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Unterverteilung

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c07
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 09:20 Uhr:   

Für die Oberverteilung eines Wahlergebnisses auf Parteien ist sicher Sainte-Laguë ziemlich eindeutig das geeignete Verfahren (sei es nun mit fester Sitzanzahl oder als (halb-)automatische Methode).

Inzwischen frag ich mich aber, ob das auch für die Unterverteilung auf die Länder gilt. Der Erfolgswert einer Wählerstimme hat sich ja bereits in der Oberverteilung ausgedrückt, und es geht nur noch um eine einfache Verteilung auf die Länder. Wenn aber nicht mehr die einzelnen Wähler der Maßstab sind, sondern nur noch die Landeslisten einer Partei möglichst gerecht bedacht werden sollen, bietet Hare/Niemeyer die beste Proportionalität.

Im zweiten Schritt ist ohnehin nicht mehr klar, auf was sich eine Erfolgswertgleichheit beziehen soll. Es wär ja durchaus auch einleuchtend, dass die Gesamtheit der Wähler eines Lands im Vergleich zu denen eines anderen Lands möglichst gleich behandelt werden soll. In Bremen hat eine Partei unter 10% typischerweise einen Mandatsanspruch kleiner als 0,5 und damit bei Sainte-Laguë keine Chancen auf ein Mandat. Momentan trifft das nur die FDP, aber wenn es dort mehrere kleine Parteien gibt, wird Bremen systematisch benachteiligt (im Extremfall würden nur die Direktmandate (als Überhangmandate, falls die Verrechnungsmethode nicht geändert wird) übrig bleiben). Umgekehrt wird das Saarland systematisch bevorzugt, wenn es mehrere kleine Parteien gibt, weil dort die Mandatsansprüche knapp oberhalb von 0,5 liegen und damit regelmäßig aufgerundet werden.

Schon bei Hare/Niemeyer ist diese systematische Ungleichbehandlung der Länder ziemlich wahrscheinlich, aber immerhin spielt da der Zufall bei der Restsitzvergabe eine gewisse Rolle, so dass es nicht ganz so krass ist. Eben dieser Zufall bringt andererseits die bekannten Paradoxien mit sich, was aber in der Unterverteilung nicht sonderlich störend wäre, wenn dort keine Überhangmandate mehr auftreten könnten.

Vielleicht wär für die Unterverteilung ein Verfahren am besten, das die Parteien nicht isoliert betrachtet, sondern kombiniert, indem es bei der Restsitzvergabe einen Landesverband aus dem Rennen nimmt, wenn dessen Land bereits überrepräsentiert ist, weil dort andere Parteien zu viele Direktmandate bekommen haben oder größere Restquoten gehabt haben.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 11:21 Uhr:   

Deine Berechnungsmethode würde kleinere und mittlere Parteien in kleinen Ländern extrem benachteiligen. Ein Beispiel aus Hamburg: Rechnerisch würden danach der Hansestadt 12 Sitze zustehen (896.640 zu berücksichtigende Stimmen in Hamburg bei 44.620.479 zu berücksichtigenden Stimmen bundesweit unter Vorabzug der beiden PDS-Abgeordneten = 11,98 Sitze ohne PDS-Vorabzug = 12,00 Sitze).

Nach den parteiinternen Verteilungen entfielen auf:
SPD 404.738 von 18.488.668 Stimmen = 5,41 von 247 Sitzen = 5 Sitze
CDU 270.318 von 14.167.561 Stimmen = 3,61 von 189 Sitzen = 3+1 Sitze
Grüne 156.010 von 4.110.355 Stimmen = 2,09 von 55 Sitzen = 2 Sitze
FDP 65.574 von 3.538.815 Stimmen = 0,87 von 47 Sitzen = 0+1 Sitze
Da die SPD alle sechs Wahlkreise gewonnen hat, erhält sie auch sechs Sitze, so daß man nach Deinem System einen den anderen Parteien wegnehmen müsste. Das könnte wohl nur die CDU sein, weil diese bei der Restsitzverteilung am knappsten einen Sitz erhalten hat. Folge wäre, daß die SPD mit 50% mehr Stimmen 100% mehr Sitze als die CDU aus dem Bundesland erhielte. Das erscheint mir auch nicht gerecht.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 12:49 Uhr:   

Wieso sollten kleine Länder davon besonders betroffen sein? Dass dort die relativen Ungenauigkeiten größer sind als anderswo, liegt in der Natur der Sache. Der Zweck meines Vorschlags ist es ja gerade, zu verhindern, dass sie dort auch noch kumuliert werden. In Bremen hat z.B. die CDU mit 64% mehr Stimmen 0% mehr Mandate als die Grünen bekommen. Und es ist sogar denkbar, dass eine Partei mit 0% der Zweitstimmen mehr Mandate als eine mit 100% bekommt. Das vierte CDU-Mandat in Hamburg ist ohnehin ziemlich knapp. Bei einer niedrigeren Wahlbeteiligung hätte sie es nicht bekommen, ohne dass sich das Verhältnis zur SPD geändert hätte.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 17:49 Uhr:   

@c07

"Vielleicht wär für die Unterverteilung ein Verfahren am besten, das die Parteien nicht isoliert betrachtet, sondern kombiniert, indem es bei der Restsitzvergabe einen Landesverband aus dem Rennen nimmt, wenn dessen Land bereits überrepräsentiert ist,..."

Man kann eben nicht gleichzeitig den Proporz zwischen den Ländern als ganzen und zwischen den Landeslisten gleichzeitig optimieren. Hat man feste Sitzquoten für die Länder hat und gleichzeitig eine Oberverteilung kommt es teilweise zu erheblichen Disproportionalitäten innerhalb der Länder. Auch bei der jetzt weitgehend abgeschafften Apparentierung in Belgien kamen teilweise abstruse Ergebnisse raus.
Einen vollständigen regionalen Proporz halte ich auch für überflüssig.
In Belgien gab es bis 1999 eine Unterverteilung
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 18:25 Uhr:   

@c07

Wäre die Wahlbeteiligung (bei gleicher Verteilung der Stimmen auf die Parteien) in Hamburg ca. 1,5 - 2 Prozentpunkte höher gewesen, so hätte die SPD auch kein Überhangmandat gehabt. Wir haben aber nunmal keine niedrigere und keine höhere Wahlbeteiligung in Hamburg gehabt, sondern diese. Die Diskussion ist also akademisch. Ich kann nur nicht nachvollziehen, warum die CDU-Hamburg wegen eines SPD-Überhangmandates in dieser Stadt einen Sitz an eine andere CDU-Landesliste abgeben sollte. Das erscheint mir eine sachfremde Verquickung zweier Verteilungssysteme zu sein.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 14. Juli 2003 - 21:30 Uhr:   

@c07
Der letzte Sitz wird unabhängig von den Stimmenzahlen allein anhand der Randbedingungen verteilt, wenn's sein muß an eine Liste ohne eine einzige Stimme für einen Kandidaten, auf den das Land auch verzichten kann. Das kann es eigentlich nicht sein. Der Versuch zuviele Bedingungen gleichzeitig erfüllen zu wollen, führt zu arg merkwürdigen Ergebnissen. Eine klare Prioritätensetzung ist da schon besser, also z.B. Direktmandate, Partei, Landesliste und beim Land kumulieren sich dann eben die Rundungsungenauigkeiten.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Juli 2003 - 03:10 Uhr:   

Thomas:
> Man kann eben nicht gleichzeitig den Proporz zwischen den Ländern
> als ganzen und zwischen den Landeslisten gleichzeitig optimieren.

Man kann nicht beides optimal optimieren. Aber man kann z.B. beides bewerten und dann die summierte Abweichung optimieren.

C.-J. Dickow:
> Ich kann nur nicht nachvollziehen, warum die CDU-Hamburg wegen
> eines SPD-Überhangmandates in dieser Stadt einen Sitz
> an eine andere CDU-Landesliste abgeben sollte.

Wenn man Überhangmandate intern kompensiert, ist es ganz normal, dass unbeteiligte Landeslisten einen Sitz verlieren. Bei der SPD wird es dann auch einen Landesverband der SPD treffen, der nur insoweit beteiligt ist, als dass er auch der SPD angehört. Die CDU in Hamburg ist im Gegensatz dazu durchaus beteiligt. Schließlich haben ihre Direktkandidaten versagt.

Relativ gesehen, machen die gegenwärtigen Überhangmandate ja auch nichts viel anderes. Nachdem eine Landesliste dadurch bevorzugt wird, werden im Vergleich zu ihr alle anderen benachteiligt.

Martin:
> Der letzte Sitz wird unabhängig von den Stimmenzahlen
> allein anhand der Randbedingungen verteilt

Nein, im Allgemeinen nicht. Allerdings kann dafür der Fall eintreten, dass die Randbedingungen überhaupt nicht einzuhalten sind (wenn eine Partei nur in Ländern angetreten ist, die schon überrepräsentiert sind). Man muss die gleichmäßige Berücksichtigung der Länder auch gar nicht als Randbedingung auffassen, sondern kann die noch fehlende Repräsentation der Länder einfach auf die Reste der dortigen Landeslisten addieren bzw. eine überschüssige davon abziehen (verteilt auf die noch zu berücksichtigenden Landeslisten). Dann bleibt als Randbedingung nur noch, dass die Oberverteilung eingehalten werden muss, womit einige Landeslisten u.U. vorzeitig bedient werden müssen.

Konkret wäre beim aktuellen Wahlergebnis bei der SPD nach den vollen Quoten gar nichts mehr zu vergeben (was NI, SN, BY und BW einen Sitz kosten würde), bei der CDU würden HH, ST und TH verlieren und NI sowie NW gewinnen, bei den Grünen würden Sitze von ST, BE und SN nach MV, RP und BY und bei der FDP von BE und SL nach HB und BW transferiert. Im Saldo verlieren HH, ST, SN und TH die Überhangmandate; außerdem geben BE (2), SN und SL Sitze an MV, HB, NW und RP ab. In NI, BY und BW gäbe es interne Verschiebungen. SH, BB und HE bleiben unverändert. Der letzte Sitz, der verteilt wird (an die CDU in NW), ist tatsächlich von sehr wenigen Parteistimmen gedeckt (der Rest ist 0,035), aber NW bleibt selbst danach noch unterrepräsentiert. Überhaupt baut dieses Verfahren die Ungleichheiten zwischen den Ländern nicht vollständig ab (dafür müsste noch TH einen Sitz an BY abgeben). Es gibt nur den Landeslisten in unterrepräsentierten Ländern ein etwas höheres Gewicht.

Wenn man meinen Vorschlag ernsthaft erwägt, sollte man auch erstmal genauer untersuchen, welches konkrete Verfahren die gewünschte Optimierung erreicht. Das könnte im Detail durchaus leicht von meiner Beschreibung verschieden sein.

Mein eigentlicher Punkt war ohnehin nur, dass Sainte-Laguë für die Unterverteilung inhaltlich kaum zu rechtfertigen ist. Und falls man deshalb auf die technischen Vorteile eines Divisorverfahrens verzichten will, kann man sich gleich Gedanken über weitgehendere Optimierungen machen.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Juli 2003 - 14:52 Uhr:   

Ich seh nicht, warum Hare-Niemeyer bei der Unterverteilung (anders als bei der Oberverteilung) "gerechter" als Sainte-Laguë sein soll, so daß Sainte-Laguë für die Unterverteilung inhaltlich kaum zu rechtfertigen ist.

Wenn die Sitzzahl des Landes wirklich eine zu optimierende Größe darstellt (neben der Oberverteilung), dann bleibt für den letzten Sitz keine andere Wahl.

Vor allem sehe ich nicht, daß die Sitzzahl der Länder wirklich ein zu optimierendes Kriterium sein soll (was ja heißt, daß ich die Kandidaten der anderen Parteien in meinem Bundesland zu einem gewissen Maße mitwähle). Die Forderung geht im übrigen über kumulierte Rundungsdifferenzen hinaus, in den neuen Ländern müßten für die verfallenen PDS-Stimmen einiges gegen den Listeninternen Proporz richtung Osten verschoben werden.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Juli 2003 - 22:03 Uhr:   

Mit "inhaltlich kaum zu rechtfertigen" hab ich nur gemeint, dass es keinen besonderen Grund dafür gibt, was noch nicht heißt, dass man es unbedingt ablehnen müsste. Das war unklar formuliert.

> Wenn die Sitzzahl des Landes wirklich eine zu optimierende Größe darstellt
> (neben der Oberverteilung), dann bleibt für den letzten Sitz keine andere Wahl.

Die zu minimierende Größe wäre z.B. "Summe der quadratischen Fehler der Landeslisten + Summe der quadratischen Fehler der Länder", wobei "Fehler" die Differenz der erhaltenen Mandate zum Idealanspruch ist, die bei den Landeslisten noch durch die Zahl der Landeslisten im Land geteilt wird. Die Oberverteilung ist Randbedingung, die auf jeden Fall eingehalten werden muss.

Die konkrete Methode, die ich angegeben hab, leistet diese Optimierung nur annähernd (auf jeden Fall scheitert sie, wenn die Reste nicht reichen, um Überhangmandate intern zu kompensieren). Aber der letzte Sitz hängt sowohl von den verbliebenen Ansprüchen der Länder als auch denen der Parteilisten ab. Das Land mit den stärksten Ansprüchen bekommt ihn nur dann, wenn es keine Landesliste mit größerem Rest in einem Land gibt, das auch noch ähnliche Ansprüche hat.

In meinem Beispiel wird nichts in den Osten verschoben, weil ich nur die nicht verfallenden Zweitstimmen zur Grundlage für den Länderproporz gemacht hab. Im Gegenteil verliert er nicht nur die Überhangmandate, sondern Berlin gibt noch seine 2 Extramandate an den Westen ab.

> Vor allem sehe ich nicht, daß die Sitzzahl der Länder
> wirklich ein zu optimierendes Kriterium sein soll

Das ist natürlich die Frage. Wenn sie vorrangige Priorität hätte, müsste man sowieso die Sitze der Länder kontingentieren. Das hat sie für mich nicht, aber ich seh auch keinen Grund, warum der innerparteiliche Länderproporz wichtiger als der gesamte Länderproporz sein sollte. Für mich sind beide völlig gleichberechtigte Kriterien.

> (was ja heißt, daß ich die Kandidaten der anderen Parteien in meinem
> Bundesland zu einem gewissen Maße mitwähle).

Es ist ein bisschen so wie bei STV. Solang die gewählte Landesliste die Stimme benötigt, kommt sie ihr voll zugute. Sonst kann der Rest praktisch auf eine andere Liste im gleichen Land übertragen werden, wenn sie deren Ansprüche gegen eine konkurrierende Landesliste dieser Partei stärkt. Die andere Partei insgesamt hat aber nichts davon.

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