zwei Szenarien:

1. Schröder verliert eine Vertrauensabstimmung über irgend ein Reformgesetz. Für die Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes (Art. 81) gibt es keine Mehrheit im Bundesrat. Daher wäre es zweckmäßig, dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages vorzuschlagen, wie weiland Willy Brandt.

2. Schröder tritt zurück und es gelingt der Koalition nicht, einen neuen Kanzler zu wählen. Dann könnte der Bundespräsidet nach Art. 63 IV 3 GG den Bundestag auflösen. Das ist der Weg, den 1982 Schmidt gehen wollte.

3. Der Kohl-Trick wird durch eine Absprache von CDU/CSU, FDP, Grünen, allerdings dieses Mal ohne eine Koalitionsbildung wiederholt. Dann wären auch die verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen die Bundestagsauflösung am 6.1.1983 bestanden, ausgeräumt. Die Voraussetzungen für eine Auflösung nach Art. 68 I 1 GG wären entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes gegeben.
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Niklas
Veröffentlicht am Donnerstag, 12. Februar 2004 - 01:18 Uhr:   

@Kai

Besonders realistisch erscheinen mir alle drei Szenarien nicht, da das rot-grüne Abstimmverhalten tatsächlich sehr geschlossen zu sein scheint (1+2) bzw. die SPD kaum freiwillig vorzeitig in die Niederlage marschiert. Man denke immer auch an die drohenden Mandatsverluste der Abgeordneten (z.Zt. würde wohl gut jeder Dritte auf den Arbeitsmarkt geworfen oder müsste wohl in den öffentlichen Dienst zurückkehren, wie es bei den Sozis so üblich ist) und die Grünen sind sowieso kanzlertreuer als die Kanzlerpartei(3).
Denkbar wäre es natürlich, dass Schröder den Lafontaine macht. Dann hätte das Trauerspiel eine andere Hauptfigur, aber ändern würde sich wenig.
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Kai
Veröffentlicht am Donnerstag, 12. Februar 2004 - 08:49 Uhr:   

@Niklas

Es ging mir darum zu zeigen, dass die Situation jetzt eine Bundestags-Auflösung von Verfassungs wegen eher zulässt als 1982/83.

Szenario 1 entspricht der Bundestags-Auflösung 1971
Szenario 2 ist der Weg, den Schmidt und Carstens 1982/83 gehen wollten
Szenario 3 ist in etwa der Weg, den Kohl 1982 gegangen ist, die verfassungsrechtlichen Bedenken damals greifen in der heutigen Situation nicht, da eine stabile Mehrheit eben in dieser schwarz-gelb-grünen Option nicht realistisch ist.

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