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Archiv bis 03. Oktober 2013

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Europawahl in Deutschland / Europawahlen in den EU-Mitgliedstaaten » 3%-Klausel » Archiv bis 03. Oktober 2013 « Zurück Weiter »

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Jan W.
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Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2013 - 23:59 Uhr:   

Also theoretisch kann er es auch dem Nachfolger nicht unterschrieben auf dem Schreibtisch liegen lassen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 00:20 Uhr:   

Eine Klage ist übrigens schon anhängig. Die NPD hat Organklage gegen den Bundestag erhoben und angekündigt, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nachzuschieben, falls der Bundespräsident ausfertigt. Vielleicht wartet der ja auf das Urteil (irgendwann Ende 2014). Aber wenn der Bundespräsident nicht ausfertigt, sieht vielleicht das Bundesverfassungsgericht keinen Handlungsbedarf, bevor nicht der Bundestag gegen den Bundespräsidenten klagt. Das werden sie sich aber zu dem Zeitpunkt nicht trauen.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 00:55 Uhr:   

@Ratinger Linke:
Offensichtlich verfassungswidrig ist es - wie oben ausführlich diskutiert- gerade nicht, wenn auch (m.E.) "sehr wahrscheinlich" verfassungswidrig. Wenn Gauck ernsthaft deswegen zögern würde, würde ich das sogar begrüßen, aber davon hätte man sicher in den Medien erfahren. Und er hat ja auch das neue Bundestagswahlrecht trotz gewissem NSG unterzeichnet.

@Jan W.:
"Also theoretisch kann er es auch dem Nachfolger nicht unterschrieben auf dem Schreibtisch liegen lassen."
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das i.A. zulässig ist, sonst hätte der Präsident ja (wie der US-Präsident) ein rein politisches Vetorecht gegen alle neuen Gesetze. In der Praxis sollte es doch einen maximalen Zeitraum dafür geben, solange der Präsident nicht öffentlich Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit anmeldet.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 00:58 Uhr:   

PS:
Wurde eigentlich der Änderungsantrag der Grünen angenommen? Ich vermute nicht, habe dazu aber nie Näheres gelesen...
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 01:05 Uhr:   

http://de.wikipedia.org/wiki/Bundespr%C3%A4sident_%28Deutschland%29#Unterzeichnung_und_Pr.C3.BCfung_von_Gesetzen

Also das sind die bisherigen Fälle - und Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der 3%-Klausel kann man schon bekommen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 03:00 Uhr:   

Das Liegenlassen kann man notfalls mittels Organklage beenden. Eine feste Bearbeitungszeit ist unnötig; wenn der Bundespräsident meint, prüfen zu müssen oder zu dürfen, muss man gegebenenfalls auch die nötige Zeit für Gutachten oder dergleichen abwarten. Und das erste Gutachten klärt eventuell bloß, ob er Zweifel hat oder nicht, wobei im ersten Fall noch nichts entschieden ist.

PS: Das Bundeswahlgesetz war sicher weniger offensichtlich als die Sperrklausel, wo das Bundesverfassungsgericht grad erst unmissverständlich 0 gesagt hat, und sie schreiben 3 rein, ohne dass sich sonstwas geändert hätte. Wobei das ein Bundespräsident natürlich nicht so direkt sagen kann.


(Beitrag nachträglich am 26., September. 2013 von rli editiert)
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 14:26 Uhr:   

@Jan W.:
Z.B. im letzten solchen Fall (Dez. 2006) hat Köhler das Gesetz dann aber innerhalb von 2 1/2 Monaten abgelehnt (und m.W. seine Zweifel schon vorher bekanntgemacht), das hat Gauck hier ja gerade nicht. Eine ernsthafte Überprüfung seitens des BP würde ich wie gesagt ja begrüßen, aber hier habe ich eher den Eindruck, man wollte (wie beim Bundeswahlgesetz) die Frist für eine mögliche reguläre Klage vor der Europawahl möglichst kurz halten. Da die Wahlvorbereitungen der kleinen Parteien schon lange laufen, wäre hier wirklich Eile geboten, um Rechtssicherheit zu schaffen.

@Ratinger Linke:
Wenn es offensichtlich wäre, bräuchte Gauck sicher keine 3 Monate, um das festzustellen. Tatsächlich hat nicht "das Bundesverfassungsgericht", sondern nur 4 der 8 Richter "unmissverständlich 0" gesagt (und sich und dem Gesetzgeber eine große Hintertür bei "veränderten Verhältnissen" offengehalten).
Und auch beim Bundeswahlgesetz hatte das Gericht NSG "unmissverständlich" ausgeschlossen (und klare Verständlichkeit angemahnt, die offensichtlich jetzt erst recht nicht mehr gegeben ist).
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 16:30 Uhr:   

@ Holger81

Aber im Endeffekt war es dann ja doch wieder das Bundesverfassungsgericht. Es kann doch nicht sein, dass das BVerfG bei unveränderter Ausgangslage mal so, mal so entscheidet. Sonst könnte man ja so lange Klagen einreichen, bis einem das Ergebnis mal passt.
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Hanseat
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 17:50 Uhr:   

@ Migan:

Der Tenor hat nur die 5-%-Hürde für verfassungswidrig erklärt, etwas Anderes war ja auch nicht Gegenstand des Verfahrens. In der Begründung haben vier der acht Richter sich auf den Standpunkt gestellt, jegliche Hürde wäre verfassungswidrig. Die übrigen vier Richter haben sich (teilweise konsequenterweise, weil sie bereits die 5-%-Hürde für verfassungsgemäß hielten) zur Frage, ob statt der 5-%-Hürde nicht eventuell eine geringere Hürde verfassungsgemäß sein könnte, nicht geäußert. Es gibt also bisher keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, ob eine 3-%-Hürde bei Europawahlen verfassungsgemäß ist oder nicht.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 18:48 Uhr:   

"Es kann doch nicht sein, dass das BVerfG bei unveränderter Ausgangslage mal so, mal so entscheidet. Sonst könnte man ja so lange Klagen einreichen, bis einem das Ergebnis mal passt."

Genau das ist aber 2011 passiert, dass das BVerfG seine alte (zustimmende) Rechtsprechung zur 5%-Hürde auf den Kopf gestellt hat, obwohl eine Sperrklausel wenn, dann heute aufgrund der höheren Macht des EP viel eher gerechtfertigt wäre als vor 30 Jahren. Und wie Hanseat ausgeführt hat, wurde die aktuelle Urteilsbegründung genausowenig von einer Gerichtsmehrheit getragen wie das Sondervotum, das sogar die 5%-Hürde erlauben wollte. Für die Bewertung der 3%-Hürde ist also die (unbekannte) Meinung des "unbegründet" zustimmenden Richter entscheidend, sowie die der zwei neuen Richter (Nachfolger der Sondervoter). Ein 4:4-Patt für die 3%-Hürde ist also genauso gut möglich wie ein 7:1 dagegen.

(Außerdem argumentiert der Bundestag ja auch noch, wenn auch m.E. eher schwach, mit einer "veränderten Ausgangslage" durch die EP-Entschließung für Sperrklauseln und die beabsichtigte "Direktwahl" des Kommissionspräsidenten über die Europawahl.)
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2013 - 21:41 Uhr:   

Mir ist auch schleierhaft, wie man die 5%-Hürde für verfassungswidrig halten kann eine etwaige 3%-Hürde aber für verfassungsgemäß. Die Logik der damaligen Entscheidung war, dass eine Hürde nicht verfassungsgemäß sei, da die Rechtfertigung für eine Sperrklausel - Arbeitsfähigkeit des Parlaments, Regierungsbildung, etc. - für das Europaparlament letzlich genauso wenig relevant sei, wie für Kommunalvertretungen. Genau wie diese sei das Europaparlament kein Parlament im eigentlichen Sinne.

Man mag dieses Urteil kritisch sehen. Ich habe das damals hier auch sehr kritisch kommentiert. Aber in der Logik der damaligen Entscheidung wäre es auch eine 3%-Hürde für verfassungswidrig zu erklären. Etwas anderes würde nur dann gelten, falls der Verfassungsgesetzgeber eine Sperrklausel im Grundgesetz für Europawahlen direkt verankert (etwa in Art. 23 GG) oder in diesem Artikel zumindest eine Ermächtigung für den Gesetzgeber für eine Sperrklausel bis zu 3% aufnimmt.

Dann hätte die Sperrklausel bzw. die Ermächtigung zum Erlass einer Sperrklausel Verfassungsrang und eine solche Klausel könnte dann nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg als unvereinbar mit dem Grundgesetz angesehen werden.

Dies ist aber bislang nicht geschehen. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass in den anstehenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD eine solche Grundgesetzänderung beschlossen wird um die 3%-Klausel wasserdicht zu machen.

Das ist bei der jetzigen Regelung nicht der Fall. Die besseren Argumente sprechen dafür sie für verfassungswidrig zu halten.
Sofern das BVerfG anders zur 3%-Hürde als zur 5%-Hürde judizieren sollte, müsste es sich den Vorwurf der Inkosequenz und Inkohärenz gefallen lassen.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2013 - 10:35 Uhr:   

@ Holger 81:
Soweit ich weiß, enthielt der Richterspruch aus dem Jahre 1979 aber eine Art "Überprüfungsklausel" - heißt: 5% ist in Ordnung, es muss aber in Zukunft geprüft werden, ob sie überhaupt erforderlich sein wird. Von daher hat sich das BVerG ja nicht selbst widersprochen.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2013 - 14:31 Uhr:   

@Migan:
Das 1979er Urteil sah das Europawahlgesetz (im Nachhinein fälschlich) als ein "Übergangsgesetz, das lediglich bis zur Verabschiedung eines einheitlichen Wahlgesetzes für die Europäischen Gemeinschaften in Kraft bleiben soll", sah aber m.W. keine spätere neue Überprüfung des Gesetzes selbst vor.
Hingegen behält sich das 2011er Urteil wie gesagt die Möglichkeit einer anderen Bewertung bei "veränderten Verhältnissen" vor.

@Marc K.:
Ich denke, keiner hier hält die 3%-Hürde für sicher verfassungsgemäß; ich denke auch, dass sie wahrscheinlich gekippt wird (die Frage ist nur, ob vor oder nach der Wahl). Ich sehe nur nicht, dass sie so "offensichtlich" verfassungswidrig wäre, dass der BP das Gesetz nicht unterzeichnen würde. Immerhin haben 90% der Bundestagsabgeordneten und die meisten Gutachter sie trotz des BVerfG-Urteils für zulässig angesehen. Und die "Logik der damaligen Entscheidung" wurde halt nur von 4 der 8 Richter getragen.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2013 - 20:05 Uhr:   

@Holger81,

die 5%-Hürde bei den Europawahlen war genauso wenig offensichtlich verfassungswidrig. Im Ergebnis liegt das nur an einer - wenn auch fragwürdigen - Auslegung des Bundesverfassungsgerichts. Das man das Europaparlament mehr mit einer Kommunalvertretung als mit einem Landtag oder den Bundestag für vergleichbar hält ist eine fragwürdige Position.
Aber wenn man dies schon tut, kann man eine Hürde nicht für verfassungsgemäß halten.
Richtig ist allerdings, dass theoretisch das Bundesverfassungsgericht das Europaparlament diesmal anders einordnen könnte - wie das das damalige Minderheitsvotum tat. Eine solche Kehrtwende halte ich zwar für unwahrscheinlich, aber sie ist denkbar. Andere Verhältnisse im Sinne des Urteils des Jahres 2011 gibt allerdings nicht - den die eurpäischen Verträge wurden nicht geändert.

Der Bundespräsident sollte daher ohne Zögern das Gesetz unterzeichnen, auf Bedenken hinweisen und damit eine zügige verfassungsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 28. September 2013 - 17:33 Uhr:   

"Andere Verhältnisse im Sinne des Urteils des Jahres 2011 gibt allerdings nicht - den die eurpäischen Verträge wurden nicht geändert."
Die Urteilsbegründung bezieht sich explizit nicht nur auf die rechtlichen, sondern auch auf die "tatsächlichen" Verhältnisse.


"Der Bundespräsident sollte daher ohne Zögern das Gesetz unterzeichnen, auf Bedenken hinweisen und damit eine zügige verfassungsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen."
Das hoffe ich ja auch, daher meine Frage nach einer zeitlichen Beschränkung für den Bundespräsidenten. Wenn es wirklich keine rechtliche Beschränkung gibt, sollte es doch wenigstens Erfahrungswerte geben, wie lange er sich üblicherweise Zeit lässt.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. September 2013 - 18:00 Uhr:   

@Holger81:
"Die Urteilsbegründung bezieht sich explizit nicht nur auf die rechtlichen, sondern auch auf die "tatsächlichen" Verhältnisse."

Wahl war seitdem aber auch keine. Bloß das EP hat mal kurz gerülpst.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 28. September 2013 - 19:15 Uhr:   

Etwas mehr Respekt vor der EP-Entschließung hielte ich schon für angebracht.

Und es gab seitdem immerhin eine Bundestagswahl mit einer neuen Rekordzahl an Parteien über 3%, und einer neuen Rekordzahl an Parteien über der natürlichen EP-Sperrklausel von 0,5%, seit 1953. (Und das war auch schon beim Gesetzbeschluss absehbar, nicht aber 2011.)
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. September 2013 - 20:21 Uhr:   

@Holger,

wieso dann keine 5%-Hürde?
Und wieso sollte eine unverbindliche Entschließung des Europaparlaments für das Bundesverfassungsgericht eine Bedeutung für die Auslegung des Grundgesetzes haben?
Der deutsche Gesetzgeber wäre natürlich berechtigt eine Sperrklausel einzuführen - wenn diese entweder direkt oder eine entsprechende Ermächtigung in Art. 23 GG aufgenommen würde.
Das das Europäische Parlament rechtlich - oder auch nur tatsächlich - eine andere Bedeutung hat als zur Entscheidung 2011 kann man auch nicht sagen.
Es gibt gute Gründe die Entscheidung von 2011 zu kritisieren. Aber ein Meinungswechsel des Bundesverfasungsgerichts ließe sich nicht unter Verweis auf geänderte Verhältnisse kaschieren - denn eine solche Veränderung gab es nicht.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 29. September 2013 - 19:28 Uhr:   

"wieso dann keine 5%-Hürde? "
Die stand ja (zum Glück) gar nicht zur Diskussion im Bundestag.

Für eine Drei-Prozenthürde wäre, anders als für 5%, gerade kein "Meinungswechsel des Bundesverfasungsgerichts" nötig (da nur 4 Richter sich gegen jede Hürde aussprachen). "Veränderte Verhältnisse" sind hier nur ein zusätzliches (schwaches) Argument für diese 4 Richter.

Außerdem hat die Bundestagswahl keinerlei Argument für 5% gegenüber 3% gegeben (die Anzahl der >5%-Parteien ist sogar gesunken). Im Gegenteil fordert ja jetzt ein ehemaliger Verfassungsgerichtspräsident, aufgrund umgekehrt "veränderter Verhältnisse" die Hürde auch bei Bundestagswahlen auf 3% zu senken (wobei er diese Hürde übrigens für die Europawahl als Faktum annimmt, sie also anscheinend für verfassungsgemäß hält).
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 03. Oktober 2013 - 13:42 Uhr:   

@Holger,

es sind folgende Konstellationen denkbar.

1. Das BVerfG erklärt die 3%-Hürde für verfassungswidrig. Ob diese Entscheidung mit 5-3 oder 8-0 ergeht ist hierfür belanglos, da eine Mehrheitsentscheidung ausreichend ist (§ 15 IV 2 BVerfGG).

2. Das BVerfG erklärt die 3%-Hürde für verfassungsgemäß und weist daher Verfassungsbeschwerden gegen sie zurück. Auch hierfür wären mindestens 5 Richter erforderlich (Mehrheitsentscheidung: § 15 IV 2 BVerfGG).

3. Es kommt zu einer 4-4-Entscheidung. In diesem Fall regelt § 15 IV 3 BVerfGG folgendes: "Bei Stimmengleichheit kan ein Verstoß gegen das Grundgesetz nicht festgestellt werden."
D.h. in dem Fall fände die Regelung Anwendung. Rein technisch wird sie also so behandelt, als hätte das BVerfG sie für verfassungsgemäß erklärt. Formal-juristisch ist das jedoch nicht der Fall. § 15 IV 3 BVerfGG regelt gerade denn Fall, dass das BVerfG nicht zu einer Mehrheitsentscheidung in der Lage ist.

In den Entscheidungsgründen des BVerfG zur 5%-Hürde bei der Europawahl wurde ausdrücklich darauf abgestellt, dass das Europaparlament kein Parlament im engeren Sinne sei - nicht vergleichbar mit dem Bundestag oder den Länderparlamenten, sondern eher mit Kommunalvertretungen. Diese - wenn auch zweifelhafte - Ansicht ist in den Urteilsgründen niedergelegt. Und 4 der 5 Richter haben aus diesen Gründen das Urteil so getroffen. Diese Gründe sprechen aber gegen jedwede Hürde - wie eben bei Kommunalvertretungen. Diese Position ist in sich kohärent.

Drei Richter haben widersprochen. Sie sehen das Europaparlament doch mehr als mit dem Bundestag und den Landtagen vergleichbar an und halten daher - mit der ständigen Rechtsprechung des BVerfG - eine Sperrklausel bis zu 5% für verfassungsgemäß. Auch diese Position ist in sich kohärent.

Welche Gründe den fünften Richter dazu bewogen haben, die 5%-Hürde bei den Europawahlen für verfassungswidrig zu halten, wissen wir nicht. Hält er die 5%-Hürde vielleicht generell für verfassungswidrig? Hält er nur niedrigere Hürden für verfassungsgemäß? Oder sieht er das Europaparlament zwischen Kommunalvertretung und Parlamenten im engeren Sinne (Bundestag und Landtage) und hält daher nur eine niedrigere Sperrklausel für angemessen? Oder hielte er auch bei Kommunalvertretungen eine Sperrklausel von z.B. 3% für zulässig? Wir wissen es nicht. Weder wissen wir welcher Richter aus abweichenden Gründen zu dieser Entscheidung kam, noch wissen wir aus welchen Gründen.

Wenn wir jetzt aber mal fiktiv davon ausgehen, dass die unterschiedlichen Positionen heute in gleichem Maße im BVerfG vertreten werden, erscheint jedenfalls eine 4-4-Entscheidung wahrscheinlicher als ein Urteil, das die 3%-Hürde für verfassungsgemäß erklärt. Denn hierfür wäre ein Positionswandel eines Richters erforderlich, der das Urteil nicht nur im Ergebnis, sondern auch aus den Gründen unterstützt hat. Und diese Gründe sprechen eben deutlich gegen jede Hürde.

Nun gab es im BVerfG personelle Neubesetzungen. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass diese den Senat sperrklauselfreundlicher gemacht haben. Mir erscheint daher eine negative Entscheidung des BVerfG oder eine 4-4-Entscheidung als wahrscheinlicher als eine Entscheidung, in der das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit feststellt.
Es stellt sich daher schon die Frage, warum der Gesetzgeber anstelle des verfassungspolitisch unproblematischen Weges einer Änderung des Grundgesetzes zur Ermöglichung einer Sperrklausel bei Europawahlen (gegebenenfalls auch nur bis maximal 3%) den angreifbaren Weg gewählt hat, dies nur einfach-gesetzlich zu regeln. Für mich ist ein solches Vorgehen nicht nachvollziehbar. Ein solches gesetzgeberisches Vorgehen kann man nur als grob fahrlässig bezeichnen. Mit Glück kommt nun eine 4-4-Entscheidung raus, mit Pech gibt es keine Sperrklausel und alle möglichen Splitterparteien - von NPD bis zu den Freien Wählern und den Piraten - ziehen in das Europarlament ein.

Zu Papier: Dieser hat sich verfassungspolitisch geäußert und die - auch in diesem Forum schon diskutierte - Frage aufgeworfen, ob die 5%-Hürde dann noch legitim ist, wenn insgesamt fast 16% der Stimmen an Parteien gehen, die nicht im Bundestag vertreten sind. Und er hat konstatiert, dass weder AfD noch FDP Splitterparteien sind. Bei vorgangegangen Bundestagswahlen haben die "sonstigen Parteien" meist nur 3-4%, höchstens einmal 6-7% erzielt. Dieser Wert hat sich nun mehr als verdoppelt. Theoretisch könnte man sich ja vorstellen, dass auch einmal 30% oder gar noch mehr an die sonstigen Parteien gehen. An irgend einem Punkt wird das im Hinblick auf den Grundsatz der Repräsentation schon problematisch. Das der gegenwärtige Zustand verfassungswidrig ist, hat Papier nicht explizit gesagt, sondern nur verfassungspolitisch für eine Absenkung der Hürde plädiert.

Zur Verfassungsmäßigkeit der 3%-Hürde hat sich Papier nicht geäußert. Das wäre auch unangemessen, da seine ehemaligen Kollegen darüber zu befinden haben. Ein ehemaliger Verfassungsrichter sollte sich daher auch nicht über eine solche Frage äußern. Gegenwärtig ist die 3%-Hürde ein Fakt. Denn der Gesetzgeber hat sie beschlossen - lediglich die Ausfertigung und Verkündigung durch den Bundespräsidenten (Art. 81 GG) steht noch aus. Und solange die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nicht festgestellt ist, gilt es als verfassungsgemäß.
Darüber hinaus gehört Herr Papier zu den konservativen Richtern. Die Annahme liegt nahe, dass er der Auffassung der damaligen Mindermeinung zuneigt, dass auch für das Europaparlament eine Sperrklausel bis zu 5% verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre. Verfassungspolitische Kritik an der 5%-Klausel kam von ihm erst nach diesem Bundestagswahlergebnis - wegen dem bereits erwähnten hohen Anteil an Stimmen, die für die Sitzverteilung des Bundestages unberücksichtigt bleiben.

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