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Archiv bis 07. Oktober 2015

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Europawahl in Deutschland / Europawahlen in den EU-Mitgliedstaaten » Reform des Europawahlrechts » Archiv bis 07. Oktober 2015 « Zurück Weiter »

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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 13. Dezember 2014 - 04:22 Uhr:   

Am 4.Dezember 2014 hatte der EP-Ausschuss für konstitutionelle Fragen ein Hearing zur Reform des Europawahlrechts. Über die Seiten des Europaparlaments habe ich bis jetzt nur die vorbereiteten Beiträge von Duff gefunden, nichts weiteres über die anderen Beiträge oder die Debatte. Weiß da jemand was genaueres?
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Martial00120
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 12:09 Uhr:   

Sie können es wohl nicht lassen! Ich hoffe, sie kriegen wieder eine Klatsche vom Verfassungsgericht.

https://www.spd-europa.de/pressemitteilungen/europawahlrecht-mindestschwelle-kommt-zurueck-2276
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 17:40 Uhr:   

Diesmal wird die Sperrklausel bereits im EP gründlich vorbereitet und mit anderen (durchaus sinnvollen) Vorhaben vermengt, damit es nicht so auffällt. Dann kann die Änderung auf Grundlage der Vorgabe des EP erfolgen, die der Bundestag ebenso wie viele andere umzusetzen hat.

Um ganz sicher zu gehen, dürfte die Sperrklausel auch noch im GG abgesichert werden - empfohlen wurde das ja schon beim letzten Versuch. Eine ausreichende Mehrheit dazu hat diese Regierung und profitieren nicht auch die Oppositions-Fraktionen im Bundestag davon?

Ist das erst mal geschafft und im GG verankert, tut sich das BVerfG schwer, ein entsprechendes Wahlgesetz für verfassungswidrig/ungültig zu erklären. Auch auf kommunaler Ebene kehren die Sperrklauseln zurück (siehe NRW) - da sind die VerfG der Länder gefragt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 18:42 Uhr:   

Ja, es ist schon eine ausgemachte Scheußlichkeit, die bekannten Verfassungsverstöße in die Verfassung zu schreiben.
Ansonsten dürfte es mehr als zweifelhaft sein, wenn das Europaparlament offenbar Beschlüsse verabschiedet, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Übrigens: inwiefern wird denn die Mehrheitsfindung durch Hürdenlosigkeit erschwert? Es wird nicht intensiver koaliert als in früheren EP und im Zweifelsfall finden rote und schwarze zueinander.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 19:17 Uhr:   

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Martial00120
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 20:04 Uhr:   

Also ich finde, Wahlkreise wären in Ordnung, das wäre wenigstens ein gewisser Fortschritt. So machen es die anderen grossen Länder ja auch und der 96-Sitze-Wahlkreis stört eh'. In der Schweiz werden 9 Sitze als Mindestgrösse gefordert.

Bayern wird in jedem Fall ein separater Wahlkreis, hat auch nahezu ideale Grösse. Eine Einteilung die ich vernünftig erachten würde, da mit sozioökonomisch ähnlich strukturierten Ländern, wäre:

Wk. 1 Nordwest, 16 Sitze -> SH, HH, NI, HB
Wk. 2 Nordost, 9 Sitze -> MV, BB, BE
Wk. 3 NRW, 20 Sitze
Wk. 4 Südost, 11 Sitze -> ST, SN, TH
Wk. 5 Südwest, 13 Sitze -> HE, RP, SL
Wk. 6 BY, 15 Sitze
Wk. 7 BW, 13 Sitze
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 20:05 Uhr:   

@RL
Diese Wahlkreise sind aber gruselig geschnitten ;-) Bayern mit Sachsen-Anhalt ... aber meinetwegen, die Dinger hebeln ja den Sperrklauselzwang aus.
Man sollte in den Wahlkreisen nur ca. 80 Sitze vergeben, damit man die Abweichung vom bundesweiten Stimmenverhältnis repariert werden kann. Insbesondere kleineren Gruppierungen droht ja sonst die mehrfache Abrundung auf Null.
Die Sitze von den Wahlkreislisten würden auf die Ansprüche der Bundeslisten angerechnet, wie die Erststimmensitze auf die Landeslisten bei der Bundesstagswahl.

Der Direktwahlakt wurde durch das "Gesetz zu dem Beschluss und Akt des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung" in deutsches Recht integriert. Ein veränderter Direktwahlakt würde ein erneutes Gesetz nötig machen, und dieses müsste natürlich GG-konform sein.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 20:22 Uhr:   

@Martial
Ich würd von jedem Wahlkreis so im Schnitt 2-3 Sitze abziehen, für die Bundesliste, ansonsten ist bei kleinen Parteien die Erfolgswertgleichheit gefährdet.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 20:46 Uhr:   

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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 05. Oktober 2015 - 22:09 Uhr:   

"Für Wahlkreise und für Mitgliedstaaten
mit nur einem Wahlkreis, in denen eine
Listenwahl stattfindet und es mehr als
26 Sitze gibt, legen die Mitgliedstaaten für
die Sitzvergabe eine Schwelle fest, die
nicht weniger als 3 % und nicht mehr als
5 % der in dem Wahlkreis oder in dem
Mitgliedstaat mit nur einem Wahlkreis
abgegebenen Stimmen beträgt."

Die europäische Parlament hat den Text bewusst vage formuliert - so bleibt dem Deutschen Gesetzgeber das Hintertürchen, das BVerfG-Urteil weiterhin wie oben beschrieben zu befolgen.
Andere Wege, die Erfolgswertgleichheit von Stimmen für Parteien unter 5% zu gewährleisten, sehe ich nicht.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 10:46 Uhr:   

@Jan W.

Ja, es ist schon eine ausgemachte Scheußlichkeit, die bekannten Verfassungsverstöße in die Verfassung zu schreiben.

Verfassungen kann man auch ändern. Das ist ein normaler, demokratischer Vorgang.

Im Übrigen verbleibt ein gewisser Widerspruch, wenn das BVerfG einerseits die 5%-Hürde für Kommunalwahlen und Europawahlen für verfassungswidrig erklärt, gleichzeitig aber in ständiger Rechtsprechung den Wechsel zu einem Mehrheitswahlrecht - mit faktisch weit gravierenderer Sperrwirkung - für zulässig hält.

Zudem würdigt diese Rechtsprechung die Bedeutung des Europaparlaments ab - dem das BVerfG damit die Stellung als Parlament im engeren Sinne abspricht und es faktisch einer Kommunalvertretung (Teil der Exekutive) gleichstellt). Mag man verfassungspolitisch noch der Meinung sein, dass man die Kommunalvertretungen als demokratisches Experimentierfeld (ohne Hürde) verwenden kann - mit allen Absonderlichkeiten und parteipolitischen Absonderlichkeiten und Abstrusitäten, die das gerade in größeren Städten zu Folge hat: sektiererische Parteien von ganz links bis ganz rechts.



Ansonsten dürfte es mehr als zweifelhaft sein, wenn das Europaparlament offenbar Beschlüsse verabschiedet, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

An wie viele Verfassungen soll sich das europäische Parlament den orientieren? An alle Verfassungen der 28 Mitgliedstaaten - die sich durchaus auch häufiger in sich selbst und zwischeneinander widersprechen dürfen?
Einziger Maßstab für das EP sind die europäischen Verträge und die Regeln des zwingenden Völkerrechts.

Im Übrigen: Der Verfassungsgesetzgeber in Deutschlang hat sich bei der Verabschiedung des Grundgesetzes auch nicht um die Landesverfassungen geschert. Mehrere Landesverfassungen sahen etwa ausdrücklich die Todesstrafe vor (heute noch die Verfassung des Landes Hessen). Das Grundgesetz schrieb in Art. 102 GG die Abschaffung vor. Es gilt: "Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG) ("Geltungsvorrang").

Faktisch das gleiche gilt im Bereich des Europarechts: Entgegenstehendes nationales Recht wird zwar nicht ungültig, bleibt aber unangewendet. Es gilt der "Anwendungsvorrang des Europarechts".
Das ist zwar nicht das gleiche wie der Geltungsvorrang, hat aber - jedenfalls solange entgegenstehendes Europarecht besteht - die selbe Wirkung. Dies gilt unstreitig auch in Bezug auf nationales Verfassungsrecht. Es kann auch gar nicht anders sein, da ansonsten jeder Mitgliedstaat sich europarechtlichen Verpflichtungen selektiv entziehen könnte, indem er einfach seine Verfassung ändert.

Das deutsche Grundgesetz erkennt diesen Vorrang selbst gegenüber dem Grundgesetz explizit an (vgl. Artikel 23 GG), indem dieser Artikel festschreibt, dass das Grundgesetz selbst nicht Prüfungsmaßstab für Rechtsakte der EU ist. Die Rechtsprechung des BVerfG erkennt seit der Solange II-Entscheidung im Übrigen an, dass das BVerfG selbst keine Rechtsprechungskompetenz für europarechtliche Fragen hat, solange der EuGH diese Funktion (ordentlich) wahrnimmt (eigentlich hat das BVerfG gar keine Kompetenz mehr, solange Deutschland Mitglied der EU ist, es scheute sich nur, dies einzuräumen).


Die Souveränität der Mitgliedstaaten beschränkt sich darauf aus der EU austreten zu können, nicht aber die EU durch selektive Rechtsanwendung von innen auszuhöhlen.

Im Übrigen können die Mitgliedstaaten natürlich den EuGH anrufen um feststellen zu lassen, dass ein Rechtsakt nichtig ist, weil er gegen die EU-Verträge verstößt, z.B. weil die EU nach den Verträgen gar keine Kompetenz zur Regelung der entsprechenden Frage hat (Verstoß gegen das Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung).

Mir ist allerdings nicht ersichtlich wieso die EU keine Kompetenz zur Regelung der Wahl des EU-Parlaments haben sollte. Im Gegenteil, Artikel 223 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) schreibt dies sogar vor.


Sollte die EU hingegen versuchen konkrete Vorgaben für nationale Wahlen zu erlassen, sähe es hingegen anders aus. Hierfür hat sie in der Tat keine Kompetenz. Nur das tut sie auch nicht.
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Martial00120
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 11:47 Uhr:   

Na, die "Herabwürdigung" des EU-Parlaments erlaubt es ja auch eigentlich, den Verstoss gegen die Wahlrechtsgleichheit hinzunehmen, ein Mindestkontingent von 6 Sitzen mal ausgenommen. Wie man das logisch zusammenbringen kann, dass die 3%-Hürde zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit notwendig sei, aber die Handlungsfähigkeit nicht hinterlegt sein müsse, mit proportionalen Sitzkontigenten, ist mir schleierhaft! Das Urteil des BVerfG zur deutschen Umsetzung ist in jedem Fall spannend.

Ausser es werden Wahlkreise in D gebildet. Das fände ich voll o.k. und sogar erstrebenswert.

Man könnte auch Direktmandate einführen, um Überhangmandate zu vermeiden, aber nur 32, die sich aber an die Ländergrenzen halten. Das wäre dann:
7 für NRW, 5 für BY, 4 für BW, 2 für NI, HE, SN -> 1 für den Rest. Unterschiedliche Direktwahlkreisgrössen könnte man dann hinnehmen aus föderalistischen Gründen, zumal es ja einen Verhältnisausgleich gibt.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 12:33 Uhr:   

@Martial,

die Wahlrechtsgleichheit ist kein Kriterium für die Wahlen zum Europäischen Parlament. Art. 14 Absatz 3 des Vertrages der Europäischen Union spricht von "allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl" des Europäischen Parlaments.
Der Grundsatz der Wahlgleichheit existiert auf europäischer Ebene nicht. Das ist ohne Zweifel ein demokratisches Defizit, aber es ist nunmal geltende Rechtslage.

Nationales Verfassungsrecht stellt, wie bereits ausgeführt, kein Maßstab für europäische Institutionen dar.

Zutreffend ist, dass sofern und soweit der Dirketwahlakt Umsetzungsspielraum gewährt der deutsche Gesetzgeber gehalten ist sich an den Vorgaben des BVerfG auszurichten. Allerdings nur insofern und insoweit. Das Europarecht selbst darf das BVerfG nicht überprüfen. Dafür hat es keine Kompetenz, da es höherrangig ist als das deutsche Recht.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 16:16 Uhr:   

@Marc
Danke für die Fundstelle im Artikel 223 AEUV ;)
"Diese Bestimmungen treten nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft. "

Die Ratifikation erfolgt in Deutschland durch ein Gesetz des Bundestages - und das ist natürlich überprüfbar.

Übrigens verstehe ich immer noch nicht, warum Ein-Sitz-Parteien bei deutschen Mandaten verhindernswert sind, bei luxemburgischen aber nicht.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 17:59 Uhr:   

@Jan W.,

Artikel 23 GG legt allerdings eindeutig fest, dass die Bestimmungen des Grundgesetzes nicht Maßstab für europarechtliche Gesetzgebung ist (auch wenn, wie hier, auf Grund eines besonderen Verfahrens die Zustimmung der nationalen Parlamente erforderlich ist, ist), sondern nur ein "im wesentlichen vergleichbarer Grundrechtsschutz". Dieser wird durch die europäischen Verträge und durch die Gewährleistung von "allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl" des Europäischen Parlaments gewährleistet. Der Grundsatz der gleichen Wahl gilt im Europarecht nicht.

Insofern ist wegen Artikel 23 Grundgesetz die Bundesrepublik Deutschland nicht daran gehindert einem Direktwahlakt als einer Verordnung (d.h. einem unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsakt) der Europäischen Union zuzustimmen, der von im Europarecht nicht geltenden nationalen Wahlrechtsgrundsätzen abweicht.

Soweit der Europäische Rechtsakt reicht unterliegt dieser auch nicht der Prüfungskompetenz des BVerfG, sondern allein des EuGH.

Nur sofern ein weiteres nationales Umsetzungsgesetz erforderlich ist - und nur soweit das Europarecht Spielraum läßt - ist noch eine Überprüfung durch das BVerfG am Maßstab des Grundgesetzes möglich.

Konkret bezogen auf diesen Fall: Sofern im Wege der Verordnung festgelegt wird, dass die Mitgliedstaaten zur Einführung einer Hürde von 3-5 % verpflichtet sind, kann das BVerfG allenfalls unter Bezugnahme auf seiner bisherige Rechtsprechung zur Europawahl verfügen, dass die 5%-Hürde verfassungswidrig für Europawahlen sei und die europarechtlich niedrigste zulässige Hürde (nach dem Entwurf des Direktwahlaktes 3 %) festgelegt werden müsse. Sofern die Aufteilung in mehrere Wahlgebiete erlaubt sein sollte (was ich der hier verlinkte Pressemitteilung allerdings nicht entnehmen kann) kann es das natürlich auch anordnen, auch wenn das m.E. nicht sehr wahrscheinlich wäre. Denn durch die Aufteilung des Wahlgebiets in mehrere Wahlkreise entstehen entsprechende faktische Hürden in den Wahlgebieten und damit eine faktische Klausel von zumindest nahezu 3 %. In dem Fall spräche dann mehr dafür, dass das BVerfG die Frage ob es ein Wahlgebiet mit 3%-Klausel oder mehrere Wahlgebiete mit nahezu der selben Klausel geben soll dem Gesetzgeber überlässt.

Die Wahlen zum Europaparlament finden nach wie vor in der Realität als "nationale" Wahlen in den Staaten statt, so dass jeder Staat (mindestens) einen Wahlkreis bildet. Insofern sollen die jeweiligen Länderkontingente die politische Vielfalt des jeweiligen Landes widerspiegeln. Das ist im übrigen mit ein Grund dafür, dass auch kleine Länder mit mindestens 6 Abgeordneten vertreten sein müssen (rein bevölkerungsmäßig stünde Luxemburg ja noch nicht einmal 1 Abgeordneter zu). Bei 6 Mandaten besteht im Übrigen eine faktisch deutlich über 5 % liegende natürliche Sperrklausel.

Die politische Unterschiedlichkeit der Staaten rechtfertigt eine Teilung in entsprechende verschiedene Wahlgebiete und die Geltung von Sperrklauseln jeweils für die einzelnen Wahlgebiete und nicht für die EU insgesamt (schon mangels ausdifferenzierter europäischen Parteien (Zusammenschlüsse zu Fraktionen machen mehrere Parteien noch nicht zu einer, wir kennen dies ja durchaus auch von CDU und CSU in Deutschland)).

Die Trennung in verschiedene, auch verschieden große Wahlgebiete, ist auch keine Besonderheit der EU. Sie galt und gilt auch für nationale Wahlen. In Deutschlang galt etwa die 5%-Hürde bei der Bundestagswahl 1949 getrennt für jedes Bundesland (auch wenn dies für Bremen und Hamburg faktisch keine Relevanz hatte) und 1990 bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl getrennt für die alten Bundesländer und das Beitrittsgebiet.

M.E. nach wird es auch perspektivisch nicht zur Bildung eines europäischen Bundesstaates kommen. Aber sollte dies doch einmal der Fall sein, wäre es folgerichtig ein vollständig vereinheitlichten Wahlsystem für diese Wahl einzuführen, für das aus demokratietheoretischen Gründen auch der Grundsatz der Gleichheit der Wahl gelten sollte. Das ist nämlich das größte demokratische Defizit hinsichtlich er Wahl des europäischen Parlaments und nicht die Frage, ob es eine einheitliche Hürde oder Hürden getrennt nach Wahlkreisen gibt. Dieses Defizit ist eigentlich nur hinnehmbar, solange die Europäische Union ein multinationales Gebilde bleibt und die Rolle des Europäischen Parlaments auf das eines (wenn auch mächtigen) multinationalen Gremiums ohne Kompetenz-Kompetenz beschränkt bleibt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 18:45 Uhr:   

@Marc
Das Europawahlgesetz ist natürlich deutsches Recht.
Was die Pressemitteilung nicht verrät, kann man der geplanten neuen Fassung des Direktwahlakts entnehmen.
"Für Wahlkreise und für Mitgliedstaaten
mit nur einem Wahlkreis, in denen eine
Listenwahl stattfindet und es mehr als
26 Sitze gibt, legen die Mitgliedstaaten für
die Sitzvergabe eine Schwelle fest, die
nicht weniger als 3 % und nicht mehr als
5 % der in dem Wahlkreis oder in dem
Mitgliedstaat mit nur einem Wahlkreis
abgegebenen Stimmen beträgt."
Das Hintertürchen besteht darin, dass kein Wahlkreis 26 Sitze vergibt (hebelt die Sperrklauselpflicht aus), und die ärgerliche faktische Sperrklausel dadurch ausgehebelt wird, dass man die Verzerrungseffekte durch zurückgehaltene Sitze ausgleicht, die an eine Bundesliste vergeben werden.
Es nicht zu nutzen, würde dem BVerfG-Urteil widersprechen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 18:57 Uhr:   

@Jan W.,

der Direktwahlakt ist eine EU-Verordnung, die nach einem besonderen Verfahren verabschiedet wird.

Das Europawahlgesetz, das in der Tat ein deutsches Gesetz ist, muss sich an die Vorgaben des Direktwahlaktes strikt halten.

Ihr Vorschlag läuft der Einteilung in verschiedene Wahlkreise - was nach Lage der Dinge mindestens 4 in Deutschland sein müssten um unter 26 Sitzen pro Wahlkreis zu verbleiben zuwider, wenn diese Einteilung durch die Vergabe von Mandaten außerhalb der Wahlkreise unterlaufen werden könnte. Insofern dürfte er mit dem Direktwahlakt - so wie er angedacht ist - nicht zu vereinbaren sein. Derzeit befindet sich der Vorschlag noch im Diskussionsstadium. Aber ich treue dem europäischen Parlament schon zu am Ende einen halbwegs ausgegorenen Entwurf vorzulegen, der sich nicht so leicht unterlaufen lässt. Dieser könnte so aussehen, dass die Länder entweder einen Wahlkreis mit Sperrklausel bilden oder mehrere Wahlkreise mit faktisch ähnlicher Sperrklausel. Eine Mischung (etwa über Ausgleichsmandate, etc.) wäre in so einem Modell ausgeschlossen, da dieses der Verpflichtung zu Einführung einer Sperrklausel zuwiderliefe.

Und in dem Fall stünde der nationale Gesetzgeber eben nur vor der Wahl zwischen einem Wahlgebiet mit Sperrklausel und mehreren getrennten Wahlgebieten mit entsprechender faktischer Sperrklausel. Und diese Wahl würde das BVerfG dann wohl dem einfache Gesetzgeber überlassen müssen.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 19:20 Uhr:   

Sie haben richtig erkannt, dass Karlsruhe im Zusammenhang mit Brüssel leider immer ein wenig kastriert ist - dieses Problem löst man aber nicht, indem man Brüssel ein schärferes Skalpell in die Hand drückt, um zwischen den Karlruher Beinen einen noch größeren Schaden anzurichten.
Karlsruhe hat im Europa-Wahlrechtsurteil doch eindeutig festgestellt, was dem EP zum Vollparlament fehlt - hier muss reparierend angesetzt werden.

Das wird übrigens nur akzeptiert, wenn die Europäer künftig minder irre wählen. Die Idee, irgendwelche Le Pens und Tsiprasse könnten künftig größeren Einfluss auf unser Leben haben, ist doch eher abschreckend.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Oktober 2015 - 20:39 Uhr:   

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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Oktober 2015 - 01:28 Uhr:   

@Jan W.,

nun, im europäischen Parlament haben derartige von Ihnen angesprochene Parteien einen eher geringen Einfluss (auch ohne Sperrklausel, erst recht wäre das aber mit Sperrklausel der Fall). Das Europäische Parlament wird von Sozialisten und Christdemokraten doch deutlich dominiert.
Umgekehrt können derartige Parteien wohl eher größeren Einfluss ausüben, wenn sie in einem europäischen Land eine Regierung stellen, als wenn sie eine kleine Opposition in EU-Parlament stellen würden. Dies würde insbesondere dann gelten, sofern sie in einem größeren Land an die Regierung kommen sollte (etwa Frankreich). Das könnte dann durchaus die Existenz der EU selbst in Frage stellen. Kleine Staaten wie Griechenland habe hingegen - trotz ihres nicht unerheblichen Störrpotenzials - nicht genug politische und wirtschaftliche Macht wirklich den Rest der EU vor sich herzutreiben, wie die Entwicklung dieses Jahr letztlich doch gezeigt hat.

Genauso wenig wie etwa bestimmte Ausreißerwahlergebnisse in Ostdeutschland - sei es der Linkspartei oder der NPD - die Politik in Deutschland maßgeblich ins Trudeln bringen können. Dafür sind dann die entsprechenden Bundesländer im Gefüge des Gesamtstaats nicht bedeutend genug.



@Ratinger Linke,

das Haushaltsrecht ist kein Teil der Gesetzgebung im materiellen Sinne (Regelungen die abstrakt-generell für alle gelten). Vielmehr ist das Haushaltsrecht ein organisationsrechtliche Vorgabe für die Mittelverwendung durch die Exekutive. Es ist nur Teil der Gesetzgebung, weil verfassungsrechtlich die Exekutive verpflichtet ist, die parlamenatrische Zustimmung zur Mittelverwendung einzuholen. Es handelt sich daher beim Haushaltsgesetz nur um ein Gesetz im formellen Sinne (nicht im materiellen Sinne). Jenseits dieses - zugegebenermaßen erstmal nur dogmatischen - Unterschieds, bestehen auch praktische Unterschiede zu den übrigen Gesetzen. So hat der Bundestag (und wohl auch die Kommunalvertretungen (ich habe das jetzt allerdings nicht für alle Bundesländer geprüft)) kein Initiativrecht hinsichtlich des Haushaltsplans. Dieser liegt bei der Bundesregierung, die auch etwaigen Erhöhungen der Ausgaben durch den Bundestag zustimmen muss (Art. 113 GG). Das Haushaltsrecht liegt also nicht allein beim Bundestag - anders als die (übrige) Gesetzgebung, für die der Bundestag auch ein Initiativrecht hat - sondern ist Bundesregierung und Bundestag zur gesamten Hand anvertraut.

Die Wahlrechtsgleichheit im Sinne des Grundgesetzes gilt als Kriterium für die Wahlen zum Europäischen Parlament nur insofern und insoweit als das europäische Recht dem deutschen Gesetzgeber Spielräume bei der Ausgestaltung des Wahlverfahrens überläßt. Anderenfalls gilt es nicht (und zwar gar nicht, weil auf europäischer Ebenen dieser Grundsatz schlicht und egreifend normativ inexistent ist).

Der Direktwahlakt ist gemäß Art. 223 AEUV eine Verordnung, die nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren (Einstimmmigkeit im Rat, Zustimmung durch nationale Parlamente) verabschiedet wird. Das ändert aber nichts an der Rechtsnatur dieses Aktes - nämlich dem einer EU-Verordnung. Er ist damit Teil des europäischen Sekundärrechts. Prüfungsmaßstab für dessen Zulässigkeit ist daher ausschließlich das europäische Primärrecht (die Verträge) und ggf. zwingende Vorschriften des Völkerrechts (in diesem Fall aber nicht relevant).

Kurzum: Der Dirketwahlakt ist nicht durch das BVerfG überprüfbar, da er Teil des europäischen Rechts ist und über den nationalen Recht (inklusive den Verfassungsrecht) steht.

Der Direktwahlakt ist als Verodnung unmittelbar geltendes europäisches Recht und geht nationalen Regelungen in der Anwendung vor. Sofern dieser künftig eine Sperrhürde von 3-5 % vorschreibt geht diese Regelung deutschem Recht, inklusive dem deutschen Verfassungsrecht vor.

Ob das BVerfG eine Hürde für nach Maßstäben des deutschen Rechts für verfassungswidrig hält ist dann irrelevant, da diese Frage dann durch europäisches Recht beantwortet ist, dass dem Grundgesetz in der Anwendung vorgeht. Ledilgich soweit der Direktwahlakt Ausführungsspielräume läßt, kann das Bundesverfasssungsgericht die Ausfüllung dieser Spielräume durch den deutschen Gesetzgeber anhand seines Maßstabs überprüfen.

Denkbar wäre also - wie ausgeführt - dass es verlangt die Hürde so niedrig wie europarechtlich zulässig anzusetzen (also bei 3 %). Ob es die Aufteilung in verschiedene Wahlgebiete vorschreiben würde halte ich für zweifelhaft, da auch in diesem Fall eine vergleichbar Hohe Hürde entsteht (jedenfalls mehr 2% im ungünstigen Fall) und zudem die Einteilung in verschiedene Wahlkreise selbst verzerrende Wirkung haben könnte - etwa bei unterschiedlicher Wahlbeteiligung aber fester Sitzzuordnung, jeweils denkbarer möglicher Abrundung zuungunsten einer Partei oder Aufrundung zugunsten einer anderen, etc.. Insbesondere angesichts des Umstandes, dass in Deutschland die Parteienlandschaft (mit Ausnahme der CSU) bundesweit organisiert ist und eben nicht vier "verschiedene Länder" politisch in Deutschland bestehen, wäre das gar nicht mal besonders unwahrscheinlich.

Die Postulierung europäischer Parteien und die Etablierung einer offiziellen Rolle dürfte jedenfalls solange kaum eine realpolitische Auswirkung haben, solange das europäische Projekt weiter als reines Elitenprojekt vor sich hindümpelt und der institutionelle Rahmen insgesamt im Modus des Vertrags von Lissabon verbleibt. Und das dürfte auf längere Sicht der Fall sein, da Vertragsänderungen angesichts von 28 Staaten und dem Erfordernis der Einstimmigkeit schwierig durchsetzbar sind und daher die EU und die EU-Staaten alles versuchen werden im Rahmen des gegenwärtigen Vertragswerks (inklusive rechtspolitisch problematischen Interpretationen/Überdehnungen der vertraglichen Grundlagen) zu arbeiten.

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