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Frauenquote für Kommunalwahllisten

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Jens Müller
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Mai 2012 - 18:31 Uhr:   

Die Grünen planen da etwas und haben angeblich ein Rechtsgutachten, dass das ok ist.

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=9726098/7jbl7e/index.html

"Zur Kommunalwahl 2014 sollen Parteien Wahllisten mit ebenso vielen Frauen wie Männern aufstellen, fordert die Partei."

"Ein Gutachten einer Berliner Kanzlei im Auftrag der Grünen habe ergeben, dass eine Frauenquote verfassungsrechtlich zulässig sei."

"Bis Ende 2012 will die große Koalitionsfraktion gemeinsam mit der SPD einen Gesetzentwurf mit einem sogenannten Reißverschlussverfahren vorlegen."

"Sitzmann will per Erlass kontrollieren, dass die Parteien ernsthaft nach Frauen gesucht haben, die sich aufstellen lassen wollen. Wenn sich eine Partei nicht an die Vorgaben hält, soll sie von den Wahlen ausgeschlossen werden."
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Mai 2012 - 20:31 Uhr:   

Das wäre eine starke Einschränkung der Wahlfreiheit und der innerparteilichen Demokratie.

Angenommen, vier Frauen wollen auf der Liste kandidieren. Dann müsste die Partei oder Wählergruppe alle aufstellen, wenn sie mehr als 6 Bewerber aufzustellen wünscht - selbst dann, wenn die große Mehrheit eine der Frauen gar nicht auf der Liste haben will.

Was kommt als nächstes? Mihigru-Quote? Homo-Quote? U30-Quote?

(Beitrag nachträglich am 14., Mai. 2012 von frings editiert)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 14. Mai 2012 - 21:07 Uhr:   

In Baden-Württemberg ist eine Quote relativ unproblematisch, weil durch die Aufstellung die Wahl noch kaum determiniert wird. Solang eine Liste nicht an die 50% kommt, können immernoch ausschließlich Männer gewählt werden.

Dass eine Partei faktisch alle sich bewerbenden Frauen aufstellen muss, beeinträchtigt die Wahlfreiheit zumindest dann nicht, wenn deshalb kein Mann ausgeschlossen werden muss. Praktisch muss aber in Baden-Württemberg die Liste voll gefüllt werden, damit sie auch voll wählbar ist; der Fall von weniger Bewerbern ist also ziemlich irrelevant.

Ich halt es schon für möglich, das verfassungskonform zu regeln, aber ob das der Staatsgerichtshof auch so sieht, ist nicht sicher. Drum sollte ausreichend Zeit vor der nächsten Wahl bleiben, um das vorher zu regeln, und wenn sie den Entwurf erst Ende des Jahres einbringen wollen, bleibt dafür keine Zeit mehr. Anfang 2013 beginnt bereits die Listenaufstellung.

Falls das erst nach der Wahl geklärt wird und es massenhaft Wiederholungswahlen gibt, werden die Grünen sicher nicht davon profitieren.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Mai 2012 - 21:40 Uhr:   

@Ratinger Linke

"In Baden-Württemberg ist eine Quote relativ unproblematisch, weil durch die Aufstellung die Wahl noch kaum determiniert wird. Solang eine Liste nicht an die 50% kommt, können immernoch ausschließlich Männer gewählt werden."

Das ist mitnichten unproblematisch. Was macht z.B. eine Partei, wie die Feministische Partei DIE FRAUEN, die sich ausschließlich mit Frauen an Frauen wenden will, denen wird faktisch die Kandidatur versagt. Gleiches gilt für eine Wählergemeinschaft wie die "Rosa Liste", die sich in München ausschließlich an homosexuelle Männer wendet.

Dass das nicht "exotisch" ist, sieht man übrigens daran, dass es in Baden-Württemberg seit gut 20 Jahren in dutzenden Gemeinden reine Frauenlisten (sehr häufig initiiert von den Landfrauen) gibt. Die dürften alle dann nicht mehr antreten.
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CHeine
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 14. Mai 2012 - 23:03 Uhr:   

"Irgendwann haben wir für alles eine Quote, nur nicht für die Kompetenz" (geflügeltes Wort in der sächsischen SPD, als in den 90-igern der Quotenwahn um sich griff).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 01:29 Uhr:   

@Norddeutscher:

In dem verlinkten Artikel steht doch klar, dass die Quote nur gelten soll, solang genügend Kandidat(inn)en dafür zur Verfügung stehn. Das ist gegenüber anderen Vorschlägen, die Ausnahmen nur für reine Frauen- oder Männerlisten vorsehn, noch moderat (beim Wahlsystem in Baden-Württemberg aber auf jeden Fall notwendig).

Die Rosa Liste in München hat übrigens ein striktes Reißverschlusssystem (und bei einem 2. Sitz, den sie beim jetzigen Wahlsystem hätte, wär auch eine Frau gewählt geworden).
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CHeine
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 10:24 Uhr:   

Ob moderat oder nicht, es ist nach meinem Dafürhalten ein massiver Eingriff in die Autonomie der Parteien, bzw. Wählervereinigungen. Insbesondere das Bestreben, zu prüfen, ob die Parteien (Wählervereinigungen) auch ernsthaft genug nach Frauen gesucht haben, halte ich für hochgradig bedenklich. Wer legt denn fest, was "ernsthaft" genug ist?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 12:56 Uhr:   

Die Frage ist, ob eine solche nicht inhaltliche Autonomie von Lokalgruppen von Parteien oder gar Wählervereinigungen irgendwie geschützt ist. Dass der Modus der Listenaufstellung vorgeschrieben wird, ist grundsätzlich nicht neu, auch wenn in Baden-Württemberg bisher fast nur die Listenlänge reglementiert ist.

In Baden-Württemberg kommt noch dazu, dass zu einer Kandidatur kein Weg an Parteien oder Wählervereinigungen vorbeiführt, deren Autonomie also auch mit der Wahlfreiheit kollidiert. Bei einfachen Wählervereinigungen kann praktisch sowieso jeder Interessierte über die Liste abstimmen, insbesondere bei reinen Frauengruppen mehrheitlich Männer. Wobei es nicht so krass ist wie in Bayern, wo grundsätzlich selbst bei Parteien öffentlich zu Aufstellungsversammlungen einzuladen ist und praktisch jeder Wahlberechtigte über jede Liste mitentscheiden kann, sofern die Parteien nicht auf ein Delegiertensystem ausweichen (so viel zur Autonomie der Parteien).

Richtig ist aber, dass eine Vorschrift zur ernsthaften Suche nach Kandidat(inn)en problematisch ist. Da muss man abwarten, was sie im Gesetzentwurf konkret schreiben. Eigentlich lässt sich das nur als Wunsch des Gesetzgebers formulieren (womit dann auch der angesprochene "Erlass" keine Grundlage hat); wenn Listen deshalb nicht zugelassen werden, wird es wohl oft zu Wiederholungswahlen kommen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 15:40 Uhr:   

Es gibt übrigens einen konkreten Formulierungsvorschlag, einzufügen vor dem jetzigen § 9 Abs. 1 KomWG:

"Es kandidieren jeweils zur Hälfte Männer und Frauen. Die Liste ist abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen, wobei der erste Platz mit einer Frau oder einem Mann besetzt werden kann. Ausnahmsweise dürfen auch die den Frauen vorbehaltenen Listenplätze mit Männern besetzt werden, wenn sich nicht genügend Kandidatinnen zur Wahl stellen bzw. die den Männern vorbehaltenen Listenplätze mit Frauen besetzt werden, falls sich nicht genügend Kandidaten zur Wahl stellen."

Das Gutachten ist grundsätzlich vernünftig, geht aber nicht sehr ins Detail.

Es wird unterstellt, dass der Vorschlag auch die Möglichkeit beinhaltet, Kandidat(inn)en abzulehnen, ohne dadurch das andere Geschlecht weiter zu limitieren, soweit ein satzungsmäßiges Quorum für die Wahl besteht. Es bleibt aber unklar, ob der abgelehnte Listenplatz dann frei bleiben muss (womit die Liste nicht mehr vollständig wählbar ist) oder anderweitig besetzt werden kann.

Bei einfachen Wählervereinigungen wär es anders auch nicht mit dem jetzigen § 9 Abs. 4 Satz 1 KomWG kompatibel, der zur Aufstellung eine absolute Mehrheit fordert (Parteien und mitgliedschaftlich organisierte Wählervereinigungen müssten das selbst so bestimmen). Eine explizite Regelung, was im Konfliktfall passieren soll, wär aber im Gesetz dringend nötig.

Die SPD will übrigens eine sichere Lösung über eine Verfassungsänderung, für die es aber sicher keine Mehrheit gibt, wenn es bei 50% bleiben soll.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 17:28 Uhr:   

"In Baden-Württemberg ist eine Quote relativ unproblematisch, weil durch die Aufstellung die Wahl noch kaum determiniert wird."
Die Listenaufstellung ist keineswegs so unwichtig. Nur wer überhaupt auf der Liste steht, kann gewählt werden. Bei begrenzter Listenlänge kann für jede Person, die wegen der Quote auf der Liste kommt, auch eine Person des anderen Geschlechts weniger drauf.

"Solang eine Liste nicht an die 50% kommt, können immernoch ausschließlich Männer gewählt werden."
Es kann auch andere Gründe geben als die Möglichkeit, dass eine bestimmte Person gewählt wird, um sie von der Liste fernzuhalten. Eine Partei oder Wählergruppe kann z. B. ihre Wahlchancen beeinträchtigt sehen, wenn ein Bewerber einen schlechten Ruf hat oder einfach nur unbeliebt ist im Ort.

"In Baden-Württemberg kommt noch dazu, dass zu einer Kandidatur kein Weg an Parteien oder Wählervereinigungen vorbeiführt, deren Autonomie also auch mit der Wahlfreiheit kollidiert."
Nein. Mit der Wahlfreiheit kollidiert hier die Tatsache, dass man nicht unanhängig von einer Partei oder Wählergruppe antreten kann. Eine Einschränkung der Wahlfreiheit rechtfertigt keine weitergehende.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 - 23:47 Uhr:   

In Baden-Württemberg kann man ungenehme Kandidaten streichen. Abgesehn davon kann eine Partei auch anderswo nicht verhindern, dass Kandidaten aufgestellt werden, die ihre Wahlchancen beeinträchtigen. Z.B. ist Thomas Zimmermann 2003 trotz ungewöhnlich krasser Intervention der CSU-Spitze als Stimmkreiskandidat gewählt worden.

Überhaupt sind die Stimm- und Wahlkreise auch eine Form von Quotierung, halt nicht geschlechterspezifisch, sondern regional. Die Folge ist jedenfalls, dass eine kleine Minderheit einen Kandidaten durchdrücken kann. Man könnte völlig analog einen Männer- und einen Frauenwahlkreis (mit getrennter Aufstellung und getrennten Wahlberechtigten) plus eine gemeinsame Liste einrichten. Bei dem Vergleich würd ich sagen, dass quotierte Listen zumindest dann das deutlich mildere Mittel sind, wenn sie offen sind.

In Baden-Württemberg gibts auch schon mit der unechten Teilortswahl eine Quotierung, die im Prinzip ganz analog zur Geschlechterquote funktioniert, aber insofern härter ist, als auch der Wähler an die Quotierung gebunden ist. Das ist allerdings in der Verfassung verankert. Zusammen mit unechter Teilortswahl ist übrigens der Formulierungsvorschlag für das Gesetz schon im Normalfall nicht mehr eindeutig interpretierbar; "Liste" ist im KomWG kein definierter Begriff. Wobei da auch jetzt schon Sachen in der Wahlordnung stehn, die eigentlich ins Gesetz müssten.

"Eine Einschränkung der Wahlfreiheit rechtfertigt keine weitergehende."

Rechtfertigen nicht, aber zur Folge haben kann sie sie schon. Wenn man eine Autonomie für die Parteien will, folgt halt aus der ersten Einschränkung (keine Alleinkandidatur) die zweite (den Regeln der Partei und der Willkür der Abstimmenden ausgeliefert zu sein). Mit oder ohne Quote macht kaum einen Unterschied, außer dass sich die Regeln ändern.

Im Übrigen ist die (passive) Wahlfreiheit sowieso notwendigerweise stark eingeschränkt, weil sonst keine vernünftige Wahl möglich ist. Mit langer offener und quotierter Liste steht ein Bewerber praktisch immernoch besser da als mit geschlossenen unquotierten Listen, wo es (je nach Parteistärke) viel weniger Plätze gibt, auf denen irgendwelche Chancen bestehn. Ein Recht, irgendwie auf einem Wahlvorschlag aufzutauchen, bedeutet noch keine Wahlfreiheit, auch wenn das manchmal so gesehen wird.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Mai 2012 - 01:09 Uhr:   

Ratinger Linke schrieb "Überhaupt sind die Stimm- und Wahlkreise auch eine Form von Quotierung, halt nicht geschlechterspezifisch, sondern regional."
Dem würde ich nicht direkt zustimmen. Wahl- und Stimmkreise partitionieren die Wähler in bestimmte Gruppen und quotieren nicht die Kandidaten. Wahlkreise würde ich also als etwas grundlegend anderes sehen als quotierte Listen.

Die analoge Umsetzung zum Wahlkreis wäre dann tatsächlich der Geschlechterwahlkreis; wo aber wiederum nicht zwangsweise als Kandidaten ein Mann im Männerwahlkreis und eine Frau im Frauenwahlkreis zu wählen sind. Vielmehr würden die Wähler in Männer und Frauen partitioniert. Was das als Folge für die Kandidaten hat, sei mal dahingestellt.
Diese Art der Segregation wäre zwar sehr bedauerlich, vom Prinzip her* halte ich eine Geschlechterquote aber für noch anti-demokratischer.

*(Also ohne einzubeziehen, in welchem Maße die jeweilige Regelung im konkreten Wahlsystem durch geschicktes Handeln unbrauchbar gemacht werden kann.)

Zweifelsfrei ist beides (Geschlechterwahlkreise/ Geschlechterquote) schädlich für die Geschlechteremanzipation und gefährdet die Ziele des Feminismus. Die Frauenbewegung würde hierdurch um Jahrzehnte zurückgeworfen.

(Beitrag nachträglich am 16., Mai. 2012 von Arno Nymus editiert)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Mai 2012 - 18:10 Uhr:   

"In Baden-Württemberg kann man ungenehme Kandidaten streichen."
Genau das wäre nach dem Formulierungsvorschlag nicht möglich. Ansonsten würde die Regelung aus Sicht ihrer Erfinder auch ihr Ziel verfehlen.

"Abgesehn davon kann eine Partei auch anderswo nicht verhindern, dass Kandidaten aufgestellt werden, die ihre Wahlchancen beeinträchtigen. Z.B. ist Thomas Zimmermann 2003 trotz ungewöhnlich krasser Intervention der CSU-Spitze als Stimmkreiskandidat gewählt worden."
Der wurde aber mit dem Willen der CSU im Stimmkreis aufgestellt. Hier waren örtliche CSU und Landes-CSU verschiedener Auffassung. Das ist nicht vergleichbar.

"Überhaupt sind die Stimm- und Wahlkreise auch eine Form von Quotierung, halt nicht geschlechterspezifisch, sondern regional."
Die Wahlvorschlagsträger sind aber in der Personalauswahl dadurch nicht festgelegt, Bewerber müssen auch nicht in dem Wahlkreis wohnen, in dem sie kandidieren. Erwin Teufel wohnte z. B. nicht in seinem Wahlkreis, Kretschmann tut das auch nicht (in Sigmaringen wäre er chancenlos gewesen).

"In Baden-Württemberg gibts auch schon mit der unechten Teilortswahl eine Quotierung, die im Prinzip ganz analog zur Geschlechterquote funktioniert,"
Die unechte Teilortswahl, die ich für Unsinn halte, ist ein seltener werdender Sonderfall und gilt nicht allgemein. Aber auch hier werden Parteien nicht u. U. faktisch gezwungen, jemanden aufzustellen, den sie gar nicht wollen. Im Übrigen gilt auch hier: eine Einschränkung der Wahlfreiheit rechtfertigt nicht die nächste.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 18. Mai 2012 - 06:09 Uhr:   

@Arno Nymus:

Ja, der Vergleich hinkt insofern, als in Deutschland in den Wahlkreisen normalerweise die Wahlberechtigung keine Voraussetzung zur Wählbarkeit ist. Die unechte Teilortswahl scheint da wirklich eine der wenigen (wenn nicht die einzige) Ausnahmen zu sein (und da sind dafür die Wähler nicht partitioniert). Selbst in Bremen hat man das Problem mit der Stadtbürgerschaft umgekehrt gelöst; da können auch Bremerhavener gewählt werden (wobei man Zweifel haben kann, ob das mit der Selbstverwaltung kompatibel ist).

Zumindest in Rheinland-Pfalz sind laut Gesetz (und beim Landtag auch laut Verfassung) nur Wahlberechtigte wählbar, aber wenn man das so auslegen würde, wie es drinsteht, wären die Ersatzlisten komplett sinnlos.

Praktisch sind aber die Kandidaten in den Wahlkreisen und bei sonstigen Unterteilungen meist auch wahlberechtigt; insofern wär ein geschlechterquotiertes System mit Wahlkreisen schon analog zu den Regionalwahlkreisen.

Ob eine Quote nützlich oder schädlich für die Geschlechteremanzipation ist, hängt davon ab, was man davon erwartet. Eine Quote ermöglicht halt, dass sich ein Unterschied im Verhalten und/oder der gegenseitigen Bewertung nicht gleichermaßen auf die Machtverteilung auswirkt (anstatt eventuell durch das Wahlsystem noch potenziert zu werden). Die konservierende Wirkung muss man nicht negativ bewerten, aber es ist interessant, dass sie vorallem Konservative nicht wollen. Man kann sich auch fragen, ob das ein CDU-Förderungsprogramm werden soll.

@Thomas Frings:

Streichen kann der Wähler. Für eine allgemeine Rufschädigung reicht auch schon die Mitgliedschaft, und ungenehme Mitglieder kann eine Partei auch nicht einfach rausschmeißen.

Aufstellung in Subeinheiten, zumal mit unproportionalen Mitgliederzahlen, bedingt jedenfalls, dass über die Kandidaten nicht mit Mehrheit entschieden wird, und die Entscheidung der Mehrheit wird doch bei der Argumentation gegen Quoten als Heiligtum hingestellt. Regionalquoten schalten die Mehrheit genauso aus (zugunsten anderer Ziele), bloß hat man sich an die schon stärker gewöhnt.

Bei der unechten Teilortswahl werden die Parteien mindestens genauso viel wie bei der geplanten Geschlechterquote gezwungen, wen aufzustellen, den sie nicht wollen. Wenn die Kandidaten in einem Teilort knapp sind und sie einen davon nicht wollen, sind sie dafür insgesamt entsprechend weniger wählbar. Den Listenplatz kann auf keinen Fall weranders einnehmen; bei der geplanten Geschlechterquote wär das noch klarzustellen.

Übrigens würd ich so einer Quote nicht zustimmen (außer bei noch schlechteren Alternativen), aber ich halt es für eine legitime Forderung, die keine Verfassungsänderung bedingt. Einer 1/3-Quote oder so würd ich allerdings zustimmen, soweit sie praktisch wesentlich unterschritten wird.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 19. Mai 2012 - 14:06 Uhr:   

"Streichen kann der Wähler."
Das ändert rein gar nichts daran, dass die Partei u. U. jemanden aufstellen muss, den sie nicht will.

"Aufstellung in Subeinheiten, zumal mit unproportionalen Mitgliederzahlen, bedingt jedenfalls, dass über die Kandidaten nicht mit Mehrheit entschieden wird,"
Zumindest gibt es dann vor Ort eine Mehrheit. Außerdem wird in BW immer nur eine Liste für die ganze Gemeinde aufgestellt und es gibt auch einen klaren Trend zur Abschaffung der unechten Teilortswahl, wo es sie gab bzw. noch gibt. Bei Landtagswahlen und auch bei der Bundestagswahl sind Direktkandidaten sowieso nur da wählbar, wo sie aufgestellt wurden. Nur bei bayerischen Landtags- und Bezirkswahlen müssen Direktkanddaten auf der Liste stehen.

"Bei der unechten Teilortswahl werden die Parteien mindestens genauso viel wie bei der geplanten Geschlechterquote gezwungen, wen aufzustellen, den sie nicht wollen."
Unter ungünstigen Umständen vielleicht. Das ist aber in keine Rechtfertigung für eine Frauenquote.
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Hans Immanuel
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 24. August 2012 - 12:18 Uhr:   

Der Kern der Diskussion ist die Grundrechtsfrage. Rechtfertigt der Versuch besserer Chancen für Frauen eine Einschränkung des passiven Wahlrechtes?
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, eine Argumentation dagegen zu skizzieren. Dabei erwähne ich, dass ich Pirat bin und es aus der Sicht der Piratenpartei tue.
http://ergo-sumus.blogspot.de/2012/08/geschlechterquotenwahlrecht-und-piraten.html
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 24. August 2012 - 15:05 Uhr:   

Das passive Wahlrecht innerhalb der Listen ist in Baden-Württemberg (wie fast überall) ohnehin stark eingeschränkt, weil die Zahl der Bewerber limitiert ist. Eine 50%-Quote macht nichts Anderes, als diese Zahl zu halbieren. Danach ist sie genauso willkürlich gesetzt wie zuvor. Und die Reihenfolge ist in Baden-Württemberg völlig egal.

Im Übrigen sind auch Parteien kollektivistische Organisationen, und Verhältniswahlen basieren darauf, dass Individuen gegenüber Kollektiven nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bei so einer Einstellung selber in einer Partei zu sein, ist schon ziemlich pervers. (Dass Geschlechter insofern anders sind, als sie weitgehend vordefiniert sind, ist mir schon klar, aber bei den anderen Beispielen ist das ja auch nicht der Fall.)

Außerdem unterstellt das baden-württembergische Kommunalwahlrecht auch, dass die Wahlvorschlagsträger "in jedem Fall in gleicher Anzahl am Erringen politischer Mandate interessiert zu sein haben" (und zwar unabhängig von deren Größe). Wer nicht exakt die maximale Listenlänge hat, ist nicht voll wählbar (außer teilweise bei unechter Teilortswahl). Im Grund stellt sich bei dieser Argumentation die Frage, warum Sitze überhaupt nach einem Wahlergebnis verteilt werden und nicht nach der Zahl der Interessenten.

Ziemlich daneben ist auch das Gesülze von "Freiheit und Gleichheit". Das sind zwei inkompatible Ziele, und bei Quoten geht es gerade darum, was davon Vorrang haben soll.
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Hans Immanuel
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 24. August 2012 - 23:08 Uhr:   

Nun - den Mitgliedern einer Partei die freie Wahl zu nehmen wen sie nominieren wollen und wen nicht ist eine eklatante Einschränkung der freien Wahl. Dabei dann Menschen nach Geburtskriterien zu selektieren ist der Abschied von der gleichen Wahl.
Warum wundert mich nun nicht, dass ein Linker "Freiheit und Gleichheit" bei Wahlen für Gesülze hält?
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Chrisi3210
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Oktober 2012 - 17:08 Uhr:   

Das Gutachten ist hier.
http://www.bawue.gruene-fraktion.de/cms/default/dokbin/410/410466.gassner_paritaetisches_kommunalwahlrecht.pdf

Leider fehlt mir das Gegengutachten der Berliner Anwaltskanzlei.
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Chrisi3210
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Oktober 2012 - 17:09 Uhr:   

Äh des Innenminsteriums
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. Dezember 2012 - 21:14 Uhr:   

100%-Quote zulässig (ok, nicht 100% vergleichbar, aber sicher eine Stärkung solcher Vorhaben).
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. Dezember 2012 - 18:34 Uhr:   

"ok, nicht 100% vergleichbar"
Gar nicht vergleichbar.

Nebenbei leuchtet mir auch nicht ein, warum gerade in Behörden eine Frauenvertreterin erforderlich sein soll zum Ausgleich von behaupteter Benachteiligung. Das hieße ja, dass der Staat ein Gesetz gegen Diskriminierung hat, die er allein selbst geschaffen hat, wenn es sie denn gibt.

Bevor sich die Grünen erdreisten, ihren Quotenfetischismus anderen aufzuzwingen und dabei die Wahlfreiheit einzuschränken, sollten sie erstmal für 50% Frauenanteil unter ihren Mitgliedern sorgen. Davon sind die Grünen weit entfernt. Das ist doch Diskriminierung, oder?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. Dezember 2012 - 21:45 Uhr:   

Vergleichbar ist es insofern, als das Gericht Argumente verwendet hat, die auch auf allgemeine Wahlen anwendbar sind (obwohl das in dem Fall natürlich garnicht notwendig war).

Der Frauenanteil bei den Grünen ist garnicht so niedrig (bloß ungefähr doppelt so viele Männer wie Frauen). Viel gravierender sind die Unterschiede zwischen den Bundesländern. Im Saarland sind etwa 5,7% der Wahlberechtigten Mitglied in einer der größeren Parteien, in Sachsen nur 0,9%. Trotzdem wird zwischen den Ländern annähernd nach Wahlberechtigten quotiert (Wahlbeteiligung &c. ist im Verhältnis dazu vernachlässigbar).

Parteimitglieder von CDU, CSU, SPD, Grüne, FDP, Linker und Piraten in Prozent der Deutschen ab 18 am Jahresende (Zahlen nach Oskar Niedermayer; Piraten von mir ergänzt):
 
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
SH 3.18 3.17 3.11 3.00 2.91 2.89 2.78 2.65 2.60 2.44 2.38 2.34 2.29 2.21 2.15
MV 1.84 1.74 1.68 1.59 1.50 1.43 1.35 1.29 1.25 1.20 1.15 1.13 1.17 1.14 1.13
HH 2.41 2.38 2.30 2.22 2.17 2.12 2.10 2.05 2.07 1.96 1.91 1.88 1.92 1.91 1.86
NI 3.38 3.32 3.24 3.14 3.14 3.07 2.96 2.80 2.76 2.72 2.65 2.56 2.53 2.46 2.46
HB 2.62 2.62 2.51 2.38 2.31 2.31 2.22 2.10 2.12 2.04 2.05 1.98 1.98 1.99 1.94
BB 1.67 1.62 1.55 1.48 1.44 1.36 1.31 1.26 1.23 1.19 1.16 1.16 1.17 1.14 1.12
ST 1.62 1.56 1.49 1.39 1.34 1.26 1.20 1.11 1.12 1.09 1.04 1.01 1.02 1.01 0.99
BE 2.40 2.38 2.31 2.26 2.17 2.02 1.91 1.82 1.87 1.81 1.78 1.77 1.83 1.84 1.88
NW 3.47 3.49 3.48 3.35 3.22 3.13 3.00 2.89 2.81 2.68 2.60 2.57 2.57 2.50 2.41
SN 1.49 1.45 1.37 1.29 1.24 1.17 1.11 1.07 1.04 1.00 0.96 0.94 0.96 0.93 0.91
HE 3.86 3.80 3.73 3.62 3.53 3.43 3.29 3.10 3.07 2.96 2.89 2.81 2.80 2.75 2.69
TH 1.97 1.90 1.84 1.75 1.65 1.58 1.52 1.47 1.41 1.36 1.33 1.32 1.35 1.32 1.30
RP 4.39 4.35 4.39 4.23 4.12 4.00 3.85 3.71 3.60 3.46 3.38 3.30 3.32 3.23 3.16
BY 3.28 3.26 3.26 3.18 3.12 3.10 3.02 2.89 2.83 2.74 2.73 2.68 2.66 2.57 2.53
BW 2.04 2.03 2.03 1.98 1.94 1.92 1.86 1.82 1.81 1.75 1.71 1.69 1.72 1.70 1.67
SL 7.64 7.76 7.70 7.47 7.26 7.10 6.86 6.58 6.39 6.15 6.05 6.07 6.14 5.83 5.70
== 2.98 2.95 2.92 2.82 2.75 2.68 2.58 2.48 2.43 2.34 2.29 2.25 2.26 2.20 2.16
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. Dezember 2012 - 22:20 Uhr:   

Es handelt sich um einen Verstoß gegen die Freiheit und Gleichheit der Wahl und der Satzungsautonomie der Parteien und Wählervereinigungen. Nach dieser Gesetzesvorschlag der Grünen für die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg wäre jeder zweite Sitz mit einer Frau bzw. einen Mann zu besetzen. Die Freiheit der Wahl innerhalb der Partei und deren Satzungsautonomie wäre damit eingeschränkt. So kann nach dieser Vorgabe eine Partei auch nicht mehr als jeden zweiten Sitz mit einer Frau besetzen, da jeder übrige Sitz einem Mann vorbehalten ist. Eine Partei wie die Feministisch Partei, die in der Regel nur Frauen aufstellt, könnte also so nicht bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg mehr antreten. Bei einem Frauenanteil an der Gesamtbevölkerung von 51% wären Frauen nach diesen Modell auf eine Repräsentation auf 50% beschränkt.

Die Parteien wirken gemäß Art. 21 GG bei der Willensbildung des Volkes mit. Ihre Organisation ist damit besonders geschützt, stärker als die anderer Vereine. Von daher muss die Freiheit der Parteien besonders geschützt sein, damit alle Strömungen des Volkes sich organisieren können. Dazu können etwa auch reine Männer- oder Frauenparteien gehören. Parteien für nationale Minderheiten - wie etwa Dänen - haben wir ja schon. Mit Quoten wird Parteien die sich explizit an eine Gruppe wenden und so auch ihre Kandidaten auswählen ein Antreten faktisch unmöglich gemacht.

Die BW-SPD hat einen gewichtigen Punkt, dass ein solches Wahlsystem wohl nicht mit der Verfassung vereinbar ist (Wahlrechtsgleichheit) und daher eine Verfassungsänderung erforderlich wäre. Eine Änderung der Landesverfassung wäre dafür jedoch wohl nicht ausreichend. Denn die Wahlrechtsgrundsätze der freien, gleichen und geheimen Wahl gelten gemäß Art. 28 I 2 GG auch für Länder und Gemeinden (anders bei den Europawahl: Art. 14 Abs. 3 EUV sieht keine Gleichheit der Wahl vor).

(Beitrag nachträglich am 20., Dezember. 2012 von Marc editiert)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. Dezember 2012 - 22:45 Uhr:   

Lies doch erstmal, um was es geht. Deine Behauptungen waren nichtmal im weitergehenden Gesetzentwurf der Grünen aus der letzten Wahlperiode drin.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 00:18 Uhr:   

Die verpflichtende Frauenquote mit Reißverschlußprinzip war sehr wohl in der Debatte. Im entsprechenden Gutachten im Auftrag der Grünen wurde dies explizit vorgeschlagen, um eine Quotenregelung überhaupt praktisch umsetzbar zu machen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die ich gegen eine solche Regelung geäußert habe, teilt offensichtlich auch die SPD.

Daher soll aus dem Reißverschlussverfahren als einer Muss-Regelung eine Soll-Vorschrift werden.



http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=10749292/1duf7yy/index.html

Wobei nicht klar ist, was diese Regelung dann überhaupt soll. Eigentlich versteht man unter einer Soll-Vorschrift eine Regelung die im Regelfall verbindlich ist, und nur in atypischen Ausnahmefällen ein Abweichen erlaubt. Im Grunde genommen war das aber der ursprüngliche Entwurf, der nur beim Fehlen jedweder weiblichen Bewerbung eine Abweichung gestattete.
Eine Verpflichtung soll aber gerade nicht aufrecht erhalten werden.

Möglicherweise soll mit dem nunmehrigen Entwurf eine Art "Staats"-Zielbestimmung aufgestellt werden, wobei es sich ja gerade nicht um ein Staatsziel handelt, da die Parteien den Staat vorgelagert sind.
Das was in den Entwurf übrig ist, scheint daher mehr ein unverbindlicher und rechtlich folgenloser Programmsatz zu sein.
Eine derartige Änderung des Kommunalwahlgesetzes ist überflüssig. Die Parteien die ein Reißverschlussverfahren eingeführt haben brauchen hierfür keine gesetzliche Aufforderung. Und diejenigen die das nicht tun, werden wegen einem unverbindlichen Satz im Gesetz ein solches Quotenverfahren nicht einführen.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 01:09 Uhr:   

Das Gutachten ist hier zweimal verlinkt und der Formulierungsvorschlag daraus, auf den sich die Grünen beziehn, auch direkt zitiert. Das Reißverschlusssystem soll danach grundsätzlich gelten, aber nicht strikt. Die Begründung unterstellt eine noch weichere Auslegung als der Wortlaut (aber das ist hier alles bereits erörtert worden).

Im Übrigen bedingt der Vorschlag keine Quotierung der Gewählten, und der Frauenanteil an den Wahlberechtigten ist im Allgemeinen deutlich oberhalb von 51% (in Baden-Württemberg 51.8%), weil Männer wesentlich häufiger als Frauen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind (wegen Überrepräsentation bei Kindern, Ausländern und unzurechnungsfähigen Straftätern (Letztere sind allerdings in Baden-Württemberg wahlberechtigt)).

Eine Sollvorschrift, die keine Konsequenzen haben soll, ist in einem Gesetz wirklich deplatziert, wobei aber reine Programmsätze auch anderweitig vorkommen und man für konkrete Aussagen den endgültigen Gesetzentwurf abwarten muss. Generell muss man aber sagen, dass unverbindliche Drohungen in Gesetzen, in der Absicht, einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel zu erzwingen (der insbesondere auf die Gerichte wirken soll), eher ein Merkmal von Möchtegerndiktaturen wie z.B. Ungarn sind.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 21:17 Uhr:   

Noch eine 100%-Quote zulässig (diesmal nach Alter; [Pressemitteilung] [Entscheidung]). Hat auch eine gewisse Relevanz für dieses Thema, zumal die Begründung für einen ähnlichen Eingriff deutlich schwächer ist. Ist allerdings nicht sonderlich überzeugend, das Sondervotum aber noch weniger.
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Norddeutscher
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Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 21:21 Uhr:   

@ Ratinger Linke

Da geht es aber um eine Altersgrenze zur Ausübung der Berufe "Bürgermeister" und "Landrat" und nicht um die Mitgliedschaft in einer Vertretungskörperschaft. Das ist schon ein eklatanter Unterschied.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 21:35 Uhr:   

Es geht aber auch um allgemeine Wahlen, wo die Freiheit der Wahl nicht weniger betroffen ist (und es geht dabei um einen Totalausschluss, nicht nur um schlechtere Bedingungen). Der wirkliche Unterschied ist eher, dass hier auchnoch in die Berufsfreiheit eingegriffen wird. Wenn die Entscheidung anders ausgefallen wär, wär sie deshalb bezüglich der Geschlechterquote weniger relevant als sorum.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 21. Dezember 2012 - 22:12 Uhr:   

@ Ratinger Linke

Im Gegensatz zur Geschlechterquote oder einer Altersgrenze für die Gebietskörperschaft ist sie aber begründbar: Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen ihre berufliche Leistungsfähigkeit einbüßen, nimmt mit zunehmendem Alter zu. Deshalb gibt es z.B. auch vorzeitige Altersgrenzen für besonders gefahrgeneigte oder besonders verschleißende Berufe (ich denke da Piloten, Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute). Wenn nun der Inhaber eines Einzelführungsamtes ausfällt ist das gravierender als der Ausfall eines Mitglieds eines Kollektivorgans - trotz des Vorhandenseins eines Stellvertreters, der bis zu einer Neuwahl einspringen würde. Insofern ist die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, beim allgemeinen Ruhestandseintrittsalter für Staatsdiener die Grenze für die Wählbarkeit zu ziehen (die absolute Altersgrenze liegt damit ja sechs Jahr höher) aus meiner Sicht nicht zu beanstanden. Bei den Mitgliedern der Vertretungskörperschaften wäre die Altersgrenze demgegenüber aus meiner Sicht nicht verfassungsgemäß, da der vorübergehende oder dauernde Ausfall eines einzigen Gemeindevertreters oder Stadtrats keine gravierenden Auswirkungen auf die Tätigkeit des Kollektivorgans hat. Eine Altersgrenze wäre hier ein unverhältnismäßiger Eingriff. Das gleiche gilt für eine Geschlechterquote. Da es einerseits Menschen beiderlei Geschlechts möglich ist, eigene Wählergemeinschaften zu gründen und so zu kandidieren, für den Fall, dass sie von den bisherigen Wahlvorschlagsträgern nicht aufgetellt werden (es gibt keinen "closed shop" an Wahlvorschlagsträgern) und andererseits die zahlenmäßigen Unterschiede beider Geschlechter so gering sind, dass beide selbst bei vollständiger Nichtwahl durch das jeweils andere Geschlecht eine hinreichende Vertretung in einem durch Verhältniswahl zusammengesetzten Gremium erringen können, fehlt es an der Erforderlichkeit. Es fehlt aber auch an der Geeignetheit - zumindest in Baden-Württemberg - der Regelung, denn aufgrund des dortigen Wahlrechts mit der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens ist es auch bei quotierten Listen möglich, dass ein Geschlecht überhaupt nicht im Gemeinderat vertreten ist. Eine Regelung, die weder erforderlich noch geeignet ist, ihren Zweck zu erreichen, kann jedoch nicht verfassungsgemäß sein.

PS: Parteiinterne Quotenregelungen halte ich im Rahmen der Privatautonomie für problemlos. Niemand ist gezwungen eine solche Partei zu wählen oder gar in ihr Mitglied zu werden.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 00:09 Uhr:   

Natürlich ist eine Altersgrenze begründbar. Die Frage ist bloß, ob der Gesetzgeber bei dieser Abwägung über dem Wähler steht. Es gibt jedenfalls keinen Grund, zu pauschalieren, weil es in der Wahl sowieso um die konkrete einzelne Person geht; im Gegensatz zu Verhältniswahlen spielt in der Beziehung nichtmal das Wahlsystem eine wesentliche Rolle. Wenn man den Wählern die Entscheidung trotzdem entziehn will, kann man das letztlich nur damit begründen, dass die zu blöd dafür sind (ist ja gerade bei dem Punkt nicht ganz abwegig, aber so ehrlich sollte man sein, wenn man das will).

Der Ausfall eines Gemeinderats ist viel schlimmer als der eines Bürgermeisters, solang er nicht schnell genug stirbt. Der Bürgermeister war für die Mehrheit mit einiger Wahrscheinlichkeit eh nur das geringere Übel und kann leicht ersetzt werden (zumal in seiner bloßen Beamtenfunktion), während beim Gemeinderat das Ergebnis der Verhältniswahl zerstört wird (ok, ist kein Naturgesetz, dass man vorübergehend ausgefallene Gemeinderäte oder Abgeordnete nicht ersetzen kann).

Abgesehn davon wird das Amt eines Bürgermeisters total überbewertet. Dass der sich zu Tode arbeitet, kann man sowieso höchstens als Wähler verlangen. Auch bei Jüngeren kann man die Anforderungen so hochschrauben, dass es ein nennenswerter Anteil nicht schadlos überlebt. Versager werden ohnehin von den Aufsichtsbehörden relativ schnell abgesägt (was bei Wahlämtern eigentlich eine krasse Sache ist).

Eine normale Verhältniswahl, insbesondere mit offenen Listen, ist nach Geschlecht nicht proportional. Solang nicht ausschließlich geschlechtsreine Listen antreten, kann es ohne Weiteres passieren, dass zu 90% Frauen gewählt werden, sie aber nur 10% der Sitze bekommen. Einen ähnlichen Effekt gibts ja real und systematisch bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Wobei man das ändern kann, was wohl auch besser als eine Quote auf den Listen wär. Hat aber alles auch Nachteile (zumal in Baden-Württemberg auch noch eine Teilortswahl eingebaut werden muss, solang sie in der Verfassung steht).

Auf Kommunalebene wär es eine überlegenswerte Option, auf die volle Verhältniswahl zu verzichten und STV zu nehmen. Dann wär es zumindest möglich, systematisch und wirksam Frauen zu wählen, solang genug kandidieren. Es ist aber garnicht klar, ob es Grünen und SPD um die Vertretung oder bloß um das Angebot geht.

Parteiinterne Regelungen können schon problematisch sein. Wenn es faktisch ein Kartell gibt, ist man als Wähler durchaus gezwungen, so eine Partei zu wählen, zumal bei dem real sehr kleinen Angebot an relevanten Parteien (das auf höherer Ebene künstlich durch Wettbewerbsbeschränkungen klein gehalten wird).

Die faktische deutsche Altersgrenze bei Piloten hat der EuGH übrigens gekippt (wobei es noch die höhere internationale gibt).
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Marc K.
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Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 15:12 Uhr:   

@Ratinger Linke,

Das Reißverschlusssystem soll danach grundsätzlich gelten, aber nicht strikt

Deswegen habe ich diesbezüglich ja von einer Soll-Vorschrift gesprochen. Es soll in der Regel gelten, in Ausnahmefällen nicht (keine ausreichende Zahl weiblicher Kandidaten in der Partei bzw. Wählervereinigung).

Im Übrigen bedingt der Vorschlag keine Quotierung der Gewählten


Aber er bedingt eine Quotierung der Wahlvorschläge. Insoweit würde die Freiheit der Wahl innerhalb der Parteien von außen eingeschränkt. Das ist ein Eingriff in die Freiheit der Wahl - und anders zu beurteilen, wie der Fall in der die Partei/Wählervereinigung durch Satzungen selbst Vorgaben für die Wählbarkeit bestimmt.

Eine Sollvorschrift, die keine Konsequenzen haben soll, ist in einem Gesetz wirklich deplatziert.

Eine solche Vorschrift ist keine Sollvorschrift. Als Soll-Vorschrift wird eine Vorschrift bezeichnet die für den Regelfall gilt und nur in atypischen Ausnahmefällen Abweichungen gestattet. Das ist hier nicht der Fall.

Diese Vorschrift entspricht einer Kann-Vorschrift: also eine Liste kann abwechselnd mit männlichen und weiblichen Kandidaten besetzt werden. Sie hat damit nur deklaratorische Natur. Denn das eine Liste so besetzt werden kann ist völlig unbestritten. Eine solche Vorschrift ist daher völlig überflüssig.

Es ist generell bedauerlich, dass der Gesetzgeber nicht immer konsequent in der Formulierung von Gesetzen ist. Nicht alle Vorschriften die ein "kann" verwenden, sind Kann-Vorschrifte (einige sind Soll-Vorschriften) und - so wie der derzeitige Sachstand ist - ist diese Vorschrift, die den Begriff "soll" verwendet, keine Soll-Vorschrift, sondern eine Kann-Vorschrift.



Generell muss man aber sagen, dass unverbindliche Drohungen in Gesetzen

Ich sehe in der Formulierung keine (unverbindliche) Drohung, sondern nur einen folgenlosen politischen Programmsatz.

Anders wäre es allerdings, wenn die ursprünglichen Planungen der Grünen (Soll-Vorschrift) durchgekommen wären und in der Folge in einigen Gemeinden die Wahlvorschläge von CDU, FDP, Freien Wählern und anderen zurückgewiesen worden wären, weil nicht das Reißverschlussverfahren eingehalten wurde und noch vorhandene weibliche Kandidaten abgelehnt wurden.
Das Abzielen auf eine solche politische Folge entspricht eher autoritären Staaten wie Russland und nicht einem Land wie Baden-Württemberg, das sich unter Kretschmanns Führung doch die Schweiz als Vorbild für Volksbeteiligung genommen hat. Diese Gesetzgebungsinitiative steht hierzu allerdings in völligen Gegensatz.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:00 Uhr:   

Der Formulierungsvorschlag aus dem Gutachten ist schon eine Mussvorschrift, bloß halt mit abgegrenztem Anwendungsbereich. Das Wesen einer Sollvorschrift ist es, dass Ausnahmen nicht abschließend geregelt sind.

Bei der beabsichtigten Formulierung ist die genaue Interpretation durchaus nicht klar:

"Männer und Frauen sollen gleichermaßen bei der Aufstellung eines Wahlvorschlags berücksichtigt werden. Dies kann insbesondere in der Weise erfolgen, dass bei der Reihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber in den Wahlvorschlägen Männer und Frauen abwechselnd berücksichtigt werden. Die Beachtung der Sätze 1 und 2 ist nicht Voraussetzung für die Zulassung eines Wahlvorschlags."

Das heißt nicht notwendigerweise, dass starke Abweichungen ohne hinreichenden Grund keinen Wahlfehler darstellen.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:06 Uhr:   

Das ist deutlich formuliert: "Bitte stellt gleichviel Männer und Frauen auf. Das könnt ihr z.B. so und so machen. Wenn ihr es nicht macht, ist es aber auch egal." Ein reines Placebo für die grüne Basis und überhaupt nicht justitiabel. Aber damit eben auch wegen mangelnder Geeignetheit das Ziel den Frauenanteil unter den Kandidaten zu erhöhen, verfassungsrechtlich angreifbar.
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Marc K.
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Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:12 Uhr:   

Bei der Formulierung kann es sich nur um eine (unverbindliche) Zielbestimmung handeln. Denn die Beachtung ist keine Voraussetzung für die Zulassung eines Wahlvorschlags. Daraus wird die Absicht deutlich, dies nicht zu einem verbindlichen Kriterium zu machen.

Als verbindliches Kriterium wäre es im Übrigen auch zu unbestimmt. Denn was soll "gleichermaßen" "berücksichtigt werden" bedeuten....

(Beitrag nachträglich am 22., Dezember. 2012 von Marc editiert)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:26 Uhr:   

Dass es als Placebo gedacht ist, ist wahrscheinlich, aber das wird Einzelne nicht daran hindern, konkret Wahlen anzufechten. "Gleichermaßen berücksichtigen" ist halt für sich schon äußerst schwammig, aber spätestens dann, wenn eine relevante Liste mit niedrigem Frauenanteil interessierte Frauen aktiv behindert, kann man kaum bezweifeln, dass mit der Formulierung ein Wahlfehler vorliegt, der nur vom Wahlausschuss nicht geprüft werden soll.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:36 Uhr:   

Es wird immer Einzelne geben die Wahlen anfechten. Nur Aussicht auf Erfolg hat es nicht. Denn es handelt sich nicht um eine zwingende Vorschriften und auch nicht um eine Soll-Vorschrift, sondern um eine bloße unverbindliche Zielbestimmung.
Die Entscheidung der Wähler (auch innerhalb einer Partei) sind im übrigen nicht justiziabel, so dass die Gründe für die Wahlentscheidungen belanglos sind.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Dezember 2012 - 16:49 Uhr:   

Dass Nichtwahl bei der Aufstellung belanglos ist, dürfte schon klar sein, aber es kann ja auch sein, dass Frauen bereits zuvor von der Kandidatur abgeschreckt werden (man kann auch der Auffassung sein, dass bereits mangelnde Förderung reicht). Wird halt nur in krassen Fällen beweisbar sein.

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