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Archiv bis 29. Juni 2011

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Reform des Bundeswahlgesetzes » Archiv bis 29. Juni 2011 « Zurück Weiter »

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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 12:21 Uhr:   

Man kann der Koalition ein gehöriges Maß an Fantasie und Raffinesse nicht absprechen. Sie bringen so viel Unschärfe in die Sitzverteilung, dass auch das Auftreten des negatives Stimmgewichts verschwimmt. Man kann zwar noch nachweisen, dass es auftritt, muss aber meist dazusagen, in welchen Wahlkreisen der entsprechende Stimmenzuwachs oder -verlust auftreten müsste.

Lustig finde ich, dass sie den Effekt beim bisherigen Wahlrecht, den sie sonst immer kleingeredet haben, nun plötzlich als ganz garvierend darstellen. Das müssen sie machen, um das angebliche Ausmaß der Milderung des Effekts verdeutlichen zu können. Sehr geschickt gemacht. Ich fürchte, sie könnten in Karlsruhe damit durchkommen.

Wenn das BVerfG seine Äußerungen zur Normenklarheit ernst meinte, müsste es aber alleine schon deswegen den neuen § 6, mindestens seinen Absatz 2a verwerfen. Der Absatz 2a wird nur anwendbar, wenn man zusätzliche Infos aus der Gesetzbegründung mit hineinliest. Effektiv läuft der Absatz übrigens auf eine Erhöhung der Regelgröße des Bundestags hinaus. Denn auch ganz ohne Überhangmandate würde es nun immer knapp zehn Zusatzmandate geben, die die Rundungsunschärfen der 16-fachen Sitzverteilung in den Ländern mehr schlecht als recht kompensieren.

Der Gesetzesbegründung merkt man an, dass sie im BMI geschrieben wurde (und nicht von Krings/Ruppert) und dass der Absatz 2a erst nachträglich in den Entwurf gekommen ist. Die Darstellung der Alternative "Kompensationsmodell" ist einigermaßen fair, auch wenn ich die Bewertung nicht teile. Die Ausführungen zur Alternative "Ausgleichsmandate" finde ich dagegen unsäglich und abwegig.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 12:48 Uhr:   

@Nikolaus Krause: Dem Gesetzentwurf nach werden (soweit er interpretierbar ist) alle negativen Abweichungen zu den landesinternen Idealansprüchen berücksichtigt (insbesondere auch solche, wo der bundesbezogene Idealanspruch weit überschritten ist). Allerdings ist das nicht kompatibel mit der Aussage, dass es um höchstens 5 Sitze geht. Tatsächlich sind 2 pro Partei zu erwarten (unabhängig von deren Größe, also eine Verzerrung zugunsten der kleinen Parteien), wobei sie bei überhängenden Parteien aber im Gegenzug den bisherigen Überhang vermindern können (aber nicht müssen).

Die Begründung zur Ausgleichslösung ist im Wesentlichen schon korrekt, wenngleich nicht vollständig. Bloß sollte man sich nicht so weit aus dem Fenster hängen, wenn man selber am negativen Stimmengewicht im Saldo nichts ändert.
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Nobster
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 13:18 Uhr:   

So theoretisch, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs dargestellt, ist doch auch das taktische Wählen bei einer Nachwahl nicht: Man muss sich nur folgendes vorstellen:

Die Nachwahl findet in einem sächsichen Wahlkreis statt, die CDU hat in Sachsen Überhangmandate, aber praktisch keine Aussicht auf ein Direktmandat,
ein zuviel an abgegebenen Stimmen lassen ein Mandat nach Sachsen kippen und dieses Mandat geht der CDU in NRW verloren.

Gehen die Autoren dann davon aus, das der durchschnittliche sächsische CDU-Wähler lieber einen Leipziger Linken, als einen Düsseldorfer CDU-Vertreter haben will?
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 13:51 Uhr:   

Wenn die negativen Abweichungen berücksichtigt werden, wird es wohl kaum zu Bonus-Mandaten kommen. Ich weiß auch nicht, wo du die Berücksichtigung der negativen Abweichungen herausliest, Ratinger.
Für mich stellt es sich so dar: Alle positiven Abweichungen der Landeslisten einer Partei werden zusammengezählt und dann durch die Zahl ebendieser Landeslisten geteilt. Und da kommt ebenfalls selten eine Zahl über 0,5 (und damit auch kein Bonusmandat) raus.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 14:39 Uhr:   

Die Abweichungen der Zweitstimmen von der Quote mal den Sitzen müssen positiv sein, also die Abweichungen der Sitze von den Idealansprüchen negativ.

Geteilt wird durch die bundesweite Harequote (steht nicht im Gesetzentwurf, aber in der Begründung). Wenn man zur groben Schätzung von gleichmäßigem Wahlverhalten in den Ländern ausgeht, wird es pro Partei in ungefähr 8 Ländern angebliche Reststimmen geben, in einer Höhe von durchschnittlich mindestens 1/4 Quote (eher mehr, weil auch deutlich mehr als 1/2 abgerundet werden kann). Macht dann gut 2 Sitze. Die CSU wird davon allerdings selten profitieren, weil Sitze in Bayern erfahrungsgemäß deutlich billiger sind als bundesweit (was das Verfahren aber insgesamt für die CSU vorteilhaft macht; die ÖDP-Wähler u.Ä. setzen sich praktisch vorallem in Sitze für die CSU um).
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 16:23 Uhr:   

Ich denke, die ganze Angelegenheit wird wieder in Karlsruhe landen, unabhängig davon, ob der jetzige Gesetzentwurf einer erneuten Verfassungsklage in Karlsruhe standhält oder nicht, was ich nicht beurteilen kann. Denn was wird die Folge sein: SPD und Grüne werden sich bei Wahlkreiskandidaturen zukünftig absprechen, es wird also voraussichtlich mehr Überhangmandate geben, als es sie bisher gab und zwar m.E. weit mehr als die vom Bundesverfassungsgericht in seinem - merkwürdigen - Überhangmandatsurteil von 1997 tolerierten 5%. Außerdem wird sich dann erweisen, dass Überhangmandate aufgrund der strukturellen Veränderung im Parteiensystem (kleinere "Großparteien", stärkere und mehr "Kleinparteien", niedrigere Wahlbeteiligung der Wähler usw. usw.) eben nicht nur in geringem Maße, sondern dauerhaft anfallen und durch die genannten Punkte "strukturell bedingt" sind. Und da bin ich dann sehr gespannt, wie Karlsruhe auf neu eingereichte Klagen gegen Überhangmandate reagieren wird.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 16:25 Uhr:   

Sehe ich das richtig, dass dieser Entwurf bis auf die abstruse "Reststimmenverwertung" identisch mit dem vor einigen Monaten diskutierten (http://www.wahlrecht.de/news/2011/11.htm) ist? Im Gegensatz zu diesem baut er aber nicht nur das negative Stimmgewicht aus, sondern vergrößert den Bundestag ganz ohne Überhangmandate und bevorzugt kleinere Parteien überproportional (da jede (Bundes-)Partei unabhängig von ihrer Größe durchschnittlich 2 Zusatzmandate im Vergleich zur regulären St.Lague-Verteilung bekommt).
Traurig, traurig...

@Nikolaus Krause:
>Es geht also nicht nur um das erste Mandat für die FDP im Saarland, sondern vlt. auch um das 40. Mandat für die CDU in NRW?
Ja, anscheinend.
>Und warum würden in diesem Fall nur die positiven Anweichungen vom Durchschnitt zusammengezählt, die negativen aber nicht berücksichtigt?
Sehr gute Frage. Wahrscheinlich aus rein parteipolitischen Gründen, damit die FDP einen "Ausgleich" für die weiterhin bestehenden Überhangmandate der Union bekommt.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 18:04 Uhr:   

@Wilko
"Der Absatz 2a wird nur anwendbar, wenn man zusätzliche Infos aus der Gesetzbegründung mit hineinliest."
Selbst dann besteht keine vollständige Klarheit.

"Denn auch ganz ohne Überhangmandate würde es nun immer knapp zehn Zusatzmandate geben, die die Rundungsunschärfen der 16-fachen Sitzverteilung in den Ländern mehr schlecht als recht kompensieren."
So verstehe ich das auch. Im Ergebnis bekommt jede Partei mit Ausnahme der CSU ca. 2 Extrasitze. Damit werden kleine Parteien systematisch bevorzugt. Das ist natürlich ein Verstoß gegen die Wahlgleichheit. Außerdem kann eine Partei, die in jedem Bundesland genau den vollen Zuteilungsdivisor oder ein Vielfaches von ihm hat, 5 Sitze weniger haben als eine andere Partei mit genau gleicher Stimmenzahl und genau gleicher Sitzzahl vor Anwendung von Abs. 2a. Abs. 2a dient nicht der Herstellung einer proportional(er)en Sitzverteilung, sondern durchbricht willkürlich die Verhältniswahl und entsprechend verstößt der Absatz auch gegen das Willkürverbot.

Die verschwurbelte Begründung ist in der Tat nicht ungeschickt, aber eben gerade in den entscheidenden Punkten falsch und das wohl nicht aus Unwissen. Auf Seite 12 unten wird behauptet, durch die Sitzkontingente würde das negative Stimmgewicht abgeschafft. Das ist eindeutig falsch. Wenn dann dies aufgedeckt ist, hat man als nächste Verteidigungslinie die Behauptung, das negative Stimmgewicht werde unwahrscheinlicher, was ebenfalls falsch ist. Zwar wird negatives Stimmgewicht als Folge von Überhangmandaten tatsächlich unwahrscheinlicher, aber negatives Stimmgewicht als Folge einer Änderung der Sitzverteilung auf die Länder wird neu eingeführt und diese Variante ist schlimmer, denn hier verliert eine Partei nicht nur einen Sitz ohne dass eine andere einen gewinnt (so war es bisher), sondern in diesem Fall gewinnt eine andere Partei den Sitz. Per Saldo wird das Problem eindeutig verschlimmert.

(Beitrag nachträglich am 29., Juni. 2011 von frings editiert)
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nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 18:48 Uhr:   

@Bernhard Nowak: Ich teile Ihre Unterstellung, SPD und Grüne würden sich bei Direktkandidaten absprechen, nicht. Da gönnt keiner dem anderen Erfolg...
Sie kennen sicher noch die Konstellation in Stuttgart I 2009. Ute Vogt wollte unbedingt im Özdemir-Wahlkreis antreten und so gewann der CDU-Kandidat relativ knapp. Experten hatten die damalige SPD-Landeschefin davor gewarnt und jeder konnte vorhersehen, dass man damit der CDU quasi ein Überhangmandat schenkt.
Auch in Berlin wird es keine Absprachen geben, zumal dort ja ein Kampf auf der Landesebene um die Pool-Position ausgebrochen ist, der mit der LTW 2011 noch nicht entschieden ist, eher werden sich weitere Wunden auftun, wenn es knapp zugunsten einer Seite ausgeht. In NRW werden Grüne nicht unbedingt die Kohlenfreunde aus dem Pott der SPD wählen und in SH oder dem Saarland haben sich SPD und Grüne nun wirklich sehr wenig zu sagen, in Hamburg ärgern sich Grüne ob der misslungenen Januarwahl. Mag ja so gewesen sein, bei Schröder/Fischer wurde von Grünen-Anhänger mit der Erststimme SPD-Kandidaten gewählt, aber nun, wenn Grün ca. 80% der SPD-Stimmen erhält, gelten andere Regeln.
Im Übrigen sagt niemand sicher voraus, dass die Union nicht doch von FDP-Anhängern Erststimmen in großer Zahl erhält. Wer kann vorhersehen, ob nicht doch wieder bürgerliche Wähler zur FDP zurückkehren könnten, was die Zweitstimme angeht, in Baden-Württemberg etwa oder in Sachsen. Noch kann viel passieren und zwar in jede Richtung.
Und dann noch etwas: wenn Sie doch recht behielten, niemand kann der Opposition vorwerfen, dass Beste für sich aus dem Gesetz zu machen, das ja nicht das eigene ist. Erst wird eh Karlsruhe prüfen, ob "getrickst" werden darf, das dürfen Sie (bei aller Antipathie Ihrerseits den beiden Parteien gegenüber) schon von der Opposition erwarten.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 19:24 Uhr:   

ad Absatz 2a:

Thomas Frings schrieb Die "Reststimmenverwertung" (§ 6 Abs. 2a neu) ist nicht eindeutig definiert(ebenso die neu gefasst, aber praktisch irrelevante Mehrheitsklausel), da mehr als ein Zuteilungsdivisor möglich ist, außerdem ist die "positive Abweichung" als solche nicht klar definiert.
Der Verweis auf Absatz 2 Satz 6 bedeutet offensichtlich, dass die Hare-Quote herangenommen werden soll, welche in Absatz 2 Satz 6 als Ausgangspunkt für den Zuteilungsdivisor beschrieben wird.

Und das dann gleich für ALLE (17) Zuteilungen.

Das ist die Bedingung für zusätzliche Sitze, welche Absatz 2a beschreibt:
Seien
- s_i die Stimmzahl einer Partei im Bundesland i,
- m_i die Anzahl der erreichten Mandate der selben Partei im Bundesland i,
- z_i die Hare-Quote in diesem Bundesland sowie
- z die Hare-Quote bei der Oberverteilung der Sitze auf die Länder.
Dann kommt es zu einer Zuteilung weiterer Sitze, wenn der Quotient

sum_{i=1}^{16} max{0, s_i - m_i * z_i}
-----------------------------------------------------------------
z

größer ist als 0,5

(hierbei bezeichnet max die Maximumsfunktion und sum_{i=1}^{16} die Summe von 1 bis 16 des darauffolgenden Ausdruckes)

Die Formulierung des Absatzes 2a ist aber sicherlich nicht der Verständlichkeit dienlich.

Insbesondere kann das auch bedeuten, dass eine Partei allein durch die Reststimmen in einem Bundesland einen Zusatzsitz bekommt, selbst wenn die Hare-Quote des Bundeslandes nicht höher ist als jene des Bundes.
Hierfür muss neben dem knapp verfehlten Sitz lediglich der Zuteilungsdivisor in dem entsprechenden Bundesland höher sein als die Hare-Quote - was in der Hälfte der Fälle vorkommt.

In der Erläuterung zu Absatz 2a) steht interessanterweise, für den Fall, dass obiger Wert genau 0,5 ist, etwas anderes als in Absatz 2a). In Absatz 2a) steht, dass nur weitere Sitze zugewiesen werden, wenn der Wert größer als 0,5 ist. In der Erläuterung steht stattdessen, dass bereits bei 0,5 das Vorgehen von Absatz 2, Sätze (3),(4) stattfände...

Ich stimme Ihnen auch zu, dass die Formulierung der Mehrheitsklausel fragwürdig ist. Sie führt bei Anwendung grundsätzlich dazu, dass der Bundestag eine gerade Sitzzahl hat.

@Nikolaus Krause und Ratinger Linke: Ich sehe es auch so, dass die negativen Differenzen NICHT berücksichtigt werden (sofern man die Stimmzahl wie im Gesetz als Minuend und nicht als Subtrahent der Differenz ansieht).
Es erfolgt aber keine Begründung dafür im Gesetz. Aus den Äußerungen der Beteiligten wissen wir ja, dass dieser Teil des Gesetzes vorhanden ist, um die systematische Benachteiligung von Kleinparteien bei der Trennung von Wahlgebieten zu vermeiden. Diese systematische Benachteiligung wird durch diese Art der Reststimmenverwertung überausgeglichen.

ad Berliner Zweitstimmen
Es ist sehr beachtlich, wie über mehr als eine Seite lang der "doppelte Erfolgswert" der Berliner Zweitstimmen als inakzeptabel beschrieben wird, dabei aber kein Wort über Überhangmandate verloren wird (insbesondere bei Formulierungen wie "Ist eine Anrechnung von Wahlkreismandaten auf Listenmandate nicht möglich[...]").

Bobo schrieb Nun, was ist der sog. "Wählerwille"?
Soweit es um Wahlverfahren geht, ist der (modellierte) Wählerwille - wie Sie richtig schreiben - die Information, die der bzw. die Wähler mit der Stimmabgabe tätigt/tätigen.
Ein adäquates Berechnungsverfahren hat dann bestimmte Mindest-Voraussetzungen zu erfüllen. Beispielsweise muss ein Berechnungsverfahren erfüllen, dass ein Kandidat A bei einem besseren Stimmergebnis (d.h. wenn sich einige Stimmen zugunsten des Kandidaten A ändern und sich sonst nichts ändert), das Wahlergebnis des Kandidaten A nicht schlechter wird. Insbesondere muss ein Wahlsystem also nicht nur zu jedem Stimmergebnis ein eindeutiges Wahlergebnis liefern, sondern auch dafür sorgen, dass Veränderungen des Stimmergebnisses in konsistente Veränderungen des Wahlergebnisses überführt werden müssen. Sind diese Mindest-Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich nicht um ein Wahlsystem, sondern um ein Lotteriesystem.

Das aktuelle Bundestagswahlrecht erfüllt diese Mindestvoraussetzung nicht, deswegen muss es korrigiert werden.
IRV erfüllt diese Voraussetzung ebenfalls nicht und ist daher ebenfalls mangelhaft.

(Beitrag nachträglich am 29., Juni. 2011 von Arno Nymus editiert)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 19:54 Uhr:   

"In der Tat fordert der Absatz auf, ALLE Zuweisungsdivisoren zu berücksichtigen."
Es kann für dasselbe Bundesland viele mögliche Zuteilungsdivisoren geben, wenn die Hare-Quote nicht möglich ist.

"Zuteilungsdivisor bei der Oberverteilung der Sitze auf die Länder"
Das der zu nehmen ist, geht aus dem Gesetzestext nicht hervor. Man kann den auch so verstehen, dass die Zweitstimmen der zu berücksichtigenden Parteien bundesweit durch die Zahl der zu vergebenden Sitze geteilt werden.

"Aus den Äußerungen der Beteiligten wissen wir ja, dass dieser Teil des Gesetzes vorhanden ist, um die systematische Benachteiligung von Kleinparteien bei der Trennung von Wahlgebieten zu vermeiden. Diese systematische Benachteiligung wird durch diese Art der Reststimmenverwertung überausgeglichen."
Das stimmt, nur gibt es die systematische Benachteiligung kleiner Parteien hier gar nicht. Die gäbe es allenfalls bei einer viel kleineren Größe des Bundestags.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 19:54 Uhr:   

Kurz und gut: Der genaue Sinn einer Formulierung im Gesetzestext erschließt sich erst aus der Begründung. Schon das ist lächerlich und beschämend!
Und dann wollen wir diese Überkompensation in der Reststimmenverwertung mal als das bezeichnen, was es ist: eine Lex FDP!
@Ratinger Linke: Deine Nachberechnungen vom Sonntag (z.B. "2009 hätte es überhaupt keine Bonus-Sitze gegeben"), stimmen dann nicht mehr.
Wenn nun von vornherein für jede Bundespartei praktisch 2 zusätzliche Sitze vorprogrammiert sind, warum verringert man dann die Zahl der regulären Sitze im Bundestag nicht gleich auf 588 (und die der WK auf 294)? Das wäre ein Akt der Aufrichtigkeit gegenüber dem Wahlvolk.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 19:58 Uhr:   

@Nowhereman:
Es hat nichts mit Antipathie gegenüber irgendwelchen Parteien zu tun, wenn ich voraussage, dass nicht nur der gegenwärtige Gesetzentwurf, wie heute durch die Opposition angekündigt, wieder in Karlsruhe landen wird, sondern auch die Thematik der Überhangmandate wohl verhandelt werden wird. Allerdings bleibe ich dabei: hätten SPD und Grüne ihre eigene Klage gegen die Überhangmandate ernst genommen, die die niedersächsische Landesregierung 1994 einreichte, hätten sie genügend Zeit gehabt, das Wahlrecht entsprechend zu ändern. Aber es ist ebenso, dass die potentiell stärkste politische Partei keinerlei Interesse an der Beseitigung von Überhangmandaten hat. Inwieweit der jetzige Gesetzentwurf Erfolgschancen in Karlsruhe hat oder erneut für verfassungswidrig erklärt werden wird, kann ich nicht beurteilen.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 20:00 Uhr:   

@Thomas Frings:
Ich hatte meinen Post bzgl. der Zuteilungsdivisoren bereits editiert, bevor Ihre Antwort kam (also offensichtlich als Sie sie gerade geschrieben haben), nachdem ich bemerkt hatte, dass ich mich in Absatz 2 bzgl. Sätze 6 und 7 verzählt hatte. Ich bitte das zu entschuldigen.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 20:04 Uhr:   

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann kündigt Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an, sollte der Gesetzentwurf der Regierungskoalition nicht korrigiert werden: http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1309362205680
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 20:19 Uhr:   

@Nikolaus Krause:

Ja, ich bin aufgrund der genannten Zahl von höchstens 5 Sitzen davon ausgegangen, dass nur Landeslisten ohne Sitz betroffen sein können. So werden es auch deutlich mehr sein. Wahrscheinlich haben sich die 5 Sitze auf eine einzelne Partei bezogen.

Für größere Änderungen bei den Wahlkreisen ist es schon zu spät (beim Tempo der Koalition jedenfalls). Außerdem sollte man gar nicht erst versuchen, zu ergründen, was im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf im Detail noch sinnvoll wär.
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Taugenichts
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 21:37 Uhr:   

Die SPD-Fraktion will den CSU-Mann und früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier mit der Erstellung eines Gutachtens zu den verfassungsrechtlichen Konsequenzen des Fristablaufs für die Wahlrechtsreform beauftragen:
http://www.tagesspiegel.de/politik/opposition-haelt-koalition-fehler-beim-wahlrecht-vor/4339184.html

Ein kluger Schachzug der SPD, wie ich finde. Papiers Argumente dürften auch bei Konservativen (z.B. konservativen Richtern des Bundesverfassungsgerichts) nicht unbeachtet bleiben.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 22:18 Uhr:   

Habe den Koalitionsvorschlag mal durchgerechnet, wobei ich als Zuteilungsdivisor immer entweder die Hare-Quote oder, falls nicht möglich, den am nächsten an der Hare-Quote liegenden möglichen Divisor genommen habe.

Die Sitzverteilung ohne Überhang und Verhältnisausgleich wäre bei der BTW 2009 gewesen:

CDU 172 (tatsächlich: 173)
CSU 43 (42)
SPD 145 (146)
FDP 94 (93)
Linke 75 (76)
Grüne 69 (70)

Die Mandate gemäß Abs. 2a hätten sich so verteilt:

"Summe der positiven Abweichungen", gerundet zur ganzen Zahl
CDU 146386
CSU 0
SPD 159787
FDP 76655
Linke 161429
Grüne 85087
Zusätzliche Sitze: CDU 2, CSU 0, SPD 2, FDP 1, Linke 2, Grüne 1

Auf die genau Berechnung der "im Wahlgebiet für einen der zu vergebenden Sitze erforderlichen Stimmenzahl" kommt es in diesem Fall nicht an.

Durch diese zusätzlichen Sitze fallen drei Überhangmandate weg (CDU in SH und Saarland, SPD in HB, in SH ist das aber relativ knapp), verbleiben 22 Überhangmandate und zwar 20 für die CDU und 2 für die CSU.

Macht als Sitzverteilung insgesamt:

CDU 194 (tatsächlich 194)
CSU 45 (45)
SPD 147 (146)
FDP 95 (93)
Linke 77 (76)
Grüne 70 (68)
TOTAL 628 (622)
Regierung 334 (332)
Opposition 294 (290)

(Beitrag nachträglich am 29., Juni. 2011 von frings editiert)
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Mitleser
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 22:18 Uhr:   

@Taugenichts
Ein kluger Schachzug der SPD, wie ich finde. Papiers Argumente dürften auch bei Konservativen (z.B. konservativen Richtern des Bundesverfassungsgerichts) nicht unbeachtet bleiben.

Was sollen denn die Folgen solch eines Gutachtens sein? Das ist nur ein Reiben in der Wunden der Koalition, mehr nicht. Die Richter in Karlsruhe dürften ohnehin verärgert sein.
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Edgar
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Juni 2011 - 23:09 Uhr:   

Die Reststimmenverwertung ist dann eine zusätzliche Quelle für negatives Stimmengewicht. Hätte die CDU in BW weniger Stimmen bekommen, dann wäre ein Restmandat womöglich in einem Bundesland angefallen, in dem die CDU kein Überhangmandat hat.

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