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Archiv bis 04. August 2012

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Negatives Stimmgewicht & Bundesverfassungsgericht » Archiv bis 04. August 2012 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. August 2012 - 17:51 Uhr:   

Bericht hier: http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittene-ueberhangmandate-seehofer-geht-bei-wahlrechtsreform-auf-opposition-zu-1.1428203

Wie ich sehe, steht es auch schon im Twitter.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 01. August 2012 - 18:29 Uhr:   

Naja, bleibt abzuwarten, ob die Süddeutsche hier seriöser ist als in der Berichterstattung übers BVerfG.
http://www.focus.de/kultur/medien/sueddeutsche-zeitung-geschockt-sz-edelfeder-gaukelt-kocherlebnis-mit-vosskuhle-vor_aid_789194.html

Wenn die Union sich auf einen Vollausgleich einlässt, wird es sicher eine Kompromisslösung geben, die aber wohl den Bundestag weiter aufblähen wird. Ob diese Lösung dann frei ist von negativem Stimmgewicht, ist eine andere Frage.


@Jan W.
"Wobei ich das Gebot der Klarheit und Einfachheit von 2007 so deuten würde, dass hier vor allem die endgültigen Parteistärken durch wenige triviale Schritte (noch besser: durch nur einen) erklärt werden können.
Wenn "Zweitstimmenanteile >5%/Grundmandate/Minderheit -> Sitzzuteilungsverfahren -> Sitzzahl je Partei" bereits endgültige Sitzstärken ergibt, dürfen erweiterte Personalisierungsmöglichkeiten ruhig komplexer sein, um die zusätzlichen Mitwirkungsrechte des Wählers mit dem Prinzip der Verhältniswahl zu vereinbaren."
Dass es Sinnvolleres gibt als die jetzige Zweistimmenkonstruktion, dürfte hier kaum umstritten sein. Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass keine Bundestagsfraktion hier etwas ändern will und damit mindestens für die laufende Wahlperiode, wahrscheinlich noch wesentlich länger, jede Änderung in diese Richtung ausgeschlossen ist.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 09:49 Uhr:   

@RL:

Vielen Dank für die anschauliche Darstellung!

Ich verstehe trotzdem nicht, warum nach der Verteilung von 15 potenziellen ÜM anschließend noch um 1 erhöht wird bzw. warum es sinnvoller sein sollte, nach Adams oder H/H gleich 30 ÜM zu verteilen. Es sind doch nur 15 erlaubt! Und warum nennen Sie unter (3) in den Ländern "die Sitzzahl eh nicht konstant"? Die steht doch fest, wenn sie nach dt. Bevölkerung oder Wahlberechtigten vorab zugeteilt wurde?!

Wäre es nicht besser, den betreffenden Ländern die ÜM unausgeglichen zu überlassen, solange es bundesweit nicht mehr als 15 sind?
Und wenn es 16+ ÜM sind, sollte man nicht dann 15 ÜM wie von Ihnen unter (2) beschrieben, nach Sainte-Lague-Höchstzahlen nur unter den Ländern verteilen, in denen tatsächlich Überhang angefallen ist? Im Grunde würde dieses Verfahren dann nur zur Ermittlung dienen, welche der Länder die niedrigsten Höchstzahlen haben und wo demzufölge ausgeglichen werden muss (und wie viele Mandate dann).

Zu Horst Seehofer: Über ein Mehr an Gerechtigkeit kann man sich ja nur freuen! Aber evtl schadet er seiner CSU auch durch diesen Vorschlag.
Gleicht man nämlich getrennt nach Ländern aus und fallen in Bayern im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine ÜM an, dann gibt es anderswo Ausgleich, nur in Bayern nicht. Das Gewicht seiner CSU und auch Bayerns insgesamt verringert sich dann.
Wäre hingegen die bundesweite Oberzuteilung an die Parteien maßgeblich, könnte sich die CSU wahrscheinlich oft über Ausgleichsmandate, aufgrund ÜM z.B. in den neuen Bundesländern, freuen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 12:21 Uhr:   

Sinnvoller wär es natürlich schon, Maßnahmen gegen zu viel Überhang an das Vorhandensein von Überhang zu knüpfen. Aber das gibt negatives Stimmengewicht. Deshalb muss man das Kontingent ziemlich ins Blaue hinein verteilen und dafür vergrößern.

Das ist bei Pukelsheim ziemlich analog: Da wär es auch sinnvoller, die Aufblähung des Bundestags an eine Notwendigkeit dafür zu knüpfen. Aber das gibt negatives Stimmengewicht. Deshalb wird der Bundestag selbst dann aufgebläht, wenn es garkeinen Überhang gibt oder wenn jeder interne Überhang auch extern ist (und es damit keine interne Kompensation gibt, die kompensiert werden müsste). Umgekehrt kann mit dieser sachfremden Methode die Vergrößerung viel zu klein sein. Es ist halt so justiert, dass es in den Fällen, mit denen momentan zu rechnen ist, ein halbwegs gefälliges Ergebnis ergibt.

Die 15 erlaubten Überhangmandate sind jedenfalls nicht völlig fix. Sie werden als Grenze beim "Ausgleich zwischen dem Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang uneingeschränkten Erhalts von Wahlkreismandaten" begründet. Das "Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses" (das insbesondere aus der Existenz der "Reststimmenverwertung" hergeleitet worden ist) fällt hier weg. An dessen Stelle tritt das Anliegen möglichst gleichmäßiger Repräsentation der deutschen Bevölkerung in den Ländern, wo ein Ausgleich kontraproduktiv ist.

Die Frage ist sogar, ob ein Ausgleich bei diesem System überhaupt zulässig ist. Bei konsequenter Auslegung bleibt nur die Nichtzuteilung oberhalb von 15. Das System könnte man dazu analog anwenden, müsste aber das verteilte Kontingent so reduzieren, dass es dann praktisch wirklich nicht mehr als 15 zugeteilte Überhangmandate werden.

Bloß stellt sich dann die Frage, ob bei dieser veränderten Zielsetzung nicht auch negatives Stimmengewicht umdefiniert werden müsste. Das System ermöglicht, dass ein Land weniger Sitze bekommt, wenn dort mehr Stimmen abgegeben werden. Andererseits sind nicht die Stimmen die gewollte Berechnungsgrundlage, sondern die deutsche Bevölkerung, und ein negatives Bevölkerungsgewicht gibt es nicht.


Mit "die Sitzzahl [ist] eh nicht konstant" hab ich gemeint, dass sie regelmäßig durch Überhang und Ausgleich vergrößert wird. Dann kann man sich die Festlegung auf eine exakte Sitzzahl im ersten Schritt gleich sparen. Im Beispiel würd NRW bei einem Anspruch von 128,384 nur 128 statt 129 Sitze bekommen; die tatsächliche Gesamtsitzzahl vor Überhang und Ausgleich wär dann 597. Das hat nur Vorteile, wenn man auf die exakte Erfüllung der Sollsitzzahl verzichten kann: Die Verzerrung wird kleiner und die Rechnung einfacher und leichter nachvollziehbar. Richtige Sitzverteilungsverfahren sind nur dann notwendig, wenn die Summe exakt stimmen muss, z.B. generell bei Unterverteilungen, oder wenn man auf ungerade Gesamtsitzzahl Wert legt (wie in vielen Ländern).

Bayern profitiert generell von getrennten Wahlgebieten, weil die Wahlbeteiligung im Schnitt unterdurchschnittlich und die Zahl der nicht berücksichtigten Stimmen stark überdurchschnittlich ist; selbst wenn die CSU nicht überhängt, kann sie im Saldo von einem Profit ausgehn. Deutsche Bevölkerung oder Wahlberechtigte macht für Bayern momentan nicht viel Unterschied, aber je mehr der Osten überaltert, desto schlechter werden die Wahlberechtigten. Pukelsheim ist insofern gut für die CSU, als sie da gute Chancen auf den letzten Sitz hat.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 15:15 Uhr:   

"Sinnvoller wär es natürlich schon, Maßnahmen gegen zu viel Überhang an das Vorhandensein von Überhang zu knüpfen. Aber das gibt negatives Stimmengewicht."
Falsch. Ohne Überhangmandate kann es auch kein negatives Stimmgewicht geben.

Für die Wahl in getrennten Ländern (also vorab zugeteilte Sitzkontingente) hat Ulrich Wiesner nachgewiesen, dass Negatives Stimmgewicht nicht auftritt.
http://http://ulrichwiesner.de/stimmgewicht/#GetrennteLaender
Ich nehme an, dass Sie mit "Pukelsheim" die Direktmandatsorientierte Proporzanpassung meinen. Aber auch diese ist zunächst mal (ohne 15ÜM) grundsätzlich frei von Negativem Stimmgewicht.
http://http://ulrichwiesner.de/stimmgewicht/#Proporzanpassung
Gleiches gilt für die ebenfalls von Prof. Pukelsheim vorgeschlagene Methode der internen Verrechnung, also dem Grünen-Entwurf.

"Das ist bei Pukelsheim ziemlich analog: Da wär es auch sinnvoller, die Aufblähung des Bundestags an eine Notwendigkeit dafür zu knüpfen. Aber das gibt negatives Stimmengewicht."
Warum denn das? Die DMOPA führt doch nur dann zu einer Vergrößerung, wenn externe ÜM anfallen oder die Zahl der Direktmandate einer Partei 10/11 ihres propartionalen Sitzanspruches beträgt!

"Die 15 erlaubten Überhangmandate sind jedenfalls nicht völlig fix. Sie werden als Grenze beim "Ausgleich zwischen dem Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang uneingeschränkten Erhalts von Wahlkreismandaten" begründet. Das "Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses" (das insbesondere aus der Existenz der "Reststimmenverwertung" hergeleitet worden ist) fällt hier weg. An dessen Stelle tritt das Anliegen möglichst gleichmäßiger Repräsentation der deutschen Bevölkerung in den Ländern, wo ein Ausgleich kontraproduktiv ist. "
Ich staune über die sehr großzügige Auslegung des Urteils! Ich habe es so verstanden, dass es möglichst nicht mehr als 15 ÜM geben sollte.
Sollte sich herausstellen, dass ein Ausgleichsverfahren ohne Negatives Stimmgewicht nur möglich ist, wenn man mehr als 15 ÜM zuläßt, dann kann man nach Abwägung nur zu dem Ergebnis kommen, dass das Verhindern von Negativem Stimmgewicht wichtiger sein muß als der Erhalt von 15 ausgleichslosen Überhangmandaten bzw. die künstliche Vergrößerung der ÜM auf mehr als 15.

"Das System ermöglicht, dass ein Land weniger Sitze bekommt, wenn dort mehr Stimmen abgegeben werden". Das kann gar nicht passieren, wenn die Sitzkontingente vorab festgelegt sind. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate können sich Sitzzahlen einzelner Länder vergrößern, aber andere Länder verlieren deshalb ja keine Sitze.

"Das hat nur Vorteile, wenn man auf die exakte Erfüllung der Sollsitzzahl verzichten kann"
Wo bleibt da die Normanklarheit und Nachvollziehbarkeit?

Und, mit Verlaub: "je mehr der Osten überaltert, desto schlechter werden die Wahlberechtigten."
Das kann man sicher, auch im Eifer des Gefechtes, anders formulieren. Darum möchte ich als gebürtiger Ostdeutscher bitten.
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Bobo
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 17:16 Uhr:   

In Abs. 144 des Urteils versteht das BVerfG die höchstzulässige Grenze
von 15 ÜM als eine Normkonkretisierung. Der Gesetzgeber kann nun auf
dieser /verlässlichen/ verfassungsrechtlichen Grundlage ein
modifiziertes 1953-Modell entwerfen, in welchem immer nahezu 15 ÜM
erhalten bleiben, wenn mehr als 15 ÜM in der laufenden Berechnung
auftauchen. Ich glaube nicht, dass eine Wahlanfechtung bei so einem BWG
irgendeine Chance hat. Dafür hat das BVerfG - auch hinsichtlich der oben
erwähnten Normkonkretisierung - zu klar geurteilt.

Die SPD wird von ihrem Vorschlag wohl nun auch abrücken. Allerdings wird
sie sich nicht dem Vorschlag der Grünen zuwenden. Sie kann sich durchaus
mit der (tatsächlichen) Trennung in 16 Wahlkörpern arrangieren; sie
sollte bei diesem Kompromiss ihre Kraft für eine angemessene
Ausgleichsregelung einsetzen.

Alternativ könnte die SPD der Union ja vorschlagen, ein Grabenwahlrecht
einzuführen; da gibt es auch keine Überhangmandate mehr. (SCNR)


MfG, Bobo.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 17:39 Uhr:   

Guten Tag,

ich frage mich ob die Vorgabe des BVerfG zur Gleichheit der Wahl hinsichtlich der Überhangmandate dadurch zu lösen wäre, dass man die Erststimmen erfolgreicher Direktmandatare auch als Zweitstimme für die Partei dieses Kandidaten wertet und deren Zweitstimme ignoriert.

Immerhin kann man dann nicht mehr behaupten, dass sich Wähler durch Stimmensplitting einen Vorteil verschaffen können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 18:31 Uhr:   

@Nikolaus Krause:

Natürlich gibt es auch ohne Überhang massenhaft Möglichkeiten für negatives Stimmengewicht. Aber das ist hier nicht das Thema. Es geht ja um den Fall, dass es eben schon Überhang gibt, aber nicht überall. Wie soll eine Regel ausschaun, die z.B. genau 15 Überhangmandate nicht ausgleicht, wenn es mehr gibt, ohne damit negatives Stimmengewicht zu erzeugen (abgesehn vom Bundeslistenfall)? Ich seh da keine Lösung.

"Die DMOPA führt doch nur dann zu einer Vergrößerung, wenn externe ÜM anfallen oder die Zahl der Direktmandate einer Partei 10/11 ihres propartionalen Sitzanspruches beträgt!"

Eben, für Letzteres ist kein Überhang notwendig.

"Sollte sich herausstellen, dass ein Ausgleichsverfahren ohne Negatives Stimmgewicht nur möglich ist, wenn man mehr als 15 ÜM zuläßt, dann kann man nach Abwägung nur zu dem Ergebnis kommen, dass das Verhindern von Negativem Stimmgewicht wichtiger sein muß als der Erhalt von 15 ausgleichslosen Überhangmandaten bzw. die künstliche Vergrößerung der ÜM auf mehr als 15."

Es ist doch nicht so, dass der Erhalt von Überhangmandaten das negative Stimmengewicht bedingt. Ganz im Gegenteil wird es primär vom Ausgleich verursacht. Richtig ist aber, dass das Urteil der Vermeidung von negativem Stimmengewicht allerhöchste Priorität einräumt.

Eigentlich ist das auch die einzige wirklich definitive Aussage im Urteil. Alles Andere ist eigentlich nur eine Qualitätskontrolle des Gesetzgebers. Es wird lediglich damit argumentiert, dass der Gesetzgeber bestimmte mutmaßliche Ziele hat, sie aber mit seinen Maßnahmen nicht erreicht. Der Gesetzgeber muss also bloß seine Ziele klar benennen und konsequent verfolgen, dann ist alles erlaubt (außer negatives Stimmengewicht). Das Risiko ist bloß, dass das Bundesverfassungsgericht dann dochnoch was findet, wo es ihm einen Strick draus drehen kann. (Bei der bisherigen Argumentation halt ich es auch für möglich, dass das BVerfG dem Gesetzgeber z.B. nachweist, dass er eigentlich garkein Grabenwahlrecht einführen wollte, falls er das tun sollte.)

Eine klare und konsequente Möglichkeit, dem BVerfG zu zeigen, dass man keinen Parteienproporz will, sondern eine Belohnung für Direktmandate, wär die Kombination von interner Kompensation mit einem Bonussystem. Man könnte z.B. 15 (oder auch 100) Sitze nach der Zahl der gewonnenen Wahlkreise verteilen und damit die Folgen der internen Kompensation abmildern. Wär dann von der Wirkung her eine Art Minigraben.

"Durch Überhang- und Ausgleichsmandate können sich Sitzzahlen einzelner Länder vergrößern, aber andere Länder verlieren deshalb ja keine Sitze."

Die absoluten Sitze sind aber irrelevant. Mir ist schon klar, dass so auch der alte Erhalt von Überhang fälschlicherweise als Erhaltung des parteiinternen Länderproporz gewertet wird (immerhin noch einsichtig, weil es den Abgeordneten um ihre eigenen Sitze geht) und wahlrecht.de damit Propaganda gegen negatives Stimmengewicht, das keine Wähler betrifft, betreibt.

Mit dem aktuellen Urteil ist aber ziemlich klar, dass relatives negatives Stimmengewicht zumindest auch nicht erlaubt ist, auch wenn die Richter nicht fähig sind, das, was sie meinen, auch so auszudrücken.

"Wo bleibt da die Normanklarheit und Nachvollziehbarkeit?"

Was ist unklar oder schwer nachvollziehbar, wenn man sagt, dass ab 0,5 aufgerundet wird und darunter ab? Ich behaupte, dass das mehr Leute verstehn als ein reguläres Sitzzuteilungsverfahren.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 18:50 Uhr:   

@RL:

"Wie soll eine Regel ausschaun, die z.B. genau 15 Überhangmandate nicht ausgleicht, wenn es mehr gibt, ohne damit negatives Stimmengewicht zu erzeugen (abgesehn vom Bundeslistenfall)? Ich seh da keine Lösung.

Ich auch nicht. Und deshalb halte ich das von Ihnen vorgerechnete Modell für untauglich.

Und wenn sich herausstellt, dass es kein Sitzzuteilungsverfahren gibt, das 15 Überhangmandate unausgeglichen erhält und gleichzeitig frei von Negativem Stimmgewicht ist, dann muss letzteres Anliegen Vorrang haben. So verstehe ich das Urteil.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 19:22 Uhr:   

Das heißt dann aber bei getrennten Wahlgebieten entweder, dass garkein Überhangmandat ausgeglichen wird oder dass alle ausgeglichen werden. Letzteres beeinträchtigt die (laut BVerfG besonders schutzwürdige) Grundentscheidung des Gesetzgebers maximal.

Außerdem gibts eben noch die Möglichkeit, wie beschrieben eine relativ zufällige Zahl von Überhangmandaten auszugleichen.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 20:53 Uhr:   

@Bobo
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die SPD erst bei einer Klage gegen die Verzerrung des Verhältniswahlrechts durch Überhangmandate mitmacht, um dann bei der Abschaffung des Verhältniswahlrechts mitzumachen?
Und warum sollte die FDP sich für 1953 oder den Graben stark machen? Daran hat sie doch wirklich kein Interesse.

Die Möglichkeit, dass bis zu 15 Überhangmandate je nach Umsetzung nicht verfassungswidrig sein können, beinhaltet keinen Auftrag, Überhangmandate weiterhin zu ermöglichen. Das ist lediglich eine Wunschvorstellung der Union.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. August 2012 - 22:56 Uhr:   

Clovis schrieb "ich frage mich ob die Vorgabe des BVerfG zur Gleichheit der Wahl hinsichtlich der Überhangmandate dadurch zu lösen wäre, dass man die Erststimmen erfolgreicher Direktmandatare auch als Zweitstimme für die Partei dieses Kandidaten wertet und deren Zweitstimme ignoriert."
Da in der Regel für ein Direktmandat weniger Erststimmen notwendig sind als einem Sitz im Durchschnitt Zweitstimmen entsprechen, ist das nicht wahrscheinlich. Aus dem selben Grund ist diese Einschränkung auch keine Lösung für das Problem des negativen Stimmgewichtes.

Nikolaus Krause schrieb "Und wenn sich herausstellt, dass es kein Sitzzuteilungsverfahren gibt, das 15 Überhangmandate unausgeglichen erhält und gleichzeitig frei von Negativem Stimmgewicht ist, dann muss letzteres Anliegen Vorrang haben. So verstehe ich das Urteil."
Richtig, also nimmt man dann ein Sitzzuteilungsverfahren komplett ohne Überhangmandate (z.B. Offene Listen, Nichtzuteilung, interne Kompensation mit externem Ausgleich) oder mit (recht sicher) weniger Überhangmandaten (z.B. Bundesliste, RL-Vorschlag).
Jedenfalls gibt es nichts im Urteil, was es rechtfertigen würde, mehr als 15 (regelmäßig auftretende) Überhangmandate zu rechtfertigen.

(Beitrag nachträglich am 02., August. 2012 von Arno Nymus editiert)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 00:11 Uhr:   

Der Nachteil der Alternativen ist bloß, dass sie sich entweder 2013 nicht realisieren lassen oder ihre Verfassungsmäßigkeit aus anderen Gründen fraglich ist. Wobei ich, um nicht zu einseitig zu sein (das Urteil gibt ja für alle Richtungen was her), vielleicht auch erwähnen sollte, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat:

"Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, die Zahl hinnehmbarer Überhangmandate festzulegen und zu regeln, wie mit den die gesetzliche Grenze überschreitenden Überhangmandaten zu verfahren ist, sowie, sollte eine derartige Regelung nicht gefunden werden, Alternativen zum geltenden Wahlsystem ins Auge zu fassen."

Da fragt man sich zwar zuerst verwundert: "Welches nun plötzlich doch geltende Wahlsystem?" Aber es war ja die personalisierte Verhältniswahl an sich gemeint, die über allen realen und politisch relevant vorgeschlagenen Wahlsystemen schwebt (und bisher nicht abgestürzt ist). Also kann das nur ein dezenter Hinweis an den Gesetzgeber sein, dass er doch besser gleich ein Grabenwahlsystem nehmen soll (als einzige für 2013 mögliche Alternative), wenn er sich weiteren Ärger mit Karlsruhe ersparen und einer entsprechenden Anordnung zuvorkommen will.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 00:34 Uhr:   

"Also kann das nur ein dezenter Hinweis an den Gesetzgeber sein, dass er doch besser gleich ein Grabenwahlsystem nehmen soll (als einzige für 2013 mögliche Alternative), wenn er sich weiteren Ärger mit Karlsruhe ersparen und einer entsprechenden Anordnung zuvorkommen will."

Nein, eine mögliche Alternative könnte auch der Verzicht auf Wahlkreise sein. Die Äußerung des Verfassungsgerichts kann nicht als Hinweis auf das - politisch nicht durchsetzbare und auch nicht sinnvolle - Grabenwahlrecht gesehen werden, sondern nur als Hinweis, nicht die Augen vor unkonventionellen Lösungen zu verschließen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 01:15 Uhr:   

Bei einen Verzicht auf Wahlkreise zum jetzigen Zeitpunkt werden sich die Gerichte neben dem Üblichen aber auch noch mit Schadensersatzklagen beschäftigen müssen. Und nachträglich zugelassene Wählergruppen hätten keine Chancengleichheit mehr, was wiederum Klagen von Einzelbewerbern aussichtsreicher macht.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 09:09 Uhr:   

Ich bin immer noch verzweifelt über die Aussage, dass nicht die Überhangmandate das Negative Stimmgewicht auslösen sollen, sondern sie Ausgleichsmandate. Das war hier auf dieser Website bisher immer anders dargestellt worden.
Warum der Gesetzgeber seine eigene Grundentscheidung "maximal beeinträchtigen" sollte, wenn er den Vollausgleich von Überhangmandaten bei getrennten Wahlgebieten zuläßt, erschließt sich mir ebenfalls nicht.
Fest steht doch: Bei fester Sitzkontingentierung auf die Länder und entweder Null-Ausgleich oder Voll-Ausgleich von ÜM länderweise kann es weder dazu kommen, dass
-ein Mehr an Stimmen für eine Partei ihr einen Mandatsverlust bescheren kann
noch
-ein Weniger an Stimmen zu einem Plus an Mandaten verhilft.
Und das ist doch das Kennzeichen von Negativem Stimmgewicht, oder?
Sicher kommt es durch separate Ausgleiche zu relativen Verzerrungen, aber negativ im Absoluten Sinne kann sich eine Stimmabgabe nicht auswirken.
Auch bei der DMOPA tritt kein Negatives Stimmgewicht auf,
ebensowenig beim Gesetzentwurf der Grünen und der Linken.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 11:08 Uhr:   

Die Grundentscheidung bei getrennten Wahlgebieten ist, dass die Sitze im Bundestag proportional nach deutscher Bevölkerung (oder dem sonst verwendeten Maß) vergeben werden. Einen Ausgleich müsste es dann eigentlich für die Länder, nicht für die Parteien geben.

Das Urteil geht selbst beim zu beurteilenden Wahlsystem, das garkeine Unterverteilung auf Landeslisten einer Partei kennt, davon aus, dass Überhang nicht nur parteibezogen, sondern auch innerparteilich relevant ist und entsprechend auszugleichen wär (Randnummer 130; das war wohl ein Bumerangargument). Insofern ist die interne Kompensation, die das Gegenteil tut, keine Lösung. Pukelsheim ist damit auch angreifbar; Überhang wär da zwar erst zu definieren, aber selbst wenn man nur den originalen nimmt (der bei der CDU noch vergrößert wird), sind es 2009 mehr als 15 (nämlich die 21 wie parteibezogen auch).

Bei getrennten Wahlgebieten, Zweistimmensystem mit wertloser Erststimme und getrenntem unbeschränktem Ausgleich (oder ohne Wissen des Überhangs beschränktem) ist die Vermeidung von negativem Stimmengewicht schon möglich; die Probleme liegen da halt anderswo.

Verboten ist auch, dass bei mehr Stimmen eine andere Partei einen Sitz gewinnt (Randnummer 85; war eigentlich auch 2008 schon drin), womit vermutlich relatives negatives Stimmengewicht gemeint ist (wörtlich genommen kann das kein Verhältniswahlsystem gewährleisten). Neu ist der Begriff der "erwartungswiedrigen Korrelation". Das ist aber offenbar nicht im statistischen Sinn gemeint (dann wär Dresden 2005 kein Fall von negativem Stimmengewicht gewesen), sondern klar auf das Auftreten von negativem Stimmengewicht bei Simulationen im Stil der von BMI/BSI bezogen (Randnummer 95; klar ist, dass "bikausale Monotoniefehler" zählen; auf relatives negatives Stimmengewicht wird dagegen nicht explizit Bezug genommen).

Ausgleich produziert auch absolutes negatives Stimmengewicht. Wenn es das nicht gibt (was bei einem Zweistimmensystem mit wertloser Erststimme, ohne internen Überhang und mit Vergabe von ausschließlich einzelnen Sitzen in einzelnen Schritten unter Verwendung eines paradoxiefreien Verfahrens möglich ist), gibts in der Regel auch kein relatives negatives Stimmengewicht.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 12:46 Uhr:   

Also ich komm da auch nicht mehr mit. In meinen Augen müsste jedes Wahlssystem, welches das Verhältnis des Wahlergebnisses abbildet, auch letztlich in Ordnung sein. Das Ärgernis am negativen Stimmgewicht ist ja nicht dass der Partei die man gewählt hat ein Mandat flöten geht, sondern dass ein Mandat verloren geht _und_ das Verhältnis zu ungunsten der Partei geändert wird. So lange man aber durch Ausgleichsmandate oder andere Maßnahmen sicherstellt, dass das Parlament nach den Regeln der Verhältniswahl gebildet wird, sollten Effekte wie negatives Stimmgewicht in meinen Augen vernachlässigbar sein. Oder sehe ich das zu einfach?
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 03. August 2012 - 15:35 Uhr:   

Guten Tag Arno Nymus,

Da in der Regel für ein Direktmandat weniger Erststimmen notwendig sind als einem Sitz im Durchschnitt Zweitstimmen entsprechen,

Mag sein, ist aber unerheblich, weil für Direkt- und Proporzmandate unterschiedliche Kriterien hinsichtlich der Gleichbehandlung der Wähler gelten. Negatives Stimmgewicht kann man anders vermeiden. Sie selbst haben das für das "Additional Member System" vorgeführt (vor langer Zeit von Holger81 vorgestellt.)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 04. August 2012 - 01:12 Uhr:   

Ratinger Linke schrieb "Also kann das nur ein dezenter Hinweis an den Gesetzgeber sein, dass er doch besser gleich ein Grabenwahlsystem nehmen soll (als einzige für 2013 mögliche Alternative), wenn er sich weiteren Ärger mit Karlsruhe ersparen und einer entsprechenden Anordnung zuvorkommen will."
Das kann man ausschließen. Das Grabenwahlrecht ist für 2013 sogar recht sicher problematisch, da das BVG immer wieder betont, dass bei der Existenz für Sitze, die rein nach Erststimmen vergeben werden, die aktuellen Abweichungen der Wahlkreisgrößen nicht hinnehmbar wären (z.B. Randnummer 121 im aktuellen Urteil in Bezug auf ein Mehrheitswahlrecht). Ein Grabenwahlrecht ohne Neueinteilung der Wahlkreise wäre also ein Garant für neuen Ärger mit Karlsruhe. Bis 2013 die Wahlkreise neu einzuteilen, ist bei dem bekannten Parteiengezerre um die Wahlkreise keine realistische Möglichkeit. Das Grabenwahlrecht scheidet für 2013 somit aus.

Ratinger Linke schrieb "Das Urteil geht selbst beim zu beurteilenden Wahlsystem, das garkeine Unterverteilung auf Landeslisten einer Partei kennt, davon aus, dass Überhang nicht nur parteibezogen, sondern auch innerparteilich relevant ist und entsprechend auszugleichen wär (Randnummer 130; das war wohl ein Bumerangargument)."
Das ist aus diese Randnummer nicht zu entnehmen. Die Randnummer 130 lautet
"Das Erfordernis eines föderalen Proporzes zwischen den Landeslisten einer Partei untereinander rechtfertigt die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten nicht. Der Gesetzgeber darf zwar bei der Gestaltung des Wahlverfahrens der bundesstaatlichen Gliederung Rechnung tragen (vgl. oben C.I.3.) und hat dies in gewissem Umfang auch getan (vgl. zu § 6 Abs. 1 BWG oben C.II.1.d). Jedoch sind Überhangmandate nicht geeignet, das Gewicht der Landeslisten einer Partei zueinander zu sichern, sondern können im Gegenteil Störungen des föderalen Proporzes bewirken. Denn werden Überhangmandate ohne Ausgleich gewährt, erlangt jede hiervon begünstigte Landesliste eine Überrepräsentation gegenüber anderen Landeslisten (vgl. BVerfGE 95, 335 <401>)."
Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber etwas für den föderalen Proporz (auch innerparteilich) tun DARF; das, was sie aktuell tun wollten, aber ungeeignet ist. Auch in diesem Fall ist es ein Fehlschluss, zu folgerrn, dass das, was man tun DARF, auch mit Verfassungsrang tun MUSS. Das ist letztlich der selbe Fehlschluss wie wenn man aus den "maximal 15 gestatteten Überhangmandaten" folgert, dass ein neues Wahlgesetz Überhangmandate beinhalten müsse.
Es steht in dem neuen Urteil nichts, was verfassungsrechtlich gegen interne Kompensation sprechen würde.

Clovis schrieb "Mag sein, ist aber unerheblich, weil für Direkt- und Proporzmandate unterschiedliche Kriterien hinsichtlich der Gleichbehandlung der Wähler gelten."
Das ist zwar korrekt, aber ihre Frage beinhaltete ja gerade "dass man die Erststimmen erfolgreicher Direktmandatare auch als Zweitstimme für die Partei dieses Kandidaten wertet". Entsprechend ist es nur logisch, dass dann auch die Kriterien für die Gleichbehandlung dieser herangezogen würden.

(Beitrag nachträglich am 04., August. 2012 von Arno Nymus editiert)

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