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Überhangmandate bei Landtagswahl in B...

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Markus1992
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 01. Juli 2012 - 22:01 Uhr:   

Ich verstehe das Wahlrecht in Brandenburg irgendwie nicht so ganz, wenn es Überhangmandate gibt, gibt es die nur in der Landesliste, oder ist es so wie in Berlin, dass CDU und SPD über Bezirkslisten Überhangmandate bekommen?

Vielen Dank schonmal für eure Antwort
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 - 13:41 Uhr:   

Brandenburg ist (abgesehn von der Ausgleichsregelung) ein ganz simpler Fall: Wenn eine Partei (oder ein sonstiger Listenträger) mehr Wahlkreise gewinnt, als der Landesliste Sitze zustehn, dann ist die Differenz Überhang. Es gibt in Brandenburg keine Bezirkslisten o.Ä., die die Sache verkomplizieren.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 - 14:21 Uhr:   

Brandenburg ist wirklich simpel. Es gibt nur das Land als einheitliches Wahlgebiet und die Wahlkreise.
88 Sitze werden nach Zweitstimmen proportional vergeben, wenn eine Partei in den Wahlkreise mehr Kandidaten durchgebracht hat, bekommt sie mehr Sitze.

Eine einzigartige Regelung: max. 2 Überhangmandate darf die Partei unausgeglichen behalten. In diese kann dann aber nicht nachgerückt werden.

Sehr seltsam, der Ausgleich ist gedeckelt auf die Gesamt-Mandatszahl, die eine Partei bei einer Zuteilung von 110 Sitzen proportional nach Zweitstimmenergebnis bekommen hätte. Die überhängende Partei darf aber offenbar über den Deckel hinausragen ...
Das betrifft aber nur Parteien, die ALLE Wahlkreise gewinnen, aber unter 40% der relevanten Stimmen (gültige - Stimmen für 5%-Scheiterer) bekommen haben. Diese Partei hat dann 44 Sitze von insgesamt 110+X.
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Markus 1992
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 - 15:16 Uhr:   

Wenn ich das ganze also richtig verstanden habe, gibt es die Anzahl der Direktmandate und die Anzahl der Sitze nach Hare-Niemayer und wenn die Anzahl der Direktmandate größer als die Anzahl der Sitze nach Hare-Niemayer ist, gibt es Überhangmandate?

Und insgesamt bei Europa-, Bundes- und Landtagswahlen gibt es nur 4 komplizierte:ltw Baden-Württemberg, ltw Bayern, ltw Berlin und die Bundestagswahl
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 - 15:38 Uhr:   

Hat eine Partei <=2 Überhangmandate, darf sie die behalten

Hat eine Partei >2 Überhangmandate rechnet man:
(Direktmandate der Partei / Zweitstimmen der Partei) * Zweitstimmen gesamt (ohne Stimmen für 5%-Scheiterer) ... aufgerundet

Wenn das Ergebnis <= 110 ist, ist das Ergebnis dann die neue Sitzzahl, die den Überhang ausgleichen sollte, entsprechend wird nun Hare/Niemeyer gerechnet.
Wenn das Ergebnis >110 ist, werden 110 Sitze per H/N vergeben, wobei die überhängende Partei immer noch zuwenig haben sollte. Hier kommt nun eine Regelungslücke zum tragen: einerseits gab es noch nie eine Nicht-Zuteilung von Direktmandaten an Wahlkreissieger, andererseits schreibt das Wahlgesetz auch nicht vor, dass über die 110 hinaus Sitze geschaffen werden ... man kann aber davon ausgehen, das die Gewählten auch tatsächlich Mandate erhalten.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 02. Juli 2012 - 16:09 Uhr:   

@Jan W.:

Die Deckelung ist schon sinnvoll. Praktisches Beispiel: Die Separatistenpartei "Freistadt Lauchhammer" (FSL) tritt mit einem lokal sehr populären Kandidaten K an, der in Lauchhammer 50% der Erststimmen kriegt. Der Wahlkreis ist viel zu klein und mit 20% gewinnbar, so dass K dort gewählt wird. Die FSL kriegt in Lauchhammer 25% der berücksichtigten Zweitstimmen und noch ein paar verstreute Stimmen anderswo. Das macht dann landesweit grob 0,2%, womit die berechnete Gesamtsitzzahl 500 ist.

Die Mehrheit im Landtag bestimmt sich dann primär danach, wer wie stark von Listenerschöpfung betroffen ist. Da ist die Deckelung des Ausgleichs das kleinere Übel; mit einiger Wahrscheinlichkeit wär K auch völlig ohne Ausgleich für die praktischen Mehrheiten irrelevant und mindestens ebenso außerhalb vom Proporz tolerierbar wie ein Einzelkandidat. Und theoretisch sind noch viel krassere Fälle denkbar; im Extremfall ist die Gesamtsitzzahl unendlich.

Wesentlich unsinniger sind Regelungen, wo der Ausgleich abhängig von der Zahl der Überhangmandate gedeckelt wird (wie z.B. ehemals in Schleswig-Holstein). Da wird dann voller Ausgleich auch dann noch unterbunden, wenn er keine unverhältnismäßig hohe Gesamtsitzzahl bedeuten würde.

Zu den Problemen der Ausgleichsregelung in Brandenburg siehe hier: http://www.wahlrecht.de/forum/messages/172/4422.html

@Markus 1992:

Rheinland-Pfalz ist auch komplizierter, wobei da praktisch nurnoch die FDP Bezirkslisten hat. Wie es funktionieren soll, ist da aber ungeregelt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Juli 2012 - 15:07 Uhr:   

@RL
Ein wenig konstruiert, aber das rechtfertigt die Deckelung durchaus.

Eine Alternative wäre: erfolgreiche Wahlkreisbewerber, deren Partei/Wählervereinigung/... in der Sitzverteilung (reguläre Sitzzahl ohne Ausgleich/Überhang) nach Hare/Niemeyer keinen eigenen Sitz bekommen, werden wie erfolgreiche Einzelbewerber behandelt.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Juli 2012 - 15:25 Uhr:   

Ja, gibt aber ziemliches negatives Stimmengewicht. Und möglich sind krasse Aufblähungsfälle auch bei etwas größeren Parteien.

http://www.wahlrecht.de/systemfehler/wahl-san.htm
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Juli 2012 - 15:34 Uhr:   

Jein, das Sachsen-Anhalt-Beispiel geht in eine andere Richtung: da geht es vor allem um freiwilligen Proporz einer Partei, die sowohl in der Lage wäre, die 5%-Hürde, als auch eine faktische Sperrklausel zu überspringen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Juli 2012 - 16:12 Uhr:   

Beim negativen Stimmengewicht kommts nicht drauf an, ob die Hypothese realistisch ist. Und das SPD-Beispiel aus Sachsen-Anhalt würd völlig analog zutreffen. Dort wird man das auch nicht deshalb so geregelt haben, um negatives Stimmengewicht für große Parteien zu schaffen.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Juli 2012 - 21:59 Uhr:   

@RL
Dem Sachsen-Anhalt-Beispiel steht die Anreizwirkung des Parteienfinanzierungssystems entgegen.

Bei der "Freistadt Lauchhammer" sehe ich kein negatives Stimmgewicht. Die Annahme, die FSL hätte X Stimmen mehr oder Y Stimmen weniger bekommen, führt nicht zu einer entgegengesetzte Entwicklung der Sitzzahl.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 05. Juli 2012 - 01:17 Uhr:   

Absolut nicht, aber relativ schon (nach dem Vorschlag, Kandidaten von Parteien, die nur Überhangmandate haben, wie Einzelbewerber zu behandeln). Wenn die FSL überhängt, hat sie dann 1 von 88 Sitzen, was bei zusätzlichen Stimmen irgendwann auf ungefähr 1 von 176 Sitzen umschlägt; der Sitzanteil wird also durch eine zusätzliche Stimme halbiert.

Und das reduziert hier (im Gegensatz zu ordinärem negativen Stimmengewicht) auch den relativen Erfolgswert und kann gut vorhersehbar sein (sobald klar ist, dass es bei ehrlicher Wahl Überhang gibt, sind alle Stimmen schädlich, abgesehn von relativ kleinen zufälligen Änderungen durch die Ausgleichsberechnung).

Möglich wär es u.U., einen vollen Mandatsanspruch als Grenze zu nehmen, wenn man auf die Reihenfolge, in der man Parteien aus der Rechnung nimmt, aufpasst und das nur bei genau 1 Direktmandat anwendet. Ergibt jedenfalls ein Hare/Niemeyer-bedingtes Sorbenparteiparadoxon (Direktmandat bei ohnehin bestehendem Sitzanspruch ändert die restliche Sitzverteilung), aber da existiert schon Gröberes.

Wenn bei einem einzelnen Direktmandat die Zweitstimme nicht zählen soll (wie bei Einzelbewerbern), könnte das allerdings allerhand lustige Effekte haben. Da ist es schon eine Herausforderung, eine wohldefinierte Verteilung ohne Flipflopeffekte herzustellen.


Für die SPD ist die Parteienfinanzierung ein Anreiz, für die FSL aber eher nicht (in Brandenburg gibts keine Wahlkampfkostenerstattung; Direktmandate sind also finanziell wertlos und Wählergruppen kriegen auf keinen Fall was, Listenvereinigungen auch nicht (Urteil übrigens immernochnicht online auffindbar)).
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 05. Juli 2012 - 15:17 Uhr:   

Ja, ich meinte den vollen Sitzanspruch, denn nur dann ist der Aufblähungseffekt vermieden.
(Zweit-)Stimmen bei Landtagswahlen zählen auch für die bundesweite Parteienfinanzierung mit.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 06. Juli 2012 - 22:21 Uhr:   

Wobei es den Aufblähungseffekt auch bei mehr als 1 Direktmandat geben kann, und irgendeine Begrenzung ist nötig, wenn man den Ausgleich nicht ganz durch externe Kompensation ersetzen will.

Parteienfinanzierung gibts nur für Parteien, und gerade bei Nichtparteien sind die extremeren Fälle relativ leicht denkbar. Außerdem sind hier auch Fälle unter 1% relevant, wofür es ohnehin kein Geld gibt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 07. Juli 2012 - 17:07 Uhr:   

Der Erwerb der Parteieigenschaft ist mit so immensen finanziellen Vorteilen verbunden, dass er in fast allen Fällen dazu führt, dass er auch angestrebt wird.
Was war denn in den letzten 40 Jahren das stärkste Abschneiden einer Nicht-Partei? Und was war das stärkste Abschneiden einer Nicht-Partei, die bewusst in einem Zwei-Stimmen-Wahlrecht entweder keine Liste aufgestellt hat oder gezielt eine Erststimmenstrategie gefahren ist?

Es gibt erlerntes Wahlverhalten, das dazu geführt hat, dass große Parteien grundsätzlich mehr Erst- als Zweitstimmen erhalten, während es bei den kleineren umgekehrt ist.
In ihrem FSL-Szenario ist der populäre Direktkandidat zwar formal der Kandidat einer Wählergemeinschaft, weist aber durchaus den Charakter einer Einzelbewerbung auf ... eine Analogie ist also durchaus gerechtfertigt.

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