Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

Rosatellum 2.0

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Wahlen im Ausland » Wahlrecht in Italien/Italienisches Wahlrecht » Rosatellum 2.0 « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

El Tres
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 13. Oktober 2017 - 12:24 Uhr:   

Wieder Mal gibt es einen neuen Anlauf für ein neues Wahlsystem in Italien. Diesmal wird es "Rosatellum" genannt, nach diversen Änderungen auch "Rosatellum 2.0". Namensgeber ist der Fraktionsvorsitzende der PD, Ettore Rosato. Die Abgeordnetenkammer hat es bereits verabschiedet, die Zustimmung des Senats fehlt noch, Änderungen sind da auch noch möglich.

Es handelt sich prinzipiell um ein Verhältniswahlrecht mit regionaler Mehrheitswahl mit einer einzigen Stimme. Also ähnlich wie beim Landtagswahlrecht in Baden-Württemberg.

Unterschied ist jedoch, dass in den 231 (36% der Sitze) Wahlkreisen Kandidaten von Koalitionen, also mehreren Parteien, aufgestellt werden können. Der Wähler kreuzt dann nicht nur einen Kandidaten an, sondern auch eine der ihn unterstützenden Parteien (falls nicht, wird die Stimme auf die Parteien aufgeteilt). Der Stimmzettel enthält auch die jeweiligen Listen der Parteien in der entsprechenden Wahlregion. Im Wahlkreis gewählt ist der Kandidat mit den meisten Stimmen.

Es gibt ca. 70 bis 77 Wahlregionen mit Listen von zwei bis vier Kandidaten. 386 Sitze werden dann italienweit proportional auf die Parteien und ihre regionalen Listen verteilt. Dabei gilt eine Sperrklausel von 3%.
Für Koalitionen gilt eine Sperrklausel von 10%, wobei eine der Parteien mindestens 3% haben muss. Sitze für Parteien unter 3% werden auf die anderen Parteien in der Koalition aufgeteilt werden. Für Minderheitenparteien gibt es eine regionale Sperrklausel von 20 % (betrifft die SVP in Südtirol).
Weitere 12 Sitze werden im Wahlbezirk für Auslanditaliener verteilt, eine Sitz wird im Aostatal vergeben.

Für die Listen gilt italienweit eine Mindestquote von 40% für jedes Geschlecht.

Für den Senat gelten ähnliche Regeln, allerdings werden die Sitze proportional in den 20 italienischen Regionen vergeben.

Nicht im Parlament vertretene Listen müssen 750 Unterschriften sammeln.
--
Profitieren vom Wahlrecht dürften vor allem Berlusconis Forza Italia und Salvinis Lega Nord, die vermutlich eine Koalition bilden. Gerade die LN hat im Norden gute Chance auf Direktmandate, entsprechen die FI eher im Süden. Die PD dürfte auch versuchen, eine Mitte-Links-Koalition zu schmieden, nach diversen Abspaltungen auf der linken Seite.
Nachteile für sich sieht die M5S von Beppo Grillo, die keine Koalitionen eingeht. Auf der anderen Seite ist es immer noch ein Verhältniswahlrecht.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 13. Oktober 2017 - 16:51 Uhr:   

"Es handelt sich prinzipiell um ein Verhältniswahlrecht mit regionaler Mehrheitswahl mit einer einzigen Stimme. Also ähnlich wie beim Landtagswahlrecht in Baden-Württemberg."
Ist aber wohl ein Grabenwahlrecht, wenn ich das richtig verstehe.
http://www.camera.it/leg17/995?sezione=documenti&tipoDoc=lavori_testo_pdl&idLegislatura=17&codice=17PDL0054970&back_to=http://www.camera.it/leg17/126?tab=2-e-leg=17-e-idDocumento=2352-e-sede=-e-tipo=
 Link zu diesem Beitrag

Reimund Voß
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. Oktober 2017 - 11:49 Uhr:   

Frage zum "rosatellum bis":
Leider kann ich keine Texte in italienischer Sprache lesen.

Klar ist mir nur, dass ein sogenanntes Grabenwahlsystem beschlossen wurde, weil errungene Direktmandate in Einer-Wahlkreisen (232 in der Kammer, 102 im Senat nicht auf darüber hinaus zu vergebende Listenmandate angerechnet werden.

Offen geblieben ist für mich, wie die Listenmandate (386 in der Kammer, 207 im Senat) proportional verteilt werden sollen.

Werden die Sitze (zunächst) auf die nationalen Listen bzw. Listenverbindungen vergeben, welche die maßgeblichen Sperrklauseln überwunden haben und dann auf die "Wahlkreisverbände" (gelesen habe die Zahl von 65 in einem Aufsatz bei der Konrad-Adenauer-Stiftung) unterverteilt?
Oder wird auf nationaler Ebene nur geprüft, welche Listen bzw. Listenverbidungen die maßgeblichen Sperrklauseln überwunden haben, um an der proportionalen Verteilung überhaupt teilnehmen zu dürfen. In diesem Fall würde die proportionale Verteilung in jedem der 65 "Wahlkreisverbände" isoliert stattfinden?
Nach welchem System (d.Hondt, Hare-Niemeyer usw.)findet die Proporzverteilung statt?
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. Oktober 2017 - 15:07 Uhr:   

Es wird landesweit oberberteilt (Hare/Niemeyer). Übrigens zählen bei Koalitionen die Parteien unter 1 % nicht mit (außer es ist eine MInderheitenpartei, die die Sperrklausel überwunden hat).

Die Zahl 65 steht nicht im Gesetz. Da steht nur, dass ein Mehrpersonenwahlkreis mindestens 3 und höchstens 8 Sitze haben soll.

Gesetz, wie es vom Senat beschlossen wurde, muss und scheint auch mit obrigem Link übereinzustimmen:http://www.senato.it/service/PDF/PDFServer/BGT/01048040.pdf
 Link zu diesem Beitrag

Reimund Voß
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. Oktober 2017 - 18:44 Uhr:   

Und hier Eetwas zum "Rosatellum für Südtirol" (entnommen von der Internet-Seite der "Südtiroler Volkspartei"

Heute hat der Senat das neue Wahlgesetz (sogenanntes „Rosatellum bis“) mit breiter Mehrheit endgültig genehmigt. Dieses wird nun in Kürze in Kraft treten - und bei den Wahlen im Frühjahr 2018 angewendet werden können.

Das Gesetz sieht vor, dass rund 1/3 der Sitze im Parlament, d.h. 232 der 630 Abgeordneten und 109 der 315 Senatoren, in Ein-Personen-Wahlkreisen, also mit Mehrheitswahlrecht gewählt werden, der Rest im Verhältniswahlsystem in Mehrpersonenwahlkreisen. Im Einerwahlkreis ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt; es gibt keine Wahlhürde.

Für einzelne Listen ist eine Drei-Prozent-Hürde auf Staatsebene vorgesehen; bei Listenverbindungen liegt die Hürde für den Einzug ins Parlament bei zehn Prozent, wobei aber nur Listen Sitze erhalten, die mindestens 3 % der Stimmen auf sich vereinen. Mit dieser Regelung soll die chronische Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft verhindert werden.

Es wird zudem eine Geschlechterquote eingeführt, wonach kein Geschlecht mehr als 60 % der Kandidaten/innen stellen darauf. Der Stimmzettel enthält die Namen der Kandidaten/innen im jeweiligen Einerwahlkreis, die Listenzeichen der Parteien, die diese/n unterstützen und die Namen der Kandidaten/innen für die Sitze, die im Verhältniswahlrecht vergeben werden.

Es ist gelungen, für die Region Trentino-Südtirol und die Minderheiten eine Sonderregelung einzubauen: In der Region Trentino- Südtirol wird es 6 Einpersonen-Wahlkreise (sowohl für den Senat als auch für die Abgeordnetenkammer) geben, also im Verhältnis mehr als im restlichen Staatsgebiet. Von diesen Wahlkreisen befinden sich je 3 in Südtirol.

Die 3 Einerwahlkreise im Senat bestanden schon - und sind eine Folge der Paketmaßnahme 111, also einer völkerrechtlichen Verpflichtung; hier ändert sich also nichts. Neu sind die 3 Einerwahlkreise in der Kammer, die aufgrund der im Juni erfolgten Annahme des Antrags der FI-Abgeordneten Biancofiore und des 5 Sterne-Abgeordneten Fraccaro von 4 (laut dem derzeit in Kraft stehenden Mattarellum-System) auf 3 reduziert werden.

Die Liste der Minderheit kann (muss aber nicht) Koalitionen mit gesamtstaatlichen Listen eingehen - und hat die Möglichkeit, auch im Falle einer Koalition in bestimmten Wahlkreisen alleine anzutreten. In der Kammer werden die restlichen 5 Sitze auf proportionaler Basis in Mehrpersonenwahlkreisen vergeben, im Senat der 7. der Region laut Verfassung zustehende Sitz.

Für Minderheiten gilt zudem eine Sonderregelung, wonach deren Listen nicht 3 % der Stimmen auf Staatsebene erreichen müssen, sondern es genügt, 20 % auf regionaler Ebene zu erreichen oder zwei Wahlkreise zu gewinnen. Aufgrund der neu eingeführten Geschlechterquote muss z.B. die SVP mindestens 1 Frau für die Einerwahlkreise in Kammer und Senat aufstellen.

SVP-Senator Karl Zeller, der Fraktionssprecher der Autonomiegruppe im Senat, hat in seiner Stimmabgabeerklärung folgende Bewertung abgegeben: „Das neue Wahlgesetz ist zwar nicht die absolut beste Regelung und manche Kritikpunkte sind sicher berechtigt. Dieses Wahlgesetz ist aber sicher besser als die derzeit geltende Regelung, die faktisch aus 2 nicht koordinierten Rumpftexten besteht, die nach den Verfassungsurteilen übrig geblieben sind (sog.Consultellum).”

Und weiter: „Aus Südtiroler Sicht ist dieses Wahlgesetz ungleich minderheitenfreundlicher als jenes, das 2013 zur Anwendung gekommen ist: Es werden auch in der Kammer Einerwahlkreise eingeführt, wobei für diese keine Sperrklausel gilt; damit ist die Vertretung der Minderheit in beiden Häusern des Parlaments in Zukunft garantiert - und zwar auch dann, wenn die Liste der Minderheit nicht die Hürde von 20 % in der Region erreichen sollte.

„Außerdem wird der Zugang für Minderheitenlisten zu den Sitzen im Verhältniswahlrecht (5 in der Kammer, 1 im Senat) erleichtert, weil auch die Wahl von 2 Kandidaten in den Einerwahlkreisen ausreicht. Ein starke Vertretung der Minderheit in Rom ist für die Zukunft also gewährleistet. Aus all diesen Gründen sind wir für dieses neue Wahlgesetz”, erklärt SVP-Senator Karl Zeller.
 Link zu diesem Beitrag

tg
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 29. Oktober 2017 - 20:23 Uhr:   

"Es wird zudem eine Geschlechterquote eingeführt, wonach kein Geschlecht mehr als 60 % der Kandidaten/innen stellen darauf."

Das scheint mir nicht ganz durchdacht. Wenn eine Partei nur in einer Region antritt und dort nur 3 Kandidaten aufstellt, wie geht das dann mit maximal 60 % pro Geschlecht?
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 30. Oktober 2017 - 17:25 Uhr:   

Die Quote gilt für Direkt- und Listenkandidaten jeweils landesweit und zusätzlich für die Spitzenkandidaten der Wahlkreislisten. Es wird zur nächsten ganzen Zahl gerundet. Im Original:
Nel complesso delle candidature presentate da ogni lista o coalizione di liste nei collegi uninominali a livello nazionale, nessuno dei due generi può essere rappresentato in misura superiore al 60 per cento, con arrotondamento all'unità più prossima. Nel complesso delle liste nei collegi plurinominali presentate da ciascuna lista a livello nazionale, nessuno dei due generi può essere rappresentato nella posizione di capolista in misura superiore al 60 per cento, con arrotondamento all'unità più prossima.

Das ist natürlich Blödsinn, aber durchführbar. Man sich leicht denken, dass der Frauenanteil trotzdem unter 40 % liegen wird, wahrscheinlich nicht einmal knapp. Die offensichtlichste Möglichkeit, die Quote zu unterlaufen, ist die Aufstellung von Quotenfrauen in aussichtslosen Wahlkreisen. Auch bei den Listen gibt es Spielraum.


Wem nutzt das neue Zuteilungsverfahren? Am ehesten Berlusconi und der Lega Nord. Schaden wird es den 5 Sternen.
 Link zu diesem Beitrag

tg
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. November 2017 - 21:04 Uhr:   

Danke!

Wenn ich raten sollte, welcher Staat seit dem Beginn dieses Forums am häufigsten sein Wahlsystem gewechselt hat (oder ein Wechsel diskutiert wurde), würde ich auf Italien tippen. Irgendwie scheint man dort in immer neuen Versuchen die Quadratur des Kreises anzustreben: Ein Wahlrecht, das der stärksten Partei eine stabile Mehrheit garantiert ohne den anderen Parteien was wegzunehmen. Als Bonus müssen dann noch die Sonderregelungen für Südtitol und Trentino sowie gegebenenfalls Aostatal eingebaut werden, und dabei soll das ganze dann auch noch für die Wähler einfach zu verstehen sein.

(Beitrag nachträglich am 02., November. 2017 von tg editiert)

Beitrag verfassen
Beitrag:
Fett Kursiv Unterstrichen Erstelle Link Clipart einfügen

Benutzername: Hinweis:
Dies ist ein geschützter Bereich, in dem ausschliesslich registrierte Benutzer Beiträge veröffentlichen können.
Kennwort:
Optionen: HTML-Code anzeigen
URLs innerhalb des Beitrags aktivieren
Auswahl:

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite