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Archiv bis 14. September 2012

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Negatives Stimmgewicht & Bundesverfassungsgericht » Archiv bis 14. September 2012 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 19:16 Uhr:   

Festsetzung der Gesamtsitzzahl erst nach der Wahl wär sicher nicht ganz unproblematisch; kurz davor sind aber nur Briefwähler betroffen, die dafür den Vorteil haben, selbst bei einem eventuellen Verlust des Wahlrechts noch wählen zu können (außerdem ist die Briefwahl bis zur Wahl eventuell eh verfassungswiedrig). Mittwoch vor der Wahl würd auch für die meisten Briefwähler reichen (Auslandsdeutsche mit langen Postlaufzeiten sind ja momentan nicht mehr wahlberechtigt).

Wenn man auf die Minimierung einen Ausgleich draufsetzt, hat man wieder negatives Stimmengewicht. Außerdem ist die Minimierung sowieso keine Lösung, sofern keine praktikable Berechnungsmethode dafür existiert. Für eine Brute-Force-Lösung dürften keine Rechenkapazitäten vorhanden sein, die das Ergebnis vor Ablauf der Wahlperiode ermitteln können.
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René Zimmermann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 19:21 Uhr:   

Alle Änderungen / Festlegungen / Konkretisierungen, die nach Beginn der Briefwahl vorgenommen werden, halte ich für höchst problematisch. Wo bleibt da die Gleichheit der Wahl, wenn A bereits per Briefwahl gewählt hat und daher von der Festlegung nichts wusste, die B bei seiner Stimmabgabe noch berücksichtigen kann?
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 19:21 Uhr:   

Warum soll es bei (teilweise) überhängenden Parteien nicht mehr Sitze für mehr Zweitstimmen geben dürfen? Das ist doch positives Stimmgewicht, und passiert z.B. bei getrennten Wahlgebieten auch.

Das Augsburger Modell hat (wie jeder Vollausgleich) negatives relatives Stimmgewicht bzgl. der Erststimme - ein zusätzlich gewonnener Wahlkreis kann den Sitzanteil der entsprechenden Partei verringern.

"Die Minimierung ist wegen Überhang nicht mehr verfassungsgemäß, die österreichische Methode läuft (soweit für 2013 anwendbar) eben auf die pauschale Erhöhung raus"
Nein, wenn man jeweils einen vernünftigen Teilausgleich hinzufügt, bleibt die Zahl der unausgeglichenen ÜM fast sicher unter 15, und es wäre eben keine pauschale Erhöhung der Sitzzahl.

"Derartiges landet zumindest sicher in Karlsruhe."
Wer sich für eine Wahl aufstellen lässt, für die es noch kein gültiges Wahlrecht gibt, tut das naturgemäß auf eigene Gefahr bzgl. seiner Chancen bei dem noch nicht beschlossenen Wahlgesetz (bzw. kann sich nur bei seiner Partei über einen solchen absurden Zeitplan beschweren). Und es wäre ja in der Regel nicht von Vornherein klar, ob bzw. welche Landeslisten/Wahlkreise dadurch nicht ziehen...

@Nikolaus Krause:
Eine Woche vorher fände ich noch akzeptabel, dann können sich die Wähler ja immer noch rechtzeitig darauf einstellen. Ansonsten Zustimmung.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 20:11 Uhr:   

@René Zimmermann:

Die meisten, die früh briefwählen, sind selber daran schuld, abgesehn davon, dass ja bereits die Möglichkeit der Briefwahl ein höchst problematisches Zugeständnis ist. Auch bisher haben sie den Nachteil, dass sie die letzten Umfragen nichtmehr berücksichtigen können. Im Verhältnis dazu ist die genaue Festsetzung der Gesamtsitzzahl für die Wahlentscheidung eh sehr irrelevant. Wenn was eine praktisch Rolle spielt, dann die Veröffentlichung der amtlichen Umfrage (und sie muss aus Gründen der Wahlgleichheit sicher komplett veröffentlicht werden; schon der Vorteil der Insider bei normalen Umfragen durch Kenntnis der wirklichen Ergebnisse ist kaum tragbar (aber da hat wenigstens jeder die theoretische Chance, selber eine zu beauftragen)).

@Holger81:

Mehr Sitze für die am stärksten überhängende Partei bedingt eine komplette Neuberechnung des Ausgleichs, wenn der Sitzgewinn nicht direkt aus der Oberverteilung folgt. Und die Neuberechnung bedeutet dann eben relatives negatives Stimmengewicht.

Negatives Stimmengewicht bei der Erststimme ist designbedingt. Erststimmen wirken grundsätzlich negativ bezüglich der Landesliste und positiv bezüglich dem Kandidaten. Der Saldo darf nicht positiv sein, bis auf die erlaubten 15 Überhangmandate. Wenn man dann auch noch fordert, dass er nicht negativ sein darf, ist das noch wesentlich abartiger als bei regulärem negativen Stimmengewicht.

Wann Aufstellungsversammlungen stattfinden, kann der Kandidat nicht (oder nicht wesentlich) beeinflussen. Die ersten haben auch bereits stattgefunden, wo es noch ein gültiges Wahlrecht gegeben hat. Dadurch, dass man sich nicht aufstellen lässt, steigen die Chancen, gewählt zu werden, auch nicht unbedingt.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 21:12 Uhr:   

@Ratinger Linke:
"Mehr Sitze für die am stärksten überhängende Partei bedingt eine komplette Neuberechnung des Ausgleichs, wenn der Sitzgewinn nicht direkt aus der Oberverteilung folgt. Und die Neuberechnung bedeutet dann eben relatives negatives Stimmengewicht. "
Ich verstehe nicht, was du hier meinst. Je höher der Zweitstimmen-/Sitzanteil einer überhängenden Partei wird, desto weniger Ausgleichsmandate werden tendenziell an andere Parteien verteilt, wo soll da negatives Stimmgewicht sein? Ein konkretes Beispiel fände ich hier sehr hilfreich.
Außerdem war der Teilausgleich ("3.Schritt") in meinem Vorschlag optional gemeint, auch ohne diesen sollte man aufgrund der teilweisen internen Kompensation unter 15 "externen" ÜM bleiben.

"Erststimmen wirken grundsätzlich negativ bezüglich der Landesliste[...]."
Das ist klar, aber per se kein negatives Stimmgewicht, weder für die Gesamtpartei, noch für den Kandidaten. Erststimmen dürfen aber (wie Zweitstimmen) nicht negativ bzgl. der Gesamtsitzzahl (bzw. -anteil) der Partei wirken, was bei Vollausgleich der Fall wäre, aber ohne Ausgleich oder mit geeignetem Teilausgleich nicht. (Also gerade nicht "designbedingt".)

"Wann Aufstellungsversammlungen stattfinden, kann der Kandidat nicht (oder nicht wesentlich) beeinflussen. Die ersten haben auch bereits stattgefunden, wo es noch ein gültiges Wahlrecht gegeben hat."
Ein Kandidat kann auch nicht beeinflussen, ob er überhaupt auf eine aussichtsreiche Position gewählt wird; er ist so oder so seiner Partei "ausgeliefert". (Die ja die Aufstellungen notfalls auch wiederholen könnte.) Und fast alle Kandidaten haben doch ohnehin nur in ihrem Heimatwahlkreis und -bundesland realistische Chancen, aufgestellt zu werden, sie hätten also von einer vorherigen Kenntnis eines neuen Wahlgesetzes auch keinen praktischen Vorteil gehabt.
Sowieso können durch jedes neue Wahlrecht einzelne Kandidaten nicht gewählt werden, die im alten Wahlrecht gewählt worden wären; das hat das BVerfG offensichtlich nicht als problematisch angesehen, sonst hätte es wieder eine Übergangsfrist bis nach der nächsten BTW gesetzt (oder Kandidatenaufstellungen vor dem Urteil für ungültig erklärt).
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Bobo
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 21:44 Uhr:   

@Ratinger Linke:

Ich glaube, Sie haben leider die Entwicklung meines Arguments nicht
verstanden, was wohl wahrscheinlich an meinem Erklärungsversuch liegt.
Macht nichts ... ;-)

Nach

http://www.tagesspiegel.de/politik/wahlrecht-bundestag-macht-sich-an-die-reform/7061464.html

scheint die Union nun tatsächlich zu erwägen, die nominale Hausgröße um
einen festen Betrag anzuheben, wobei die Anzahl der Direktmandate fest
bei 299 verbleibt. Bezieht man die Idee der Union hinsichtlich
getrennter Wahlkörper mit ein, so ist es nicht mehr weit bis zum Modell

(M) Gewählt wird nach der 1949'er-Regelung, wobei in den Ländern nach
der DDS (Direktmandatsbedingtes Divisorverfahren mit Standardrundung)
abgerechnet wird.

Hier gibt es kein NSG. Alle Sitzkontingente der Länder werden strikt
respektiert, d.h. es gibt keine Ungleichgewichtungen der Länder
untereinander. Die Prioritäten sind klar gesetzt: Personenwahl kommt vor
Proporz. Das Einstimmensystem (etwa von Herrn Wiefelspütz (SPD)
angedacht) mildert in Verbindung mit der Anhebung der Hausgröße
Abweichungen von der Proportionalität innerhalb der Länder ab. (Das ist
zwar nicht notwendig für das Modell, aber kommt vor allem den kleinen
Parteien entgegen.) Eine Norm für ÜM muss nicht beachtet werden.

Wenn man will, kann man auch mit dem Zwei-Stimmen-System wählen, nur ist
dann wieder Stimmensplitting möglich.

*****

Jan W. schrieb:

> Natürlich haben wir ein Verhältniswahlrecht

Wir haben in einem bestimmten Sinne schon ein Wahlrecht (hier sind etwa
Art. 38 und 39 des GG zu nennen), d.h. ein Recht zu wählen, nur ist
dieses Wahlrecht derzeit eben nicht näher durch ein gültiges BWG
bestimmt. Aus dem GG ist selbst nicht ableitbar, dass wir ein
Verhältniswahlrecht haben müssen.


MfG Bobo.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 22:11 Uhr:   

@Holger81:

An der Stelle, wo ein zusätzlicher Sitz aufgrund des gekappten Unterverteilungsdivisors fällig wird, gibt es im Allgemeinen keinerlei Änderung bei der Reihenfolge der Oberverteilungshöchstzahlen. An Ausgleich wird deshalb (bei Mindestausgleich) alles fällig, was zwischen den Höchstzahlen des alten und neuen letzten Sitz liegt. Und das kann deutlich mehr sein, als der durch die Stimmen gewonnene Sitz wert ist. Bei Teilausgleich dito mit dem 15.- und 16.-letzten Sitz.

Dass mehr Stimmen weniger Ausgleich bedeuten, wird durch die Divisorkappung gerade verhindert. Wenn man nicht ausgleicht, geht es dann, wenn man eben wieder die Sitzzahl so weit erhöht, dass man sicher unter 16 bleibt.

Dass Erststimmen im Saldo nicht negativ wirken dürfen, ist bloß ein völlig unsinniges Postulat. Erststimmen sind gerade auch dazu gedacht, der Partei des Gewählten zu schaden; damit ist eine negative Wirkung verträglicher als eine positive. Wenn man positive Erststimmen will, muss man ein Grabenwahlrecht nehmen. (Sofern das künftige Wahlsystem positives Erststimmengewicht ermöglicht, werd ich mir überlegen, deshalb Karlsruhe zu befragen; das wär eine schöne Abwechslung zum negativen Stimmengewicht.)

Bei der Kandidatenaufstellung ist die Annahme durchaus, dass Kandidaten ihre Wahl beeinflussen können, wie manchmal auch angenommen wird, dass Parteien ihre Wahl beeinflussen können. Dass sich die Bedingungen im Einzelnen durch das künftige Wahlrecht ändern können, ist an sich schon problematisch, aber durch das Urteil erzwungen. Das ist aber unter den Umständen noch hinnehmbar, solang die Wahl oder Nichtwahl nicht erst durch das neue Wahlrecht faktisch determiniert wird. Insofern ist natürlich auch der Graben problematisch.

Dass Kandidaten außerhalb ihrer Heimat im Allgemeinen wenig Chancen auf eine Aufstellung haben, ist gerade der Grund dafür, dass interne Kompensation bei Nähe zum externen Überhang ohnehin problematisch ist. Das gilt natürlich grundsätzlich auch innerhalb der überhängenden Landeslisten in den Wahlkreisen oder in Baden-Württemberg (und eingeschränkt auch Bayern) generell. Hat halt noch niemand dagegen geklagt.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 23:06 Uhr:   

@Ratinger Linke:
Da ist unser Missverständnis: Ich meinte mit Teilausgleich nicht den von der CDU vorgeschlagenen "Mindestausgleich" (alles über 15 ÜM wird ausgeglichen). Der hat wie der Vollausgleich immer NSG, egal zu welchem Wahlsystem man ihn hinzufügt. Ich meinte einen Teilausgleich z.B. wie in Sachsen: pro Überhangmandat gibt es nur 1 Ausgleichsmandat (wie in http://www.wahlrecht.de/forum/messages/172/5003.html?1344550388 von mir ausgeführt). Mit dieser Teilausgleichsregelung (oder halt mit gar keinem Ausgleich) gibt es bei meinem Vorschlag kein negatives Stimmgewicht, weder absolut noch relativ.


"Dass Erststimmen im Saldo nicht negativ wirken dürfen, ist bloß ein völlig unsinniges Postulat. Erststimmen sind gerade auch dazu gedacht, der Partei des Gewählten zu schaden"
Bitte? Auch wenn einzelne taktische Wähler sie u.U. dazu nutzen mögen, das Personal einer ungeliebten Partei aus ihrer Sicht zu verschlechtern, sind sie definitiv nicht (vom Gesetzgeber) dazu gedacht (und 99% der Wähler würden wohl nicht einmal auf die Idee kommen, die Erststimme so "destruktiv" zu nutzen). Bei keinem bisherigen Bundestagswahlrecht konnte man durch die Erststimme einer Partei quantitativ schaden, sondern höchstens nutzen.

"(Sofern das künftige Wahlsystem positives Erststimmengewicht ermöglicht, werd ich mir überlegen, deshalb Karlsruhe zu befragen; das wär eine schöne Abwechslung zum negativen Stimmengewicht.) "
Das Gericht hat doch gerade erst explizit positives Erststimmengewicht (bis zu 15 Mandaten) zugelassen. Und natürlich ist das Erststimmengewicht für den Kandidaten selbst immer positiv. Positives Stimmgewicht zu beklagen finde ich absurd; das ist doch der Sinn einer Wahl...
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Bobo
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 28. August 2012 - 23:27 Uhr:   

Ratinger Linke schrieb:

> Was Krings in dem Interview sagt, ist fast durchgehend vernünftig oder
> zumindest ein akzeptabeler Standpunkt. [...] Bloß bei den Aussagen zum
> letztes Jahr gescheiterten Kompromiss hab ich starke Zweifel. Das wird
> zwar insofern stimmen, als die SPD keinen unausgeglichenen Überhang
> dulden wollte, aber bei der Union war es wohl umgekehrt auch nicht
> anders.

Schauen Sie hier:

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.wahlrecht-spd-parlamentarier-zweifelt-an-ausgleichsmandaten.4bb7f964-a8e4-4d4b-83cc-984c0ef4ae0f.html

Herr Wiefelspütz von der SPD ist in meinen Augen ein absolut
glaubwürdiger Politiker. Er sagt in diesem Artikel, dass die Union der
SPD einen Teilausgleich angeboten habe, welche ÜM in ähnlichem Umfang
bestehen lassen sollte wie nun vom BVerfG in der "Norm-Konkretisierung"
angegeben. Na sowas ...


Hui ... Bobo.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 00:32 Uhr:   

@Holger81:

Wenn du pro Überhangmandat 1 Ausgleichsmandat verteilen willst, bist du aber gezwungen, Überhang zu definieren. Wenn du die virtuelle Oberverteilung bei 598 Sitzen nimmst, kriegst du darüber negatives Stimmengewicht bei den nicht überhängenden Listen rein. Mit dem formalen internen Überhang schaut es wohl noch übler aus. Bei externem Überhang gibts jedenfalls das gleiche negative Stimmengewicht wie in Sachsen.

Ein Loch zu stopfen, bringt beim negativen Stimmengewicht nichts; man reißt damit nur zwei neue auf. Die Lösung funktioniert nur ohne Ausgleich; Ausgleich geht ohne negatives Stimmengewicht nur in ganz wenigen Sonderfällen (Zweistimmensystem mit wertloser Erststimme, strikte Geltung einer Oberverteilung und ausschließlich Vergabe von einzelnen Sitzen).


Wozu sollen denn Erststimmen gedacht sein? Jedenfalls sind sie nicht dafür da, der Partei des Gewählten zu nützen. Aber schaden kann man ihr damit zumindest. Wenn es überhaupt eine Wirkung auf die Partei geben soll, bleibt damit nur die negative. Es wird damit auch erfolgreich Wahlkampf betrieben ("Ströbele wählen heißt Fischer quälen"); mit etwas Nachhilfe kapieren das die Wähler durchaus.

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es das Bundesverfassungsgericht kapiert. Der Überhang ist gerade nicht mit Blick auf die Parteiwirkung gebilligt worden, sondern wegen der Personenwahl. Dass die irreguläre Nebenwirkung auf die Partei inakzeptabel sein könnte, ist ein neuer Aspekt. Ist zwar eine schwachsinnige Argumentation, aber völlig analog zum negativen Stimmengewicht, wo sie ja auch erfolgreich war.

Negative Stimmen sind an sich nicht absurd, solang sie eben dafür gedacht sind. Viele Wähler haben ja ein starkes Bedürfnis, wen negativ zu wählen. Es gibt auch häufig die Möglichkeit von Streichungen, die zwar meistens bloß eine positive Wirkung aufheben, aber z.B. in Lettland immerhin wirklich als negativ aufgefasst werden können. In Frankreich hats vor langer Zeit ein Wahlsystem gegeben, bei dem man echt negative Stimmen explizit vergeben hat können: Wer eine absolute Mehrheit negativer Stimmen bekommen hat, war disqualifiziert (ansonsten relative Mehrheitswahl mehrerer Personen).

@Bobo:

Durchaus denkbar; nachdem sie es mit dem negativen Stimmengewicht eh nicht so genau genommen haben, hätten sie dafür wohl sogar praktisch eine Lösung gefunden. Für meine Aussage reicht es aber schon, wenn für die Union keine vollständige Neutralisierung von Überhang infrage gekommen ist. Ein festgesetzter Restüberhang ist die schlechteste Lösung überhaupt. Das hat die Union bloß anbieten können, weil die Gefahr gering war, dass wer drauf eingeht.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 19:15 Uhr:   

Ratinger Linke schrieb "Bei der Nichtzuteilung gibts inzwischen auch das Problem, dass die Wahlkreise teilweise schon besetzt sind und es für voraussichtlich gestrichene Kandidaten zu spät ist, sich einen besseren Wahlkreis zu suchen."
Auch aufgrund der noch verbleibenden gut 12 Monate bis zur Wahl halte ich diese Probleme für gering im Vergleich zu den Problemen, die zwangsläufig jetzt mit JEDEM Wahlgesetz auftreten können, welches nach der Aufstellung der Kandidaten verabschiedet wird.
Ob diese Probleme tatsächlich reichen für einen ernsthaften Einwand in Karlsruhe ist fragwürdig. Hingegen insbesondere das Grabenwahlrecht mit den aktuellen Wahlkreisen ist gemäß den Ausführungen des BVG sicher verfassungswidrig, da die Größen-Abweichungen für nicht auf Basis einer Verhältniswahl verrechneten Wahlkreiskandidaten inakzeptabel sind (vgl. auch das aktuelle Urteil).

Ratinger Linke schrieb "Außerdem ist die Minimierung sowieso keine Lösung, sofern keine praktikable Berechnungsmethode dafür existiert."
Der unter [1] angegebene Algorithmus (Auswertung, 4.) sollte das Ergebnis zuverlässig liefern.

[1] http://www.informatik.uni-bremen.de/~offerman/website/forschung/wahlen/pvv_min.html
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 21:04 Uhr:   

Das mit den Wahlkreisgrößen stimmt grundsätzlich schon, aber bei solchen Sachen haben die Gerichte jedenfalls in der Vergangenheit nie ein so großes Problem gesehn, dass damit die Wahl infrage gestellt würde. Bei einer auch nur mutmaßlichen Verhinderung einer Kandidatur waren die Maßstäbe ungleich strenger; deswegen hat es schon oft Wiederholungswahlen gegeben.

Ob der Algorithmus mit der Minimierung identisch ist, ist nebensächlich, aber man müsste zumindest plausibel machen, dass er weitgehend frei von negativem Stimmengewicht ist. Wobei noch die Frage ist, ob es negatives Stimmengewicht ist, wenn A nach einem Stimmentransfer von A nach B besser dasteht und/oder B schlechter. Bei den meisten Verfahren ist ziemlich klar, dass das nicht passieren kann, wenn es sonst kein negatives Stimmengewicht gibt, aber hier würd ich eher schon davon ausgehn.
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marvin
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. August 2012 - 19:04 Uhr:   

@ Ratinger Linke: Bisher hatten die Gerichte aber auch nicht das Problem, über ein (teilweises) Mehrheitswahlrecht zu entscheiden, bei dem aus Gründen der Erfolgswertgleichheit es ungleich wichtiger als bei einer (fast reinen) Verhältniswahl ist, dass die Wahlkreise möglichst gleich groß sind.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 31. August 2012 - 16:54 Uhr:   

"Wenn man auf die Minimierung einen Ausgleich draufsetzt, hat man wieder negatives Stimmengewicht."
Laut Wahlrecht.de ist das aber ein gangbarer Weg. Siehe Ausblick und Nr. 1.2.2.

http://www.wahlrecht.de/news/2012/2012070601.html

Laut Pukelsheim ist die DMOPA frei von Negativem Stimmgewicht.
http://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1597

(Auf "Dokument" klicken).
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Freitag, 31. August 2012 - 20:35 Uhr:   

Bei jedem Ausgleichsmandateverfahren können negatives-Stimmgewicht-artige Effekte auftreten. Eine Stimme für die überhängende Partei kann dazu führen, daß sie mehr (Überhang-)Mandate erhält, die anderen dafür aber überproportional viele Auslgeichsmandate, so daß der gewählten Partei sogar Mehrheitsoptionen verloren gehen können.

Wenn man als Anhänger einer nicht-überhängenden Partei für oder wenigstens nicht gegen die Überhängende stimmt, kann diese ein Überhangmandat mehr und damit die präferierte Partei ein Ausgleichsmandat mehr bekommen.

Die direktmandatsorientierte Proporzanpassung begrenzt diese Effekte auf die Erststimme.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 01. September 2012 - 06:54 Uhr:   

Es sind negatives-Stimmgewicht-artige Effekte, es ist aber nicht in dem Sinne Negatives Stimmgewicht, dass mehr Stimmen zu weniger Sitzen führen können oder andersherum.
Wenn doch, dann müßte der oben verlinkte Bericht von der mündlichen Verhandlung überarbeitet werden, da er die unter 1.2.2. und 1.2.3. aufgeführten Möglichkeiten (beides Ausgleichsverfahren) als denkbar bezeichnet.
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 01. September 2012 - 13:53 Uhr:   

Diese "negativ-Stimmgewicht-artige" Effekte gibt es, aber anders als beim negativen Stimmgewicht im Wahlrecht von 2009 und im von der Regierung vorgebrachten Gesetz sollten die Effekte nicht auf einen Sitz (pro Partei) im Gesamtergebnis anwachsen anwachsen.
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Samstag, 01. September 2012 - 14:03 Uhr:   

Die negatives-Stimmgewicht-artigen Effekte treten bei allen Ausgleichsmandateverfahren auf, also zum Beispiel auch bei 14 Landtagswahlsystemen. Insoweit denkbar.

Das ist im Gegensatz als beim bisherigen Bundeswahlgesetz ein Rundungseffekt.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 01. September 2012 - 16:48 Uhr:   

Von welchen Effekten soll denn die Rede sein? Es lassen sich 3 Kategorien unterscheiden: absolut / relativ, systematisch / rundungsbedingt und Erststimme / Zweitstimme; insgesamt also 8 Varianten. In den typischen alten Fällen wie etwa Dresden 2005 war relatives negatives Zweitstimmengewicht (das entscheidend für die Mehrheiten ist) auch nur rundungsbedingt. Dass nicht nur systematisches negatives Stimmengewicht laut BVerfG verfassungswiedrig ist, ist völlig klar; allenfalls ist die Frage, ob rundungsbedingtes absolut sein muss (aber das kann es meistens eh sein).

Ausgleich führt zwar ziemlich zwingend zu negativem Erststimmengewicht in allen Varianten, aber nicht zu negativem Zweitstimmengewicht. Dass es in allen 14 Ländern mit Ausgleichsregeln auftritt, liegt nur daran, dass alle Unterverteilungen, Hare/Niemeyer, Pattvermeidungssitze und/oder spezielle Formeln verwenden. Rheinland-Pfalz hat aber nur dann negatives Zweitstimmengewicht, wenn verbundene Bezirkslisten überhängen; nachdem die überhangrelevanten Parteien keine haben, tritt praktisch keins auf (keine der 4 Varianten).

Auch bei Pukelsheim und dem Entwurf der Linken tritt negatives Zweitstimmengewicht in keiner der Varianten auf. Bei Methoden wie der Minimierung mit draufgesetztem Ausgleich kann aber sowohl absolutes als auch relatives rundungsbedingtes negatives Stimmengewicht auftreten.

Relatives negatives Stimmengewicht kann auch mehr als 1 Sitzäquivalent pro Partei ausmachen. Ob das tatsächlich auftritt, hängt insbesondere von der Größe der am stärksten überhängenden Partei ab. Wo negatives Stimmengewicht im Zusammenhang mit der CSU auftreten kann (ist nicht bei allen Verfahren der Fall), wird man auch praktisch regelmäßig damit rechnen müssen. Ich seh aber auch nicht den grundsätzlichen Unterschied, ob es nun 1 Sitz ist oder 0,9 oder auch 0,5.

@marvin:

Wenn man bei einer Mehrheitswahl maximale Erfolgswertgleichheit haben wollte, müsste man die Wahlkreise gezielt ungleich groß machen (und gerrymandern), damit exorbitant hohe Erfolgswerte wie in Berlin Mitte abgeschwächt werden. Das relevante Konzept ist die Erfolgschancengleichheit, die aber praktisch für die Wahlgleichheit ziemlich belanglos ist.

Wirklich Sinn machen möglichst gleiche Wahlkreise eigentlich nur dann, wenn man eine möglichst gleichmäßige Repräsentation der Bevölkerung sicherstellen will. Ansonsten ist es nur eine Krücke, wenn man sich weigert, die politische Realität einzupreisen. Eigentlich sind dann die Wahlkreisgrößen völlig irrelevant; Wahlgleichheit gibts da eh nicht.

@Nikolaus Krause:

Im verlinkten Artikel gehts ja bloß um mögliche Anordnungen oder konkrete Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, wo auch Irrationales eine gewisse Autorität gehabt hätte. Es ist ja auch der SPD-Entwurf drin. Wie eher zu erwarten war, hat es aber tatsächlich weder eine Anordnung noch irgendwelche direkt verwertbaren Hinweise auf mögliche Lösungen gegeben (noch weniger als im Urteil davor; sie haben offenbar auch eine gewisse Lernfähigkeit). Außerdem ist nicht alles, was auf wahlrecht.de steht, automatisch richtig.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 08:27 Uhr:   

Die Fraktionen diskutieren in ihren Verhandlungen nur noch über zwei Modelle.


http://www.tagesspiegel.de/politik/wahlrecht-nur-noch-zwei-modelle-im-gespraech/7122182.html

Zum einen eine (festgeschriebene) Oberzuteilung an die Länder mit anschließender Unterzuteilung an die Parteien.
"Die Ausgleichsmandate zur Neutralisierung der Überhangmandate würden in diesem Modell allerdings nicht auf Landesebene, sondern bundesweit vergeben."
Dieser Satz läßt viele Interpretationen zu. Auf alle Fälle soll der Ausgleich nicht getrennt nach Ländern erfolgen.
Aber ob damit gemeint ist, dass nicht überhängende Länder Ausgleichsmandate bekommen oder doch die Parteien nach bundesweitem Proporz (womit das SPD-Modell durch die Hintertür wieder reinkäme, und damit auch das Negative Stimmgewicht), bleibt unklar.

Das zweite diskutierte Modell scheint die Direktmandatsorientierte Proporzanpassung zu sein. Der Tagesspiegel schreibt: "Es gilt freilich als eher komplexe Lösung, zudem könnte der Regionalproporz etwas aus dem Lot kommen."
Dazu käme es tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit. Aber das Negative Stimmgewicht wäre weg.

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