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Verfahren zur Listenaufstellung

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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 12:42 Uhr:   

Hallo,
ich habe ein Verfahren zur Listenaufstellung für Bundes-, Landtags- und Bezirkstagswahlen der Piratenpartei in Bayern entwickelt und würde mich über euer Feedback freuen.
http://wiki.piratenpartei.de/BY:Wahl2013/Formalia/Wahlverfahren_Alternative2

Die Zusammenfassung:

1. Es werden zuerst die Spitzenplätze 1-N und dann die restlichen Plätze gewählt, wobei die Listengrösse am Ende festgelegt wird (Sichere vs. Nachrückerplätze). N muss kleiner 10 sein. Für die BTW z.B. N=5.

2. Jeder Kandidat darf sich insgesamt einmal min. 3min (http://anhalter.havelse.eu/?p=26) vorstellen und
ggf. für eine 1-3min Fragen beantworten (Fairness).

3. In beiden Durchgängen (1-N,N+1-Ende) wird jeweils in einem Block geheim gewählt, wobei die Wähler jeden Kandidaten mit 0-9 Punkten bewerten (differenzierte Bewertungswahl incl. ranking). 0 gilt als Nein-Stimme, 1-9 als differenzierte Ja-Stimme zur Bestimmung der Reihenfolge. Keine Stimme gilt als Enthaltung.

4. Die Stimmen werden in Computer übertragen und unabhängig von Wahlhelfern überprüft.

5. Nur Kandidaten mit einfacher Mehrheit sind gewählt (mehr Ja- als Nein-Stimmen, ohne Enthaltungen).

6. Dann werden mittels der Verfahren reweighted range voting (RRV, http://scorevoting.net/RRVj.html) und Schulze Proportional
Ranking (http://home.versanet.de/~chris1-schulze/schulze2.pdf) für die gewählten Kandidaten zwei Listenvorschläge errechnet (Verhältniswahl). Die Grundidee von RRV ist:

* Die Stimmen werden für jeden Kandidaten zusammengezählt um den nächsten Platz an den mit den im Durchschnitt meisten Punkten zu vergeben.
* Dabei hat die Stimme jedes Wählers für die nächste Platzierung umso mehr Gewicht, je weniger dessen Stimme bei schon ermittelten Platzierten an deren Platzierung beteiligt war. D.h. je mehr man seinen Favoriten bereits zur Platzierung verholfen hat, umso weniger zählt die eigene Stimme in der weiteren Auswertung.

* Damit haben auch Minderheiten eine gute Chance ihren Kandidaten auf einen der vorderen Plätze zu wählen.

7. Die Versammlung stimmt ab, welche Liste sie bevorzugt (taktische Konfusion), und ob sie diese akzeptiert oder neu wählen will.

8. Die Stimmen werden veröffentlicht, so dass jeder das Ergebnis verifizieren kann (Nachvollziehbarkeit).

9. Die Liste wird ggf. per Abstimmung gekürzt. Andernfalls stehen alle gewählten Kandidaten auf der Liste.

10. Die Liste mit Reihenfolge wird endgültig geheim bestätigt.

11. optional können vor den Wahlen fertige Vorschläge für Listenabschnitte abgestimmt und damit reserviert werden.

Gibt es Bedenken bzgl. der Umgewichtung der Stimmen bei RRV oder ist das erlaubt?

Vielen Dank!
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Wähler
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 14:09 Uhr:   

"* Damit haben auch Minderheiten eine gute Chance ihren Kandidaten auf einen der vorderen Plätze zu wählen."

Warum sollte es für mich als Wähler attraktiv sein, dass der Kandidat einer parteiinternen Minderheit einen aussichtsreichen Listenplatz erhält? Bei Minderheitsströmungen besteht immer die Gefahr, dass sie plötzlich im Parlament anders abstimmen, als es dem (von der Parteitagsmehrheit beschlossenen) Wahlprogramm entspricht (in der Opposition), oder gar für einen Mehrheitsverlust der Regierung (bei Regierungsbeteiligung) sorgen. Beides kann nicht im meinem Sinne als Wähler einer Partei sein, die ich wähle, weil sie ein bestimmtes Programm vertritt. Ich möchte nicht, dass Leute aufgestellt werden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich grundsätzlich gegen die Parteilinie stellen. Das heißt nicht, dass es nicht auch Abgeordnete braucht, die in ihrer Themensetzung andere Schwerpunkte haben, als die Mehrheit (also z.B.: die Piraten brauchen nicht nur Leute, die sich um die Netzpolitik kümmern, sondern auch Verteidigungspolitiker, Wirtschaftsfachleute und Verkehrsexperten), aber eben im Rahmen des von der Mehrheit beschlossenen Wahlprogramms und nicht dagegen.
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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 14:17 Uhr:   

Mit Minderheit ist hier, wie schon richtig erkannt, eine thematische oder auch regionale Minderheit gemeint. Z.B. sollten nicht alle Spitzenkandidaten nur aus Oberbayern kommen, weil die Wähler wohl auch Kandidaten aus ihrer Nähe bevorzugen könnten. Die Gruppierung in "Mehr/Minderheiten" ist dabei durch die Stimmen implizit selbst gegeben und wird nicht explizit vorab festgelegt.

Nicht gemeint sind Minderheiten in dem Sinne, dass sie die Mehrheit der Partei überhaupt nicht als Kandidat will, denn jeder Listenkandidat muss eine einfach Mehrheit der Ja Stimmen erreichen, d.h. überwiegend mindestens 1 Punkte statt 0 Punkte erhalten.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 15:12 Uhr:   

@Thomas
Es gibt in Bayern 7 Wahlgebiete (=Regierungsbezirke), und in jedem stellen die diesem Wahlgebiet zugeordneten Mitglieder ihre eigene Liste auf. Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass z.B. Schwaben lieber Oberbayern als Kandidaten aufstellen werden als ihre eigenen Leute.

Das jeweils gültige Wahlrecht scheint nicht die Stärke der PIRATEN zu sein (siehe Niedersachsen). Bei Bedarf gebe ich gern "Nachhilfe". :-)
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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 16:01 Uhr:   

Es gibt bei der Bundestagswahl nur eine Landesliste.

Bei der Land- und Bezirkstagswahl gibt es Wahlkreislisten für jeden Regierungsbezirk.
Die Kandidaten müssen in Bayern wohnhaft sein.

bzgl. Niedersachen: es gibt einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, und zwischen denen, die ein Verfahren entwerfen und denen, die es umsetzen.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 16:28 Uhr:   

Oh Entschuldigung, ich war der Meinung, es geht um die Landtagswahl. Bei der Bundestagswahl existiert das Problem natürlich.

Wenn nicht Delegierte entscheiden, sondern alle (anwesenden) Mitglieder, wird es wohl darauf ankommen, wo die Aufstellungsversammlung stattfindet.
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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 17:25 Uhr:   

Ich sehe kein grösseres Problem mit der Regionalverteilung. Es wird sicherlich mehr um Persönlichkeit und Inhalte gehen. Es ist nur ein weiterer Vorteil dieser Verhältniswahlverfahren, dass sie den Regionalproporz implizit berücksichtigen können.

Ich würde mich freuen, wenn folgende Bedenken zerstreut werden können:

1. reweighted range voting könnte bei der Bestimmung der Listenreihenfolge den Grundsatz der (Stimmen)gleichheit verletzen:
Jeder Wähler kann pro Kandidaten 0-9 Stimmen vergeben (Bewertung) oder sich enthalten.
Den ersten Platz bekommt der Kandidaten mit den im Durchschnitt meisten Stimmen. Soweit, so gut.
Doch für die folgenden Plätze werden die einzelnen Stimmen unterscheidlich gewichtet:
Gewicht= 9/(9+Bewertung1+Bewertung2+...) wobei Bewertung_i die Bewertung ist, die der jeweilige Wähler dem bisherigen Gewinner von Platz i gegeben hat.
Ist das eine Verletzung der Stimmengleichheit?
Denn anfangs haben alle Wähler das gleiche Stimmengewicht, das sich dann jedoch mit ihrem Einfluss auf die Wahl vorheriger Plätze verändert.

Bei der Mehrheitswahl oder Kumulieren ist ja auch so, dass man nur eine begrenzte Zahl von Stimmen vergeben kann, und man die Reihenfolge der Kandidaten, für die man nicht Stimmen vergeben hat, nicht weiter beeinflussen kann.

2. darf die Versammlung die Liste der bereits gewählten Kandidaten nachträglich kürzen?

3. darf man jedes beliebige Verfahren verwenden, so lange gewährleistet ist, dass jeder Kandidat vorgeschlagen werden kann,
sich angemessen vorstellen kann, geheim gewählt wird und die Wähler einen Kandidaten auch eine Nein-Stimme geben können (Blockwahl) können?
Ist ein Mehrheitsbeschluss der gesamten Liste am Ende notwendig oder kann man Schritt 10 oben weglassen.
Darf die Versammlung eine Neuwahl der Liste beschliessen, wenn keine Mehrheit die Liste bestätigt hat?

4. müssen es wirklich 10min Vorstellungszeit für jeden Kandidaten sein?
siehe http://anhalter.havelse.eu/?p=26
Das BVerfG hat nur für den konkreten Fall so geurteilt.
Wir haben aber >90 Kandidaten und können aus organisatorischen Gründen nur weniger Zeit geben.
Ausserdem geben wir den Kandidaten vorab die Gelegenheit sich im Internet+Podcast vorzustellen.

5. bei der Gelegenheit noch eine Frage zu einem anderen konkurrierenden Verfahren
http://wiki.piratenpartei.de/BY:Wahl2013/Formalia/Wahlverfahren
Dort werden erst mit Stimmenkummulation die Kandidaten in eine vorläufige Reihenfolge gebracht.
Danach wird im mehreren Margen (Platz 1-3; 4-14; 15-30 usw) die endgültige Reihenfolge mit Stimmkumulation festgelegt.
Dazu dürfen sich pro Marge jeweils nur die vordersten Kandidaten der Vorwahl bewerben, die noch nicht auf einen Platz gewählt wurden.
Verletzt das nicht den Grundsatz der Gleichheit?
Sollte sich nicht jeder, der in der Vorwahl weitergekommen ist, sich für jeden Platz bewerben dürfen?

Vielen Dank!
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 17:29 Uhr:   

Erstmal ist die Grundidee, parallel nach Rangevoting und STV auszuwerten, nicht ganz blöd, weil man damit die Schwäche von Rangevoting, nämlich die extreme Manipulierbarkeit durch taktische Stimmabgabe, entschärft.

Bloß macht das nur dann Sinn, wenn man wirklich Rangevoting nimmt und ein Ergebnis haben will, das Rangevoting bei ehrlicher Stimmabgabe liefern kann, nämlich eine Bewertung der Kandidaten nach möglichst objektiver Qualität und nicht nach Richtung. Bei dieser Vorgabe würde aber unterstellt, dass richtungsmäßige Mehrheiten und Minderheiten keine entscheidende Rolle spielen.

Wenn das wesentliche Ziel ist, die Partei möglichst unverzerrt auf die Liste abzubilden, macht eigentlich nur STV Sinn (inwiefern Schulze PR die wesentlichen STV-Eigenschaften erfüllt, ist mir nicht ganz klar). Ob das ein vernünftiges Ziel ist, ist eigentlich eine ganz andere Frage. Ich halt es schon für sinnvoll. Auch aus der Wählersicht bringt es wenig, wenn man völlig homogene und damit halbwegs kalkulierbare Listen hat, aber lauter unwählbare. Und die Kalkulierbarkeit wird im bei uns real existierenden System ohnehin durch Koalitionen zerstört.

RRV ist eigentlich ein völlig sinnloses Wahlverfahren. Schon bei normalem Rangevoting gibt es für einen taktischen Wähler keinen Grund, jemals andere Werte als das Minimum und das Maximum zu vergeben. RRV führt dann auch noch eine ehrliche Wahl ad Absurdum, weil die Umgewichtung jede potenziell objektive Bewertung zufallsabhängig ruiniert. Ein taktischer Wähler riskiert mit einer Bewertung größer null nicht nur (wie bei normalem Rangevoting), dass er damit seine eigentlich gewünschten Kandidaten rausschmeißt, sondern die Präferenzordnung kann damit voll umgedeht werden.

Der Vorteil, den eine ehrliche Bewertung (in der Regel) bei STV bietet, kann das nicht aufwiegen. Insbesondere hat RRV nur dann rudimentäre proportionale Eigenschaften, wenn nur Minimal- und Maximalwerte vergeben werden (und zwar jeweils in der richtigen Anzahl). Ansonsten beherrscht die Mehrheit das Ergebnis, und die soll ja dann auch entscheiden, welche Liste zählt. Eine Minderheit (die stark genug für zumindest 1 aussichtsreichen Platz ist) kann deshalb nicht auf eine Wertung nach STV hoffen, sondern muss darauf setzen, wenigstens ihren Anteil an der Liste durch optimierte RRV-Taktik zu sichern (wirkt auch bei STV).

Entsprechend ist auch die Änderung, dass jeder Kandidat von einer Mehrheit mit mehr als dem Minimum bewertet worden sein muss, total kontraproduktiv. Effektiv kann man dann die Liste gleich konventionell per Einzelwahl bestimmen. Die Version vom Juli (die mir schon aufgefallen war), war wesentlich besser.

Eine andere Frage ist, ob es sinnvoll ist, die Liste in verschiedene Blöcke aufzuteilen. Wenn das der Fall ist, ist das ein Indiz dafür, dass das eigentliche Verfahren mies ist. Kann gerechtfertigt sein, wenn man ein leicht durchführbares einfaches Verfahren nimmt, bei dem man die Schwächen inkauf nimmt, aber wenn man derartigen Aufwand betreibt, sollte es nicht nötig sein.

Außerdem halt ich das Verfahren zur Bestimmung der Listenlänge für pervers. Den Piraten scheint es zwar allgemein ein dringendes Bedürfnis zu sein, möglichst (zu) wenig Kandidaten aufzustellen, aber sinnvoll ist das nicht. Jedenfalls nicht bei geschlossenen Listen. Dafür etliche Abstimmungsrunden zu machen, in denen letztlich z.B. entscheiden wird, ob es 37 oder 38 Plätze sein sollen, halt ich schon für ziemlich übertrieben. Wobei es natürlich entscheidend ist, wenn der 1 Platz am Ende darüber entscheidet, ob die Liste erschöpft ist oder nicht.

Potenziell zu kurze Listen machen die Wahl übrigens in der Regel auch für die Wähler unattraktiv. Wenn die Piraten keine sicher lang genuge Liste präsentieren, scheiden sie für mich als potenziell wählbare Partei von vornherein aus (nachdem da alle anderen Parteien erfahrungsgemäß weniger blöd sind).

Bei Landtags- und Bezirkswahlen ist die Kürzung der Liste übrigens auch nicht ohne Weiteres erlaubt: Alle Stimmkreisbewerber müssen zwingend drauf sein. Folglich kann man auch keine Mehrheit für ihre Listung fordern; man kann sie nur möglichst weit nach hinten setzen (was aber bloß psychologische Auswirkungen hat; wer von der Liste gewählt ist, wird ohnehin weitgehend durch die Aufstellung im Stimmkreis entschieden (wär übrigens eine sehr interessante Frage, was für die Piraten gute Stimmkreise sind)).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 19:22 Uhr:   

Zu den Bedenken:

(1) Dass die Stimmen (bzw. genauer gesagt die Wertungen) verschieden gewichtet werden, halt ich für unproblematisch. Das Konzept einer Erfolgswertgleichheit ist auf solche Verfahren von vornherein nicht anwendbar, und die Zählwertgleichheit ist meines Erachtens erfüllt. Bloß an Einzelheiten der formalen Auszählung anzuknüpfen, ohne den Zusammenhang zu sehn, halt ich für verfehlt.

Verfahren mit sehr hohen taktischen Anforderungen halt ich allerdings für einen Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl, weil sie den Einfluss der Stimme von der Intelligenz des Wählers abhängig machen. Wenn die Wirkung der Stimmabgabe schwer durchschaubar ist, ist auch die Unmittelbarkeit betroffen.

Allerdings wird sowas kaum problematisiert, und bei der Aufstellung von Listen ist schon die Frage, inwieweit die üblichen Wahlgrundsätze überhaupt anwendbar sind. Es ist aber durchaus möglich, dass wer ein Problem damit hat, dass sich klassische Maßstäbe bei solchen Verfahren nicht direkt anwenden lassen. Das gilt aber schon für Approvalvoting, wo die Stimmenzahl auch nicht fix ist.

(2) Rechtlich seh ich bei der Kürzung der Liste kein Problem. Aber manche Leute halten auch die Nichtzuteilung von Überhangmandaten aus vergleichbaren Gründen für unzulässig. Jedenfalls ist es immerhin sinnvoller, die Liste erst dann zu kürzen, wenn man weiß, wer davon betroffen ist. Ist dann halt faktisch ein Vetorecht für eine entsprechende Mehrheit.

(3) Manche Wahlgesetze (oder -ordnungen) machen Einschränkungen für das verwendete Aufstellungsverfahren oder geben es direkt vor. Beim Bundestag und den bayrischen Wahlen ist das aber nicht der Fall (kommunal gibts detailierte Regeln, die aber eigentlich nichts ausschließen). Allerdings gehn häufig die Formulare davon aus, dass nur bestimmte Verfahren verwendet werden ([BWO], [LWO]).

Ich seh auch keine Notwendigkeit für die Möglichkeit einer Neinstimme. Die Piraten scheinen das (oder alternativ die Beschlussfassung über die Liste insgesamt) aus § 15 Abs. 1 PartG abzuleiten, aber das trifft meines Erachtens nicht zu. Gibts eine Gerichtsentscheidung o.Ä. dazu?

Die willkürliche Neuaufstellung einer Liste, wenn das Ergebnis nicht gefällt, halt ich grundsätzlich für problematisch, aber wenn es von vornherein Teil des definierten Verfahrens ist, sollte das schon zulässig sein.

(4) 3 Minuten ist zwar wenig, aber bei der Kandidatenzahl meines Erachtens angemessen. Insbesondere dann, wenn andere Darstellungsmöglichkeiten existieren und wohl auch wirklich genutzt werden.

(5) Da seh ich überhauptkeinen Grund, warum das gegen die Gleichheit verstoßen sollte. Ich find es (im Rahmen des Verfahrens) sogar sinnvoll. Der größte Mangel an dem Verfahren ist, dass bei 3 Plätzen 3 Stimmen vergeben werden (müssen?) und keinerlei Kumulation erlaubt ist (analog bei 2 Plätzen). Ist aber bei der Bundestagswahl in Bayern ziemlich egal, wenn es nur die Spitzengruppe betrifft, weil da eh alle oder niemand gewählt sein wird und es danach auch noch sichere Plätze gibt (bei Erreichen der Sperrklausel).

Ansonsten würd ich sagen, dass dieses Verfahren ein relativ gutes Verhältnis aus Aufwand und Wirkung hat. Produziert aber noch kürzere Listen, und das durchaus nicht unrelevante Verfahren zur Bestimmung der Margen ist undefiniert (beides unabhängig vom Verfahren an sich).

IANAL.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. August 2012 - 19:44 Uhr:   

Dass das andere Verfahren relativ gut ist, nehm ich teilweise wieder zurück. Solang man die Abgabe aller Stimmen nicht direkt vorschreibt (und damit ungültige Stimmen inkauf nimmt), hat man damit effektiv annähernd Approvalvoting (bloß komplizierter). Bei den ähnlichen süddeutschen Kommunalwahlsystemen hat man einen impliziten Zwang zur Abgabe aller Stimmen durch die Wertung für die Liste. Der Vorteil beruht nur darauf, dass Wähler Kandidaten wählen müssen, die sie eigentlich nicht wirklich wollen (wobei der informierte taktische Wähler seine überzähligen Stimmen auch bei sicher gewählten oder sicher nicht gewählten Kandidaten begraben kann).
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 18. August 2012 - 12:45 Uhr:   

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie die Auswirkungen sind, ich neige aber momentan eher einem zweistufigen System zu:

Stufe 1: Nominierung

1) Die Kandidaten stellen sich nacheinander kurz (2-3 min) vor.

2) Nach der Vorstellung werden die Kandidaten beurteilt: Entweder ein Nein, oder 0 bis zB 5 Stimmen.

3) Haben mehr Leute gegen einen Kandidaten (mit Nein) als für ihn (mit einer oder mehr Stimmen) gestimmt, wird der Kandidat gestrichen. Hat ein Kandidat weniger Stimmen, als Leute abgestimmt haben, wird er ebenfalls gestrichen.

4) Die übrigen Kandidaten werden nach der Stimmenzahl sortiert (vorläufige Liste).

Stufe 2: Listenaufstellung

5) Die verbleibenden Kandidaten stellen sich der Versammlung für Fragen. (Sollten dabei jeweils X Kandidaten gemeinsam befragt werden? Wenn ja, sollten dies Kandidaten 1 bis X der vorläufigen Liste sein, dann X+1 bis 2X etc?)

6) Die Abstimmung zur Listenaufstellung findet per STV statt.

7) Das Ergebnis wird ermittelt, die Liste wird vorgestellt.

8) Die Versammlung stimmt ab, ob diese Liste angenommen wird. (Was passiert, wenn die Versammlung mit nein stimmt?)

Wäre dies ausreichend demokratisch?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 18. August 2012 - 14:11 Uhr:   

Der Nutzen von STV ist halt beschränkt, wenn vorher eine qualifizierte Mehrheit als Eintrittsgeld verlangt wird.

Ob die 2–3 Minuten reichen, hängt davon ab, ob es ausreichend Grund dafür gibt. Der Verweis auf die Chance zu späterer Befragung wird dabei jedenfalls wenig bringen.
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 18. August 2012 - 19:12 Uhr:   

@Ratinger Linke:
Bei Stufe 1 ist es eigentlich nicht notwendig, dass Kandidaten ausscheiden. Sie werden bloss unabhängig voneinander beurteilt.

Wie wäre es damit?
1) Die Kandidaten stellen sich vor.
2) Die Kandidaten stellen sich der Versammlung für Fragen.
3) Die Listenaufstellung wird per STV-Wahl ermittelt.
Damit sollten auch Minderheiten auf der Liste ihren Platz finden, und nach der Wahl ins Parlament einziehen.
Das sollte eigentlich demokratisch sein. Ist es auch frei von Risiken und Nebenwirkungen?
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Wähler
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 18. August 2012 - 19:32 Uhr:   

"Damit sollten auch Minderheiten auf der Liste ihren Platz finden, und nach der Wahl ins Parlament einziehen."

Es bleibt immer noch die Frage, warum parteiinterne Minderheiten (also Personen, die offenbar die Parteilinie nicht vertreten wollen, denn sonst wären sie ja nicht in der Minderheit) überhaupt auf der Liste stehen sollen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. August 2012 - 00:17 Uhr:   

Das praktische Problem ist doch nicht, dass Kandidaten die Parteilinie nicht vertreten wollten, sondern eher im Gegenteil. Davon wird eine Minderheit aber nicht inexistent. Und die Parteilinie wird auch wesentlich über die Mandatsträger weiterentwickelt. Zu einem guten Teil geht es schlicht darum, dass spezifische Interessen vertreten sind, die an sich in der Partei garnicht strittig sind.
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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 03:00 Uhr:   

Hallo,
vielen Dank für die Rückmeldungen.

@RatingerLinke:
Ziel ist eine Repräsentation der verschiedenen akzeptieren Parteischwerpunkte im Verhältnis ihrer Priorität und durch möglichst fähige Repräsentaten derselben (und nicht von Minderheitsmeinungen oder schlechten Vertretern).
Was meinst du mit "objektiver Qualität"? Jeder Wähler hat seine eigenen Schwerpunkte und schätzt verschiedene Kandidaten danach ein welche sie wie gut vertreten können. Das fliesst zusammen in die Bewertung ein.
Die Verhältniswahlsysteme stellen im Vergleich zu Einzelwahlen sicher, dass die Proportionalität auf der Liste gewahrt wird.

Ich halte eine Punktbewertung als eine der ausdruckstarksten Möglichkeiten die Wählerpräferenzen wiederzugeben. Man kann nicht nur wie beim Ranking Reihenfolge und Gleichheit angeben, sondern auch das Verhältnis der Bevorzugung von Kandidaten (Verhältnisskala).

zum taktischen Wählen: welche Gründe könnten Wähler dazu bewegen nicht ihre Präferenzen ehrlich wiederzugeben?
Die von manchen behauptete extreme Manipulierbarkeit von Bewertungswahl kaufe ich nicht ab.
Zustimmungs- und Bewertungswahl ist für die Wahl von Einzelgewinnern gedacht. Für mehrere Gewinner - wie häufig bei den Piraten - halte ich für Missbrauch, da dann wirklich das Taktieren losgeht.
Jeder sollte seinem Favoriten die maximale und absoluten Nieten die minimale Punktzahl geben - so viel ist klar.
Wenn man eine Reihenfolge seiner Favoriten hat, sollte man sie nicht gleich bewerten, weil man sonst riskiert, dass ein schlechterer Favorit gewinnt.
Wenn man dem ärgsten Konkurrenten seines Topfavoriten um ihn zu schwächen 0 Punkte gibt, obwohl man ihn immer noch besser findet als viele andere Kandidaten, und das die anderen genauso machen, dann neutralisiert sich das weitestgehend und nur die Überzahl der Anhänger eines Kandidaten entscheidet. Dabei könnte sich aber ein Dritter freuen, den die meisten konsistent als Zweitkandidaten sehen und der damit viel mehr Punkte bekommt, als beide Topfavoriten. Wir sprechen hier aber von viel mehr als zwei Topfavoriten und die pure Bewertungswahl betrifft nur den Listenersten.
RRV ist keineswegs sinnlos und hat taktisch gesehen bereits Auswirkungen den Listenersten.
Denn wenn ich den Gewinner eines Listenplatzes mit hoher Punktzahl wähle, dann hat meine Stimme bei weiteren Plätzen weniger Gewicht. Gebe ich meinem Favoriten also weniger Punkte als ich wirklich will, weil ich glaube, dass die anderen ihm schon zum Sieg verhelfen und um meinen Einflüss für weitere Plätze zu erhalten, dann riskiere ich gleichzeitig, dass er wegen zu wenigen Punkten doch nicht gewinnt und zusätzlich auch beim nächsten Platz schlechtere Chancen hat.
Um ihre Stimme nicht "zuvergeuden" (höher zu bewerten als umbedingt für den Gewinn notwendig) müssten Wähler eine gute Abschätzung der Stimmen der anderen haben, die wiederum auch schätzen (Spieltheorie ...) und könnten damit wieder riskieren, dass ihr Kandidat doch nicht auf einen sicheren Platz kommt.

Eine Wählergruppe könnte auch versuchen durch Absprachen (vote management) die Punkte so zu verteilen, dass ihre Favoriten zwar nicht auf den Topplätzen, aber noch auf den sicheren hinteren Plätzen landen. Aber genau deswegen wurde ja Schulze PR entwickelt.
Da optimale Wählertaktik ist so kompliziert und vom Verhalten der anderen abhängig, dass ich glaube, dass die Leute sich lieber darauf verlassen, ehrlich zu wählen um nicht ein viel unbefriedigerendes Ergebnis zu erhalten.
Deine weiteren Behauptungen zu RRV kann ich nicht nachvollziehen.

Die Modifikation, dass jeder Kandidat eine einfache Mehrheit (mehr 1-9 als 0 Stimmen) benötigt hatte ich eingeführt, weil es Bedenken gab, dass Kandidaten auch ohne einer nachweisbaren Mehrheit (Demokratie) auf die Liste gelangen könnten. Da aber ohnehin am Ende die Liste gekürzt werden kann (keine unzulässige Blockwahl) und mit 2/3 Mehrheit bestätigt wird, habe ich das mittlerweile wieder rückgängig gemacht.

Der Grund in zwei Blöcken (1-N,N+1 bis Ende) zu wählen ist der, dass es Bewerber gibt, die nur für die sicheren Plätze kandideren wollen, andere nur für die Nachrücker- oder sehr unwahrscheinlichen Plätze. Dadurch treten weniger Bewerber für jeden der Blöcke an. Für die hinteren Plätze geht es nur darum dabei zu sein, für die vorderen kommt es auf den Anteil der Stimmen bei der BTW an. Die Bewerber können damit schon vorab einschränken, auf welche Plätze sie gewählt werden wollen.
Das kleinere Verhältnis Bewerber/Platz erhöht die Genauigkeit der Bewertung der Kandidaten (das war auch der Grund warum in NDS Bewertungswahl in 3 Blöcken durchgeführt wurde).

Die Listenkürzung ist notwendig um Kandidaten zu elimineren, die keiner für repräsentativ hält (jeder darf kandidieren, auch Spinner). Das ist notwendig, wenn man nicht wie zuvor eine einfache Mehrheit von Zustimmung für die Liste voraussetzt. Ansonsten denke ich nicht, dass es eine zu lange Liste geben könnte.
Das binary search Verfahren mit offener Abstimmung dauert nur wenige Runden bzw. Minuten.
Pervers halte ich es eher vorab ohne Vorstellung aller Kandidaten eine Listenlänge zu bestimmen und dann die Wähler dazu zu zwingen diese zu füllen. Man weiss doch erst im Nachhinein, wie viele gute Kandidaten man überhaupt zur Verfügung hat.

Das mit den LTW/BzTW Plätzen ist schon berücksichtigt.

zu 1) taktischen Anforderungen: ich glaube, dass hier kaum die Intelligenz sondern das Wahlverhalten der anderen für die richtige Taktik wesentlich ist. Und die Piraten sind recht unberechenbar. Das möge doch mal alles ein Richter belegen und damit einen wissenschaftlichen Beitrag zur Wahlforschung liefern...

zu 2) genau so ist es gedacht

zu 3) ich sehe genug Möglichkeiten für einen Wähler Kandidaten im Vergleich zu einer illegalen Blockwahl zu elimineren: Vergabe von 0 Punkten, Kürzung der Listenlänge und Veto bei Listenbestätigung.
Die Möglichkeit zur Neuwahl habe ich gestrichen. Durch Neuwahl wird das Ergebnis nicht besser.
Wenn am Ende keine Liste herauskommt, muss eben die Veranstaltung wiederholt werden.
Es gibt noch viele andere Gründe, warum so etwas passieren könnte (siehe NDS).

zu 5) vom Entwickler der Verfahrens wird behauptet, es würde Minderheiten schützen, weil es ja kumulativ wäre, und die Gruppen proportional zu ihrer Grösse abbilden. Das sehe ich anders.

1. kann die Mehrheit die Grösse der Blöcke bestimmen und damit durch <4er Blöcke Kumulation völlig verhindern (reine relative Mehrheitswahl, in der die Minderheiten untergehen) kann. Somit könnte die Mehrheit einfach die wichtigen Plätze durch Einzelwahl besetzen.

2. durch (beschränktes) Kumulieren (max 3 Stimmen pro Kandidat bei > 15er Blöcke) bekommt man Spoilereffekte,
die die Mehrheit sogar besonders benachteiligt (je mehr Kandidaten sie stellt)
http://www.martinwilke.de/kumulieren_mehrheitswahleffekt.html

3. die Wähler müssen genau aufpassen, dass sie nicht zuviel Stimmen pro Zettel oder Kandidat vergeben, sonst sind sie ungültig.

@Frank: die Wahlen sind unabhängig vom Wahlverfahren bei so viele Kandidaten und Wählern sehr aufwendig.
Ich will die Anzahl der Wahlen mininimeren. Das "ob" sehe ich in der Bewertung "wie gut" eines Kandidaten enthalten und denke, dass deswegen keine Vorauswahl sinnvoll ist.
Eine zeitliche Trennung von Vorstellung und Fragen halte ich für unpassend. Die Vorstellung ist bis zur Fragerunde wieder vergessen. Man kann sich in einem gemeinsamen Block ein besseres Bild vom Kandidaten machen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 11:14 Uhr:   

Mit "objektiver Qualität" mein ich, dass für die Abstimmenden persönliche Beweggründe keine Rolle spielen und sie mit einem einheitlichen Maßstab gemessen werden. Das wird z.B. bei Juryentscheidungen unterstellt, stimmt aber schon da in der Praxis nicht immer. Für sowas ist Rangevoting grundsätzlich geeignet, wird aber trotzdem oft durch Streichen von Extremwerten oder über den Median modifiziert, weil es anders praktisch nicht klappt.

Selbst auf rangevoting.org steht ja effektiv, dass ehrliche Wahl bei Rangevoting immer am schlechtesten für den Wähler ist, wenn es mehr Wähler als Kandidaten gibt (andernfalls dient die Differenzierung zur sinnvollen Auflösung der dann häufigen Patts). Auch die Skalierung (C) ist unter praktisch relevanten Bedingungen immer schlechter als eine absolut naive Strategie (E), die keinerlei Wissen des Wählers erfordert und die als Auslegungsregel automatisch angewendet werden könnte. Und das Maß ("expected utility") ist natürlich schon so gewählt, dass Rangevoting möglichst gut dabei ausschaut (unterstellt übrigens schon in der Theorie, dass es möglichst keine Wahlgleichheit geben darf, sondern zu berücksichtigen ist, wie wichtig dem Wähler das Ergebnis ist).

Wenn der Wähler ausreichend über die Strategien der anderen Wähler informiert ist, ist die beste Taktik (wie bei Approvalvoting), den besseren der beiden Kandidaten, die um den letzten zu besetzenden Platz konkurrieren, sowie alle noch besseren mit dem Maximum und alle anderen mit dem Minimum zu bewerten. Schwieriger wird es bloß, wenn die Informationen sehr mangelhaft sind oder die Strategien der anderen Wähler oder Sonderregeln im Wahlsystem zu irrational. Unter Umständen fährt man dann besser, wenn man den Cut-Off-Punkt zwischen Kandidaten verlegt, wo einem die Entscheidung wichtiger ist. Eine Abstufung kann man dann zur Risikostreuung nutzen, aber einen optimalen Erwartungswert wird man damit kaum erzielen können.

Eine optimale Strategie setzt natürlich voraus, dass es genügend blöde Wähler gibt, die das Ergebnis berechenbar machen, sonst entartet es leicht zum Chickengame. Wenn man darauf setzt, dass die Mehrzahl der Wähler deshalb lieber gleich ehrlich wählt, verschafft man aber den anderen einen umso größeren Vorteil. Das klappt nur dann, wenn man voraussetzen kann, dass fast alle Wähler entweder kooperativ oder blöd sind und man den groben Vorteil für den Rest inkauf nimmt. Die Frage ist halt, ob das bei Aufstellungsversammlungen gegeben ist.


Dass Bewerber nur für chancenlose Plätze kandidieren wollen, kann ich nicht ganz nachvollziehn. Wenn sie wirklich chancenlos sind, kann man sie auch unbesetzt lassen, und andernfalls müssen sie ohnehin mit ihrer Wahl rechnen. Bei offenen Listen geht es ja auch nicht, zu verhindern, dass man tatsächlich gewählt wird (und gerade da besteht oft der faktische Zwang zu Füllkandidaten). Das Argument mit den medialen Spitzenkandidaten zieht auch nicht, weil die nicht mit der Reihenfolge auf der Liste übereinstimmen müssen. Bei Bundestagswahlen und Landtagswahlen in Bayern stehn die Spitzenkandidaten für die meisten Wähler garnicht auf der Liste. Wenn man anders keine Bewerber findet, kann man aber natürlich mit den Margen nachhelfen.

"Das möge doch mal alles ein Richter belegen und damit einen wissenschaftlichen Beitrag zur Wahlforschung liefern..."

Das ist nicht ihre Aufgabe, und sie schaffen es in aller Regel ja nichtmal, einen Erfolgswert korrekt anzugeben. Wenn die Streitparteien nichts Vernünftiges vorlegen, können aber auch die Richter wenig machen.
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Thomas
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 12:23 Uhr:   

Für mich sind Bewertungen von Kandidaten immer subjektiv. Schon allein die Gewichtung von gewissen Werten sind bei jedem Wähler anders. Wie die Bewertung zu stande kommt ist unerheblich.
Wichtig ist mir möglichst die "wahre" Bewertung zu erfahren um das Ergebnis zu ermitteln, das zur grössten Wählerzufriedenheit führt.

Abgesehen davon, dass ich RRV für die Ermittlung mehrerer Gewinner nutzen will, und nicht reines range voting mit 0-1 Kontinuum, sind die Wähler und Kandidaten nicht uniform verteilt sind, sondern es gibt klare Favoriten, die den meisten auch bekannt sind.
Die Simulationen treffen also nicht zu.

Wenn ich schlechtere Kandidaten die gleiche maximale Bewertung wie den besseren gebe, riskiere ich dass, meine Favoriten nicht einen guten Platz bekommen, weil mein Stimmgewicht beim Gewinn jeder der schlechteren Kandidaten maximal geschwächt wird.
Die Strategien von einfachem RV sind nicht einfach auf RRV übertragbar.
Taktisches Wählen betrifft alle Wahlverfahren und umso mehr, je mehr man das Verhalten der anderen einschätzen kann.

Manche Bewerber wollen sich beruflich/familiär schon vorbereiten oder nur im Notfall einspringen oder einfach nur von der Basis hören, wie gut sie die Piraten vertreten.
Das wichtigste ist hier das Bewerber/Platz-verhältnis für die wichtigen Plätze zu reduzieren, selbst wenn alle Kandidaten im ersten Block antreten sollten.
Im zweiten Block würden viele nicht mehr antreten wollen, da sie keine Lust auf hintere Plätze haben. Dadurch beschleunigt sich die Wahl.

Für offene Listen gilt nur zu verhindern, dass No-Go Kandidaten auf die Liste kommen, und dass ein paar Topkandidaten ganz vorne stehen. Für alles andere müssen wir Erfahrungen sammeln.

Für eine erfolgreiche Klage müsste intelligent genug sein, um zu beweisen, dass man zu dumm ist das Wahlverfahren und die passende Taktik zu verstehen :-)
Es wurde schon andere kompliziertere Verfahren wie Schulze für Aufstellungsversammlungen verwendet. Und auch bei einfacheren Verfahren ist die Einschätzung wie die anderen abstimmen werden, genauso schwer. Daher sehe ich hier kein Problem.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Mittwoch, 29. August 2012 - 13:19 Uhr:   

Gerade wenn es klare Favoriten gibt, gibts doch keinen Grund, für die noch sein eigenes Stimmengewicht durch den Ofen zu jagen (das gilt ja eingeschränkt sogar für STV). Natürlich geht man damit ein Risiko ein, aber es lohnt sich.

Bei der Listenaufstellung ist zumindest die Reihenfolge bis zur Sperrklauselgrenze völlig irrelvant. Es geht bloß um die zu erwartende Grenze, bis zu der es einen Sitz gibt. Die ist zwar nicht ganz sicher und auch durch Nachrücker etwas verschwommen, aber für die Wahlentscheidung sind zumindest nur die Kandidaten relevant, bei denen sehr unsicher ist, ob sie vor oder hinter der Grenze landen werden. Und auf den besten davon muss man möglichst sein ganzes Stimmengewicht konzentrieren, um maximalen Einfluss zu haben. Wenn es mehrere gibt, muss man halt zwischen Qualität und Bedarf abwägen, aber eine Stimme für einen schlechteren Kandidaten ist gleichzeitig eine gegen den besseren, und eine verschwendete bei RRV auch.

Das grundsätzliche Problem ist, dass selbst eine Strategie, die für jeden einzelnen Wähler zum besten Ergebnis führt, aus der Sicht des einzelnen Wählers suboptimal sein kann (Eisverkäuferparadoxon). Das lässt sich nur vermeiden, wenn man aus irgendwelchen Gründen die Kooperationsbereitschaft aller Wähler voraussetzen kann.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 08. September 2012 - 01:40 Uhr:   

Was jetzt hier steht, ist grob irreführend:

"Das Wahlverfahren [...] ist ein echtes personalisiertes und faires Verhältniswahlverfahren."

Das ist kein Verhältniswahlverfahren. Es verhält sich ausschließlich dann so, wenn alle Wähler auf Blöcke verteilt sind und ihren eigenen Kandidaten allen das Maximum geben und dem Rest das Minimum (womit dann die Personalisierung ausschließlich durch das Los erfolgt). Dann kann man aber gleich eine richtige Verhältniswahl machen. Wer weniger als das Maximum an den letzten relevanten Kandidaten vergibt, kriegt keinen proportionalen Anteil mehr, außer die Anderen sind genauso blöd.

Technisch gesehn ist eine Vergabe von weniger als dem Maximum eine künstliche Reduzierung der Höchstzahlen, wo gerade die weiter hinten (also die mit der größeren Reduzierung) für die effektive Sitzzahl relevant sind. Es gewinnt also der, der seine Stimmen besser konzentriert. Fair ist das genau dann, wenn Intelligenz und Kommunikationsmöglichkeiten (für die nötigen Absprachen) unter den Wählern gleichmäßig verteilt sind.

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