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Neues Bundestagswahlrecht: Grabenwahl...

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Andreas Taeger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. November 2017 - 09:03 Uhr:   

Werte Forumsteilnehmer,

da ich mit meinen Beiträgen in anderen Threads immer wieder an die Grenzen der Themenbezogenheit gelange, eröffne ich mal einen neuen Strang. Und zwar geht es mir um Ihre Meinung zu einem möglichen Grabenwahlsystem für die Bundestagswahlen.

Mein Vorschlag sieht eine faktische Zweiteilung des Bundestages vor. Der eine Teil - ich nenne ihn mal Oberhaus - umfasst ein Drittel des Bundestages, also etwa 200 Abgeordnete. Der andere Teil - entsprechend von mir Unterhaus genannt - stellt die restlichen zwei Drittel des Bundestages, also etwa 400 Abgeordnete.

In das Oberhaus werden aus 200 Wahlkreisen siegreiche Direktkandidaten geschickt, die über ein Mehrheitswahlrecht gewählt werden. Für den Gewinn ist die absolute Mehrheit erforderlich, es käme also ggf. zu Stichwahlen der beiden Bestplatzierten zwei Wochen später.

Das Unterhaus wird über Parteilisten im Verhältniswahlrecht zusammengesetzt. Es bleibt bei einer 5%-Hürde. Es bliebe zu überlegen, ob die Sitzzuteilung nach bundesweitem Parteienproporz erfolgen sollte oder über den länderweisen Parteienproporz. Jedenfalls müsste man sich für eines der beiden entscheiden, eine Verrechnung beider soll es nicht geben.

Die Vorteile des neuen Wahlrechts wären:
- Feste Sitzzahl des Bundestages, da es durch den "Graben" zwischen Ober- und Unterhaus sowie durch den Verzicht auf Bund- und Länderzweitstimmenabgleich keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gäbe.
- Beibehalt der persönlichen Komponente durch direkt gewählte Abgeordnete.
- Beibehalt des Parteienproporzes und der Berücksichtigung auch kleiner Parteien, die es so gut wie nie zu Direktmandaten schaffen.
- Übersichtlichkeit des Wahlrechts und Nachvollziehbarkeit der Sitzzuteilung auch für Nichtmathematiker.

Nachteile meines Vorschlags wären:
- Das bundesweite Zweitstimmenergebnis bestimmt nicht mehr die Zusammensetzung des ganzen Bundestages, sondern nur noch von zwei Dritteln desselben.
- Kleine Parteien werden strukturell benachteiligt, weil sie nur selten bei der Verteilung der Direktmandate dabei sein werden.
- Die Anzahl der Wahlkreise müsste gegenüber dem Istzustand verringert werden, womit ein Direktmandat für noch mehr Wähler "zuständig" ist.

Wie stehen Sie zu meinem Vorschlag? Halten Sie die Einführung eines Grabenwahlsystems grundsätzlich für überlegenswert? Ich bin gespannt auf Ihre Reaktionen.
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J.A.L.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. November 2017 - 09:55 Uhr:   

Ein Grabenwahlsystem ist für mich sowas wie der fleischgewordene faule Kompromiss. Man hat am Ende weder die Vorteile der Mehrheitswahl (klare regionale Zuordnung und Vertretung, Bündelung in weniger Parteien mit relativer Unabhängigkeit der Mandatsträger, damit mehrheitsbildende Funktion) noch den der Verhältniswahl mit der spiegelbildlichen Abbildung der politischen Strömungen nach ihrer echten Stärke.
Statt dessen hat man ein irgendwie verrührt zusammengesetztes Parlament, das eher beliebig abgeknüpft wirkt. Daher lehne ich Grabensysteme ab.

Außerdem ist mir nicht klar, welchen Sinn die Trennung in ein Unter- und Oberhaus hat. Sollen diese getrennt Sitzungen abhalten? Unter welche unterschiedlichen Befugnisse sollen sie haben?
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Andreas Taeger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. November 2017 - 13:40 Uhr:   

@J.A.L.
Gerade weil es eine Mischform aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht ist, stellt das Grabenwahlsystem für mich eine echte Alternative zum derzeitigen Wahlrecht dar. Es verbindet die Vorteile der beiden Systeme in einer Art, wie es mir am sinnvollsten und gerechtesten erscheint. Aber die Meinungen dazu gehen - wie man sieht - auseinander.

Das mit Ober- und Unterhaus habe ich nur der einfacheren Sprachregelung wegen angeführt, weil ich nicht ständig von dem einen Drittel und den anderen zwei Dritteln reden wollte. Würde es bei den 299 Wahlkreisen bleiben, hätte ich von beiden Hälften sprechen können, aber hälftig soll es ja eben nicht sein, weil das die großen Parteien zu sehr bevorteilen würde. Der Bundestag soll natürlich ein gemeinsames Parlament bleiben.
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Martin Dauser
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. November 2017 - 16:04 Uhr:   

Ich bin gegen ein Grabenwahlrecht, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Meiner Ansicht nach wäre es aber schwer nachvollziehbar, wenn alle Wahlen vom Gemeinderat bis zur Europawahl nach Grundsätzen des Verhältniswahlrecht durchgeführt würden, nur beim Bundestag nicht mehr.

2. Ich befürchte, dass die Regierungsbildung bei einem solchen Wahlrecht noch schwieriger werden kann.
Diese Aussage mag zunächst verwirren. Denn rein rechnerisch die Mehrheitsbildung bei einem Grabenwahlrecht tendenziell einfacher. Doch ob die Mehrheitsbildung aber auch politisch einfacher wäre, wäre meiner Ansicht nach nicht so eindeutig. Wenn die Erststimme großen Einfluss auf die Sitzverteilung hätte, dann würde es für manche Parteien Sinn machen, taktische Wahlabsprachen zu machen. Konkret: Die SPD tritt in einigen Wahlkreisen in Baden-Würrtenberg nicht an und empfiehlt den Grünen-Kandidaten, in Niedersachsen läuft es umgekehrt. Es würde zwangsläufig im Wahlkampf zu einer stärkeren Lagerbildung kommen. Aber auch ein Grabenwahlrecht sichert keine Mehrheiten für ein Lager. Eine Konstellation wie nach der Bundestagswahl 2017 mag etwas unwahrscheinlicher sein, aber immer noch möglich. Aber die Regierungsbildung wird dann noch schwieriger. Wenn einige Grünen-Kandidaten nur durch Absprachen mit der SPD in den Bundestag gewählt worden wären, wäre es für die Grünen kaum möglich, eine Schwarz-Grüne-Koalition oder Jamaika ernsthaft zu verhandeln. Aus dem gleichen Grund würden aber auch große Koalitionen politisch schwieriger werden.


Abgesehen davon ist eine Mehrheit für eine solche Wahlrechtsreform nicht realistisch, da auf absehbare Zeit nur die Union von einem solchen Wahlrecht profitieren würde und alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien damit rechnen müssten, bei ähnlichen Wahlergebnissen im Bundestag schwächer vertreten zu sein als jetzt.

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