Autor |
Beitrag |
Martin Fehndrich
Moderator
| Veröffentlicht am Sonntag, 18. September 2011 - 19:12 Uhr: | |
@Bernhard Nowak Irgendjemand würde klagen, das Bundesverfassungsgericht würde schnell entscheiden und in der Entscheidung bestimmen, wie das verfassungswidrige Wahlgesetz auszulegen ist. Ein neues Gesetz könnte aber trotzdem noch erlassen werden. |
Bobo Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 20. September 2011 - 03:54 Uhr: | |
@Ratinger Linke: > Daraus, dass es negatives Stimmengewicht gibt, kann man nicht folgern, > dass es Wähler gibt, deren Stimme negativ wirkt. Negatives > Stimmengewicht ist zunächstmal eine Grenzfallbetrachtung, die erst > dann relevant wird, wenn sich die Wähler entsprechend partitionieren > lassen, insbesondere bei Nachwahlen. Der NSG-Effekt drückt die Nicht-Monotonie einer gewissen Funktion unter gewissen Voraussetzungen aus. Nach dem Urteil des BVG (*) http://www.wahlrecht.de/wahlpruefung/20080703.htm ist NSG von "hoher Intensität" und ist eben dann relevant, wenn ein Brechnungsverfahren zu diesem Effekt führt (vgl. auch Absatz 105 in (*)). > Bei normalen Wahlen gibt es nur dann reale Wähler, deren Stimme > negativ wirkt, wenn die Partei ganz ohne Stimmen einer Landesliste > besser dastehn würde. Abs. 102 in (*) ist (m.E.) der nicht-formale Ausdruck der oben erwähnten Nicht-Monotonie (unter gewissen Voraussetzungen, d.h. "in bestimmten Konstellationen"). Die "negative Wirkung" von Stimmen ist in diesem Kontext zu sehen. MfG Bobo |
Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 20. September 2011 - 22:35 Uhr: | |
Neuer Bericht zum Thema hier: http://www.welt.de/politik/deutschland/article13611725/Neuwahl-des-Bundestages-Rechtlich-unmoeglich.html |
Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Mittwoch, 21. September 2011 - 05:03 Uhr: | |
@Bobo: Nicht das negative Stimmengewicht ist laut Bundesverfassungsgericht "von hoher Intensität", sondern der dadurch bewirkte Eingriff in die Gleichheit der Wahl. Es muss also konkrete Wähler geben, die davon betroffen sind. Es mag durchaus sein, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen ist, dass das immer der Fall ist, aber das stimmt nicht. Die "gewisse Funktion unter gewissen Voraussetzungen" müsste man etwas konkretisieren und insbesondere auch die zugrundeliegende Menge und Ordnungsrelation. Wenn man naheliegenderweise alle möglichen Wahlergebnisse nimmt und nach der Zweitstimmenzahl oder auch dem Zweitstimmenanteil einer Partei ordnet, ist eine Monotonie sowieso nicht gegeben, egal ob man als Funktion die absolute Sitzzahl oder die relativen Sizanteile nimmt. Kein Wahlsystem kann insofern bei mehr als 2 Parteien monoton sein. Wenn man den Teil der Wahlergebnisse nimmt, bei dem die anderen Parteien ein bestimmtes Ergebnis erzielt haben, scheitert die Monotonie schon am Überhang an sich. Erst wenn man nur Wahlergebnisse nimmt, bei denen nur eine Landesliste verschiedene Zweitstimmenzahlen hat (oder die Ordnungsrelation anders definiert), kommt man zur Monotonieverletzung, die als "negatives Stimmengewicht" bezeichnet wird. Die Motivation dafür ist, dass das für die strategischen Erwägungen eines Wählers relevant ist, soweit er die zu erwartenden Abweichungen von der Monotonie mit hinreichender Sicherheit vorhersagen kann. Das heißt aber nicht, dass die Stimme irgendeines Wählers auch nur potenziell negativ wirken müsste. Aus Abweichungen von der Monotonie folgt nur, dass an diesem Punkt eine (hypothetische) zusätzliche Stimme das Stimmengewicht aller Wähler senkt. Davon wird es aber noch nicht negativ. Das passiert erst dann, wenn die Abweichungen von der Monotonie zu häufig auftreten. Man könnte natürlich nicht das tatsächliche Stimmengewicht, sondern die Möglichkeit zu taktischer Wahl als Kriterium für die Gleichheit der Wähler heranziehn. Bloß hat das das Bundesverfassungsgericht nicht getan, und das hat dann auch nichts mehr mit negativem Stimmengewicht zu tun. Die Möglichkeit zu taktischer Wahl besteht immer dann, wenn der zu erwartende Grenznutzen einer Stimme (der mit dem Stimmengewicht im Sinn einer Erfolgswertgleichheit nichts zu tun hat) krass unterschiedlich ist, völlig unabhängig vom absoluten Niveau. Dafür sind vorallem die Überhangmandate an sich verantwortlich; vergleichbare Fälle gibts aber z.B. auch bei ganz normalen Nachwahlen, wie gerade auf Rügen (was sogar ein wesentlich krasserer Fall ist). Auch bei reiner Verhältniswahl mit einem erfolgswertoptimalen Verfahren kann der zu erwartende Grenznutzen einer Stimme zwischen praktisch null und extrem hoch variieren, wenn nämlich die Gesamtsitzzahl klein und das Wahlverhalten gut abschätzbar ist (insbesondere bei Ausschussbesetzungen ein reales Problem, von Ministerpräsidentenwahlen u.Ä. ganz zu schweigen). |
SCL1-Fragender Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 21. September 2011 - 23:46 Uhr: | |
Hallo: Offensichtlich soll das neue Wahlrecht nun gegen die Stimmen der Opposition durchgesetzt werden. Siehe: http://www.bundestag.de/presse/hib/2011_09/2011_360/01.html Zitat: Innenausschuss votiert für Koalitionsentwurf zu Wahlrechtsänderung ! "Die CDU/CSU-Fraktion betonte in den Ausschussberatungen, durch die Änderung werde eine tendenzielle Reduzierung der Überhangmandate erreicht. Nur der Reformvorschlag der Koalition erfülle die Bedingungen, das negative Stimmgewicht zuverlässig zu beseitigen und auch ansonsten verfassungskonform zu sein. Zwar sei die Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist ärgerlich, doch habe man einen guten Entwurf vorgelegt. Auch die FDP-Fraktion bedauerte, dass das Gesetzgebungsverfahren so spät beendet werde. Wie die Unionsfraktion wies sie die Vorschläge der Opposition zur Reform des Wahlrechts zurück. Mit dem Koalitionsentwurf werde dagegen das Problem ohne gravierende Wahlrechtsänderungen gelöst." Ende Zitat. |
Arno Nymus
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 07:12 Uhr: | |
Ratinger Linke schrieb Auch bei reiner Verhältniswahl mit einem erfolgswertoptimalen Verfahren kann der zu erwartende Grenznutzen einer Stimme zwischen praktisch null und extrem hoch variieren. Aber dabei kann halt kein negativer Grenznutzen auftreten - der ist per definitionem nur bei negativem Stimmgewicht vorhanden. Und in der Tat ist der Unterschied des Grenznutzens zwischen -0,1 und 0 Stimmen entscheidender als der Unterschied zwischen 0,1 und 0,5 Stimmen. Denn die Gleichheit der Wahl ist letztlich nicht allein von der Quantität abhängig, sondern auch von der Wirkungsweise der Stimmen. Die normale Wirkungsweise einer Stimme ist, dass sie den Sitzanteil einer Partei erhöht oder ihn unverändert lässt, also nicht-negativ wirkt. Eine Stimme mit negativem Grenznutzen hat somit eine ganz andere Qualität als eine Stimme mit nicht-negativem Grenznutzen. Daher ist eine Einordnung jedes negativen Stimmgewichtes als Verletzung der Wahlgleichheit zutreffend. Das negative Stimmgewicht ist nämlich nicht nur ein Problem, wenn es vor einer Wahl vorhersehbar ist (wie insbesondere bei Nachwahlen). Negatives Stimmgewicht ist ebenfalls deswegen wahlrechtlich unzumutbar, weil es die Sinnhaftigkeit der Wahlhandlung einiger Wähler retrospektiv in Zweifel ziehen kann. D.h. ein Wähler kann auf seine Stimmabgabe schauen und erkennen, dass seine Stimme eine negative Grenzwirkung hatte, was zur Folge hat, dass er zum Schluss gelangt, die Wertung seiner Stimme im Wahlsystem als willkürlich zu erachten. Ein Wahlrecht mit negativem Stimmgewicht ist insofern ein Wahlrecht, welches einigen Wählern die Unsinnigkeit des Wählens vermittelt. |
Bobo Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 01:02 Uhr: | |
Ratinger Linke schrieb: > Die "gewisse Funktion unter gewissen Voraussetzungen" müsste man etwas > konkretisieren und insbesondere auch die zugrundeliegende Menge und > Ordnungsrelation. Man könnte so vorgehen wie in http://www.wahlrecht.de/systemfehler/betroffene-sitze-2005.html oder http://www.wahlrecht.de/verfahren/minimierung.html und Bereiche betrachten, in denen die Nicht-Monotonie (der Sitzzuteilungsfunktion) offensichtlich wird. Es reicht also, gewisse partielle oder parameterdefinierte Funktionen zu betrachten, bei denen man jeweils die Zweitstimmen für etwa nur eine Partei variieren lässt und der Rest quasi starr bleibt, sozusagen gewisse "Randverteilungen" betrachtet. Alle mir bekannten Beispiele zum NSG funktionieren im /wesentlichen/ in genau dieser Weise. > [...] Aus Abweichungen von der Monotonie folgt nur, dass an diesem > Punkt eine (hypothetische) zusätzliche Stimme das Stimmengewicht aller > Wähler senkt. Davon wird es aber noch nicht negativ. Das passiert erst > dann, wenn die Abweichungen von der Monotonie zu häufig auftreten. Ein Dieb, der nur einmal klaut, verletzt das Gesetz so wie der Dieb, der regelmäßig oder häufig klaut. Deshalb finde ich den ersten Satz in Absatz 108 in dem schon erwähnten Urteil des BVG zum negativen Stimmengewicht (2008) recht mysteriös. Es geht bei der ganzen Problematik des NSG weniger (oder eigentlich gar nicht) um taktisches Verhalten von Wählern (das ist eher ein Nebenschauplatz), sondern darum, dass die Stimme eines Wählers (der z.B. mit Taktik überhaupt nichts am Hut hat) nicht zu seinem Schaden sein darf. (Was hier "schaden" bedeutet, kann man im Urteil des BVG nachlesen.) Es gibt zwei Richtungen des NSG-Effekts. Nehmen wir an, die Wähler würden "optimal" nach dem Maximierungsprinzip (Sitzmaximierung von M. Fehndrich) wählen und dass mehr Zweitstimmen etwa für eine Partei zu einer Minderung ihrer Sitze im Bundestag führen würden. In diesem Fall könnte man noch sagen, dass solche Beispiele in der Tat "nur" hypothetischer Natur sind. Es gibt dann - real gesehen - kein NSG. Anders verhält es sich mit der anderen Richtung. Hier dienen hypothetische Verteilungen dazu, um die negative Wirkung real abgegebener Stimmen nachzuweisen: "Hätte Partei X so und soviel Stimmen weniger bekommen, so hätte sie einen Sitz mehr." Das ist etwas anderes, als wenn man sagt: "Hätte X mehr Stimmen bekommen, so hätte sie einen Sitz weniger." In dem ersten Fall ist NSG real nachweisbar, in dem zweiten Fall eigentlich nur potenziell bzgl. der Zielfunktion. MfG Bobo |
Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 08:56 Uhr: | |
@Arno Nymus: Der retrospektive Grenznutzen einer Stimme ist praktisch immer exakt null. Falls er bei allgemeinen Wahlen in größerem Rahmen mal nicht null sein sollte, kann man davon ausgehn, dass ein passender Wahlfehler gefunden wird, die Wahl wiederholt wird und er dann doch wieder null ist. Vor der Wahl ist es völlig egal, ob der Grenznutzen schwach positiv oder schwach negativ ist. So eine Partei wählt man doch sowieso nicht. Ein rationaler und informierter CDU-Anhänger in Baden-Württemberg, der notfalls auch mit der FDP leben kann, wird selbstverständlich die FDP wählen (mal vorausgesetzt, dass es kein Sperrklauselproblem gibt), ob der Grenznutzen bei der CDU nun positiv oder negativ oder null ist. Hoch genug ist er jedenfalls nicht. Mit der Notwendigkeit der Wahl des geringeren Übels muss man bei Wahlen sowieso rechnen. Für einen Wähler, der keine solchen Erwägungen anstellt, ist der Grenznutzen eh egal. Für den kommt es letztlich nur auf das Stimmengewicht an. @Bobo: Eine Stimme schadet doch erst, wenn ihr Gewicht negativ wird. Und das folgt noch nicht aus fehlender Monotonie, wie ich bereits versucht hab, zu erklären. Real (in dem Sinn, dass reale Stimmen negativ wirken) ist negatives Stimmengewicht nur dann, wenn die Stimmen einer unterscheidbaren Gruppe von Wählern insgesamt negativ wirken. Beim momentanen Bundestagswahlrecht ist das in der absoluten Sichtweise (die für den Wähler aber irrelevant ist) in der Regel der Fall, bei relativer Sichtweise meistens nicht (kann aber vorkommen). Teilgruppen von Wählern einer Landesliste sind in der Regel ununterscheidbar; nur bei Nachwahlen und dergleichen ist das anders. Wenn man trotzdem hypothetische Teilgruppen rausgreift, ist negatives Stimmengewicht immer möglich. Dann kann man z.B. postulieren, dass die eine Hälfte Gewicht +2 und die andere -1 hat. Für den konkreten Wähler ist das aber irrelevant; für den ist das Gewicht immer +1. |
Arno Nymus
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 09:57 Uhr: | |
Ratinger Linke schrieb Wenn man trotzdem hypothetische Teilgruppen rausgreift, ist negatives Stimmengewicht immer möglich. Dann kann man z.B. postulieren, dass die eine Hälfte Gewicht +2 und die andere -1 hat. Nein, nicht bei einer monotonen Sitzzuteilungsfunktion. Man kann nicht willkürlich Wählergruppen "Gewichte" zuteilen und diese als "Stimmgewichte" bezeichnen (entsprechend auch nicht als "negatives Stimmgewicht"). So kann man sie nur bezeichnen, wenn bei Aussondern der Teilgruppe der Sitzanspruch der Partei entsprechend den Stimmgewichten der ausgesonderten Wähler verändert. In obigem Beispiel müsste also bei Aussonderung der Wähler mit Gewicht -1 der Sitzanspruch der entsprechenden Partei steigen und das bedeutet wiederum, dass die Sitzzuteilungsfunktion nicht monoton ist. Natürlich führt eine nicht-monotone Sitzzuteilungsfunktion nicht zwingend bei jedem Wahlgang zu negativem Stimmgewicht. So gibt es beim aktuellen Bundestagswahlrecht kein negatives Stimmgewicht*, wenn keine Überhangmandate auftreten. Aber nur weil das Problem nicht in jedem denkbaren Fall auftreten muss, heißt nicht, dass die Ursache des Problems unproblematisch ist.** * im Sinne von Bobos Ausführungen. ** Bei dem Wahlgesetz-Vorschlag von Schwarz-Gelb tritt das negative Stimmgewicht nicht nur bei Überhangmandaten, sondern generell auf. Dafür ein realistisch komplexes Zahlenbeispiel ohne negatives Stimmgewicht zu konstruieren dürfte eine aufwändige Aufgabe sein. |
Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 18:59 Uhr: | |
Und welche Teilgruppen von Wählern soll man sonst aussondern? Es gibt innerhalb der Wähler einer Landesliste normalerweise nur Teilgruppen von Stimmen, nicht Teilgruppen von Wählern, die diesen Stimmen zuordenbar wären. Mit welcher Berechtigung ordnet man dem einen Wähler ein negatives Stimmengewicht zu, dem anderen aber ein positives? Wenn man einfach allen Wählern das negative Gewicht ihrer Stimme unterstellt, hat man das Konzept des Stimmengewichts ganz verlassen, weil dann die Summe über alle Wähler nicht mehr die reale Sitzzahl (bzw. 1 bei relativer Betrachtungsweise) ergibt. Wenn man so vorgeht wie wahlrecht.de und dazu noch unterstellt, dass es entsprechende Wähler gäbe, deren Stimme negativ ist, muss man schon eine Art kollektiven Grenznutzen einführen, der darauf basiert, dass etwa 90% der Wähler einer Landesliste (Zahl ist nach Bedarf anzupassen) blödes Stimmvieh ist, das sowieso so wählt, wie es gewählt hat, und die restlichen 10% noch blöder sind, weil sie zwar auf ihren kollektiven Grenznutzen achten, aber trotzdem eine Partei gewählt haben, bei der er negativ (also in der Regel absehbar zumindest zu klein) war. Beim momentanen Bundestagswahlrecht gibt es gerade dann mit der höchsten Wahrscheinlichkeit wirklich negativ wirkende Stimmen, wenn (knapp) kein Überhang auftritt. Sobald Überhang auftritt, gibt es ja bereits Wähler, die ihr potenzielles negatives Stimmengewicht nicht realisiert haben. Wenn man willkürliche Teilgruppen von Stimmen bildet, wird man auch weitab vom Überhang fast immer negative finden, sobald es Direktmandate gibt. Wenn die Liste maximal überhängt (also keine Zweitstimmen hat), wird man dagegen keine finden. |
Holger81 Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. September 2011 - 16:15 Uhr: | |
@Zitat der CDU/CSU-Fraktion: "Nur der Reformvorschlag der Koalition erfülle die Bedingungen, das negative Stimmgewicht zuverlässig zu beseitigen und auch ansonsten verfassungskonform zu sein." Was für eine dreiste doppelte Lüge - der Koalitionsentwurf ist ja im Gegenteil der einzige Entwurf, der das negative Stimmgewicht voll erhält oder sogar noch ausbaut. |
Bobo Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Freitag, 23. September 2011 - 10:11 Uhr: | |
@Ratinger Linke: > Beim momentanen Bundestagswahlrecht gibt es gerade dann mit der > höchsten Wahrscheinlichkeit wirklich negativ wirkende Stimmen, wenn > (knapp) kein Überhang auftritt. 1. Ich hatte eingangs in http://www.wahlrecht.de/cgi-bin/forum/show.cgi?tpc=172&post=63156#POST63156 folgendes geschrieben: | Ein Ausgleich ist dann nicht nötig, wenn keine Überhangmandate | auftreten. Aber dennoch kann negatives Stimmgewicht auftreten [...]. | Es ist egal wie man hier einen "Gleichheitsgrundsatz" interpretiert; | Tatsache ist, dass es Wähler gibt, die ihre Partei stärken wollen, | diese Partei aber schwächen (im Falle eines NSG-Effekts). Dabei habe ich den NSG-Effekt als Voraussetzung an mehreren Stellen kenntlich gemacht. Dieser Effekt wirkt im obigen Fall nur in eine Richtung, und zwar so, dass es im Kontext von Abs. 102 im Urteil des BVG zum NSG (2008) Wählerstimmen gibt, die negativ wirken. D.h., hier folgt in dem angegebenen Kontext und der obigen Voraussetzung die negative Wirkung von Stimmen aus der Nicht-Monotonie. Daher ist Ihr Einwand "Daraus, dass es negatives Stimmengewicht gibt, kann man nicht folgern, dass es Wähler gibt, deren Stimme negativ wirkt." bzgl. meiner Einlassung unbegründet. 2. Das BVG unterscheidet in Abs. 102 auch die zwei Richtungen des NSG-Effekts, wobei es explizit die negative Wirkung von Stimmen nur für die eine Richtung erwähnt, für die andere Richtung aber von "Dienlichkeit" spricht. Der entscheidende Punkt dafür, dass es negativ wirkende Stimmen gibt, ist der Nachweis der Nicht-Monotonie in bestimmen Fällen wie etwa in diesem Fall: Hätte bei der BTW 2009 die SPD-Landesliste in Bremen 600 Stimmen weniger bekommen, so hätte die SPD einen Sitz mehr im Bundestag bekommen. Im Kontext von Abs. 102 hat man hier nämlich per definitionem negativ wirkende Stimmen. Der Punkt ist nicht der, dass man eine genaue Identifizierung der negativ wirkenden Stimmen hinbekommt - das hängt in der Tat von der Wahl der Parameter bzgl. der Zielfunktion ab -, sondern der Nachweis der Nicht-Monotonie, aus der eben hinsichtlich der einen Richtung des NSG die Existenz negativ wirkender Stimmen folgt. Dass man unterschiedliche Betrachtungen und Zuordnungen machen kann, zeigt eigentlich nur, dass der NSG-Effekt tatsächlich zu willkürlichen Ergebnissen führt. MfG Bobo |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Samstag, 24. September 2011 - 21:21 Uhr: | |
Hier die vom Innenausschuss beschlossenen Änderungen am Entwurf: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/070/1707069.pdf Geändert wurde praktisch nur der vielkritisierte Abs. 2a, der aber immer noch mies formuliert ist. Jetzt soll bei der Berechnung der zusätzlichen Sitze immer zur ganzen Zahl abgerundet werden und die Zusatzsitze vorrangig an überhängende Landeslisten gehen. Im Wesentlichen ändert sich also am Entwurf nichts. |
Martin Fehndrich
Moderator
| Veröffentlicht am Samstag, 24. September 2011 - 22:08 Uhr: | |
Es ändert sich auch wenig in der Analyse im Vergleich zum Juni-Entwurf. Die Zusammenfassung bleibt. Negatives Stimmgewicht durch den Abs. 2a selbst wird weniger, weil Überhangmandate und Überlaufmandate gegeneinander verrechnet werden. Das kostet der CDU vielleicht ein weiteres Überhangmandat. Abs.2a ist aber auch nur ein Nebenaspekt beim negativen Stimmgewicht. |
cyrix
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Montag, 26. September 2011 - 12:58 Uhr: | |
Am Donnerstag wird dann von vor. 11.15-12.30 in zweiter und dritter Lesung über die Reform des Bundeswahlgesetzes im Bundestag entschieden werden. (siehe http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/130.html ). |
Björn
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 27. September 2011 - 09:08 Uhr: | |
Gestern wurde bei "Was nun, Herr Voßkuhle?" auch das Thema Wahlrecht angesprochen und was passieren würde, wenn die Koalition vorzeitig zerbrechen und ein neues Gesetz noch nicht in Kraft wäre. Voßkuhle sprach davon, dass man sich schon darüber Gedanken gemacht hätte und dass das Gericht notfalls selbst eine Änderung des Wahlrechts verfassen würde. Mich würde interessieren, wie das dann praktisch aussieht. Schlägt dann das BVG das Gesetz dem Bundestag und Bundesrat vor und die stimmen dann ab, oder geschieht dies dann alles vollkommen außerhalb des politischen Gesetzgebungsverfahrens und das BVG sagt einfach: Das ist so und nicht anders...?? |
Lars Tietjen
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 27. September 2011 - 10:25 Uhr: | |
Ich vermute das Gericht würde sich auf § 32 BVerfGG stützen und eine einstweilige Anordnung treffen die direkt wirksam wäre. |
Taugenichts
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 27. September 2011 - 14:24 Uhr: | |
Genau das hat Voßkuhle auch gesagt: „Wir würden im Rahmen einer einstweiligen Anordnung versuchen, eine solche verfassungsgemäße Grundlage für eine Wahl zu schaffen.“ Vgl.: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,8354471,00.html und http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1450540/Was-nun%252C-Herr-Vosskuhle%253F#/beitrag/video/1450540/Was-nun%2C-Herr-Vosskuhle%3F |
Björn
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 27. September 2011 - 16:09 Uhr: | |
Ah, dass Voßkuhle von der Anordnung sprach, muss mir irgendwie entgangen sein. Diese Anordnung würde dann nur für diese betreffende Wahl gelten, oder wäre sie dann für alle übrigen BTW gültig? |
Lars Tietjen
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 27. September 2011 - 16:36 Uhr: | |
@Björn Die Anordnung wäre maximal 6 Monate gültig. Sie könnte ggf. verlängert werden (§ 32 (6) BVerfGG). Sie würde gegenstandslos wenn ein neues Wahlgesetz in Kraft tritt. http://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__32.html |
|