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Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Wahl des Bundespräsidenten in Deutschland » Volkswahl des Bundespräsidenten » Archiv bis 28. Januar 2004 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 31. Juli 2003 - 20:57 Uhr:   

Der FDP-Vorsitzende Westerwelle und ein CSU-Politiker haben die Volkswahl des Bundespräsidenten mal wieder ins Spiel gebracht. Früher war ich der Meinung, dass eine Volkswahl des Staatsoberhauptes nur sinnvoll sei, wenn seine Machtbefugnisse erweitert würden. Inzwischen denke ich, dass dies nicht mehr notwendig ist. Wenn man an das Hickhack denkt, welches alle 5 Jahre bei der bevorstehenden Wahl eines Bundespräsidenten dann auftaucht, wenn in der Bundesversammlung knappe Mehrheitsverhältnisse herrschten, hätte dieser Vorschlag meines Erachtens Vorzüge. Würden die Machtbefugnisse des Bundespräsidenten nicht erweitert, gäbe es auch keine gegenseitige "Blockade" durch Ko-Habitation, wie gegenwärtig zwischen Bundestag und Bundesrat. Allerdings sollte meines Erachtens bei einer Volkswahl, die ja für die anstehenden Wahlen 2004 nicht mehr relevant werden könnte, entweder das absolute Mehrheitswahlrecht oder das Condorcet-Verfahren gelten. Wie ist Eure Meinung dazu? Abgesehen fürchte ich, dass es zu einer Änderung des Wahlmodus des Bundespräsidenten nicht kommen wird, aber diskussionswürdig wäre so etwas in einem Wahlrechtsforum meines Erachtens schon.
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dieterhirsch
Veröffentlicht am Freitag, 01. August 2003 - 11:59 Uhr:   

Interessanter Vorschlag, finde ich auch.
Es könnte das Amt des Bu-Prä stärken. Er wäre dann ein Volks-Präsident und die Überparteilichkeit wäre leichter zu erreichen.
Auch Partei unabhängige Kandidaten/KandidatInnen wären vorstellbar.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 01. August 2003 - 15:37 Uhr:   

@Bernhard Nowak

Ich sehe nicht ein, warum gerade das Hickhack bei knappen Mehrheitsverhältnissen rechtfertigen soll, daß ein Amtsträger ohne Machtbefugnisse vom Volk gewählt werden soll.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 01. August 2003 - 16:41 Uhr:   

@Martin: Weil dann der Amtsträger vom Volk gewählt ist und nicht von den Parteien, die dann stärker im Vorfeld taktieren. Um von der Bevölkerung gewählt zu werden, müssen Kandidaten ins Rennen geschickt werden, die eher "Brücken bauen" und weniger stark polarisieren. Dies sehe ich als Vorteil an. Natürlich müsste man sich dann auch fragen, ob nicht auch das machtpolitisch wichtigste Amt, das des Bundeskanzlers, direkt zu wählen wäre. In unserer Mediendemokratie wird die Bundestagswahl ja häufig schon zu einer "Kanzlerwahl" umfunktioniert.

Ich sehe es so: das Argument der Väter des GG, die Volkswahl des Staatsoberhauptes abzulehnen, lag an den negativen Erfahrungen in der Weimarer Republik mit der Wahl von Hindenburg. Richtig. Aber das Problem dort war ja die enorme Machtstellung des damaligen Reichspräsidenten, der als "Ersatzkaiser" gewählt wurde. Gerade ein eher "machtloser" Politiker kann meines Erachtens vom Volk gewählt werden, da hier die Gefahren einer "vertanen Wahl" nicht so gross wären. Außerdem könnte dadurch meines Erachtens der zunehmenden Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 01. August 2003 - 16:55 Uhr:   

dieterhirsch:
> Er wäre dann ein Volks-Präsident

Eine Direktwahl macht noch keinen Volkspräsidenten. Wenn es keinen Menschen interessiert und die Wahlbeteiligung deshalb kümmerlich ist (ich würd sie jedenfalls deutlich unterhalb von 50% vermuten), hat man das Gegenteil erreicht. Wobei auch das nicht weiter schlimm wär.

Falls tatsächlich eine Mehrheit einen möglichst unabhängigen Bundespräsidenten als Identifikationsfigur wünscht, dann kann man drüber reden. Aber das hat sicher noch Zeit, bis es einmal über Volksbegehren und Volksentscheid geregelt werden kann. Vorher wär es nur ein Plazebo.
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dieterhirsch
Veröffentlicht am Sonntag, 03. August 2003 - 12:21 Uhr:   

@ c07
Stimmt Volksbegehren und -entscheid sind sicherlich relevanter.
Aber mit dem Präsidenten könnten immerhin ein Anfang geschaffen werden. Was die Wahlbeteiligung anbelangt, wäre sie leicht zu steigern, wenn sie mit anderen Abstimmungen oder Wahlen verbunden wäre.
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Stefan Müller
Veröffentlicht am Dienstag, 05. August 2003 - 00:15 Uhr:   

Ich finde, man sollte das Amt des Bundespräsidenten komplett abschaffen und die Befugnisse des Präsi auf die verbleibenden Staatsorgane aufteilen. Z.B. die Unterzeichnung von Gesetzen an den Verfassungsgerichtspräsi (da ist dann auch die richterliche Unabhängigkeit bei der rechtlichen Überprüfung gesichert), Repräsentationspflichten (Staatsbesuche) an den Bundeskanzler, formelles Staatsoberhaupt an die beiden Parlamentspräsis, etc.
Dann gäb es ein meiner Meinung nach überflüssiges Amt weniger.
Durch Rotation könnte man (wie ja beim Bundesratspräsi auch üblich) den Kanzler und den Bundestagspräsi häufiger auswechseln. Beim Bundestagspräsi z.B. Neuwahl wie im Europaparlament nach der halben Wahlperiode oder nach einem Jahr, beim Kanzler Rotation mit dem Vizekanzler alle 1 bis 2 Jahre.
Ich bin gegen diese langfristige Besetzung von Spitzenämtern. Das verleitet zur Korruption und zum Realitätsverlust. Deshalb sollte meiner Meinung nach (auch wenn ich es selbst als unwahrscheinlich einschätze, daß das irgendwann einmal passieren wird) eine grundlegende Reform der Bundesorgane geben. Vorbilder findet man punktuell in der Schweiz, im Europaparlament, in manchen europäischen Kleinstaaten etc.
Das wär für mich eine sinnvolle Reform und nicht Direktwahl des Präsis mit 7-jähriger Wahlperiode, wie aus Reihen der rechtskonservativen Parteien immer mal wieder verlautbart wird.
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dieterhirsch
Veröffentlicht am Dienstag, 05. August 2003 - 23:07 Uhr:   

@stefan
Ich sehe keine Korruptionsgefahr beim Bundespräsidenten.
Warum soll das Amt überflüssig sein?
Kanzler und Außerminister repräsentieren auch jetzt schon, allerdings verhandeln sie auch. Der Bundespräsident repräsentiert auf eine "softere" Art und Weise. Er kann leichter Zeichen setzen, Schirmherrschaften übernehmen und sonstiges.
Außerdem ist er etwas weiter distanziert vom üblichen Politikmechanismus und hat durch sein Amt die Möglichkeit, etwas Ruhe in den oft überhitzten Politik-Alltag zu bringen.
Nicht wenige der Bundespräsidenten haben ihre Chance gut genutzt.
Realitätsverlust ist immer möglich und das Rotationsprinzip wehrt diesen auch nicht unbedingt ab.
Die Idee der Rotation finde ich nicht uninteressant.
Man sollte vielleicht damit anfangen, dass man die Wahl von Ministerpräsidenten, Kanzlern auf zwei Wahlperioden begrenzt.
Beim Bundespräsidenten ist das ja schon so.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. August 2003 - 15:48 Uhr:   

Im Prinzip bin ich ja sehr für mehr Personen- bzw. Direktwahlen und Volksentscheide.
Aber bei der langen Liste der Maßnahmen, die in Deutschland zur Stärkung der direkten Demokratie nötig wären, steht die BuPrä-Wahl fast an letzter Stelle. Das kann man wirklich machen, wenn die alle wichtigen Fragen geklärt sind. Derzeit halte ich das für ein reines Sommerlochthema, mit dem von den aktuell schwierigen Fragen nur abgelenkt wird.

Und selbst dann wäre die Frage, was die Volkswahl bringen würde außer einem Wahlkampf, der mangels politischen Gehalts (gibt ja inhaltlich nichts zu diskutieren) leicht in eine persönliche Schlammschlacht ausarten kann.
Wie soll einer, der da beteiligt war, hinterher den parteiübergreifenden Integrierer spielen können?
Die derzeitige Wahl ist auch nicht ohne Intrigen und Kungeleien. Aber die Kandidaten bleiben doch relativ unbeschädigt.

Da könnte man tatsächlich eher noch fragen, ob das Amt überhaupt noch gebraucht wird.
Eine Rotation der Ministerpräsidenten wäre für die reinen Repräsentationspflichten in der Tat völlig ausreichend.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 08. August 2003 - 02:38 Uhr:   

Meine Meinung bleibt die: so wie es zur Zeit ist, stellt jede größere und manche kleinere Fraktion in der Bundesversammlung eine(n) eigene(n) Kandidaten/Kandidatin auf. Und abgestimmt wird nicht danach, welche Persönlichkeit am besten in der Lage wäre, unseren Staat würdig zu repräsentieren, sondern rein nach Parteibuch des Kandidaten, der Kandididatin, d.h. die Union wählt geschlossen den Unions-Kandidaten/in, SPD, evtl. FDP, Grüne, PDS ebenso. Gewählt ist dann, wer es schafft, im ersten oder spätestens im zweiten Wahlgang die absolute Stimmenmehrheit der Bundesversammlung, im dritten die meisten Stimmen aller Kandidaten, d.h. auch relative Mehrheit, zu erhalten. Eine "Volkswahl" wäre hier spannender und interessanter. Natürlich sehe auch ich Gefahren: ein Wahlkampf kann in der Tat zur persönlichen Schlammschlacht werden, spätestens in einer wie auch immer gearteten Stichwahl. Aber es bestimmt die Bevölkerung - und wenn eben nur 30% wählen, dann wählen eben nur 30%, aber die Bevölkerung hatte die Chance, ihr Staatsoberhaupt zu wählen. Dies geht doch in anderen Ländern auch. Und der Zustand, wie es jetzt ist, dass interessierte Zeitungen jeden Tag eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorschlagen und frühzeitig evtl. zerreden (heute wurde von der FAZ mal wieder Petra Roth ins Spiel gebracht), dürfte die Kandidaten ebenso beschädigen. Letzten Endes bleibt in der aktuellen Debatte Johannes Rau gar nichts anderes übrig, als auf eine erneute Kandidatur für das Amt zu verzichten, da SPD, Grüne und PDS in der Bundesversammlung eben keine Mehrheit mehr haben und durch die Bayern-Wahl vorraussichtlich auch nicht bekommen werden - eher dürfte die Mehrheit aus Union und FDP noch gestärkt werden. Und nun kommen täglich weitere (Zähl-)Kandidaten ins Spiel: Scherf, Roth, Ruth Wagner etc. Es fehlt nur noch der Papst. Also dies ist doch wohl auch ein Trauerspiel und schädigt die Kandidaten. Und ich glaube doch, ungeachtet aller anderen wichtigen Probleme (Steuerreform, Gesundheitsreform, Rentensicherung und Generationengerechtigkeit), auch die Frage, wer am ehesten in der Lage ist, unser Land würdig zu vertreten, eine wichtige Rolle spielt. Und da glaube ich doch, dass das Amt einen zu großen symbolischen Wert hat (es sollte eine Persönlichkeit geben, die in unserer Gesellschaft integrierende Funktion hat und Gedanken, die über die jeweilige Tagespolitik hinausgehen, aussprechen sollte), um es abzuschaffen. Ich denke auch, dass wir im großen und ganzen mit unseren Präsidenten Glück gehabt haben, aber eine stärkere Beteiligung der Bürger auch hier (neben Europa-Verfassung, was ich für wichtig halten würde und auf anderen Ebenen - nicht nur bei Bürgermeisterwahlen und Volksentscheiden auf Länderebene) wäre meines Erachtens wünschenswert. Und wie ich schon oben sagte: gerade da der Bundespräsident wenig Macht hat, kann hier wenig "falsch" gemacht werden; aber parteiunabhängige und eher brückenbauende Kandidaten dürften meiner Meinung nach eher eine Chance haben als in der reinen parteipolitischen Abstimmung in der Bundesversammlung.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 08. August 2003 - 17:06 Uhr:   

dieterhirsch:
> Was die Wahlbeteiligung anbelangt, wäre sie leicht zu steigern,
> wenn sie mit anderen Abstimmungen oder Wahlen verbunden wäre.

Dazu müsste man die Wahl erst mal mit anderen synchronisieren. Die Europawahl passt zwar ungefähr, aber sie liegt außerhalb der Verfügungsgewalt des Bundes. Im Prinzip bleibt nur die Bundestagswahl, bei der man aber auch die Amtszeiten angleichen müsste.

Ralf:
> gibt ja inhaltlich nichts zu diskutieren

In der Tat macht das einen Wahlkampf und damit die Wahl überhaupt absurd.
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J.A.L.
Veröffentlicht am Freitag, 08. August 2003 - 18:11 Uhr:   

Wäre wohl nur interessant, wenn ein Bundespräsident mal richtig Wildsau spielen würde. Also Gesetze nicht unterschreiben, wenn sie ihm nicht passen, die Unterschrift bei Ernennungsurkunden von Beamten / Ministern verweigern, dem Bundestag für dne Bundeskanzler nicht den Mehrheitskandidaten, sondern jemand Genehmeren vorschlagen...

Da ja für eine Anklage die absolute Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich wäre, könnte ein solcher Bundespräsident mit der Unterstützung eines Drittels von Bundestag und Bundesrat (also in der Regel schon der größten Oppositionspartei) die Regierungsarbeit recht heftig behindern.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 13. August 2003 - 23:53 Uhr:   

@ Stefan Müller

Den BuPrä kann man echt abschaffen.

Von einer Amtszeitbegrenzung halte ich aber nichts. Zwar ist bei Spitzenpolitikern oft ein Realitätsverlust festzustellen, der betrifft aber nicht nur den Kanzler und langjährige Minister sondern die gesamte politische Klasse und deren Umfeld (wie z.B. auch Journalisten). Wie lang jemand im Amt ist sollte dem Wähler überlassen bleiben. Außerdem gibt es in anderen viele Beispiele, wo das Personal oft rotiert aber immer wieder diesselben Leute auftauchen (z.B. Japan, Italien, Griechenland, Israel).
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Florian
Veröffentlicht am Sonntag, 24. August 2003 - 20:11 Uhr:   

Gelegentlich wurde hier die Frage aufgeworfen, ob man das Amt überhaupt braucht.
Ich meine: Ja.

Es gibt nämlich eine Situation, in der der Bundespräsident ECHTE Macht hat. Und zwar dann, wenn es (nach einer Bundestagswahl aber vor Wahl des Bundeskanzlers) eine Total-Blockade im Parlament gibt.

Einen solchen Fall gab es bislang in Deutschland nicht, deshalb ist die damit verbundene Macht des Bundespräsidenten bislang auch nur toter Buchstabe.
Aber ein solcher Fall KANN eintreten - um ein Haar wäre das bei der letzten Bundestagswahl möglich gewesen.
Was wäre z.B. passiert, wenn (a) die Union stärkste Partei geworden wäre und (b) weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün noch Rot-Gelb eine absolute Mehrheit gehabt hätten - und die anderen möglichen Mehrheiten wie Rot-Rot-Grün, Rot-Grün-Gelb und Schwarz-Rot aus taktischen Gründen der Beteiligten nicht realisiert worden wären?
Wie wäre es dann weiter gegangen?

In diesem Fall braucht es irgendjemanden, der sagt wie es weiter gehen soll, damit Deutschland handlungsfähig bleibt.
Und dieser jemand ist laut GG der Bundespräsident.
Nach Art. 63,4 GG kann er dann entscheiden, ob es Neuwahlen geben soll oder ob er einen Kanzler mit einer Minderheitsregierung ernennt.

Gerade deshalb, weil der Bundespräsident dann am dringendsten gebraucht wird, wenn es im neu gewählten Parlament zur totalen Krise kommt, wäre es m.E. auch nicht klug, die Bundespräsidentenwahl zeitlich an die Bundestagswahl zu koppeln. Wenn es bei der Bundespräsidentenwahl z.B. einen zweiten Wahlgang braucht, wäre im Ernstfall die Handlungsfähigkeit nicht gewährleistet.

Gruß,
Florian
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uma
Veröffentlicht am Montag, 20. Oktober 2003 - 12:39 Uhr:   

Wer sagt, dass es keinen Bundespräsidenten braucht, unterschätzt die Macht, die diesem Amt innewohnt, auch ohne gesetzgeberisch o.ä. tätig zu sein. Das Amt ist im wahrsten Sinne des Wortes ein GESELLSCHAFTSpolistisches und es versetzt in die Lage langfristig Themen zu setzen. Da die Arbeit des Bu-Prä kaum Einfluss auf seine Wiederwahl hat (sondern eher die Verhältnise in der Versammlung), ist es das Amt in der Deutschen Politik, in dem man nicht zum Populismus gezwungen ist. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Gegenpart in dieser Demokratie, die auch ohne formale basisdemorkatische Mechanismen sehr plebizitär geprägt ist.
Ich wünsche mir oft einen aktiveren Bu-Prä, aber nicht in dem Sinne, dass er "wilde Sau" spielen sollte, wie oben beschrieben.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 24. Januar 2004 - 12:35 Uhr:   

In der morgigen FAZ-Sonntagszeitung wird nach Vorankündigung ein Artikel erscheinen: "Republik als Taktik: Seit Heuss bestimmt die Wahl des Bundespräsidenten nur eines: Parteikalkül". Angesichts des Verhaltens der Parteien plädiere ich - gerade wegen der relativen Machtlosigkeit des Staatsoberhauptes - für eine Volkswahl des Bundespräsidenten, damit die Bevölkerung entscheiden kann, wer ihr als der geeignete Präsident erscheint. Dabei plädiere ich dafür, dass am Ende eine absolute Mehrheit den Präsidenten/ die Präsidentin wählen sollte, d.h. ob über absolutes Mehrheitswahlsystem oder andere Wahlverfahren (IRV, STV, etc.), die hier im Forum ja diskutiert werden, ist mir egal, aber hier sollte der Bürger entscheiden. Das Argument, es gäbe bei indirekter Wahl keinen Vorwahlkampf, kann ich nach den Geschehnissen, die der Präsidentenwahl 1994 und jetzt vorangegegangen sind, als Argument - es kam ja hier in diesem Thread zur Sprache - jedenfalls nicht akzeptieren. Ein romanisches Wahlrecht wie in der Weimarer Republik lehne ich allerdings ab, da hier letztlich ebenfalls nur eine relative Mehrheit der Bürger über das neue Staatsoberhaupt entscheidet.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 26. Januar 2004 - 12:26 Uhr:   

Eine Volkswahl des BuPrä ist überflüssig, weil der Staatsnotar und Grußonkel eh keinen nennenswerten eigenen Entscheidungsspielraum hat. Die Gelegenheiten, bei denen das GG ihm Entscheidungsspielraum läßt (Bundestagsauflösung, Kanzlerwahl mit relativer Mehrheit), kommen in der Praxis so gut wie nicht vor. Wenn man an dem Amt etwas reformieren sollte, dann sollte man es gleich ganz abschaffen. Die Bundesländer kommen auch prima ohne Staatsnotar aus und dem Bundestag kann man ein Selbstauflösungsrecht bei Zweidrittelmehrheit geben. Repräsentieren tut der Bundeskanzler nebenbei auch jetzt schon und für klug klingende, ausgewogene, nichtssagend-allgemeine Reden gibt es ja noch einen Bundestagspräsidenten und vier Vizepräsidenten. Die können ruhig was mehr tun für ihre doppelte bzw. anderthalbfache Diät.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 26. Januar 2004 - 18:43 Uhr:   

@Thomas: Über eine Abschaffung dieses Amtes kann man sicherlich durchaus nachdenken, obwohl ich nach wie vor finde, dass ein guter Bundespräsident durchaus Wegweisendes sagen kann und mit seiner Integrationskraft zum Wohle des Landes wirken kann. Nur das Argument der Gegner von Volksabstimmungen über dieses Amt, dann würde ein (würdeloser) Vor-Wahlkampf geführt, der bei indirekter Abstimmung vermieden würde, der kann ja wohl nicht mehr aufrechterhalten werden. Zu dem zweiten Argument, bei einer Volkswahl des Bundespräsidenten müssten dessen Machtbefugnisse ausgeweitet werden, habe ich schon Stellung bezogen. Ich halte davon nichts. Umgekehrt wird meines Erachtens eher ein "Schuh" draus: gerade wegen geringer Machtbefugnisse kann der Wähler - auch bei der Wahl von Populisten - nichts "falsch" machen. Natürlich - wie oben gesagt - kann man erwägen, das Amt abzuschaffen und seine Befugnisse aufzuteilen. Dies wäre sicherlich möglich.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 27. Januar 2004 - 16:50 Uhr:   

@Bernhard
Das Problem ist weniger, daß ein Wahlkampf "würdelos" sein würde, sondern daß er völlig inhaltslos sein müßte, denn der BuPrä hat keinen inhaltlichen Gestaltungsspielraum. Mehr Macht sollte er aber auf keinen Fall bekommen, denn das würde nur zu Konflikten mit der Regierung führen. Der Handlungsspielraum der Bundesregierung wird durch den Bundesrat schon mehr als genug eingeschränkt, auch bei gleichfarbiger Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Ebenfalls nicht wünschenswert ist ein Bundespräsident wie in Österreich, der nach Verfassungsbuchstabe viel Macht hat, sie aber praktisch nicht ausübt.

"gerade wegen geringer Machtbefugnisse kann der Wähler - auch bei der Wahl von Populisten - nichts "falsch" machen"
Stimmt weitgehend, aber außenpolitisch Porzellan zerschlagen könnte ein Populist sehr wohl, wenn er sich z.B. so wie Däubler-Gmelin über Bush äußern würde. Nicht sehr angenehm wäre auch ein CSU-Mann der sich allzu forsch auf die Seite der Vertriebenen-Funktionäre schlagen würde. Die BuPrä-Direktwahl wäre gerade die Chance für Populisten. Der Wähler könnte Dampf ablassen ohne sich große Sorgen um die Folgen machen zu müssen.
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Florian
Veröffentlicht am Dienstag, 27. Januar 2004 - 18:02 Uhr:   

@ Bernahrd:
"
Zu dem zweiten Argument, bei einer Volkswahl des Bundespräsidenten müssten dessen Machtbefugnisse ausgeweitet werden, habe ich schon Stellung bezogen. Ich halte davon nichts. Umgekehrt wird meines Erachtens eher ein "Schuh" draus: gerade wegen geringer Machtbefugnisse kann der Wähler - auch bei der Wahl von Populisten - nichts "falsch" machen.
"

Sorry, aber was ist denn das für ein seltsames Demokratie-Verständnis?
Der Bürger soll demnach bei unwichtigen Entscheidungen ruhig mitbestimmen. Nur bei den wirklich wichtigen Fragen, da vertrauen wir lieber auf die Weisheit unserer Führer??

Der Beweis, dass Abgeordnete eher in die Lage sind, Fehler zu vermeiden als das gemeine Wahlvolk müsste m.E. erst noch erbracht werden.
(Um einmal polemisch zu werden: Hitler wurde vom deutschen Volk nicht zum Reichspräsidenten gewählt. Sondern vom Reichstag zum Reichskanzler. Und das Ermächtigungsgesetz wurde auch im Reichstag beschlossen und nicht per Volksabstimmung).
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 27. Januar 2004 - 18:31 Uhr:   

@Florian: Ich halte meine Auffassung nicht für ein seltsames Demokratie-Verständnis. Ich wollte nur das Argument entkräften, welches die Oberen im Parlamentarischen Rat gebraucht haben, als es um die indirekte Wahl des neu zu wählenden Bundespräsidenten ging. In erster Linie wurde das Bundespräsidentenamt ja konzipiert in bewußten Gegensatz zu dem Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Hitler wurde sicherlich nicht zum Reichspräsidenten gewählt, wohl aber 1925 Hindenburg vor Marx. Ich hätte aber auch nichts gegen eine Volkswahl des Bundeskanzlers einzuwenden.
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Juwie
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Januar 2004 - 09:48 Uhr:   

@Florian:

Auch auf die Gefahr beckmesserisch zu erscheinen: Hitler wurde von Reichspräsident Hindenburg ernannt! Eine Wahl durch den Reichstag war in der WRV gar nicht vorgesehen, nur Misstrauensvoten. Gleichwohl sollte es sich bei der Reichsregierung um eine "parlamentarische" handeln, d.h. von der Mehrheit des Parlaments getragen werden. Es wäre Hindenburg auch kaum gelungen, eine Regierung gegen eine "konstruktive" (zur Regierungsbildung fähige) Parlamentsmehrheit im Amt zu halten.

Statt dessen war der Reichstag im Januar 1933 aber gar nicht handlungsfähig, weil er sich bewusst vertagt hatte.
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Florian
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Januar 2004 - 16:29 Uhr:   

@ Juwie:
Du hast recht.
Allerdings wird dadurch meine Auffassung nicht widerlegt.

Es gibt eine recht verbreitete Meinung, dass man dem Volk nicht zutrauen kann, in wichtigen Dingen vernünftige Entscheidungen zu treffen und man dies besser den "Experten", d.h. professionellen Politikern überlassen sollte. (Aus Bernhards Beitrag habe ich diese Position heraus gelesen. Sorry, falls ich mich da getäuscht habe).

Ich halte von dieser Auffassung wenig.

1.
Zum einen gibt es m.E. keinen starken empirische Beweis dafür. Es gibt viele Beispiele für zweifelhafte Entscheidungen der "Profis".
Und viele Beispiele für kluge Entscheidungen des Volkes. Gerade viele Volksentscheidungen in der Schweiz wäre hier zu nennen. Im übrigen sind auch die Profis vor Populismus nicht gefeit! Eine systematische Überlegenheit von Profi-Politikern bei der Entscheidungsfindung kann ich auf jeden Fall nicht erkennen.
Gerade viele der größten Verirrungen und Verbrechen der Menschheitsgeschichte wurden doch gerade nicht (direkt-)demokratisch beschlossen, sondern in dunklen Kämmerlein ausgekungelt.
Und man hat auch beim Blick aufs Ausland nicht den Eindruck, dass direkt gewählte Präsidenten im Durchschnitt extremere Charaktere sind als nicht direkt gewählte. Ein Extremist wird nämlich immer mehr Probleme haben, eine Mehrheit zu bekommen, als ein Kandidat der Mitte.

2.
Unabhängig davon, ob direkte Demokratie zu besseren oder zu schlechteren Entscheidungen führt: Sie führt auf jeden Fall zu besser legitimierten Entschlüssen.
Es ist halt ein Unterschied, ob ich weiß, dass die Mehrheit meiner Landsleute für den Bundespräsidenten gestimmt hat - oder ob es faktisch nur zwei Menschen sind, die sich im stillen Kämmerlein auf einen Kandidaten einigen (nämlich im konkreten Fall Merkel und Westerwelle).
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Januar 2004 - 17:56 Uhr:   

Florian: Im Prinzip völlig richtig, aber:

> Es gibt eine recht verbreitete Meinung, dass man dem Volk nicht zutrauen kann,
> in wichtigen Dingen vernünftige Entscheidungen zu treffen und man dies besser
> den "Experten", d.h. professionellen Politikern überlassen sollte.

Auch Politiker sind auf den meisten Gebieten keine Experten, sondern folgen nur dem Rat der Experten, zu denen sie Vertrauen haben. Genauso läuft es, wenn das Volk selber entscheidet.

Wer das dem Volk nicht zutraut, zweifelt in Wahrheit nicht an dessen Fähigkeit, sondern an dessen Willen, verantwortungsbewusst Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich wird wohl ein Teil rein nach Lust und Laune abstimmen. Aber auch bei den Politikern geht es ja nicht nur um sachliche Entscheidungen. Was beim Volk irrationale Stimmung ist, ist bei den Politikern Machtkalkül. Im Schnitt seh ich keinen Grund, anzunehmen, dass das Volk weniger verantwortungsbereit als die Politiker ist, auch wenn es wohl einzelne Fragen gibt, wo das der Fall ist.

Übrigens ist das bei Personenwahlen auf Ebenen, wo kein direkter Kontakt mehr möglich ist, auch nicht viel anders: Ich muss als Wähler auch da auf das Urteil von Experten vertrauen. Im Wesentlichen hab ich die Auswahl zwischen diversen Medien und den jeweiligen Parteien. Nachdem mein Vertrauen in die Medien nicht sonderlich groß ist, verlass ich mich lieber auf die Parteien, die zumindest für eine grobe Richtung stehen. Drum halt ich auch nicht viel von offenen Listen o.Ä., insbesondere wenn es keine echte Möglichkeit gibt, eine Partei als ganze zu wählen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Januar 2004 - 20:38 Uhr:   

Also ich möchte noch einmal klarstellen: ich bin ein Befürworter von Volksabstimmungen in wichtigen Positionen - meines Erachtens könnte sowohl der Bundeskanzler (trotz der Gefahr der cohabitation mit einer gegenerischen Parlamentsmehrheit) als auch der Bundespräsident durch Volksabstimmung legitimiert werden. Das Argument der Befürworter der indirekten Wahl, der Bundespräsident bräuchte dazu mehr Machtbefugnisse, halte ich fadenscheinig. Hier soll eine Ablehnung dieses Gedankens kaschiert werden, denn jeder weiß, dass das Grundgesetz wohl diesbezüglich kaum mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat verändert werden wird. Das Argument von Florian, dass die Entscheidungen nicht im stillen Kämmerlein getroffen werden, sondern vom Volk direkt, unterstütze ich voll und ganz. Gerade weil ich das "Gekungel" um die Person des neu zu wählenden Bundespräsidenten widerlich finde (vgl. heute wieder die Beiträge dazu in der Frankfurter Rundschau Online und im Spiegel), plädiere ich für eine Volksabstimmung. Dann sollen sich doch Schäuble, Töpfer, Gerhardt, Westerwelle, Limbach etc. zur Wahl stellen und dann über ein Wahlverfahren (STV, IRV, absolutes Mehrheitswahlsystem), welches absolute Mehrheiten und damit absolute Legitimation für den Wahlsieger garantiert, eine Auswahl getroffen werden. Einen Wahlkampf um die Person gibt es jetzt - bei indirekter Wahl - auch. Und dass Herr Westerwelle und Frau Merkel im stillen Kämmerlein beschließen, wer nächster Präsident wird, legitimert diesen nicht gerade.

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