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Emulgator Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2013 - 22:24 Uhr: | |
Moin zusammen! Was passiert im neuen Wahlrecht, wenn einer Partei mit Überhangmandaten ein Abgeordneter ausscheidet? Immerhin kein seltenes Ereignis. Laut Urteil des BVerfG kann auf Überhangmandate ja nicht nachgerückt werden. Nach dem neuen Wahlrecht werden aber Überhangmandate direkt nach der Wahl ausgeglichen durch Ausgleichsmandate für die übrigen Parteien. Nun gibt es drei Möglichkeiten: 1. Es rückt im Widerspruch zum Urteil des BVerfG jemand für den ausgeschiedenen Direkmandatsträger von der Landesliste nach. Dieser besetzt damit ein Mandat, für das er erstes persönlich nicht gewählt wurde und das ohne den Erststimmensieg des nunmehr ausgeschiedenen Abgeordneten auch gar nicht existiert hätte. 2. Die Ausgleichsmandatsträger verlieren ihr Mandat. Das ist natürlich problematisch für die, die es trifft. 3. Es wird nicht nachgerückt und die Ausgleichsmandatsträger bleiben im Parlament, so daß der Stimmenanteil der Partei im Parlament sinkt. Das wäre im Endeffekt ein negatives Stimmengewicht für die Erststimme, weil derselbe Sitzanteil im Parlament ohne Überhangmandate sicherer gegen Schicksalsschläge ist. Die Ausgleichsmandate führen in diesem Fall gegen ihre Intention dazu, daß der Parteienproporz gerade nicht mehr eingehalten wird. Im alten Wahlrecht war das kein Problem, weil Überhangmandate den Stimmenanteil der Partei im Parlament immer verbessert haben, im neuen Wahlrecht ihr Stimmenanteil bei Sitzvergabe aber invariant unter der Zahl der Überhangmandate ist. (Abgesehen von Rundungsfehlern) Ich habe bei Recherchen nichts richtiges dazu gefunden, aber es muß doch hoffentlich schon jemand darüber nachgedacht haben. |
Wilko Zicht
Moderator
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2013 - 22:36 Uhr: | |
Es darf wieder nachgerückt werden. Siehe Art. 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs zum neuen Wahlrecht: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/118/1711819.pdf Ich kopiere hier einfach einmal die Begründung rein: "Nach dem Entwurf wird § 48 Absatz 1 Satz 2 gestrichen. Dieser enthielt eine Sonderregelung für den Fall des Aus- scheidens eines Wahlkreisabgeordneten in einem Land mit Direktmandaten, die nicht auf eine Landesliste angerechnet werden konnten (Überhangmandate). Die Regelung wurde 2008 durch das Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeord- netenrechts (BGBl. I S. 394) in das Bundeswahlgesetz ein- gefügt und setzte die Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts (BVerfGE 97, 317) um, nach der ein Nachrücken aus der Landesliste (§ 48 Absatz 1 Satz 1) nicht möglich ist, solange die Partei durch Wahlkreismandate im Land über mehr Sitze verfügt, als ihr nach dem Zweitstim- menergebnis der Verhältniswahl zugestanden hätten. Einer Sonderregelung für den Fall, dass eine Partei in einem Land über mehr Direktmandate verfügt als ihr Listensitze zustehen (BVerfGE 97, 317 [328]), bedarf es nach dem Ent- wurf nicht mehr. Zwar bleiben weiterhin die von Wahlbe- werbern einer Partei in den Wahlkreisen nach § 5 gewonne- nen Sitze den erfolgreichen Wahlbewerbern und der Partei erhalten, wenn ihre Zahl die in der ersten Stufe der Sitzver- teilung nach § 6 Absätze 2 und 3 für die Partei ermittelte Sitzzahl übersteigt (§ 6 Absatz 4 Satz 2 – neu –; bisher § 6 Absatz 5 Satz 1. Zur Ermittlung des Ergebnisses der Wahl nach Landeslisten wird in der zweiten Stufe der Sitzvertei- lung (§ 6 Absatz 5 – neu) die Gesamtzahl der Sitze aber so- lange erhöht, bis jede Partei bei bundesweiter Obervertei- lung nach Parteien die nach der ersten Stufe ermittelte Sitzzahl zuzüglich der nach der ersten Stufe der Sitzvertei- lung noch nicht anrechenbaren Wahlkreissitze erhält. Und bei der anschließenden Unterverteilung in den Parteien wer- den jeder Landesliste mindestens so viele Sitze zugeteilt, wie die Partei in den Wahlkreisen im Land Sitze errungen hat (§ 6 Absatz 5 Satz 2 und 3 BWG – neu). Nach der zweiten Stufe der Verteilung verfügt darum keine Partei in einem Land über mehr Direktmandate als ihr dort nach der zweiten Stufe der Sitzverteilung Listensitze zustehen, sondern min- destens über genau so viele Listensitze wie Direktmandate. Durch die zweite Stufe der Sitzverteilung entspricht das Sitz- verhältnis zwischen den Parteien vollständig dem bundes- weiten Zweitstimmenverhältnis unter den Parteien. Nach Ausgleich und Anrechnung aller Überhangmandate in der zweiten Stufe der Sitzverteilung verfügt aber künftig keine Partei mehr in einem Land über mehr Direktmandate als ihr dort nach der zweiten Stufe der Sitzverteilung Listenmanda- te zustehen. Keiner der nach § 6 Absatz 2 bis 7 vergebenen Sitze wird also künftig nur von einer Mehrheit der Erststim- men und nicht auch von dem Erfolg der Zweitstimmen (BVerfGE 97, 317 [325]) getragen. Da es nach dem Entwurf solche Überhangmandate also nicht mehr gibt, ist die für diesen Fall durch das 18. BWGÄndG vom 17. März 2008 normierte Sonderregelung gegenstands- los und der bisherige § 48 Absatz 1 Satz 2 BWG – alt – kann entfallen. Es bleibt danach in allen Fällen bei der Regelung, dass auch dann, wenn ein erfolgreicher Wahlkreisbewerber stirbt oder nachträglich aus dem Deutschen Bundestag aus- scheidet, aus der Landesliste der Partei nachgerückt wird (§ 48 Absatz 1 Satz 1)." |
Emulgator Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2013 - 22:56 Uhr: | |
Danke sehr! Dann gleicht der Nachrücker also die Ausgleichsmandate aus, die den Überhang seines Vorgängers ausgleichen sollten. |
Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2013 - 22:58 Uhr: | |
Problematisch ist aber der Fall, wenn bei der überhängendsten Partei ein relevanter Direktkandidat ausscheidet. Der verdankt seinen Sitz ausschließlich den Erststimmen, womit es nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts keinen mitgewählten Listenkandidaten geben kann. Da würd ich ein Nachrücken anfechten. Der Fall kann allerdings im künftigen Bundestag nicht eintreten; da ist alles durch die Zweitstimmen (und den Bevölkerungsanteil) gedeckt. |
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