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Archiv bis 21. Februar 2010Wahlticker20 21.02.10, 03:05h 
Archiv bis 09. Juni 2010Werner Fischer20 09.06.10, 15:15h 
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juni 2010 - 15:39 Uhr:   

@ Ratinger Linke
...Die Sitzvergabe nach Stimmen in den Wahlkreisen zwingt die lokalen Parteien dazu, nur 1 Kandidaten (bei aussichtsreichen Wahlkreisen 2) aufzustellen, damit die Bewerber auch eine Chance haben...
Nein, es können bedenkenlos bis zu 3 Kandidaten der gleichen Partei aufgestellt werden. Hier ein Beispiel:

Liste Y: Gesamtstimmen=80.000 (30.000 Liste, 20.000 A, 19.999 B, 10.001 C)

Liste Z: Gesamtstimmen=79.999 (9.999 Liste, 70.000 D)

Das Direktmandat geht an Liste Y und dort an Kandidat A. Kandidat D hat zwar mehr als doppelt so viele Stimmen erhalten, aber seine Liste kommt nicht zum Zug. Über die Ergänzungsliste hat D natürlich sehr gute Chancen, doch noch ein Mandat zu erhalten.

Jeder Kandidat kann nur in einem Wahlkreis und auf einer überregionalen Liste antreten.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juni 2010 - 16:27 Uhr:   

Ja, aber B wird wahrscheinlich kein Mandat erhalten. Wenn es C nicht gäbe, würde B mehr Stimmen erhalten und hätte damit bessere Chancen. Umgekehrt würde ein Kandidat E auf Liste Z die Chancen von D schmälern (was hier ein besonderes Dilemma ist, da Z durchaus Aussicht auf 2 Mandate hat, bei 2 Kandidaten aber leicht völlig ohne Mandat dastehen könnte).

Das Panaschieren in Bayern steht allerdings nicht im Konflikt mit der Sperrklausel, da es nur auf kommunaler Ebene (ohne Bezirkswahlen) gilt. Das Panaschieren würde die Einführung der ansonsten dringend nötigen Ersatzstimmen so kompliziert machen, dass das praktisch nicht mehr durchführbar ist (oder die Abkopplung der Parteistimme wie beim Berliner Gesetzentwurf erfordern, was die Nachteile des derzeitigen Bundestagswahlsystems nochmal massiv verstärkt).

Abgesehn davon hat das Panaschieren nur da Sinn, wo die Einzelpersonen im Verhältnis zu den Listen bedeutend sind, und das ist oberhalb der kommunalen Ebene nicht der Fall.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juni 2010 - 20:00 Uhr:   

@Ratinger Linke
Nein, im Wahlkreis wird ja nur 1 Direktmandat vergeben! Und das bekommt Liste Y, weil sie mehr Stimmen hat als Liste Z. Würde C nicht kandidieren, bekäme Liste Y insgesamt vielleicht zwei Stimmen weniger und dann ginge das Direktmandat an Liste Z. Prinzipiell dürfen viele Kandidaten einer Liste/Partei wie bisher eher nutzen. Jeder zusätzliche Kandidat "gefährdet" natürlich die Aussichten der übrigen Kandidaten - aber der Wähler hat dann eben erstmals die Wahl und damit mehr Einfluss.

Zu Bayern: Nur bei der LTW in Bayern kann man eine Koalition (= zwei unterschiedliche Parteien) wählen, da nur hier Erst- und Zweitstimme gleichwertig gewichtet werden.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juni 2010 - 20:51 Uhr:   

Dass zusätzliche Kandidaten auch Stimmen von anderen Listen abziehen können (insbesondere bei Panaschiermöglichkeit), ist sicher richtig, aber bei Bundestagswahlen dürfte dieser Effekt gegenüber listeninternen Verschiebungen ziemlich vernachlässigbar sein. Die resultierende geringere listeninterne Konzentration führt dann dazu, dass die Chancen, bei der Ergänzungsliste zum Zug zu kommen, sinken.

Eine Taktik mit möglichst vielen Kandidaten würde sich allenfalls dann empfehlen, wenn aufgrund der Wahlkreiseigenschaften (von denen ähnlich wie beim bayrischen Landtagswahlsystem eine ziemlich große Abhängigkeit besteht) eh klar ist, dass man bei der Ergänzungsliste chancenlos ist. Wenn es ein aussichtsreicher Wahlkreis ist, gilt aber selbst dann noch, dass ein zugkräftiger Zusatzkandidat den Erfolg der eigentlich bevorzugten Kandidaten gefährdet, was sich die Partei gut überlegen wird. Zudem nimmt die Regel, dass ausschließlich über die Ergänzungsliste nachgerückt wird, den letzten Anreiz, lokal mehr Kandidaten als eigentlich nötig aufzustellen.

Stimmensplitting bei der Landtagswahl (und Bezirkstagswahl) in Bayern kann man in der Tat auf Parteiebene auch als eine Form von Panaschieren betrachten (auf Koalitionen hat das allerdings keine Auswirkungen). Aber auch bei den restlichen Kommunalwahlen in Bayern kann man 1:1 zwei Parteien wählen, da die Stimmenzahl stets gerade ist und jede Stimme zunächst für die Liste als Ganzes zählt.
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Wahlwatcher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 20. August 2010 - 20:49 Uhr:   

MdB Halina Wawzyniak (DIE LINKE) hat einen interessanten Vorschlag zur Novellierung des Bundestags-Wahlrechts vorgelegt: http://www.neues-deutschland.de/artikel/177588.drei-kreuze-fuer-jeden.html

Er sieht u.a. vor:
- Kumulieren & Panaschieren mit drei Stimmen
- Wegfall der 5-%-Hürde
- Senkung des Wahlalters auf 16
- Wahlberechtigung nach 5 Jahren Aufenthalt
- Abschaffung des Bundeswahlausschusses
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Taugenichts
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 20. August 2010 - 23:49 Uhr:   

Der Vorschlag mag vielleicht interessant sein. In jedem Falle ist er unrealistisch. Mehr als eine verfassungsrechtlich notwendige Minireform wird es wohl kaum geben.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 21. August 2010 - 00:26 Uhr:   

Die infrage kommenden "Minireformen" stellen aber erstens auch einen substanziellen Eingriff dar, auch wenn sie bezüglich der Handhabung durch Kandidaten und Wähler nichts ändern, und sind zweitens allesamt anderweitig verfassungsrechtlich angreifbar.

Besonders groß sind die Chancen für ein vernünftiges Wahlsystem in der Tat nicht, nachdem die Zeit fortgeschritten ist und die FDP offenbar auch das für sie so ziemlich schlechtestmögliche Wahlsystem (abgesehn von Graben und dergleichen) akzeptiert, aber absolut aussichtslos ist es nicht. Chancenlos und derzeit eher kontraproduktiv sind natürlich die Fragen jenseits des mathematischen Wahlsystems.

Jedenfalls geht der Vorschlag von Halina Wawzyniak in die richtige Richtung (nämlich einem Kompromiss aus theoretisch Wünschenswertem, praktisch Durchführbarem und politisch Durchsetzbarem, also etwas mit Mehrerwahlkreisen und systemkonformer Personalisierung). Im Detail ist er mangelhaft (insbesondere sind etliche Landeslisten viel zu lang für ein 3-Stimmen-System mit funktionsunfähiger Listenwahlmöglichkeit), aber es ist ja nur eine Diskussionsgrundlage und als solche geeignet. Demnächst werd ich vermutlich genauer drauf eingehn.

Der originale Vorschlag ist übrigens auf http://blog.wawzyniak.de/?p=3282 zu finden.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 21. August 2010 - 01:44 Uhr:   

Dieser Vorschlag ist selbst in Ihrer Fraktion kaum mehrheitsfähig.

Und die Linke hat im Gesetzgebungsverfahren wohl von den BT-Fraktionen den geringsten Einfluss.

Zudem gefällt er mir ganz sicher nicht.
Er ist ohne klare Linie ("Kompromiß") und würde die Wähler nur verunsichern, was wohl der größte Fehler ist.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 21. August 2010 - 02:28 Uhr:   

Gibt es irgendwelche Gründe, anzunehmen, dass das in der Linksfraktion nicht mehrheitsfähig sein sollte? Gysi hat sich jedenfalls gestern ähnlich geäußert. Momentan wird man sich auch nicht allzu viele Gedanken um die Grundmandatsklausel machen, deren Wegfall diesen Vorschlag aus pragmatischer Sicht der Linken eher unattraktiv macht.

Was ist eine klare Linie? Das momentane Zweistimmensystem hat sie jedenfalls am wenigsten. Reine Bundeslisten sind völlig unrealistisch.

Für den Wähler ist eine einzelne Stimme oder beliebig viele Stimmen natürlich einfacher, aber das 3-Stimmen-System ist ja in Deutschland schon sehr weit verbreitet und auch nicht allzu kompliziert (hat aber auch wenig Vorteile).
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 21. August 2010 - 11:15 Uhr:   

Politisch mehrheitsfähig ist das natürlich nicht, vor allem nicht das Wahlrecht nach fünfjährigem Aufenthalt, der offenbar nicht einmal legal sein müsste. Das ist ziemlich offensichtlich ein Versuch, die Wahlchancen der Linken zu verbessern. Ob das aufginge, ist aber fraglich, denn mit dem Fortfall jeder Sperrklausel und bei Fehlen anderer konzentrationsfördernder Elemente gäbe es kein Hindernis mehr für Türken- oder Araberparteien. Ich will nicht jeden Vorschlag für sich pauschal ablehnen, aber das Gesamtpaket ist m.E. nicht überzeugend.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 31. August 2010 - 15:46 Uhr:   

Guten Tag,

ich kann nicht verstehen, was am Vorschlag von MdB Wawzyniak interessant sein soll. Von den 5 Punkten haben 4 überhaupt nichts mit negativem Stimmgewicht zu tun und der andere auch nur am Rande. Am lustigsten aber die Reaktion von Diskutant RartingerLinke. Noch vor wenigen Beiträgen war Kumulieren und Panaschieren oberhalb der kommunalen Ebene irgendwie doof, macht sich aber eine GenossIn dafür stark, dann geht das auf einmal in die richtige Richtung.

Parteiarbeit muss was Tolles sein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 31. August 2010 - 16:53 Uhr:   

Besonders interessant ist der Vorschlag nicht, aber es ist bisher der einzige, der vom Grundübel, nämlich den Einerwahlkreisen, abrückt. Dass dabei eine nicht zu komplizierte wahltechnische Personalisierung nötig ist, ist eine Frage der politischen Realitäten. 3 kumulierbare Stimmen sind zumindest diskutabel.

Was nichts mit dem engeren Wahlsystem zu tun hat, ist für die bald zu lösende Frage relativ belanglos. Die Sperrklausel muss man aber schon im Zusammenhang sehn, weil die Grundmandatsklausel sowieso betroffen ist und ansonsten davon abhängt, ob etwas akzeptabel ist, was eine Ersatzstimme praktisch unmöglich macht (hier das Panaschieren).

Übrigens ist die Ratinger Linke keine Partei, sondern eine WählerInnenvereinigung, und ich hab sie deshalb als Nick, weil sie 2004 als einziges Mandat ein Ausgleichsmandat bekommen hat.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. September 2010 - 16:15 Uhr:   

Guten Tag Ratinger Linke,

dass Einerwahlkreise das Grundübel beim negativen Stimmgewiccht sind, ist schlicht falsch. Beweis: in einem Wahlsystem wie in GB oder USA kann es nicht passieren, dass man seiner Partei schadet, wenn man für sie stimmt.

Offensichtlich ist die Optik hinsichtlich völlig anderer Ziele schon so verbogen, dass sich Wawzyniak nicht einmal die Mühe machen, so genau zu formulieren, dass negatives Stimmgewicht tatsächlich ausgeschlossen wird. Das könnte nämlich durchaus passieren, wenn man zuerst auf die Länder und dann auf die Listen verteilt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 02. September 2010 - 22:17 Uhr:   

Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, negatives Stimmengewicht zu vermeiden (insbesondere, ganz auf Wahlen zu verzichten), aber es gibt auch andere Anforderungen an ein sinnvolles Wahlsystem.

Vorgeschlagen ist eine "reine Verhältniswahl", also Oberverteilung an die Parteien. Eine reine Unterverteilung kann dann kein negatives Stimmengewicht auf Parteiebene verursachen und auf Landeslistenebene nur mit Hare/Niemeyer oder sonstigen Verfahren mit Alabama-Paradoxon.

Eine Oberverteilung an die Länder hätte wenig mit einem Verhältniswahlsystem zu tun, und wenn man den Ländern feste Sitzzahlen geben würde (was die Verhältniswahl etwas einschränkt), wär auch kein negatives Stimmengewicht möglich.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 03. September 2010 - 10:53 Uhr:   

Ratinger Linke

... aber es gibt auch andere Anforderungen an ein sinnvolles Wahlsystem.

Sicher dat. Und Einerwahlkreise sind nicht nach Ihrem Geschmack. Hat halt nichts mit negativem Stimmgewicht zu tun. Aber gut, dass wir darüber geredet haben.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. September 2010 - 17:23 Uhr:   

"Hat halt nichts mit negativem Stimmgewicht zu tun."
Natürlich haben die Einerwahlkreise etwas mit negativem Stimmgewicht im Bundestagswahlrecht zu tun. Wahr ist, dass es bei relativer Mehrheitswahl kein negatives Stimmgewicht gibt, das gilt aber auch bei Mehrpersonenwahlkreisen.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 03. September 2010 - 18:23 Uhr:   

Thomas Frings,

genauso gut hat die Verhältniswahl was mit dem negativen Stimmgewicht zu tun. Wenn man von einem "Grundübel" redet, ist es einfach falsch.

Ich weis, die meisten hier sind Proporzfetischisten, warum auch immer. Ich vermute wegen der "Demokratischen Teilhabe", die aus mehr oder weniger transzendenten Gründen für was besonders Wichtiges gehalten wird. Dabei halte ich diesen Aspekt für einen der unwichtigsten überhaupt. In einer Massendemokratie geht die individuelle Teilhabe durch den Wahlakt gegen null. Und zwar umso mehr, je mehr "teilhaben".

Konzentrationsanreize sind hingegen viel wichtiger. Ganz einfach weil ich glaube, dass kaum jemand durch bessere Argumente überzeugt wird, und dass daher Wahlen ganz nüchtern eine Methode zur Reduktion der Komplexität sind. Mehr nicht. Daher sollten sie möglichst dezisionistisch sein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 03. September 2010 - 19:06 Uhr:   

"Daher sollten sie möglichst dezisionistisch sein."
Das ließe sich ganz einfach bewerkstelligen: die landesweit stärkste Partei bekommt alle Sitze. Einewahlkreise sind da absolut hinderlich.

Im übrigen ist es NICHT entscheidend, dass es eine klare Parlamentsmehrheit gibt, sondern, dass die Wähler klare Alternativen haben. Bei relativer Mehrheitswahl würden zunächst weit über 90% der Sitze an Union und SPD gehen und mit hoher Wahrscheinlich gäbe es eine klare Mehrheit. Man kann aber absolut nicht behaupten, Union und SPD stünden für klar verschiedene Politikansätze, so dass die Wähler wirklich ASlternativen hätten. Das kann auch kein Wahlsystem erzwingen.

Aber das wäre nur die kurz- bis mittelfristige Wirkung, langfristig würde sich das Parteiensystem stark verändern und dann wären klare Mehrheit vielleicht nicht mehr so sicher. Dafür gibt es ja auch Beispiele: Kanada hatte ursprünglich ein Zweiparteiensystem mit fast immer klarer Mehrheit. Trotz relativer Mehrheitswahl änderte sich das grundlegend und seit den 60er Jahren gab es relativ oft keine absolute Mehrheit. 1962, 1963 und 1965 bzw. 2004, 2006 und 2008 gab sogar jeweils drei Wahlen in Folge keine.
Oder die größte Demokratie der Welt, da gab es nie ein Zweiparteiensystem und immer sehr viele Parteien im Parlament. Solange die Kongresspartei eine satte Mehrheit hatte, fiel das aber nicht weiter auf. Deren Vormachtstellung ist aber erodiert und seit 1984 holte keine Partei in Indien eine absolute Mehrheit mehr. Heute treten zur Wahl mehrere Blöcke mit jeweils mindestens einem halben Dutzend Parteien an. Koalitionsregierung sind inzwischen Normalfall trotz relativer Mehrheitswahl.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 04. September 2010 - 00:53 Uhr:   

Guten Abend Thomas Frings

Das ließe sich ganz einfach bewerkstelligen: die landesweit stärkste Partei bekommt alle[s]

Ja, das ist vom Wesenskern auch die Art und Weise wie z.b. die US-Regierung gewählt wird. Und das ist ja bestimmt nicht die schlechteste Lösung, wenn man auch tatsächlich die Legislative und Exekutive anständig trennt und "checks and balances" zwischen den Gewalten hat, statt einer Gewaltensymbiose, wie in Europa üblich.

Im Übrigen liegt mir weniger an einer Apologie der Einerwahlkreise, als an einer Dekonstruktion des Proporzfetischismus.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Robert Jasiek
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 04. September 2010 - 07:32 Uhr:   

Was bedeutet das schleswig-holsteinische Urteil fürs Bundeswahlgesetz unter der Annahme, dass das BVG vergleichbar urteilte? Auch und gerade das BVG betont immer wieder die Erfolgswertgleichheit und kann sich ebenfalls nicht der Entwicklung der Parteienlandschaft hin zu mehr Parteien im Parlament verschließen. Daher muss man annehmen, dass das Fehlen von Ausgleichsmandaten (mittlerweile) auch auf Bundesebene verfassungswidrig ist. Dieser Punkt scheint mir in der Praxis sogar wichtiger zu sein als das negative Stimmengwicht.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 04. September 2010 - 11:10 Uhr:   

@Robert Jasiek
Erstens ist die Situation nicht vergleichbar, weil das GG weder eine Sollgröße für den Bundestag vorgibt noch Verhältniswahl vorschreibt, zweitens hat das BVerfG in seinem Urteil von 1997 unausgeglichene Überhangmandate als solche nicht für verfassungswidrig gehalten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 04. September 2010 - 11:25 Uhr:   

"wenn man auch tatsächlich die Legislative und Exekutive anständig trennt und "checks and balances" zwischen den Gewalten hat, statt einer Gewaltensymbiose, wie in Europa üblich."
Ein stark mehrheitsbildendes Wahlrecht fördert doch gerade "Gewaltensymbiose". GB ist mit das extremste Beispiel in Europa. "Checks and balances" stehen eindeutig im Widerspruch zu "klaren Verhältnissen", für die ein stark mehrheitsbildendes Wahlrecht sorgen will. Ein solches Wahlrecht kann sein Ziel nur dann voll erfüllen, wenn es wenig oder gar keine "checks and balances" gibt, wie z.B. in GB oder Griechenland. In Deutschland könnte, selbst wenn eine Partei eine satte Mehrheit im Bundestag hätte, diese wegen des Bundesrats möglicherweise trotzdem nur mit vielen Kompromissen regiern.

Außerdem soll ein Parlament eine Volksvertretung sein und nicht nur die Vertretung einer politischen Richtung, was konzentrationsfördernde Elemente aber natürlich nicht ausschließt.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 04. September 2010 - 13:07 Uhr:   

Die 598 Abgeordneten stehen immerhin relativ strikt formuliert in § 1 BWG, den das Bundesverfassungsgericht bisher praktisch beurteilt hat, als ob er in der Verfassung stehen würde. Die relative Vergrößerung des Bundestags ist momentan im Vergleich zu Schleswig-Holstein gering, die Verzerrung der Verhältniswahl aber größer.

Ausgleich ist insbesondere mit der derzeitigen Unterverteilungsregelung keine Lösung gegen das negative Stimmengewicht und von den aktuellen Urteilen eher noch weiter geschwächt worden. Zumindest als Lösung gegen internen Überhang kann man das momentan völlig ausschließen.

Die Entscheidung von 1997 sagt relativ wenig über die heutige Position des Bundesverfassungsgerichts aus, zumal sich die Zahl der Überhangmandate inzwischen schon der seinerzeit angedeuteten Grenze angenähert hat.
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nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. September 2010 - 11:47 Uhr:   

@ Clovis:

Es gibt neben moralisch-politisch-juristischen Allgemeinüberlegungen auch noch ein anderes Übel bei Ihrer Argumentation. Wie man bei den von Ihnen so gelobten amerikanischen Verhältnissen sieht, kommt es (siehe Clinton oder jetzt Obama) nach Zeiten einer Begeisterung für das Neue sehr schnell zu einer Umkehr und de facto Ablehnung in der Bevölkerung. Das führt dazu, dass US-Präsidenten sehr wenig in der zweiten Halbzeit ihrer 4 Jahre anstossen, lame ducks sind, nicht gut für eine Gesellschaft. Zudem wirkt sich in den USA sehr aus, dass die deutlichen Wahlsiege (was Wahlmänner betrifft) etwa bei G.W.Bush vor 5 Jahren und Obama auf wackeligeren Beinen stehen, quasi vorgetäuscht sind, wenn man die tatsächliche Stimmenanzahl ansieht. Ein großes Protestpotential wartet nur darauf die vielen Nichtwähler gegen die Regierung zu mobiliseren, sie schon vorher vor der Halbzeit zur lame duck zu machen.
Wenn ich mir GB anschaue, auch die Bananenrepublik Griechenland, so wird dort trotz klarer Mehrheiten ständig auf das Meinungsbild in Umfragen geachtet und alles getan, um in einer taktisch guten Position für mögliche Neuwahlen zu sein, die die Regierung (fast) nach Belieben ausrufen kann. Um es konkret zu machen: Der Feuerwehrchef in Klein-Irgendwo wird ausgewechselt und durch einen linientreue Vasallen ohne Fachkenntnis ersetzt, um eigene Wähler bei der Stange zu halten.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 05. September 2010 - 15:29 Uhr:   

Guten Tag Thomas Frings & nowhereman,

ich denke die Gewaltensymbiose in GB ist weniger eine Folge des Wahlrechts sondern institutionell angelegt. Egal welches Wahlrecht zum Unterhaus gilt, es wird immer eine Gewaltensymbiose zwischen Exekutive und Legislative geben, genauso wie es institutionell eben eine strikte Trennung in den USA geben wird, unabhängig davon, nach welchem Wahlrecht der Kongress gewählt wird.

"Dezisionistisch" ist auch in dem von mir gemeinten Sinne nicht zu übersetzen mit stabilen Mehrheiten im Parlament. Gerade wenn man auf die arbeitsweise des US-Kongresses blickt, herrschen dort ja durchaus andauernd wechselnde Mehrheiten. Das ist aber aus Gründen des institutionellen Gefüges eben kein Problem. Bei symbiotischen Verhältnissen ist potentiell jede Sachfrage mit der Machtfrage verknüpft. Ein Präsident Obama, der sich für eine Gesundheitsreform stark machen will, braucht hingegen nicht unmittelbar zu befürchten, dass seine Koalition gefährdet ist. Das muss nicht heißen, dass er mit seinem Vorhaben Erfolg haben muss. Das institutionelle Gefüge ist aber nach meinem Gefühl so angelegt, dass es einzelne Aspekte, insbesondere Macht- und Sachfragen entflechtet und so dezisionistisch wirkt, weil es die Komplexität des Problems reduziert.

In diesem abstrakten Sinne halte ich die Wahl in Einerwahlkreisen für dezisionistischer, weil es die Frage "Welche Mehrheit herrscht im Parlament" von der Frage trennt "Wer vertritt den Wähler im Parlament".

Dabei gebe ich durchaus zu, dass diese Überlegungen mit dem Wort "Konzentrationsanreiz" nur unzureichend bis irreführend beschrieben sind.

Vielne Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. September 2010 - 21:45 Uhr:   

"Bei symbiotischen Verhältnissen ist potentiell jede Sachfrage mit der Machtfrage verknüpft."
Selbstverständlich hängt auch die Macht des US-Präsidenten ganz entscheidend von seiner Fähigkeit ab, seine Vorstellungen im Kongress durchzusetzen. Clinton war z. B. nach der für die Demokraten desaströsen Kongresswahl 1994 innenpolitisch nur noch handlungsfähig, indem er den Republikanern weit entgegenkam und seine ursprüngliche Agenda beerdigte. Nur hat halt die Parlamentsmehrheit keinen Einfluss auf dem Amtsverbleib des Präsidenten, insoweit ist da schon eine Entflechtung. Abstimmungsniederlagen führten aber selbst in GB keineswegs immer zum Sturz der Regierung:
http://www.election.demon.co.uk/defeats.html

"In diesem abstrakten Sinne halte ich die Wahl in Einerwahlkreisen für dezisionistischer, weil es die Frage "Welche Mehrheit herrscht im Parlament" von der Frage trennt "Wer vertritt den Wähler im Parlament"."
Genau das trennen die Wähler in GB nicht und das ist im Westminster-System auch nicht zu trennen. Selbst in den USA, wo einzelne Kandidaten eine weit größere Rolle spielen, trennen die Wähler nicht gerade konsequent. Wenn ein Präsident unbeliebt ist, hat das ganz eindeutig negativen Einfluss auf die Wiederwahlwahrscheinlichkeit seiner Parteifreunde. Außerdem ist Frage, wer im Parlament sitzt, natürlich immer eine Machtfrage.
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2010 - 16:11 Uhr:   

@nowhereman
"Das führt dazu, dass US-Präsidenten sehr wenig in der zweiten Halbzeit ihrer 4 Jahre anstossen, lame ducks sind, nicht gut für eine Gesellschaft."

Man kann es auch so formulieren: Der US-Präsident wird auf seine tatsächlich verfassungsgemäßge Rolle reduziert. Wenn einem dabei die persönliche Agenda abgesegt wird ist das natürlich sehr ägerlich. Aber auf der anderen Seite muss man sich ansehen, welche Kompetenzen der Bund in den USA einnimmt: Vorrangig Aufgaben der Verteidigungs- und Aussenpolitik. Wirtschaftspolitische Macht hat die Union eigentlich bis heute nicht. Dass der Kongress auch dafür Regelungen verabschiedet ist eher das Ergebnis "gnädiger" Interpretationen des 8. Abschnittes des 1. Artikels der US-Verfassung durch SCOTUS; Genausowenig hat er wirkliche Kraft in Civil- oder Strafrechtsdingen, nur Bürgerrechtskompetenz hat der Kongress über den 14. Zusatzartikel.
Für Aussenpolitik und Kriegsführung reichen die Kompetenzen des Präsidenten an sich völlig aus. Somit scheint mir die US-Verfassung hier vielmehr genau abgestimmt als fehlerhaft. Vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Amtszeitbeschränkung scheint mir die Kongresswahl sogar sehr sinnvoll: Sonst könnte der Präsident in seiner 2. Amtszeit völlig auf den Volkswillen verzichten und duchsetzen was er für richtig hält, eine Wiederwahl kommt ja sowieso nicht mehr in Frage und warum dann nicht alle Kompetenzen ausnutzen?

Ausserdem würde ich das Veto-Recht des US-Präsidenten nicht unterschätzen. So könnte ein republikanischer Kongress unter Obama uU vorhaben, die Gesundheitsreform wesentlich zu verändern/zurück zu nehmen, was Obama durch einfaches Veto gut verhindern kann (2/3 Mehrheit in beiden Kammern sind für die Reps nicht drin). Umgekehrt hat Bush einige politische Versuche der Demokraten abgebrochen. So machtlos ist also eine lahme Ente auch nicht!

"Wenn ich mir GB anschaue, auch die Bananenrepublik Griechenland, so wird dort trotz klarer Mehrheiten ständig auf das Meinungsbild in Umfragen geachtet und alles getan, um in einer taktisch guten Position für mögliche Neuwahlen zu sein, die die Regierung (fast) nach Belieben ausrufen kann. Um es konkret zu machen: Der Feuerwehrchef in Klein-Irgendwo wird ausgewechselt und durch einen linientreue Vasallen ohne Fachkenntnis ersetzt, um eigene Wähler bei der Stange zu halten."

Das ist jetzt aber keine Konsequenz des politischen Systems, sondern kann immer vorkommen. Der Vorteil eines sehr am Volkswillen gekoppelten politischen Systems liegt grade darin, dass das Volk selbst nicht auf "linientreu" gezwungen werden kann.

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