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Archiv bis 05. Mai 2013

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Europawahl in Deutschland / Europawahlen in den EU-Mitgliedstaaten » 3%-Klausel » Archiv bis 05. Mai 2013 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 15. Februar 2013 - 16:22 Uhr:   

@Migan:

Da sind die Spielräume aber auch nicht groß. Eine Beschränkung auf Parteien bringt erstens praktisch wenig und würd zweitens ziemlich sicher vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Die Unterstützerunterschriften hätten früher sicher deutlich Spielraum nach oben gehabt, aber ohne Sperrklausel können sie jetzt schon bei ungefähr 1/30 von den nötigen Stimmen für einen Sitz liegen. Ich halt zwar mindestens 1/8 nicht nur für akzeptabel, sondern für wünschenswert (jede zugelassene Liste sollte ziemlich sicher mindestens 1 Sitz bekommen, um erfolglose Stimmen möglichst zu vermeiden), aber das Bundesverfassungsgericht mag chancenlose Kleinstparteien ziemlich.

Das grobe Missverhältnis bei den nötigen Unterstützerunterschriften für Bundes- gegenüber Landeslisten liegt übrigens wohl daran, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung ausschließlich Bundeslisten vorgesehn hat. Dabei wären gemeinsame Listen ungefähr nach den Kriterien der Fraktionsbildung im Bundestag möglich gewesen. Landeslisten sind erst in der zweiten Beschlussempfehlung nach Rücküberweisung in die Ausschüsse reingekommen, wo dann wohl ziemlich unüberlegt einfach die Werte aus dem BWG übernommen worden sind.

Im Gespräch war auch ein reines Landeslistenmodell. Um die Repräsentation der kleinen Bundesländer zu sichern, wär dabei zunächst 1 Sitz pro Land an die stärkste Landesliste vergeben und dann angerechnet worden (einen konkreten Gesetzentwurf dazu hats aber wohl nicht gegeben). Mit derartigen Modellen könnte man sicher den kleinen Parteien das Leben schwer machen, ohne in Konflikt mit dem Bundesverfassungsgericht zu kommen.

Wahrscheinlich könnte man so weit gehn, 88 Sitze nach Adams auf die Länder zu verteilen (da hat das Saarland noch gute Chancen auf 2 Sitze), in den Ländern sowie Oberverteilung D'Hondt und Überhang extern zu kompensieren. Praktisch sind damit die Kleinparteien auf allenfalls ein paar einzelne Sitze limitiert. So krass wird es allerdings auch der FDP und den Grünen viele Sitze kosten.
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Februar 2013 - 20:40 Uhr:   

@El Tres
Da müsste sich das BVerfG dann aber beeilen.

Richtig, das dürfte IMHO aber in wenigen Monaten zu schaffen sein – inhaltlich ist das ja nichts Neues für den Zweiten Senat.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 14. März 2013 - 14:27 Uhr:   

@Jan W.:
"Also das Sperrklausel-Urteil zum Europawahlrecht war absolut eindeutig - es geht nicht um die Höhe der Klausel, sondern um die Klausel an sich!"

Jein; nicht das Urteil, sondern "nur" die Urteilsbegründung war diesbezüglich eindeutig. Die wurde aber nur von 4 Richtern getragen: das Urteil erging mit 5:3 Stimmen, und ein Richter stimmte aus abweichenden Gründen zu. Es ist also möglich, dass dieser 5. Richter eine niedrigere Sperrklausel für zulässig hielte und eine 3%-Klausel somit mit 4:4 Stimmen akzeptiert würde, auch wenn jeder Richter bei seiner Meinung (bzw. der seines Vorgängers) bleibt.
Natürlich wäre es eine riskante Strategie, auf ein solches Patt im Gericht zu setzen, aber eine 3%-Sperrklausel wäre wohl nicht völlig chancenlos.
Evtl. kann auch noch die 2012 erfolgte "Entschließung" der MEPs für "angemessene Sperrklauseln" den einen oder anderen Richter umstimmen - wobei diese m.E. nur ein gutes Argument für eine 1,5%- bis 2%-Hürde liefert, solange Spanien (faktische Hürde 1,7%) sich nicht davon angesprochen fühlt.

@Ratinger Linke:
"[...], aber das Bundesverfassungsgericht mag chancenlose Kleinstparteien ziemlich."

Inwiefern? Mir ist jetzt kein Urteil bekannt, das Kleinstparteien übermäßig bevorteilen würde. Im Gegenteil wurde z.B. die (m.E. sehr zweifelhafte) 1%-Sperrklausel für die Parteienfinanzierung bei Landtagswahlen noch 2004 für zulässig erklärt (und nur eine damals geplante massive Verschärfung abgelehnt).
Und da diese Parteienfinanzierungs-Sperrklausel bei Europa- wie bei Bundestagswahlen bei 0,5% liegt (und für eine Kleinstpartei deren Überschreiten damit m.E. ähnlich wichtig ist wie etwa ein einzelner Europaabgeordneter), denke ich, dass der Gesetzgeber die Europawahl-Zulassung ohne Weiteres annähernd auf Bundestagswahl-Niveau anheben darf.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Mai 2013 - 18:11 Uhr:   

Nun ist der 1.4. vorbei, die ersten Parteien haben anscheinend bereits ihre Europawahllisten aufgestellt und mit der Unterschriftensammlung begonnen. Kann man jetzt eigentlich noch das Wahlgesetz verändern, wo es doch schon zur Anwendung kommt?
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Mai 2013 - 18:29 Uhr:   

@Migan
Also sobald ein gesetzlicher Startzeitpunkt für Nominierungsverfahren erreicht ist, dürfte man die Regeln für die Kandidatenaufstellung nicht mehr verändern ... aber hier geht es um die Sitzzuteilung.
Vielfach sind die Startzeitpunkte für bestimmte vorbereitende Maßnahmen aber nicht festgelegt, so dass auch hier Änderungen oft möglich sind.

Vielleicht an dieser Stelle mal die Frage: kann man eine Unterstützerunterschrift zu früh sammeln, eine Landesliste zu früh aufstellen?
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Mai 2013 - 19:08 Uhr:   

@ Jan W.

Ja, die Landeslisten durften nicht vor dem 1. April aufgestellt werden, die Sammlung der Unterschriften nicht vor Aufstellung der Landesliste beginnen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. Mai 2013 - 19:56 Uhr:   

Bei der Bundestagswahl ist ja auch schon fast alles aufgestellt, ohne dass es überhaupt ein gültiges und anwendbares Wahlrecht gibt. Problematisch ist das natürlich schon, aber solang die Änderung für den Vorgang nicht besonders relevant ist, wird es praktisch wohl durchgehn.

Der hypothetische Fall einer 3%-Hürde hat allerdings schon eine gewisse Relevanz für die Listenaufstellung. Insbesondere könnte es für eine Wählergruppe sinnvoll sein, abhängig von der Existenz einer Sperrklausel einen Wahlvorschlag einzureichen oder nicht. Der Wahlvorschlag kann zwar zurückgenommen werden, aber dann wird es für die Alternative, Kandidaten auf Listen aussichtsreicherer Parteien unterzubringen, zu spät sein.

Ab wann Listen aufgestellt und unterschrieben werden können ist zumindest für die Europawahl klar geregelt. Meines Erachtens übrigens nicht nur durch die EuWO, sondern schon im EuWG: Eine nicht existente Liste kann man nicht unterzeichnen. Wobei da die EuWO überhaupt ein ganz anderes Konzept hat als das EuWG: Nach EuWO wird ein abstrakter Wahlvorschlag unterstützt anstatt eine konkrete Liste unterzeichnet.

Dass der früheste Zeitpunkt einer Listenaufstellung ungeregelt ist, ist wohl eher selten. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs (Seite 16 f.) war das bei der letzten Wahl im Saarland der Fall, weil die Frist bei vorzeitiger Beendung der Wahlperiode nicht gilt und keine explizit andere bestimmt worden ist. Die nicht ganz abwegige Auffassung der Beschwerdeführerin war wohl, dass dann implizit die Auflösung des Landtags den frühestmöglichen Termin setzt. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof mangels ausreichender Mandatsrelevanz nicht entschieden (interessant übrigens, dass er da ohne Weiteres 1 Mandat Toleranz sieht, was gerade im Saarland relativ gesehn ziemlich viel ist).
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. Mai 2013 - 21:59 Uhr:   

@Jan W.
"Also sobald ein gesetzlicher Startzeitpunkt für Nominierungsverfahren erreicht ist, dürfte man die Regeln für die Kandidatenaufstellung nicht mehr verändern ... aber hier geht es um die Sitzzuteilung."
Nein. Solange die Änderung nicht materiell verfassungswidrig ist, kann grundsätzlich jede Bestimmung des Wahlgesetzes zu jedem beliebigen Zeitpunkt geändert werden. Es gibt keinen Bestandschutz. Selbstverständlich können auch noch ein halbes Jahr vor der Wahl die Regeln für die Kandidatenaufstellung geändert oder ein komplett neues Wahlsystem eingeführt werden (also z. B. getrennte Wahlgebiete). Wenn eine Partei dann schon ihre Bewerber aufgestellt hat, hat sie Pech gehabt.

Nur dann, wenn eine Änderung so knapp vor der Wahl durchgepeitscht wird, dass die Parteien nicht mehr reagieren können (und erst recht, wenn man dies absichtlich macht, um bestimmte Parteien von der Wahl fernzuhalten) gibt es ein rechtliches Problem.

@RL
"Dass der früheste Zeitpunkt einer Listenaufstellung ungeregelt ist, ist wohl eher selten. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs (Seite 16 f.) war das bei der letzten Wahl im Saarland der Fall,"
Das ist im Bundestagswahlrecht auch so (woraus die Landesgesetzgeber sehr oft abschreiben). Hier soll es lt. Kommentarliteratur so sein, dass ab dem Zeitpunkt gewählt werden darf, ab dem ernsthaft mit der Neuwahl zu rechnen ist.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. Mai 2013 - 22:25 Uhr:   

@ Thomas Frings:
Ab wann wäre denn eine Änderung "zu knapp" ? Wer will das denn festlegen, ab wann Parteien "nicht mehr reagieren können" ?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. Mai 2013 - 22:58 Uhr:   

Letztlich entscheidet das das Bundesverfassungsgericht. Vorher sollten aber schon Grundregeln des politischen Anstands greifen (und das tun sie in der Regel auch).

Ein komplett neues System, das bei Null beginnt, dürfte rechtlich ziemlich problemlos sein, aber wenn das vorhandene Prozedere nachträglich umgedeutet wird, seh ich sehr schnell Grenzen. Also konkret könnte man sicher eine Sperrklausel einführen (unter der abwegigen Annahme, dass das sonst verfassungsgemäß ist), wenn die Listenaufstellung danach für alle von vorn beginnt. Aber das will wohl niemand. Ansonsten halt ich es schon für sehr problematisch.

@Thomas Frings:

BWG und Saarland sind praktisch identisch. Laut dortigem Verfassungsgerichtshof hätte der Verordnungsgeber jedenfalls die Möglichkeit gehabt, explizit eine spezielle Frist festzulegen (obwohl das "abkürzen" da nicht ganz treffend ist). Dann würd es die Regelungslücke nicht geben. Das nächste Problem wär dann, ob er rückwirkend einen Termin festlegen kann. Jedenfalls hat eine Partei immer ein Risiko, solang die Verordnung zur Abkürzung der Fristen nicht raus ist.

Für einen Zeitpunkt, "ab dem ernsthaft mit der Neuwahl zu rechnen ist", seh ich nicht die geringste Grundlage (zumindest nicht für dessen objektive Definition). Wenn es die Regelungslücke gibt und man überhaupt vor die tatsächliche Auflösung gehn will, ist für mich alles gleichwertig, was im Rahmen der kürzestmöglichen regulären Frist ist.
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BaWo90
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. Mai 2013 - 13:46 Uhr:   

Dann will ich mich einfach mal einbringen und einen komplett neuen Vorschlag für ein deutsches Europawahlrecht einbringen, der sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Recht unbedenklich sein dürfte und einen Kompromiss zwischen Wahlkreisen und Bundeslisten liefert. Etwas angelehnt ist er an das Modell das in den skandinavischen Ländern bei den Wahlen zu den nationalen Parlamenten verwendet wird.

Zu vergeben sind 99 Sitze. Das wird ja von der EU festgelegt und kann nicht geändert werden (etwa durch Überhangmandate), wodurch ein klassisches MMP ziemlich problematisch werden dürfte.

Von den 99 Sitzen werden 80 in den Ländern vergeben. Den Ländern wird dabei ein festes Sitzkontingent zugewiesen: SH 3, MV 2, HH 2, NI 8, HB 1, BB 3, ST 3, BE 4, NW 16, SN 4, HE 6, TH 2, RP 4, BY 11, BW 10, SL 1.

Innerhalb eines Landes stellen die Parteien lose gebundene Landeslisten auf. Diese umfassen entsprechend der geringen Sitzanzahl natürlich nur sehr wenige Personen. Zusätzlich stellen die Parteien starre Bundeslisten auf.

Der Wähler hat eine Stimme, mit der er einen Kandidaten auf einer Landesliste einer Partei wählt, ähnlich der Vorzugsstimme in Österreich oder den Niederlanden. Damit wählt er den Kandidaten sowie dessen Partei auf Landes- und auf Bundesebene. Innerhalb jedes Landes werden die Sitze nach Sainte-Laguë auf die Parteien verteilt. (In Bremen und im Saarland ist es natürlich eine relative Mehrheitswahl.) Die Sitze gehen dann in Reihenfolge der Vorzugsstimmen (ohne Relevanzklausel) an die Kandidaten.
Im entscheidenden Schritt werden die 99 Sitze nach Sainte-Laguë auf Bundesebene auf die Parteien verteilt, ruhig ohne Sperrklausel.
Die einer Partei zustehenden Sitze werden zunächst mit den in den Ländern gewählten Kandidaten aus den Ländern, dann mit der Bundesliste aufgefüllt.

Meine Beispielrechnung mit dem Ergebnis von 2009 ergab folgendes:
Der CDU stehen 32 Sitze zu, 29 in den Ländern, 3 von der Bundesliste
Der SPD stehen 21 Sitze zu, 20 in den Ländern, 1 von der Bundesliste
Der FDP stehen 11 Sitze zu, 8 in den Ländern, 3 von der Bundesliste
Der GRÜNE stehen 12 Sitze zu, 9 in den Ländern, 3 von der Bundesliste
Der LINKE stehen 8 Sitze zu, 7 in den Ländern, 1 von der Bundesliste
DER CSU stehen 7 Sitze zu, durch Rundungsfehler bekam sie in Bayern aber nur 6 Sitze, sodass auch die CSU eine Bundesliste aufstellen müsste. Sie könnte aber natürlich die gleiche Liste zwei mal verwenden.
Den FREIEN WÄHLERN stehen 2 Sitze zu, 1 in den Ländern, 1 von der Bundesliste
REP, Tierschutz, FAMILIE, Piraten, RENTNER und ödp stehen je 1 Sitz zu, je von der Bundesliste.

Überhangmandate sind bei diesem System nicht völlig ausgeschlossen, aber zum einen recht unwahrscheinlich, zum anderen würden selbst wenn nur in einem geringen Maß auftreten, sodass selbst wenn sie von anderen Parteien abgezogen werden nur eine Verzerrung um ein, zwei Sitze auftritt.

Kommentare und Anregungen erwünscht!
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. Mai 2013 - 14:30 Uhr:   

Erstmal sind nur 96 Sitze zu vergeben. Dann ist die Sperrwirkung, um die es hier geht, auch nicht viel größer als jetzt (obwohl Überhang, der die Sperrwirkung erhöht, durchaus nicht ganz unwahrscheinlich ist). Einige Parteien werden halt durch die Erfordernis von Landeslisten rausfliegen.

Ansonsten könnte man was in der Art schon machen, aber nicht mit den Ländern als Wahlkreise. Praktisch ist das in den kleineren Ländern ein völlig anderes Wahlsystem als in den großen und dadurch nicht mit der Wahlgleichheit vereinbar. Wahlkreise müssen nicht alle annähernd gleich groß sein, aber hier ist die vertretbare Abweichung weit überschritten.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. Mai 2013 - 15:09 Uhr:   

Zu späten Änderungen am Wahlgesetz:
Die Frage, was möglicherweise vor Gericht Bestand hätte, ist eine. Die Frage, was anständig ist, eine andere: und sofern man nicht verfrühte Nominierungsparteitage der politischen Mitbewerber massenhaft annulieren würde, wäre die Grenze des Anstands überschritten.
Bezogen auf das Urteil des BVerfG und die Reaktionen aus den Bundestagsfraktionen ist allerdings eine Art Reparaturgesetz bezogen auf die Sitzzuteilung für kleine Parteien erwartbar.

@BaWo90
Eins vorab: Deutschland hat ab 2014 nur noch 96 Sitze
Das Problem an der Regelung ist: skandinavische Länder haben mehr Sitze in ihren Parlamenten. Und die Größe der Länder dürfte weniger schwanken.

Da muss man schon viel an den Länderzahlen manipulieren, damit der überhaupt noch ein Sitz dabei rauskommt: Tatsache bleibt ja, dass NRW 27mal soviele Einwohner wie Bremen hat und nicht 16mal soviele.
Die bisherige Möglichkeit von Landeslisten stellt zudem sicher, dass Mandate nicht dorthin wandern, wo Menschen hätten wählen können, sondern dahin, wo sie gewählt haben. Diese Option wird hier ins Gegenteil verkehrt.

Das Überhangproblem schildern Sie / schilderst Du bemerkenswert: es wird dadurch gelöst, dass das Ergebnis der Verhältniswahl verzerrt wird!
Nach aktueller Rechtslage (mit annulierter 5%-Klausel) gibt es eine Verhältniswahl ohne Kleine-Länder-Problem, ohne Überhang, ohne Verzerrungsrisiko.

So sympathisch mir persönlich die Option mit den Vorzugsstimmen ist, so kritisch sehe ich die Kollateralschäden, die dabei entstehen können.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 04. Mai 2013 - 13:46 Uhr:   

@ Jan W.

"... sofern man nicht verfrühte Nominierungsparteitage der politischen Mitbewerber massenhaft annulieren würde, wäre die Grenze des Anstands überschritten."

Den Satz verstehe ich nicht. Ehrlich nicht. Was meinst Du damit?
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 04. Mai 2013 - 16:48 Uhr:   

Ich formuliere es um: wenn man als Partei einen Nominierungsparteitag veranstaltet, der nicht ungewöhnlich früh terminiert ist, sollte man darauf vertrauen können, dass die Parteitagsbeschlüsse nicht durch eine nachträgliche Gesetzesänderung ungültig (zumindest nicht auf Wahlteilnahme gefährdende Art und Weise) werden, weil sie mit der neuen Fassung inkompatibel werden.
Das ist aber nicht streng juristisch zu verstehen sondern als Frage des Anstands. "nicht ungewöhnlich früh" ist dabei natürlich schwammig, aber kann so verstanden werden, dass wenn die 3 größten Bundestagsparteien (jetziger oder neuer BT, je nachdem, wer das Europawahlgesetz ändert) ihre Nominierungsparteitage zur Europawahl 2009 sechs, sieben und acht Monate vor dem damaligen Wahltag abgehalten haben, sollte keiner Partei, die einen entsprechenden Parteitag im Zeitfenster von 6-8 Monaten vor der kommenden Wahl terminiert eine solche Annulierungswirkung drohen.
"auf Wahlteilnahme gefährdende Art und Weise" heißt hier: wenn eine Partei für eine Wahl z.B. Direktkandidaten (ok, gibt es bisher nicht bei der Europawahl) und Listen aufstellt, und dann werden die Wahlkreise werden abgeschafft, dann sind zwar die Direktkandidatswahlen hinfällig, aber im Rahmen der Listenaufstellung ist eine vollwertige Wahlteilnahme möglich. Es entstünde keine Notwendigkeit einer Wiederholung des Parteitags, um einen faktischen Wahlausschluss durch nachträglich entstandene Formfehler oder fehlende Tagesordnungspunkte abzuwenden.
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Migan
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 04. Mai 2013 - 20:57 Uhr:   

Nun ja, was heißt "ungewöhnlich früh", da gibt es ja klare Regeln, ab wann man das tun darf. Und man darf ja auch nicht vergessen, dass der Bundestag seit 2011 Zeit hatte, das Wahlgesetz zu ändern.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 19:35 Uhr:   

@Migan
Das war kein Regelungsvorschlag im juristischen Sinne sondern meine moralische Auffassung. Zumal die Klagemöglichkeiten beschränkt sein dürften, wenn die drohende Nichtteilnahme durch eine Wiederholung des Nominierungsparteitags abgewendet werden könnte.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 20:29 Uhr:   

Ob eine Aufstellungsversammlung wiederholt werden könnte, sollte allenfalls bei einer einstweiligen Anordnung eine Rolle spielen. Es ist aber schon fraglich, ob eine Partei das wirklich kann. Versammlungen zu wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis rauskommt, ist hochgradig problematisch und muss meines Erachtens auf Fälle begrenzt bleiben, in denen ernsthafte Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Durchführung vorliegen.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 20:38 Uhr:   

@RL
Es geht nicht um die Frage "Versammlungen zu wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis rauskommt" ... es geht um den fiktiven Fall, dass ein Nominierungsparteitag nach Maßgabe von Wahlgesetzen, die zum Zeitpunkt der Versammlung gültig sind, durchgeführt wird, diese danach verändert werden, so dass die Versammlung im Sinne neuer Wahlgesetze nicht mehr die Anforderung zur Wahlteilnahme erfüllt.
In diesem Fall müsste aber klar sein, dass der neue Nominierungsparteitag den ursprünglichen nur ergänzen dürfte - erweist sich etwa aufgrund einer Parlamentsvergrößerung und einer Ausgleichsmandatsregelung die bisherige Landesliste als zu kurz, so dürfte nur über die zusätzlichen Listenplätze abgestimmt werden, nicht jedoch über jene, die zuvor schon feststanden.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 21:34 Uhr:   

Wenn durch ein neues Wahlgesetz die vorherige Aufstellung implizit oder explizit fehlerhaft wird, ist das allein natürlich kein Problem. Sie kann aber auch durch neue Voraussetzungen formal korrekt bleiben, aber ihren Sinn verlieren. Die Abgrenzung zu einer Wiederholung wegen unerwünschtem Ergebnis ist sehr schwierig. Irgendwelche Vorwände lassen sich leicht finden.

Nachträgliche Verlängerung von Listen wär prinzipiell kein großes Problem, aber sowas ist mit dem EuWG kaum kompatibel. Das Problem der Parlamentsvergrößerung nach Listenaufstellung haben wird ja grad aktuell beim Bundestag. Wenn es nicht ein ernsthaftes Problem mit dem aktuellen Wahlrecht geben würd (und wenig Alternativen), wär das so nicht akzeptabel.

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