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Archiv bis 01. Juli 2011

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Reform des Bundeswahlgesetzes » Archiv bis 01. Juli 2011 « Zurück Weiter »

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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 23:24 Uhr:   

@Edgar
Das ist richtig.
Allerdings hatte ich mich vertan, der eine Sitz wäre an die Saar-CDU und nicht an die BW-CDU gegangen (werde ich korrigieren). Aber auch da gab es Überhang.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 09:41 Uhr:   

@Thomas Frings:

Die Frage ist allerdings, was die "nach Absatz 2 Satz 6 für die errungenen Sitze erforderlichen Zweitstimmen" sind. Ich bin zunächst auch davon ausgegangen, dass es wohl ein Vielfaches des Zuteilungsdivisors im Land sein muss, der aber das Problem hat, dass er im Allgemeinen nicht eindeutig definiert ist. Es funktioniert jedenfalls auch mit der Harequote (dem noch unangepassten Zuteilungsdivisor).

"Erforderliche" Zweitstimmen gibts nicht wirklich, weil das kein Quotensystem ist. Wenn es Hare/Niemeyer wär, könnte man das wörtlich am ehesten als Mindeststimmenzahl, die sicher zu dieser Zahl an Sitzen führt, interpretieren, aber bei Sainte-Laguë ist das komplexer und hat jedenfalls nichts mehr mit dem zitierten Zuteilungsdivisor zu tun.

In der Begründung steht "benötigt" statt "erforderlich", was noch eher auf einen endgültigen Zuteilungsdivisor hindeutet, aber trotzdem geh ich inzwischen eher davon aus, dass die Harequote gemeint ist. Sinnvoll ist es so oder so nicht, und auch die Aussage mit den "Reststimmen" ist in beiden Fällen falsch.

Außerdem ist auch nicht klar, was die "errungenen Sitze" sind, aber da legt die Reihenfolge der Darstellung eher nahe, dass Überhang und Mehrheitsklauselsitze da noch nicht dabei sind. Ansonsten sind es vermutlich die tatsächlich vergebenen Sitze.

Unklar ist auch noch, was die "zu vergebenden Sitze" sind. Da geh ich davon aus, dass Sitze von Einzelbewerbern und dergleichen zuvor abgezogen werden.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 19:11 Uhr:   

Interessanter Artikel hier: http://www.vorwaerts.de/artikel/ab-heute-rechtsfrei
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 19:34 Uhr:   

Debatte gerade hier: http://www.bundestag.de/Mediathek/index.jsp?instance=m187&&action=&live=true&view=
Linken-Abgeordnete erwähnt ausdrücklich den Thread hier.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 20:10 Uhr:   

Ich habe gerade mal die Listen der Abgeordneten
(http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mitglieder_des_Deutschen_Bundestages_%2817._Wahlperiode%29 usw.)
studiert: In der aktuellen Wahlperiode hat jede Partei aus jedem Bundesland mindestens einen Abgeordneten (auch die FDP in Bremen). In der letzten Wahlperiode haben die 3 kleinen Parteien nur in jeweils einem Bundesland (HB/SL) knapp keinen Abgeordneten erhalten. Das Problem eines regelmäßigen Verfalls von "Reststimmen" für kleine Parteien in sehr kleinen Ländern, das die Koalition "lösen" will, existiert also de facto gar nicht...
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 21:43 Uhr:   

Die Debatte im Bundestag zum Thema verlief m.E. vorhersehbar. SPD, Grüne und Linke verteidigten ihre Forderung nach Abschaffung der Überhangmandate, Union und FDP verteidigten sie, da nicht die Abschaffung der Überhangmandate, sondern nur die Beseitigung des Phänomens des "negativen Stimmgewichtes" vom BVerfG verlangt worden wäre. Union und FDP geben sich davon überzeugt, mit ihrem Entwurf dieses Phänomen beseitigt zu haben, obwohl Redner von SPD, Grünen und Linken genau dies bestritten und vor allem in der neuen bundesweiten Verrechnung von Reststimmen (Volker Beck: "Überhangsitzen) eine neue Quelle negativen Stimmgewichtes sahen, womit sie m.E. recht hatten. Ex-Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier wurde von seinem Parteifreund Hans-Peter Uhl, der den Gesetzentwurf für die CSU begründete, dafür kritisiert, von Staatskrise gesprochen zu haben (eine Kritik, zu der man m.E. stehen kann, wie man will) und ihn als "Politrentner" bezeichnet, was m.E. eine Respektlosigkeit gegenüber dem früheren Verfassungsgerichtspräsidenten war. Ansonsten habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Koalition aller geplanten Anhörungen zum Trotz diesen Gesetzentwurf so wie er ist verabschieden wird und keinen Konsens mit der Opposition überhaupt anstrebt. Andererseits hat SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann in der Debatte deutlich gemacht, dass die Opposition wieder in Karlsruhe klagen wird, sollte der Gesetzentwurf unverändert gegen den Willen der Opposition Gesetz werden. Soweit mein Eindruck von der Debatte. Ich denke, sie wird bald in der Mediathek des Bundestages abrufbar sein.
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 22:01 Uhr:   

Ist sie bereits.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 22:49 Uhr:   

Ich picke mal daraus die aus meiner Sicht wichtigste Rede heraus, die des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Oppermann: http://www.bundestag.de/Mediathek/index.jsp?legislativePeriod=17&conference=117&agendaItemNumber=11&speechNumber=3&action=search&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&mask=search&destination=search&contentArea=commom&isLinkCallPlenar=1

Warum werden die Stimmen der Piratenpartei in Berlin den Grünen angerechnet, wie Oppermann sagt? Wenn dies so stimmt, dann liegt hier in der Tat eine Verzerrung des Wählerwillens vor (gälte auch für andere Parteien, wenn - was Oppermann moniert - auch Stimmen von Parteien, die unter der 5%-Sperrklausel liegen, bei der "Reststimmenverwertung" berücksichtigt werden. Dies hatte ich so noch nicht wahrgenommen und dies scheint mir in der Tat verfassungswidrig zu sein.
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Bobo
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 22:52 Uhr:   

Arno Nymus schrieb:
> Ein adäquates Berechnungsverfahren hat dann bestimmte
> Mindest-Voraussetzungen zu erfüllen. Beispielsweise muss ein
> Berechnungsverfahren erfüllen, dass ein Kandidat A bei einem besseren
> Stimmergebnis (d.h. wenn sich einige Stimmen zugunsten des Kandidaten
> A ändern und sich sonst nichts ändert), das Wahlergebnis des
> Kandidaten A nicht schlechter wird.

Das ist mit IRV gewährleistet: Gewinnt Kandidat A, so gewinnt er
natürlich erst recht, wenn sich das Stimmergebnis weiter /zu seinen/
/Gunsten/ verändert. Oder was meinen Sie genau? Haben Sie ein Beispiel?

Die IRV-Wahl ist ein adäquates Verfahren, auch wenn das
Monotoniekriterium nicht erfüllt ist. Es gewinnt der Kandidat, der die
meisten Stimmen auf sich vereinigt. Im Fall, dass die Länge aller
Präferenzlisten gleich der Anzahl der Kandidaten ist, ist der Gewinner
der Wahl sogar zu 100% (bzgl. der Stimmen) legitimiert.

Die Perspektive dabei ist die der Zustimmung.

Zum Gesetzentwurf der Koalition: Natürlich löst dieser nicht das Problem
des "negativen Stimmgewichts". Falls dieser Entwurf im wesentlichen 1:1
als Gesetz verabschiedet wird, dann rechne ich auch mit Klagen beim
Bundesverfassungsgericht. Und wenn es in der nächsten Legislaturperiode
eine Rot-Grüne Mehrheit gibt, dann glaube ich, dass ein neues Gesetz
verabschiedet wird. Nur ein fraktionsübergreifender Konsens würde einen
längerfristigen Bestand eines Wahlgesetzes ermöglichen.

MfG Bobo
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:25 Uhr:   

@Bernhard: Die Stimmen der Piratenpartei werden nicht den Grünen angerechnet, sondern dem Land Berlin. Wenn die Berliner PIRATEN-Wähler zu Hause geblieben wären, hätte Berlin (nach dem Koalitionsentwurf) einen Sitz weniger gehabt hat. Von dem Berliner Sitzverlust betroffen wären (zufällig) die Grünen gewesen. Stattdessen hätte NRW einen Sitz mehr gehabt, genauer gesagt der dortige Landesverband der Partei DIE LINKE.

Dass man also mit seiner Stimme also nicht mehr nur für (oder gegen...) die gewählte Partei stimmt, sondern auch für das eigene Bundesland, mag ungewohnt und wenig sinnvoll sein, verfassungswidrig ist das für sich gesehen aber sicher nicht.

Immerhin gäbe es dann ein weiteres Argument gegen Wahlenthaltung: Man schadet dem Vertretungsgewicht seines Bundeslandes im Bundestag. Wer das nicht will, aber auch keine Partei wählen möchte, kann eine ungültige Stimme abgeben. Ob das die Wahlbeteiligung nennenswert beeinflusst, ist aber natürlich sehr zweifelhaft.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:35 Uhr:   

@Holger81: Ich stimme voll zu, dass die im Gesetz vorgebrachte Art der "Reststimmenverwertung" ziemlich missraten ist, weil er z.B. unbegründeterweise die negativen Reststimmenanteile nicht berücksichtigt und unabhängig davon in der Tat zusätzliches negatives Stimmgewicht mit sich bringt.

Jedoch würde ich nicht ohne Weiteres zustimmen, dass das neu vom Koalitions-Vorschlag neugeschaffene "Problem", welches Ursache für die Erstellung dieser Reststimmenverwertung ist, nicht bestehe. Die "kleinen" Parteien hatten bei den letzten beiden Wahlen relativ hohe Stimmanteile, so dass sie gewissermaßen eher als "mittlere" Parteien zu bezeichnen wären.*
Es ist aber eher nicht davon auszugehen, dass kleine Parteien in Zukunft generell 10% oder mehr bekommen - insbesondere, wenn man sich die Umfragewerte der FDP anschaut. Dass also gerade die FDP dieses Problem des von ihnen selbst unterstützten Vorschlages gesehen hat, kann man nachvollziehen.
Natürlich ändert das nichts daran, dass die "Lösung", d.h. der neue Absatz 2a) große handwerkliche und grundsätzliche Mängel aufweist.

*Die Anzahl der Landesverbände, die keine Sitze zugeteilt bekamen, wären beim Verfahren Krings/Ruppert B [1] bei den letzten Wahlen:

Standard-Sitzzahl: 656
[1990: 10 (PDS(10)-SH,-HH,-NI,-HB,-NW,-HE,-RP,-BY,-BW,-SL)]**
1994: 9 (FDP(4)-MV,-HB,-BB,-SL, PDS(5)-SH,-HH,-HB,-RP,-SL)
1998: 9 (GRÜNE(1)-MV, FDP(3)-MV,-HB,-SL, PDS(5)-SH,-HH,-HB,-RP,-SL)
Standard-Sitzzahl: 598
2002: 2 (FDP(2)-HB,-SL)
2005: 3 (GRÜNE(1)-SL, FDP(1)-HB, LINKE(1)-HB)
2009: 0

** 1990 gab es getrennte Sperrklauseln für Ost- und Westdeutschland, die PDS überwand die ostdeutsche Sperrklausel, während sie in Westdeutschland einen Stimmanteil von etwa 0,3% erreichte. Die Sitze wurden aber (real) dennoch bundesweit verteilt, wodurch die PDS in NW einen Sitz erhielt; ich bin mir nicht sicher, ob das in der verlinkten Simulation berücksichtigt wurde. Die West-GRÜNEN landeten unter der Sperrklausel und erhielten, da sie bis dato noch nicht mit den Ost-GRÜNEN fusioniert waren, keine Mandate.


[1] http://www.wahlrecht.de/wahlrechtsreform/berechnungen/index.html#zkringsruppertb
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:51 Uhr:   

Bobo schrieb
Das ist mit IRV gewährleistet: Gewinnt Kandidat A, so gewinnt er
natürlich erst recht, wenn sich das Stimmergebnis weiter /zu seinen/
/Gunsten/ verändert.

Nein, nicht bei IRV.

Bobo schrieb Haben Sie ein Beispiel?
Aber natürlich, gerne. Es existieren drei Kandidaten A, B und C.

Im Folgenden bedeutet "ABC" die Präferenzliste mit A als Erst-Präferenz, B als Zweit-Präferenz, C als Dritt-Präferenz usw.

- In der Legislaturperiode 1 erhalten folgende Präferenzlisten folgende Stimmanteile:
ABC 39%
BAC 30%
CBA 29%
CAB 2%

Erstpräferenzen: A 39%, B 30%, C 31%

Bei den Erstpräferenzen liegt B mit 30% also hinten und wird eliminiert, in der Folge gewinnt A die Wahl mit 69% zu 31% gegen C.

Nun leistet A exzellente Arbeit und kann dadurch die 2% Wähler überzeugen, die bisher C ihm knapp vorgezogen haben, somit ergibt sich:

- Legislaturperiode 2:
ABC 39%
BAC 30%
CBA 29%
ACB 2%*

Erst-Präferenzen: A 41%, B 30%, C 29%

Bei den Erstpräferenzen liegt C also mit 29% hinten und wird eliminiert, in der Folge gewinnt B mit 59% zu 41% gegen A.

Zusammenfassung: Es hat sich von der ersten zur zweiten Wahl ausschließlich geändert, dass A weitere Wähler von sich überzeugt hat. Aufgrund dieser Wähler hat A verloren.

*Edit: Ursprünglich hatte ich der Einfachheit halber diese 2% auch unter ABC aufgeführt. Damit das Beispiel aber zusätzlich auch die Monotonie verletzt, führe ich sie nun gesondert als ACB auf. Da die Zweit- und Drittpräferenz aller A-Wähler im gesamten Beispiel niemals zum Zuge kommt, ändert das am Ergebnis natürlich absolut gar nichts.

(Beitrag nachträglich am 01., Juli. 2011 von Arno Nymus editiert)
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:52 Uhr:   

@Wilko:
Vielen Dank für die Erklärung. Sie leuchtet mir ein. Dies bedeutet aber, dass die Restverrechnung und damit die Sitzverteilung der Länder von der Wahlbeteiligung abhängt. Dies erklärte auch definitiv der erste Redner in der Debatte, Krings. Dies hatte ich so im Gesetzentwurf nicht gelesen und dies hat ja auch Volker Beck (Grüne) zitiert und moniert. Aber wenn ich die Debatte im Thread richtig verfolgt habe, dann ist ja diese Sitzberechnung nach Wahlbeteiligung anstelle der Wahlberechtigten auch eine (weitere) Quelle für negatives Stimmgewicht, eben weil jetzt auch die Stimmen der Parteien, die unterhalb der Sperrklausel verblieben sind, relevant werden und dies von der Wahlbeteiligung abhängt. Sehe ich dies richtig?
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:54 Uhr:   

Anbei Rede Krings: http://www.bundestag.de/Mediathek/index.jsp?legislativePeriod=17&conference=117&agendaItemNumber=11&speechNumber=2&action=search&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&mask=search&destination=search&contentArea=commom&isLinkCallPlenar=1
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Juni 2011 - 23:56 Uhr:   

http://www.bundestag.de/Mediathek/index.jsp?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&ids=1207964&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&destination=search&mask=search
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. Juli 2011 - 00:16 Uhr:   

@Holger81:

Bei Verteilung von 598 Sitzen nach Wählern wären leer ausgegangen:

2009: -
2005: Grn SL; FDP HB; Lnk HB
2002: FDP HB, SL
1998: Grn MV, SL; FDP MV, HB, SL; Lnk SH, HH, HB, RP, SL
1994: FDP MV, HB, BB, SL; Lnk SH, HH, HB, HE, RP, BY, SL
1990: Grn HB, SL (als Gesamtpartei mit heutiger Sperrklausel gerechnet)

Zur Zeit, wo kleine Parteien noch klein waren, war das schon ein Thema. Und die FDP rechnet ja offenbar damit, dauerhaft wieder so klein zu sein. Wobei der kumulierte Verlust selbst 1994 bei der PDS nur 1,9 Sitzansprüche betragen hätte (bei der FDP 1,7).

In Bremen hat die FDP wenig Chancen. Erstmal ist schon der 5. Sitz für Bremen unsicher, und wenn 5 Sitze zu verteilen sind, muss die FDP praktisch mindestens ein Drittel der SPD haben oder stärker als die Linke bei schwacher CDU und Grünen sein, um einen Sitz zu bekommen.

@Bernhard Nowak:

Ich glaub nicht, dass der Entwurf so wie er ist verabschiedet wird. Dafür ist er einfach zu schlecht, und es soll ja zumindest eine Anhörung geben. Dass sie insbesondere mit dem Absatz 2a allein von der kaum interpretierbaren Formulierung her ein Risiko haben, sollte ihnen spätestens dann bewusst sein. Inhaltlich ist auch unsicher, ob der 2a so überlebt, auch wenn es beim Grundprinzip bleibt. Was anzunehmen ist, wenn ihnen niemand die besseren Möglichkeiten, Überhang zu erhalten (vorbehaltlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu), intensiv genug nahelegt (könnte allerdings sein, dass die FDP trotzdem auf einen Kleinparteienbonus besteht).

Die "Reststimmenverwertung" hängt nicht von der Wahlbeteiligung ab; die Zusatzsitze bekommen praktisch die Länder mit hoher Quote (also wenig ungültigen und unberücksichtigten Stimmen oder Rundungspech bei kleinen Ländern). Von der Wahlbeteiligung hängt die Sitzverteilung durch die Oberverteilung nach Wählern ab.

@Wilko Zicht:

Das Bundesverfassungsgericht wird es zwar wohl nicht beanstanden, aber die Verteilung nach Wähler halt ich schon für problematisch. Wenn man die Wahlgebiete trennt, dann halt ich auch eine entsprechend gleichmäßige Repräsentation der jeweiligen Volksteile, wozu ja nicht nur Wahlberechtigte oder gar nur Wähler gehören, für notwendig.

Wenn man dagegen eine richtige Verhältniswahl hat, können Aspekte der Wahlgleichheit (wozu auch die Vermeidung von Überhang gehört) vorrangig sein. Dabei kann man diskutieren, ob die Wahlberechtigten möglichst gleiche Chancen auf einen Sitz haben sollten oder nur die Wähler.

Bei ungültigen Stimmen ist es ziemlich unproblematisch, sie auf die Wähler umzuschlagen, weil man dabei keine Absicht unterstellen muss, aber bei entwerteten Stimmen hab ich schon Bedenken, sie einfach in eine pauschale Unterstützung der teilnehmenden Landeslisten umzumünzen, was ja für den Wähler vorher auch nicht unbedingt ersichtlich ist. Wenn man diesen Wählern ihre Stimme schon wegnimmt, dann sollte man dabei auch konsequent sein.

Den Gesetzentwurf der Koalition betracht ich jedenfalls nicht als Verhältniswahl, auch wenn das die Vergabe der Zusatzsitze angeblich bezwecken will. In erster Linie sind das immer noch getrennte Wahlgebiete.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. Juli 2011 - 00:47 Uhr:   

Bernhard Nowak schrieb dann ist ja diese Sitzberechnung nach Wahlbeteiligung anstelle der Wahlberechtigten auch eine (weitere) Quelle für negatives Stimmgewicht, eben weil jetzt auch die Stimmen der Parteien, die unterhalb der Sperrklausel verblieben sind, relevant werden und dies von der Wahlbeteiligung abhängt. Sehe ich dies richtig?
Ja, allerdings hängt es nicht nur mit den Wählern von Sperrklausel-Parteien zusammen. Generell können zusätzliche Stimmen* für eine Partei X im Bundesland A einen Sitz in dieses Bundesland A holen - ohne, dass dieser Sitz an die Partei X geht. Dafür verliert ein anderes Bundesland B einen Sitz. Wenn dieser verlorene Sitz in Bundesland B zufällig der Partei X zugewiesen war, verliert die Partei X dadurch insgesamt einen Sitz.
Diese Form des negativen Stimmgewichtes ist aufgrund des verschwurbelten Systems etwas schwerer zu erkennen als das bisherige negative Stimmgewicht. Es ist aber wahrscheinlicher, dass es auftritt, insbesondere tritt es - im Gegensatz zum bisherigen negativen Stimmgewicht - auch vollkommen unabhängig von Überhangmandaten auf. Oder um es mit anderen Worten zu sagen "„Insgesamt wird das Auftreten des negativen Stimmgewichts unberechenbarer und undurchsichtiger. Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP führt letztlich zu einer Verschleierung des Problems, jedoch nicht zu seiner Lösung“, sagt Wilko Zicht, Wahlrechtsexperte des Netzwerks Wahlrecht.de."[1]

Die einzige - wie Wilko Zicht richtig schreibt sehr phantasievolle und raffinierte - Begründung, warum hier kein negatives Stimmgewicht vorliege, ist einzig darin zu erkennen, dass die Koalition davon ausgeht, dass "zusätzliche Stimmen für eine Partei" von Personen, die sonst Nicht-Wähler wären, eine vollkommen unrealistische Sache wären, weil das BVG in seinem Urteil zur Beschreibung des negativen Stimmgewichtes als "zusätzliche Stimmen für eine Partei" womöglich Wähler gemeint haben könnte, die sonst andere Parteien gewählt hätten. Die Begründung der Koalition ist natürlich fadenscheinig - wollen wir mal hoffen, dass das BVG sich nicht täuschen lässt.

*zusätzliche Stimmen bedeutet hier, dass sie sonst nicht wählen würden.

[1] http://www.mehr-demokratie.de/6033.html?&tx_ttnews[tt_news]=9460
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. Juli 2011 - 01:31 Uhr:   

@Arno Nymus:

Dass die Abrundung auf 0 einen systematischen Nachteil darstellt, kann man so nicht sagen (zumindest im Vergleich zur ganz normalen Rundungsunschärfe). 1994 und 1998 hätte die FDP von dem System (ohne Zusatzsitze und ohne Überhang gerechnet) insgesamt noch profitiert. 1998 hätte die PDS trotz 5 Ländern ohne Sitz stark profitiert; die beiden einzigen Gewinner wären gerade die am stärksten betroffenen Parteien gewesen.

Abweichungen vom bundesweiten Idealanspruch (mit 598 Sitzen abzüglich der als konstant unterstellten PDS-Sitze 2002 und 1990):
       CDU    SPD    Grn    FDP    Lnk    CSU 
2009 -1.52 -1.56 +0.88 +1.34 -0.64 +1.48
2005 -0.92 +1.83 +0.48 -2.18 +0.79 +0.00
2002 +0.76 +1.05 +1.10 -0.27 . -2.64
1998 -0.46 -0.05 -0.54 +0.30 +1.59 -0.84
1994 -0.90 +0.26 +2.90 +0.09 -3.21 +0.86
1990 +3.25 -2.97 -1.31 +0.48 . +0.54

Man beachte, dass die CSU 1990 (bei unterstelltem neuen Wahlrecht und einheitlichen Grünen) immer noch im Plus ist, obwohl sie im Osten nicht antritt, wo die PDS-Stimmen zu holen sind.

Es ist halt ein Problem für die betroffenen Landeslisten, aber das ist nicht neu. Die kleinen Länder sind halt für landesorientierte Wahlsysteme zu klein.

Das IRV-Beispiel ist übrigens genauso falsch wie das in der Wikipedia. Für Beispiele, die das Monotoniekriterium tatsächlich verletzen, braucht man schon tendenziell abartigeres Wählerverhalten (wobei es hier auch entsprechend der Beschreibung funktioniert). Bei Beispielen wie oben können auch Verfahren versagen, die das Monotoniekriterium erfüllen.

[Daten 1990 korrigiert]

(Beitrag nachträglich am 01., Juli. 2011 von rli editiert)
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. Juli 2011 - 02:17 Uhr:   

Bzgl. "systematische Benachteiligung": Die Formulierung ist tatsächlich nicht ideal. Gemeint war damit natürlich der Effekt, dass sich gerade bei kleinen Landesverbänden ein Rundungseffekt besonders stark ins Gewicht fällt. Für einen Landesverband mit sonst 0 Sitzen ist es essentiell, ob man den Sitz knapp erreicht oder knapp verfehlt, während die gleiche Frage für einen weiteren Sitz bei einem Landesverband mit 10 oder gar 37 Sitzen vergleichsweise weniger interessant ist.
Zwar ist der Effekt in positive und negative Richtung gleich hoch, aber ein kleiner Landesverband, der den Sitz knapp nicht bekommt, ist 4 Jahre lang gar nicht vertreten und kann daher durch die Rundungsprobleme keine kontinuierliche Arbeit leisten, während es bei einem Landesverband mit 36-37 Sitzen für die kontinuierliche Arbeit weniger wichtig ist, dass der 37. Sitz vorhanden ist. Ob dieser Effekt eine ungerechnete Benachteiligung ist oder eine gerechtfertigte, sei dahingestellt. Es dürfte aber sehr klar sein, wie eine kleine Partei wie die FDP diese Frage beantworten würde.
Angesichts der Tatsache, dass in dem Entwurf der Koalition jede Wählerstimme positiv für das Bundesland wirkt, Wählerstimmen für Landesverbände, die schließlich keinen Sitz erhalten, aber (ohne Reststimmengezerre) keine positive Wirkung für die Partei haben, habe ich es dann also in dieser Hinsicht als "systematische Benachteiligung" bezeichnet.

Bzgl. IRV liegen Sie falsch:
Bobo fragte nach einem Beispiel, das "Gewinnt Kandidat A, so gewinnt er
natürlich erst recht, wenn sich das Stimmergebnis weiter /zu seinen/
/Gunsten/ verändert."
verletzt. Dazu habe ich ein korrektes Beispiel geliefert.
Ob es sich um ein Monotonie-verletzendes Beispiel handelt, ist eine andere Frage. Aber Sie können gerne unabhängig von der Tatsache, dass mein Beispiel genau das ist, was erfragt war, trotzdem genauer darlegen, wieso Sie der Meinung sind, dass bei diesem keine Monotonie-Verletzung vorliege.
Wenn es für Sie leichter zu ersehen ist, ändere ich für Sie die Stimmabgabe der 2% Wechselwilligen in der 2. Legislatur auf ACB, das ändert am Ergebnis logischerweise absolut überhaupt nichts, da die Zweit- und Drittpräferenz aller A-Wähler im gesamten Beispiel niemals zum Zuge kommt und daher vollkommen irrelevant ist. Hiermit verletzt das Beispiel zusätzlich die Monotonie.

Für größt-mögliche Transparenz und zur Vermeidung von Missverständnissen: Die Definition des Monotonie-Kriteriums:
http://en.wikipedia.org/wiki/Monotonicity_criterion

(Beitrag nachträglich am 01., Juli. 2011 von Arno Nymus editiert)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. Juli 2011 - 04:24 Uhr:   

Der Effekt ist aber für die FDP überhaupt nicht neu. Dass sie in Bremen keinen Sitz bekommt, war auch in der Vergangenheit der Normalfall. Neu ist er nur für die Wähler, die bisher halt anderswo potenziell einen Sitz ermöglichen. Bloß sind die FDP-Wähler im Schnitt nicht die blödesten und wählen dann halt z.B. CDU, was zwar der FDP wahltechnisch nicht schadet und der CDU was bringt (ok, momentan in Bremen wohl auch nicht), aber Auswirkungen auf die Parteikasse hat (und die Sperrklausel).

Eine positive Wirkung hat in aller Regel überhaupt keine Wählerstimme, wenn man analog argumentiert. Man wählt generell nur deshalb, um die minimale Chance zu nutzen, dass gerade 1 Stimme fehlt, wenn man rational handelt und nicht wegen dem Eventcharakter hingeht. Bloß ist die Chance noch geringer, wenn man die FDP in Bremen bei 0,3 Sitzen vermutet. Das ist übrigens generell ein Argument, große Parteien zu wählen (und beim Koalitionsentwurf nach NRW zu ziehn), wo die Bandbreite der Unschärfe viel größer ist. Der Erfolgswert ist nur ein abstraktes Konstrukt eines Gerechtigkeitsdenkens, das für den wirtschaftlich handelnden individuellen Wähler bedeutungslos ist und erst für eine größere Community an Bedeutung gewinnt.

Die sinnvollste Lösung ist jedenfalls, die Landeslisten zu vergrößern. Nach dem ersten vom Parlamentarischen Rat beschlossenen Wahlsystem hätte Bremen zusammen mit Hamburg (und ursprünglich Schleswig-Holstein) gemeinsame Listen gehabt; selbst Hessen und Rheinland-Pfalz wären zur Wahl noch zusammengelegt worden.

Der Koalitionsentwurf löst das Problem eh nicht wirklich. Landeslisten, bei denen es für einen eigenen Sitz nicht reicht, werden in der Regel auch keinen Zusatzsitz bekommen. Die gehn eher an Länder, die schon einen Sitz haben. Wenn man stattdessen einfach die Rundungsgrenze auf 0,4 oder so absenken würde, hätte man bei der Verteilung auf die Parteien wohl einen ähnlichen Effekt zugunsten der kleinen Parteien, und die Sitze würden eher an die kleinen Listen gehn.

Zum IRV-Beispiel:

Oben steht: "Es hat sich von der ersten zur zweiten Wahl ausschließlich geändert, dass A weitere Wähler von sich überzeugt hat." Das hat eben nicht gestimmt. Genauso könnte man es ja als "Monotonieverletzung" bezeichnen, wenn eine Partei Stimmenanteile gewinnt und Sitzanteile verliert. Dass das passieren kann, ist aber eine völlig unvermeidliche Selbstverständlichkeit. Tatsächlich erfüllen gängige Verfahren schon nicht die einfachere Bedingung, dass A keinen Sitz von B bekommen sollte, wenn A Stimmen an B verliert. Und das fällt noch nichtmal unter negatives Stimmengewicht.

Trotzdem haben solche Verfahren u.U. ihre Berechtigung. Hare/Niemeyer ist z.B. eigentlich das eindeutig vorzugswürdige Verfahren, wenn es nicht auf die Gleichbehandlung der Wähler, sondern der Parteien ankommt, wie es etwa bei Ausschussbesetzungen der Fall ist. Da muss man halt jeweils schaun, welche Eigenschaften schlimmer sind. Gerade bei Einzelwahlen gibts nur schlechte und ganz üble Verfahren, und IRV gehört immerhin nur zu den schlechten.

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