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Archiv bis 09. Februar 2016

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Amtszeitbeschränkung für Bundeskanzler » Archiv bis 09. Februar 2016 « Zurück Weiter »

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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 30. Januar 2016 - 18:38 Uhr:   

Aus latent aktuellem Anlass, aber auch grundsätzlichen Erwägungen fände ich es sinnvoll, eine Amtszeitbeschränkung für Bundeskanzler zu diskutieren. Während der fast machtlos Bundespräsident ja grundgesetzlich nach 10 Jahren sein Amt abgeben muss, wäre eine entsprechende Beschränkung für den Kanzler m.E. viel angebrachter, um "ewige Kanzler" wie Adenauer, Kohl und jetzt Merkel zu verhindern, die die demokratische Kultur im Land und vor allem auch in der eigenen Partei beeinträchtigen. In Präsidialdemokratien gibt es standardmäßig eine Amtszeitbeschränkung des Staats- und Regierungschefs, und m.E. hat der deutsche Bundeskanzler faktisch ähnlich viel innenpolitische Macht wie etwa der französische oder US-Präsident, da er in aller Regel die Bundestagsmehrheit sicher hinter sich hat. Daher würde ich eine Beschränkung der Amtszeit des Kanzlers z. B. auf zehn bis zwölf Jahre (bzw. "zweimalige Wiederwahl") befürworten.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 30. Januar 2016 - 20:06 Uhr:   

Der Trugschluss ist: die Vorbilder in Frankreich und den USA werden nicht durch die Kreationsfunktion des Parlaments ins Amt gebracht.
Dort bestünde ohne Amtszeitbegrenzung das Risiko, dass die Wechselstimmung sich in Parlamentswahlen entfaltet, während die Wertschätzung für den Amtsinhaber und der Wunsch nach Kontinuität dann die Präsidentschaftswahl beherrscht.
Die Folge wäre, dass diese unterschiedlichen Motive dann eine regelmäßige Cohabitation bzw. ein Divided Government produzieren.
Und auch in Deutschland sieht man oft, dass gerade bei Landtagswahlen bei vielen Regierungswechseln der abgesägte Regierungschef in der Direktwahlfrage geführt hat.

Wo das Parlament den Regierungschef wählt, da sind solche Begrenzungen sehr unüblich. Und eine auf Anzahl der Wahlen zum Kanzler bezogene Frist verkennt, dass es in der Bundespolitik nicht gerade üblich ist, dass die Amtszeit eines Kanzlers im Nachklang einer Bundestagswahl beginnt UND endet. Das war nur bei Gerhard Schröder der Fall - und seine Amtszeit dauerte nicht ein vielfaches der vierjährigen Legislaturperiode.
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Danny
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 05:46 Uhr:   

Zumindest sollte es eine Altersbeschränkung geben.
Alzheimer ist imho immer noch eine der besten Erklärungen für die Flüchtlingskrise.

Komisch, dass man Cohabitation als bug betrachtet anstatt als feature. Das wär doch quasi Gewaltenteilung at its best. Darin zeigt sich mal wieder die Verlogenheit zeitgenössischer Demokratietheorien.

Das theoretisch einzig richtige Mittel der "Kommunikation" zw. Parlament und Regierung ist das "allgemeine Gesetz" zur Not erzwungen durch "unabhängige Gerichte" und nicht die informelle Kollaboration innerhalb der Parteien. Das hätte auch den Vorteil die Parteien zur klaren Artikulation ihres Willens zu zwingen.

Parteien sind übrigens nie demokratisch organisiert, siehe "the iron law of oligarchy". Nur strikt hierarchisch organisierte Parteien können im Wettbewerb bestehen. Diese interne Demokratiesimulation sollte man sich sparen; es ist ohnehin fraglich was diese "zwei-stufige" Demokratie Sinnvolles bewirken sollte. Schlimmstenfalls wird daraus ein an die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen gekoppeltes zweites Wahlrecht wie bei der SPD letztens.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 14:57 Uhr:   

Also ich habe eigentlich nur beschrieben, dass die Amtszeitbeschränkung in Frankreich cohacitationsverhindernde Züge hat. Das war jetzt nicht unbedingt wertend. Aber auch die Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten sollte auch die Wahlen einigermaßen synchronisieren. Und natürlich entwickelt die Parlamentsmehrheit selbst keinen Amtsbonus.
Das "Eherne Gesetz der Oligarchie" (warum eigentlich die Theorie eines Deutsch-Italieners englisch bezeichnen?) ist übrigens keine Gesetzmäßigkeit sondern eine Theorie, die manche Teilaspekte erklären mag, andere dagegen nicht.
@Danny
Sie müssten doch eigentlich aufgrund von Satzungsbesonderheiten ein riesiger Fan der Grünen sein: weitegehende Trennung von Amt und Mandat, Doppelspitze, früher sogar Rotationsprinzip bei Mandaten. Dagegen wurde bei einer AfD in Sachsen ein Landtagskandidat willkürlich von der Liste entfernt.

Was ist denn bitte das zweite Wahlrecht bei der SPD? Das Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag?
Zu dieser Wahrheit gehört auch die Tatsache, dass es solche Beschlussfassungen immer gab - nur sonst eben durch Parteitage, Vorstände oder Präsidien. Warum dieses enger gefasst "Wahlrecht" nun demokratischer sein sollte als das Herabreichen der Beschlussfassung in die gesamte Mitgliedschaft, ist mir noch nicht ganz klar ...
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 15:17 Uhr:   

"In Präsidialdemokratien gibt es standardmäßig eine Amtszeitbeschränkung des Staats- und Regierungschefs, und m.E. hat der deutsche Bundeskanzler faktisch ähnlich viel innenpolitische Macht wie etwa der französische oder US-Präsident, da er in aller Regel die Bundestagsmehrheit sicher hinter sich hat. Daher würde ich eine Beschränkung der Amtszeit des Kanzlers z. B. auf zehn bis zwölf Jahre (bzw. "zweimalige Wiederwahl") befürworten."
Erstmal ist der französische Präsident nicht Regierungschef (für den gibt es keine Begrenzung) und die Amtszeitbegrenzung wurde erst 2008 eingeführt. Der amerikanische Präsident konnte bis 1951 unbegrenzt oft wiedergewählt werden. Amtszeitbegrenzungen für reine nationale Regierungschefs gibt es, soweit mir bekannt, derzeit nur in China. In deutschen Ländern gab es eine Amtszeitbegrenzung für Ministerpräsidenten nur im Saarland vor dem Beitritt zur Bundesrepublik (8 Jahre), die wurde 1953 abgeschafft. Dass der lupenreine Demokrat Johannes Hoffmann tatsächlich 1955 nach ziemlich genau 8 Jahren als Ministerpräsident zurücktrat, hatte rein politische Gründe.

Ich sehe keine Grund für eine Amtszeitbegrenzung. Irgendwann wird jeder Kanzler entweder freiwillig gehen oder vom Wähler, vom Bundestag oder von der eigenen Partei davongejagt. Bisher hat dies maximal 16 Jahre gedauert. Merkels Vorgänger waren im Schnitt 8 Jahre im Amt. Übermächtig kann ein Kanzler nur werden, wenn der übrige Politbetrieb freiwillig vor ihm kuscht, das GG begrenzt die Macht des Kanzlers allein schon durch den Föderalismus ganz erheblich.
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Danny
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 16:06 Uhr:   

Ok, aber sonst wird es ja immer als Problem gesehen, wenn Regierung und Parlament von unterschiedlichen Parteien besetzt werden, v.a. in den USA. Also das war mehr eine Kritik am heutigen Demokratieverständnis als an deiner Beurteilung. Letztlich hat man dann in der BRD ja auch auf Gewaltenteilung verzichtet und betreibt eher das Gegenteil (Gewaltenverschränkung). Nur trotzdem tut man noch so als wären die Gewalten hier irgendwie unabhängig.

Ein sehr guter und fähiger "ewiger" Kanzler ist auch Demokratien sicher das beste was einem Staat passieren kann. Es fördert langfristiges Denken und ja, warum sollte man ohne Not nur den Zweitbesten auf den Chefsessel setzen?
Trotzdem kann das natürlich potentiell enorme Probleme verursachen. Amtszeitbeschränkung könnte man als temporale Gewaltenteilung verstehen. Ka, insgesamt hab ich mir da noch nicht genug Gedanken zu gemacht für eine qualifizierte Meinung


"Iron law" klingt einfach irgendwie cooler, aber das ist wohl Geschmacksache.
Ob das Gesetz für Demokratien als ganzes zutrifft sei dahingestellt, aber dass es in Parteien zutrifft kann man glaub ich kaum bestreiten. Bestes Beispiel ist die unheimliche Kontrolle die Frau Merkel im Moment über ihre Partei hat. Trotz massivster Kritik traut man sich nichtmal ihr einen Brief zu schreiben.

Wenn man das akzeptiert, bekommt man effizientere Strukturen und mehr Klarheit für Wähler wenn man von vornherein auf parteiinterne Demokratie verzichtet.
Das allgemeine Prinzip aller demokratischer Strukturen ist die gnadenlose Ineffizienz, selbst bei optimaler Organisation. Bei einer Population von n kostet jede volldemokratische Entscheidung n-mal soviele Ressourcen wie bei hierarchischer Organisation, weil jeder Einzelne die Entscheidung treffen muss; und das berücksichtigt nichtmal die Kommunikationskosten. Deshalb sind Unternehmen auch nie demokratisch organisiert, weil sie keine Marktchancen hätten.

Die möglichen Vorteile der Demokratie als Staatsform hängen nicht an der internen Organisationsform der Parteien, jedenfalls seh ich nicht was das für Vorteile haben könnte. Klar, Politik macht Spass, aber irgendwer muss ja auch mal arbeiten. Dazu kommen die gruppenpsychologischen Probleme.

Ja, das Votum über den Koalitionsvertrag meinte ich, aber nur als Beispiel. Jede interne Parteidemokratie inkl. Parteitagen ist imho überflüssig. Für Wähler oder Mitglieder dürfte es eh immer effizienter sein die Partei zu wechseln anstatt zu versuchen über innerparteiliche Demokratie was zu ändern.
Ich glaub das Konzept der partei-internen Demokratie ist ein Überbleibsel aus dem sozialistischem Ein-Parteienstaat. Da macht es auch Sinn, aber in der parlamentarischen Demokratie führt jedes weitere demokratische "Zwischenlayer" zur Mittelwertbildung der Präferenzen der Wähler, also verschlechtert die Abbildung der wirklichen Präferenzen im Parlament.

Wenn die Grünen ein Staat wären, würd mir das vllt tatsächlich gefallen, das hätte ja dann was von Losdemokratie.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 17:28 Uhr:   

Auch in den USA gibt es Gewaltenverschränkung - die sogenannten "checks and balances". Manche republikanische Präsidentschaftsbewerber versprechen übrigens schon die Ernennung von stramm konservativen Supreme Court Justices.
Eine totale Trennung existiert nirgendwo, in Diktaturen verschmelzen die Gewalten in der Regel. Ein abschreckendes Beispiel ist Saudi Arabien mit seiner am Königshaus vorbei wirkenden religiösen Justiz, die Ergebnisse sind bekannt.

Parteien sind "Positionsklumpen": Die politischen Positionen der Menschen sind Unikate. Der Zusammenschluss mit einem sehr nah positionierten anderen Menschen erhöht die Durchschlagskraft minimal, dafür nimmt man mikroskopische Kompromisse hin. Der Zusammenschluss mit einer Vielzahl von Menschen im erweiterten Nahbereich, erhöht die Durchschlagskraft massiv, dafür nimmt man deutlichere Kompromisse in Kauf.
Der Parteiwechsel macht dann Sinn, wenn sich im neuen Klumpen das Verhältnis von Durchschlagskraft zu Kompromissschmerz für das Indiduum verbessert. Wobei in der Durchschlagskraft nicht nur der Stimmanteil steckt, sondern auch die Anschlussfähigkeit, wenn die Partei keine Chance auf eine absolute Mehrheit hat.

Wie bitte sollen denn Koalitionsverträge beschlossen werden, wenn kein demokratisch legitimiertes Parteiorgan das tun darf? Eine Prokura, bei der die Unterschriften von Parteivertretern zur Gültigkeit verhelfen, würde ja auch dagegen verstoßen.
Oder wird hier wieder das Konzept der Brandmauer zwischen Partei und Fraktion mit einem Verbot der Abstimmung von politischen Positionen vertreten? Wie soll man dann eigentlich noch eine Partei daran messen, ob sie ihre Versprechen eingelöst hat!?

Nein, wir haben auch keine Einstimmigkeitsdemokratie ("n-mal soviele Ressourcen"). Es reichen Mehrheiten.
Aber die Gewaltenverschränkung ist auch immer wieder der Sand im Getriebe, der die Demokratien vom starken Führer mit der harten Faust unterscheidet.

Briefe an Merkel sind übrigens so undenkbar, dass sie massenhaft geschrieben werden.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 19:07 Uhr:   

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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 19:28 Uhr:   

@RL
Naja, Clinton wurde bei einer Town Hall danach gefragt, und sie hat gesagt, sie würde diese großartige Idee lieben. Das heißt alles und nichts. Eher nichts.
Das ist eher ein "Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an." ;-)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 31. Januar 2016 - 20:30 Uhr:   

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Danny
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 01. Februar 2016 - 12:10 Uhr:   

Die Ergebnisse von Saudi Arabien sind extrem gut, wenn man sie mal mit den umliegenden Demokratien vergleicht.
Und auch rechtlich: Im demokratischen Irak wird alle paar Tage eine zufällige Anzahl Menschen ohne jede Rechtssicherheit hingerichtet (per Autobombe, wg. falscher Religionsausübung). Selbst wenn man die Saudi-Justiz doof findet: an die Hinrichtungszahlen des befreiten Iraks kommt sie nicht mal annähernd.

Imho sind in Deutschland alle Staatsgewalten schon fast komplett verschmolzen; alle Macht geht letztlich aus den Bundestagswahlen hervor und konzentriert sich in der Kanzlerin. In Amerika werden immerhin die meisten Richter noch vom Volk gewählt und die Exekutive separat gewählt. Deutschland ist quasi eine grosse Hierarchie mit dem BK an der Spitze. Deshalb bin ich auch für die Kaiserkrönung Merkels (Wahlkaisertum, so wie früher).

Undemokratische Parteien könnten z.B. organisiert sein als Hierarchie mit dem Parteigründer oder einem Gremium an der Spitze. Koalitionsverträge verhandelt und unterzeichnet der Chef dann entweder selbst oder delegiert es an seine Untergebenen. Rechtsform und Satzung, darüber bestimmen die Gründer, wie bei anderen Unternehmen ja auch. Ob die restlichen Mitglieder dann Angestellte, Freiwillige, Praktikanten oder Vereinsmitglieder sind ist auch Sache der Gründer. Eine ehrgeizige Partei könnte Wahlversprechen schriftlich fixieren und ein Wahlversprechenprüfunternehmen beauftragen die Versprechen auf Einhaltung zu begutachten. Warum wird das eigentlich noch nicht gemacht? Seltsam.


Es reicht die Mehrheit, aber auch die die mit Nein stimmen mussten doch die Entscheidung selbst treffen, also die Meinungsbildungskosten tragen, 0.5 n wär ohnehin fast gleichschlimm, beides hat O(n) Aufwand, also Aufwand linear zur Populationsgrösse, statt O(1) (Autokratie) oder O(log n) (Hierarchie).

Ich meinte einen Brief den einige hohe Tiere in der CDU an Merkel schreiben wollten, aber sich dann nach tagelanger Diskussion doch nicht getraut haben (vor ein paar Wochen, siehe FAZ).
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 01. Februar 2016 - 12:13 Uhr:   

@Jan W.: "Der Trugschluss ist: die Vorbilder in Frankreich und den USA werden nicht durch die Kreationsfunktion des Parlaments ins Amt gebracht. "

Der Unterschied zwischen parlamentarischen und Präsidialdemokratien ist mir bewusst. Dennoch ist es eine Tatsache, dass Deutschland nun schon zum 3. Mal seit 1949 einen Regierungschef hat, der länger amtiert, als es der US-Präsident von Verfassungs wegen darf.
Dass die Amtszeitbeschränkung in den USA der Verhinderung des divided government dienen soll, höre ich zum ersten Mal. Dieses Ziel würde wohl eher durch eine Angleichung der Amtszeiten von Präsident und den beiden Parlamentskammern erreicht. Tatsächlich hatte in den letzten 30 Jahren trotz Amtszeitbeschränkung jeder US-Präsident zeitweise das Parlament gegen sich. Und auch in Deutschland hat bei zunehmender Amtsdauer ein Bundeskanzler meistens den den Bundesrat gegen sich, wohl auch aufgrund der Divergenz zwischen Wechselstimmung und Kontinuitätswunsch.

"Und eine auf Anzahl der Wahlen zum Kanzler bezogene Frist verkennt, dass es in der Bundespolitik nicht gerade üblich ist, dass die Amtszeit eines Kanzlers im Nachklang einer Bundestagswahl beginnt UND endet. Das war nur bei Gerhard Schröder der Fall - und seine Amtszeit dauerte nicht ein vielfaches der vierjährigen Legislaturperiode."

Eine Frist bezogen auf Anzahl der Wiederwahlen ist nur eine Möglichkeit, eine im GG festgelegte feste Zeitperiode von z.B. 10 Jahren erfüllt den Zweck einer Amtszeitbeschränkung ebenso gut. Aber da bisher keine Wahlperiode kürzer als 2 1/2 Jahre dauerte und nur der Bundeskanzler eine vorgezogene Neuwahl initiieren kann (außer im bisher nie aufgetretenen Fall von Art. 63(4), sehe ich kein Problem mit einer Beschränkung auf zwei Wiederwahlen. Mit der Motivation einer längeren maximalen Amtszeit würde nach einem konstruktiven Misstrauensvotum der Bundestag wohl eher nicht mit einer "Misstrauensfrage" aufgelöst, sodass z.B. Kohl immerhin knapp 10 Jahre hätte regieren können, und alle anderen Kanzler 10-12 Jahre.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 01. Februar 2016 - 12:37 Uhr:   

@Thomas Frings:
"Erstmal ist der französische Präsident nicht Regierungschef (für den gibt es keine Begrenzung) und die Amtszeitbegrenzung wurde erst 2008 eingeführt. Der amerikanische Präsident konnte bis 1951 unbegrenzt oft wiedergewählt werden."

Es stimmt, dass der französische Präsident offiziell nicht Regierungschef ist, aber faktisch hat er einen bestimmenden Einfluss auf die Regierung und ist schließlich auch Vorsitzender des Ministerrats. Nicht umsonst hieß es "Merkozy" und nicht "Merkillon".
In den USA gab es seit George Washington im 18. Jahrhundert die ungeschriebene Regel, dass ein Präsident nicht länger als 8 Jahre amtiert, und als diese das erste und einzige Mal von Roosevelt durchbrochen wurde (und selbst das nur in der Ausnahmesituation des 2. Weltkriegs), wurde sie kurz darauf in die Verfassung aufgenommen, um eine Wiederholung auszuschließen. Auch in Frankreich kam die Amtszeitbeschränkung kurz nach der ersten "Mega-Amtszeit" (14 Jahre Mitterrand) zustande.

"Ich sehe keine Grund für eine Amtszeitbegrenzung. Irgendwann wird jeder Kanzler entweder freiwillig gehen oder vom Wähler, vom Bundestag oder von der eigenen Partei davongejagt. Bisher hat dies maximal 16 Jahre gedauert. Merkels Vorgänger waren im Schnitt 8 Jahre im Amt. Übermächtig kann ein Kanzler nur werden, wenn der übrige Politbetrieb freiwillig vor ihm kuscht, das GG begrenzt die Macht des Kanzlers allein schon durch den Föderalismus ganz erheblich."

Natürlich wird ein Kanzler irgendwann abgewählt (oder stirbt im Amt), die Frage ist nur wann. Mit dem gleichen Argument wäre auch die Amtszeitbeschränkung von US-Präsidenten unnötig.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 01. Februar 2016 - 12:53 Uhr:   

"Mit dem gleichen Argument wäre auch die Amtszeitbeschränkung von US-Präsidenten unnötig."

Ist sie aus meiner Sicht auch.
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Danny
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 01. Februar 2016 - 15:42 Uhr:   

Bei den USA könnte ich mir vorstellen, dass historisch der Grund für die Beschränkung darin liegt, dass man verhindern wollte dass die Armeeführung persönliche Loyalität zum Präsidenten entwickelt und dann das Risiko besteht dass die Abwahl nicht vollzogen wird.

In Deutschland braucht man sich solche Sorgen natürlich nicht machen, wegen der Wehrpflicht!
Nein, nur ein Scherz, natürlich wegen Frau von der Leyen, der ich nichtmal einen Punsch zutrauen würde. Zur Not wartet man einfach bis es dunkel (Tornados) oder warm (MGs) oder schwanger (Mutterschutz) wird.


Eine Amtszeitbegrenzung ist übrigens eine Einschränkung des Wahlrechts und damit an sich undemokratisch. D.h. man braucht eigentlich eine positive Rechtfertigung ihrer Notwendigkeit.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 02. Februar 2016 - 22:54 Uhr:   

Also das Kippen der Legislative hat auch in den USA eine gewisse Tradition: Reagan ist es passiert, Bush41 war deswegen direkt ohne Mehrheit, Clinton ist es passiert, Bush43 und Obama ebenso. Mitte des 20. Jahrhunderts gab es eine gewisse Legislativdominanz der Demokraten, aber davor konnte man den Effekt auch beobachten.

Ja, in Deutschland gibt es eine solche Entkopplung beim Bundesrat, wobei die Tradition der Enthaltungsklauseln in KOA-Verträgen auf Landesebenen und die wechselnden Bundeskoalitionen der Angela M. sowie die Maschinenraum/Sonnendeck-Dynamik diese Faustregel irgendwie sehr durcheinanderbringt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 02. Februar 2016 - 23:06 Uhr:   

@Danny
Dein FAZ-Link ist irgendwie tot. Vermisst Du denn noch weitere Briefe? Oder glaubst Du, der X+Erste würde Merkel zum Kurswechsel bringen?

Wieso bekommen diverse Regierungen eigentlich trotz angeblich verschmolzener Staatsgewalten so oft in Karlsruhe was auf die Finger!?

Ja, Kreationsfunktion und legislative Bündnisse werden in Deutschland zusammen ausgehandelt.
Nein, man darf mit pauschal die Partei-Mitgliedschaft begrenzen. Eine PVV mit Geert Wilders wäre in Deutschland hochgradig illegal.
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Danny
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 03. Februar 2016 - 08:31 Uhr:   

Ja. Nein.

Bekommt sie nicht, ausser bei vollkommen unwichtigen Vorhaben wie Vorratsdatenbspeicherung.
Bei den berechtigten wichtigen Verfasusngsbeschwerden gibt es bekanntlich das "Ja, aber"-Konzept und die "verfassungsmässige Auslegung" verfassungswidriger Gesetze.

Potentiell könnte das BVerfG aber wohl schon, weil es so beliebt ist im Volk.

Macht es Sinn legislativen Reformvorschlägen mit dem Argument der illegalität zu begegnen? :-)
Gibt es überhaupt noch legal/illegal in einem Land ohne effektive Rechtsdurchsetzung, das mittlerweile sogar darauf verzichtet Flüchtlinge für Diebstahl etc. zu verfolgen?
Sind nackte Frauen intelligent?

Sorry ^^
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 03. Februar 2016 - 21:43 Uhr:   

Also eine Partei wie die PVV mit nur einem Mitglied, die auch keinen anderen als Mitglied aufnimmt, könnte natürlich an keiner Wahl teilnehmen. Das meine ich mit illegal.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Februar 2016 - 17:09 Uhr:   

Danny:
"Zumindest sollte es eine Altersbeschränkung geben.
Alzheimer ist imho immer noch eine der besten Erklärungen für die Flüchtlingskrise."

Ich weiß nicht, ob das ernst gemeint war, aber Alter ist weder eine Erklärung noch eine sinnvolle Einschränkung: Merkel ist immer noch jünger als fast alle anderen Bundeskanzler am Ende ihrer Amtszeit.

"Eine Amtszeitbegrenzung ist übrigens eine Einschränkung des Wahlrechts und damit an sich undemokratisch. D.h. man braucht eigentlich eine positive Rechtfertigung ihrer Notwendigkeit."

Wenn eine Amtszeitbeschränkung demokratisch beschlossen würde, kann ich daran nichts Undemokratisches finden; im Gegenteil ist der regelmäßige Regierungswechsel doch ein Wesen der Demokratie. Eine "positive Rechtfertigung" habe ich auch in meinem Eingangsbeitrag gegeben.
Hingegen sehe ich keine sachliche Rechtfertigung für die Amtszeitbeschränkung des Bundespräsidenten - Heuss oder Weizsäcker hätten auch nach 15 Jahren Amtszeit keine beherrschende Stellung in der Politik gehabt.

Apropos: Hat es international überhaupt schon (zweifellos demokratisch gewählte und wiedergewählte) nationale Regierungschefs gegeben, die länger als Kohl amtierten? Außer Jean-Claude Juncker im Zwergstaat Luxemburg (knapp 19 Jahre) ist mir keiner bekannt. In Großbritannien, Spanien, Italien und Österreich gab es das zu demokratischen Zeiten jedenfalls noch nie...

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