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Archiv bis 25. Juli 2012

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Negatives Stimmgewicht & Bundesverfassungsgericht » Archiv bis 25. Juli 2012 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 16:51 Uhr:   

Von sich aus wird das Bundesverfassungsgericht wohl kaum tätig werden, aber das ist auch garnicht nötig.

Die Zahl 15 können sie ja schlecht damit begründen, dass das ein Kompromiss zwischen den Richtern war, aber ich bin davon überzeugt, dass es praktisch so gelaufen ist. Es heißt auch:

"Der Senat ist sich bewusst, dass die Zahl von 15 Überhangmandaten als Akt richterlicher Normkonkretisierung nicht vollständig begründet werden kann."
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 17:08 Uhr:   

@Christian Schmidt:
"Und es sind ja auch nicht genau 15, sondern so bis zu 15. D.h. eine Regelung die Ueberhangmandate weiter zulaesst und ab Nummer 15 dann einfach kappt waere auch nicht zulaessig."
Das kann ich aus dem Urteil nicht herauslassen; m.E. wäre das zulässig (wenn auch natürlich nicht wünschenswert), oder auch ein Teilausgleich, der alle bis auf 15 Überhangmandate ausgleicht.

Ich halte das für ein relativ gutes Urteil, wenn auch ein komplettes Verbot von unausgeglichenen Überhangmandaten wünschenswert gewesen wäre. Die Zahl 15 ist natürlich (wie der Senat selbst zugibt) etwas willkürlich. Sie wird anscheinend ja i.W. damit begründet, dass das BVerfG bei einer früheren Entscheidung 16 Überhangmandate bei einer Regelgröße von 656 Mandaten erlaubt hat, was aufgerundet 15 ÜM bei 598 Sitzen entspricht.

@Jan W.: Ihr Vorschlag wäre sicher eine gute Lösung, aber ich fürchte, die automatische Wahlkreiskürzung wäre den Politikern zu kompliziert.
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Florian Z.
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 17:14 Uhr:   

Ich besch�ftige mich seit einiger Zeit mit dem Thema des Wahlrechts und habe eine Frage in Bezug auf �berhangmandate - jetzt speziell nach der BVG-Urteil.

Wenn in einem Wahlkreis ein parteiloser Listenkandidat gew�hlt wird, ist dieses Mandat dann ein �berhangmandat?
Da der Kandidat parteilos ist w�rde ich behaupten, ja, aber ich bin mir nicht sicher und w�rde das deshalb gerne Wissen. Falls das n�mlich ein �berhangsmandat w�re, w�ren ja z.Z. theoretisch 299 �berhangmandate m�glich, was weit mehr als 15 sind. Ferner w�rde dies bedeuten, dass jedes Wahlrecht, dass eine Wahl von 16 (oder mehr) parteilosen Direktkandidaten zul�sst nach dem Urteil verfassungswidrig ist.

Die gleiche �berlegung kann man auch mit Parteien anstellen, hier wird das ganze Szenorio sogar realistischer wenn man an DIE LINKE (ehem. PDS) denkt.
Angenommen eine Partei erziehlt wenig Zweistimmen z.b. 3% und erh�lt aber mehr als 3 Direktmandate (gab es schon in der Vergangenheit!).
Die Partei wird dann ja nach 'aktuellem' Wahlrecht von der Sperrklausel befreit und kann mit dem entsprechenden Anteil in den Bundestag einziehen. Bei 3% w�ren das so etwa 19 Sitze. Wenn die Partei jetzt aber z.b. 50 Direktmandate bekommt w�ren ja entsprechend 31 �berhangmandate. Das ganze ist nicht so unrealistisch, wenn man taktisches Wahlverhalten in Ostdeutschland (+Saarland?) unterstellt bez. auf DIE LINKE; letzte Wahl bekam sie beispielsweise 16 Direktmandate.

Tut mir leid, wenn ich nicht die perfekten juristischen Begriffe verwende, ich hoffe meine Frage ist trotzdem verst�ndlich.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 17:37 Uhr:   

@RL
"Nachdem das Urteil einstimmig ergangen ist (was nicht zu erwarten war), schaut es sehr danach aus, dass sie die Mitte zwischen null und dem alten Wert als Kompromiss genommen haben."
Genau das habe ich auch sofort gedacht. Da die CSU ja eine eigene Partei ist, dürfte die Union auch künftig theoretisch 30 Überhangmandate bekommen, wobei 15 Überhangmandate bei der CSU aber praktisch auszuschließen ist (es sei denn, die CDU kandidierte auch in Bayern mit einer Landesliste). Bei 15 erlaubten Überhangmandaten für die CDU hatte die Union 2009 insgesamt nur 6 statt 9 Überhangmandate zu viel.


"Soweit ich es mitgekriegt hab (hab das Urteil noch nicht im Detail durchgearbeitet), scheinen auch Sachen wie getrennte Wahlgebiete ohne jeden Verhältnisausgleich ziemlich klar zulässig zu sein. Das einfache Modell scheidet aber jetzt wegen dem Überhang aus."
Das ist eindeutig so. Die Traditionelle Rechtsprechung zu Mehrheits- und Verhältniswahl ist voll bestätigt worden. Auch eine faktische Sperrklausel >5% ist möglich. Das "einfache Modell" lässt sich ziemlich leicht so modifizieren, dass es höchsten 15 ÜM gibt.


Was die Mehrheitsklausel angeht, hat das BverfG Recht. Absatz 3 ist eindeutig (es sei denn, es werden mehr Sitze benötigt als es Reste gibt). Die Partei bekommt so viele zusätzliche Sitze, bis sie die absolute Mehrheit hat. Dass Abs. 2a eindeutig gewesen sein soll, ist dagegen hanebüchen, aber im Ergebnis folgenlos.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 17:45 Uhr:   

@Florian Z.:

Ob ein Listenkandidat parteilos ist, ist völlig irrelevant. Die Sitze werden immer der aufstellenden Partei zugerechnet. 299 Überhangmandate sind ohnehin möglich.

Ein anderer Fall sind Einzelkandidaten. Deren Sitze werden meistens nicht als Überhangmandate bezeichnet, sind aber faktisch auch nichts Anderes. Nach der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts dürften sie aber kein Problem sein (wobei sie real auch nicht besser sind).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 18:04 Uhr:   

@Thomas Frings:
"Da die CSU ja eine eigene Partei ist, dürfte die Union auch künftig theoretisch 30 Überhangmandate bekommen"

Wo siehst du die Grundlage für eine parteiweise Quote? 15 ist für mich klar die höchstzulässige Gesamtzahl. Das war auch bei den alten 5% völlig klar, und die zitierten 16 Überhangmandate von 1994 waren auch die Summe von CDU und SPD.
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Christian Schmidt
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 18:15 Uhr:   

Meiner Meinung nach sollte man sich jetzt ernsthaft mit der Direktsmandatsorientierten Proporzanpassung von Pukelsheim und anderen beschaeftigen (http://www.math.uni-augsburg.de/stochastik/pukelsheim/2012c.pdf).

Deren einziger negativer Aspekt ist die gefahr eines sehr aufgeblaehten Bundestages bei 1-2 die Wahlkreise dominierenden aber ansonsten relativ schwachen Parteien. Hat jemand mal durchgerechnet was fuer ein Sitzergebnis diese Methode bei jetzigen Umfragewerten ergeben wuerde?

@Holger81 - Naja, so wie ich das lese ist jeder Ueberhang eine Ungleichheit die aussreichend begruendet werden muss. Und bei jedem Gesetz das praktisch sagt 'Ueberhangmandate werden ausgeglichen (oder gestrichen oder was immer) bis wir unter 15 sind', muss man auch hinreichend begruenden wieso man nicht zu 100% ausgleicht, streicht, etc. Und das halte ich fuer nicht ganz einfach...
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 18:53 Uhr:   

@RL
Hast Recht.

@Christian Schmidt
"Und bei jedem Gesetz das praktisch sagt 'Ueberhangmandate werden ausgeglichen (oder gestrichen oder was immer) bis wir unter 15 sind', muss man auch hinreichend begruenden wieso man nicht zu 100% ausgleicht, streicht, etc. Und das halte ich fuer nicht ganz einfach..."
Die offizielle Begründung würde wohl ein, man wolle keine große Aufblähung. Kaum umsetzbar wäre eine Kappung des Ausgleichs allerdings bei getrennten Wahlgebieten. Prinzipiell gäbe es auch die Möglichkeit, überzählige ÜM nicht zuzuteilen und gar keinen Ausgleich einzuführen, aber das ist unwahrscheinlich.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 18:56 Uhr:   

@Christian Schmidt:
Das Pukelheim-Modell kann leicht dazu führen, dass Überhang stark überausgeglichen wird oder sogar ohne vorhandenen Überhang der Bundestag aufgebläht wird; daher halte ich es für keine sehr gute Lösung. Siehe http://www.wahlrecht.de/forum/messages/172/4824.html?1334432889, wo auch m.E. bessere Lösungen für eine "teilweise interne Verrechnung" von Überhangmandaten vorgeschlagen wurden.

Bezüglich Kappung bei 15 ÜM: Als ausreichende Begründung könnte man doch theoretisch einfach dieses Urteil selbst angeben (plus den Wunsch, nicht zu viele Direktmandate streichen zu müssen, bzw. den Bundestag zu stark aufblähen zu müssen). Das widerspricht vielleicht dem Geist, aber m.E. nicht dem Wortlaut des Urteils.

@Thomas Frings:
"Das "einfache Modell" lässt sich ziemlich leicht so modifizieren, dass es höchsten 15 ÜM gibt. "
Wie denn? (Außer durch Streichung von ÜM oder Vollausgleich, bei denen man den Überhang faktisch auf Null reduziert). Interne Kompensation wäre bei getrennten Wahlgebieten ja ziemlich unlogisch...

@RL:
Ich finde schon, dass Einzelkandidaten (im bisherigen Wahlrecht) "real besser" als ÜM sind: immerhin werden bei erfolgreichen Einzelkandidaten, anders als bei ÜM, die zugehörigen Zweitstimmen gestrichen, sodass der Wähler keinen "doppeltes Stimmerfolg" (nur eine doppelte Chance auf einfachen Stimmerfolg) hat. Einzelkandidaten sind aber in der Tat hier kein Problem.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 19:27 Uhr:   

@Thomas Frings:
"Prinzipiell gäbe es auch die Möglichkeit, überzählige ÜM nicht zuzuteilen"

Ob eine Kappung hinter der Grenze zulässig wär, ist zumindest zweifelhaft. Ich hab schon Zweifel, ob man die Grenze irgendwie explizit mit einer Änderung des Verfahrens verknüpfen dürfte. Aber das dürfte jetzt allein aus politischen Gründen ausscheiden. Auch die Nichtzuteilung ist durch das Urteil sicher nicht gestärkt worden.

Das Modell von Pukelsheim könnte jetzt tatsächlich relativ gute Chancen haben. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es (entgegen meiner früheren Behauptung) doch frei von negativem Stimmengewicht ist (wie auch rein externer Ausgleich beim vorhandenen Zweistimmensystem nicht notwendigerweise zu negativem Stimmengewicht führt; das Modell der Linken ist z.B. auch wirklich frei von negativem Stimmengewicht).

Von dem, was jetzt noch möglich ist, ist es nach dem Urteil wohl das verfassungsmäßig am wenigsten angreifbare, und es erfüllt auch die wesentlichsten politischen Forderungen (die jetzt noch möglich sind). Auf die Dauer würd ich es nicht wollen, aber für 2013 ist es brauchbar. Wobei der 10%-Parameter noch justierbar ist.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 19:58 Uhr:   

"Das Modell von Pukelsheim könnte jetzt tatsächlich relativ gute Chancen haben. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es (entgegen meiner früheren Behauptung) doch frei von negativem Stimmengewicht ist (wie auch rein externer Ausgleich beim vorhandenen Zweistimmensystem nicht notwendigerweise zu negativem Stimmengewicht führt; das Modell der Linken ist z.B. auch wirklich frei von negativem Stimmengewicht)."
Das kommt auf die Definition des negativen Stimmgewichts an. Absolut negatives Stimmgewicht gibt es nicht, relatives (bei der Erststimme) aber wohl. Ich sehe nicht, warum (zusätzliche) Erststimmen in beiden Modellen nicht den Mandatsanteil senken können sollen. 2003 hätte z. B. die CDU in Niedersachen mit ein paar Direktmandaten weniger die absolute Mandatsmehrheit gehabt.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 20:25 Uhr:   

Laut SZ (http://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-wahlrechtsreform-es-wird-ein-zaehes-ringen-um-macht-1.1422464) will die Union tatsächlich nur über 15 hinausgehende Überhangmandate streichen, wie ich halb befürchtet hatte.

Hoffentlich setzt die Koalition das nicht so gegen die Opposition durch. Ein möglicher Kompromiss könnte vielleicht ein Teilausgleich sein, der z.B. die Zahl der Ausgleichsmandate auf das Doppelte der Zahl der Überhangmandate beschränkt; damit wäre auch 2009 (fast ?) aller Überhang ausgeglichen worden, aber in noch extremeren Fällen könnte die Union unausgeglichenen Überhang behalten. Und mehr als 15 unausgeglichene ÜM wären praktisch ausgeschlossen.
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Alter Demokrat
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 20:50 Uhr:   

SO ich hab das Urteil jetzt vollständig gelesen. Soweit ich es verstanden hab, würde es z.B. von den damals im Bundestag eingereichten Wahlrechtsvorschlägen nur den der Fraktion die LINKE als verfassungs- und rechtsgemäß einstufen (welch Schande, dass die älteren demokratischen Parteien dazu nciht in der Lage waren und "neuerlernte" sie hier überflügeln), da negatives Stimmgewicht beim CDU/CSU/FDP-Wahlrecht anfällt und auch der SPD-Vorschlag davon nicht frei ist und beim Vorschlag der Grünen Direktmandate verfallen können.
Sieht man von der eher unpraktitischen Forderung der Abschaffung der 5%-Hürde ab, ist der Vorschlag der Fraktion der LINKEN ja auch nicht schlecht, aber die traditionsreicheren demorkatischen Parteien sollten sich hier wirklich zusammen tun um eben einen noch besseren Vorschlag auszuarbeiten, der dann in einer tieferen demokratischen Tradition steht. Ein, wenn auch vielleicht gerechtfertigter, Erfolg einer ehemaligen autoritären Staatspartei, der man natürlich eine Wandlung zugestehen muss, wäre jetzt nicht positiv, wenn ein noch gerechtfertigterer Erfolg der länger in der Demokratie verwurzelten PArteien möglich wäre/ist. Das Kriterium um diesen Ansehensverlust zu vermeiden heißt also, ein mindestens so gutes, aber anderes Wahlsystem auszuarbeiten und zu beschließen als es die Fraktion DIE LINKE getan hat.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 20:56 Uhr:   

@Holger81:

Formal lässt sich Überhang mit D'Hondt reduzieren (solang er vorwiegend bei großen Parteien auftritt). Die Frage ist, ob man damit und den Ländern als getrennten Wahlgebieten schon sicher genug auf höchstens 15 kommt; eventuell muss man überhanganfällige große Länder weiter passend zerstückeln. Mit dem Urteil wär das vermutlich kompatibel, aber ich glaub nicht, dass sich die Union das traut (abgesehn davon, dass das für die FDP ganz übel wär).

Ein Wahlrecht, das formal direkt an der Grenze klebt und sie zum Regelfall macht, hat dagegen wsentlich schlechtere Chancen. Die Frage ist nicht, ob es mit dem Wortlaut des jetzigen Urteils vereinbar ist, sondern ob es in einem eigenen Verfahren als verfassungsgemäß beurteilt würde.

Wobei bei getrennten Wahlgebieten die Frage ist, inwieweit das Urteil überhaupt anwendbar ist. Wenn das Ziel eines bundesweiten Verhältnisausgleichs wegfällt, könnte es auch leicht sein, dass für die einzelnen Länder eine jeweils separate Grenze anzuwenden wär. Die könnten dann aber insbesondere Baden-Württemberg und Sachsen reißen.

Dass erfolgreiche Einzelkandidaten keine höhere Legitimation als Überhangmandate hätten, hab ich nicht behauptet. Aber es sind jedenfalls Sitze jenseits vom verhältnismäßigen Anspruch und insofern Überhang. Eigentlich sollte der Überhang immer am Idealanspruch gemessen werden und nicht an irgendwelchen internen Parametern des Verfahrens.

@Thomas Frings:

Erststimmen sind Stimmen für Personen und nicht für Parteien und können deshalb kein negatives Stimmengewicht bezüglich der Parteien verursachen. Dass die Wähler nicht so wählen, ist ein anderes Problem.
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:12 Uhr:   

Eine Möglichkeit wäre die Ausweitung einer im bisherigen Recht bereits enthaltene Methode: Streichung der Zweitstimmen von unabhängigen Kandidaten bzw solchen, deren Partei an der 5%-Hürde scheiterte. Da aber Überhangmandate nicht lokalisiert sind, ergibt sich aber ein Rechenproblem: Es sollen nur genau so viele Zweitstimmen gestrichen werden, dass die durch Splitting begünstigten Parteien so viele Sitze verlieren, wie die Überhangpartei zu viel hatte, um so das doppelte Stimmgewicht für Zweitstimmenpartei und Überhänger exakt abzubauen.

Ein wenig einfacher zu berechnen wäre die Streichung von Erststimmen für den Überhänger, wenn die Zweitstimme für eine andere Partei bereits Erfolg hatte, solange, bis der Überhang abgebaut ist oder keine zu streichenden Splitting-Stimmen mehr übrig sind.

Bei einem Ein-Stimmen-System bei gleichzeitiger Beibehaltung von Wahlkreisen und Landeslisten würden bei der nächsten Wahl höchstwahrscheinlich viele Überhangmandate für die CDU produziert, es sei denn Wähler von Grünen und Linken wanderten zur SPD, um genau das zu verhindern. In diesem Fall würde ein Stimmensplitting zugunsten eines gemeinsamen Kandidaten des linken Lagers gegen Überhangmandate wirken, wäre aber im Ein-Stimmen-System nicht mehr möglich.

Die wohl einfachste Methode wäre die Senkung der Zahl der Wahlkreise, und Ausgleich eines eventuell verbliebenen Überhangs. Nur: wie viele Wahlkreise müsste man streichen?

Es gibt auch die Möglichkeit, Personalisierung und Parteienwahl in einem einzigen Vorgang zu vereinigen. Da lägen viele Möglichkeiten von offenen Landeslisten bis zu Mehrmannwahlkreisen.

(Mein Favorit sind Wahlkreislisten in großen Wahlkreisen. Bei einer Wahl würde zuerst die Verteilung auf die Parteien festgelegt, innerhalb der Parteien auf die Länder, und innerhalb der Länder auf die Wahlkreislisten. Da eine strenge Fassung kleinere Parteien vielerorts mit Wahlkreislisten ohne Mandat konfrontieren würde, sollten diese die Möglichkeit haben, mit einer gemeinsamen Liste in mehreren oder allen Wahlkreisen eines Landes anzutreten. Damit größere Parteien hier nicht eine lange Landesliste durch die Hintertür einführen, sollten die Listengröße beschränkt sein. Dadurch, dass es bei diesem System Nachrücker gibt, fällt auch die Nachwahlproblematik bei gestorbenen Kandidaten weg - dann rückt einfach der nächste nach.)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:25 Uhr:   

@RL
"Erststimmen sind Stimmen für Personen und nicht für Parteien und können deshalb kein negatives Stimmengewicht bezüglich der Parteien verursachen."
Wenn man so argumentiert, kann man nicht gegen Überhangmandate in unbegrenzter Zahl sein. Und allein schon durch die Tatsache, dass die Direktmandate die Zahl der Listensitze der Partei mindern, wird deutlich, dass Erststimmen eben nicht nur Stimmen für eine bestimmte Person sind.

@Frank Schmidt
"Es sollen nur genau so viele Zweitstimmen gestrichen werden, dass die durch Splitting begünstigten Parteien so viele Sitze verlieren"
Das ist unlogisch und führt zu noch mehr Überhang.
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Fragender
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:05 Uhr:   

"Erststimmen sind Stimmen für Personen und nicht für Parteien und können deshalb kein negatives Stimmengewicht bezüglich der Parteien verursachen. Dass die Wähler nicht so wählen, ist ein anderes Problem."

Es kommt beiom negativen Stimmengewicht aber auf die Erwartung der Wähler an und solange die Wähler faktisch auch die Direktkandidaten nach Parteipräferenz auswählen, kommt es natürlich auch auf die Auswirkungen der Wahl mit der Erststimme an.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:33 Uhr:   

@Ratinger Linke:
"Formal lässt sich Überhang mit D'Hondt reduzieren (solang er vorwiegend bei großen Parteien auftritt). Die Frage ist, ob man damit und den Ländern als getrennten Wahlgebieten schon sicher genug auf höchstens 15 kommt [...]"

Ein nach Ländern getrenntes d'Hondt wäre höchstwahrscheinlich verfassungswidrig (zumindest wurde eine entsprechende Regelung in Bayern vom Bayerischen Verfassungsgericht gekippt), und hätte schon 2009 zu mehr als 15 ÜM geführt: grob gerechnet gibt d'Hondt in jedem Wahlgebiet der stärksten Partei einen halben Sitz mehr; bei 8 Überhangländern wären also immer noch ca. 20 ÜM für die Union angefallen.

Und eine Kappung auf 15 ÜM würde diese Anzahl nicht automatisch zur Regel machen; zurzeit sagt etwa election.de nur 13 ÜM für 2013 voraus.

"Aber [erfolgreiche Einzelkandidaten] sind jedenfalls Sitze jenseits vom verhältnismäßigen Anspruch und insofern Überhang."

Auch das sehe ich anders. Ein erfolgreicher Einzelkandidat braucht eher mehr (Erst-)Stimmen für seinen Sitz, als eine (ebenfalls von der Sperrklausel befreite) Minderheitenpartei (Zweit-)Stimmen für ihren ersten Sitz nach dem Verhältniswahlrecht benötigt. (Z.B. 35% der Stimmen in einem Wahlkreis entsprechen etwa 0,7 Sitzen Idealanspruch nach Verhältniswahl, gerundet also 1 Sitz.)
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:44 Uhr:   

@Thomas Frings
Du hast wahrscheinlich recht. Mir gefallen eigentlich unter den Vorschlägen nur die Senkung der Wahlkreiszahl, verbunden mit einem Ausgleich eines eventuellen Rests, und die Verteilung der Sitze durch eine einzige Methode statt zwei.
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 25. Juli 2012 - 21:52 Uhr:   

@Holger81
Laut SZ […] will die Union tatsächlich nur über 15 hinausgehende Überhangmandate streichen, […]

Günter Krings hat das gleich nach dem Urteil so in die Notizblöcke diktiert („Ausgleich ab dem 16. Überhangmandat“), weiterhin wurden von anwesenden Vertretern der Koalition auch getrennte Wahlgebiete favorisiert.

Das muss nun nicht das Ziel der Union werden (nach dem Urteil wird Thema in der Fraktion sicher ernster genommen und vielleicht/hoffentlich auch von anderen Personen betreut), außerdem gehen erste Reaktionen oft in eine andere als die spätere Richtung, wie nach dem Urteil von 2008.

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