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thatsme Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 16:18 Uhr: | |
Gibt es einen Wahlkreis, der zwei MdBs stellt, die aus derselben Partei kommen? |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 16:52 Uhr: | |
Die Frage ist, wie man einen MdB, der nicht in einem Wahlkreis kandidiert hat, einem Wahlkreis zuordnen soll. Die Kandidatur ist ja nicht an den Wohnort geknüpft. Beim Rest ist es nur durch Parteiwechsel möglich. Eigentlich ist schon die gängige Praxis, auch unterlegene Direktkandidaten dem Wahlkreis zuzurechnen, in dem sie kandidiert haben, (so auch auf bundestag.de) ziemlich abenteuerlich. Es gibt auch nur ganz wenige MdBs, die in keinem Wahlkreis kandidiert haben. Bei der Union gar keine, bei der SPD nur Müntefering und Aydan Özoguz (Letztere wäre prinzipiell eine Möglichkeit). Bei den kleineren Parteien sind es etwas mehr, aber da ist die Wahrscheinlichkeit kleiner. Die beiden saarländischen Linken wären z.B. eine Möglichkeit, falls Lafontaine seinen Wohnsitz im Saarland hat. |
Florian das Original Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 17:23 Uhr: | |
"Eigentlich ist schon die gängige Praxis, auch unterlegene Direktkandidaten dem Wahlkreis zuzurechnen, in dem sie kandidiert haben, (so auch auf bundestag.de) ziemlich abenteuerlich" Richtig. Bundestag.de nimmt es ohnehin nicht so genau mit dem Wahlrecht. Zum Beispiel die Graphik hier: "http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/sitzverteilung.html" Demnach hat die CDU/CSU "239 Sitze (davon 24 Überhangmandate)". Der Begriff "Überhangmandat" steht allerdings nirgendwo im Wahlrecht. Und es ist m.E. gerade für die Bundestagsverwaltung sehr unpassend, die Mandate in "normale" und "Überhangmandate" zu unterscheiden. Korrekt wäre allenfalls gewesen zu unterscheiden zwischen "als Stimmkreiskandidat gewählt" und "über Landesliste gewählt". Mal abgesehen davon, dass ein großer Teil der bundestag.de-Informationen sich auf den (nicht mehr existierenden) 16. Bundestag beziehen. Die Wahl ist jetzt auch schon einen Monat her, da sollte man genug Zeit gehabt haben, die Seiten zu aktualisieren. |
mma
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 17:44 Uhr: | |
("Eigentlich ist schon die gängige Praxis, auch unterlegene Direktkandidaten dem Wahlkreis zuzurechnen, in dem sie kandidiert haben, (so auch auf bundestag.de) ziemlich abenteuerlich" Richtig.") Dem möchte ich mich ebenfalls anschließen. Was könnte man denn tun, um dieser - auch von Lokaljournalisten gern geförderte - Unsitte abzuhelfen? Wie wäre es etwa, für die tatsächlichen Wahlkreisvertreter einen schmuckvollen und doch prägnanten, kurzen Titel einzuführen, der sich durchsetzen kann und den die anderen dann einfach nicht benutzen können? |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 17:44 Uhr: | |
In Bonn wohnt neben dem SPD-Direktkandidaten Kelber auch noch Steinbrück und zumindest laut Bewerberverzeichnis wohnt Münterfering noch dort. Bewerberverzeichnis für NRW: http://www.im.nrw.de/bue/doks/wahlen/btwahl/2009/bw09_bewerberverzeichnis.pdf Bei Steinbrück ist aber nur eine Erreichbarketsanschrift angegeben (offenbar ist das die Adresse des SPD-Kreisverbands Mettmann), was u.U. zulässig ist. Bei der letzten NRW-Landtagswahl tauchte er dagegen noch mit seiner Wohnadresse in Bonn im Kandidatenverzeichnis auf. Laut dem Bewerberverzeichnis wohnt Wagenknecht, die in NRW kandidierte in Berlin, also wahrscheinlich irgendwo im Ostteil in einem Linkspartei-Wahlkreis. @Ratinger Linke "Bei den kleineren Parteien sind es etwas mehr, aber da ist die Wahrscheinlichkeit kleiner. Die beiden saarländischen Linken wären z.B. eine Möglichkeit, falls Lafontaine seinen Wohnsitz im Saarland hat." Nur 13 MdBs waren nicht Direktkandidaten, davon wiederum 8 bei der Linkspartei: Jan van Aken (DIE LINKE/ Hamburg) Agnes Alpers (DIE LINKE/ Bremen) Sylvia Canel (FDP/ Hamburg) Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE/ Niedersachsen) Dr. Lukrezia Luise Jochimsen (DIE LINKE/ Thüringen) Oskar Lafontaine (DIE LINKE/ Saarland) Lars Friedrich Lindemann (FDP/ Berlin) Thomas Lutze (DIE LINKE/ Saarland) Franz Müntefering (SPD/ NRW) Aydan Özoguz (SPD/ Hamburg) Ingrid Liselotte Remmers (DIE LINKE/ NRW) Raju Sharma (DIE LINKE/ Schleswig-Holstein) Markus Tressel (GRÜNE/ Saarland) In aller Regel bekommt man ohne Wahlkreis keinen aussichtsreichen Listenplatz und wenn man kein Prominnenter ist, bekommt man auch kaum einen Wahlkreis (am ehesten noch bei des PdL), in dem man nicht wohnt. So dürfte es außer Bonn auch nicht viele andere Fälle geben. |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 18:11 Uhr: | |
@Florian das Original: "Überhangmandat" ist allerdings ein gängiger Begriff, und die Ausweisung ihrer Zahl ist auch sachgerecht, nachdem das Bundestagswahlrecht grundsätzlich als Verhältniswahl angesehen wird und damit folglich die Abweichung vom Soll angegeben wird. Die Mandate werden schon deshalb nicht wirklich unterschieden, weil Überhangmandate keine konkreten Inhaber haben. Der 17. Bundestag existiert erst seit gestern und besonders viel gibt es dazu noch nicht zu sagen, aber manches auf bundestag.de könnte tatsächlich aktueller sein (z.B. ist die Sitzverteilung längst endgültig). Womöglich sind sie noch mit ihrem Relaunch beschäftigt, mit dem ich mehr Probleme hab, weil die Seiten seitdem extrem zäh laden und massenhaft tote Links produziert worden sind. |
Florian das Original Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 18:33 Uhr: | |
Ratinger Linke: "und damit folglich die Abweichung vom Soll angegeben wird". Ja, genauso steht es auch irgendwo auf bundestag.de. Aber genau das sehe ich anders: Das deutsche Wahlrecht produziert eine bestimmte Mandatsverteilung. ´Dabei gibt es keine "Abweichung vom Soll". Sondern die tatsächliche Mandatsverteilung IST das "Soll". Ein Überhangmandat ist daher auch kein minderwertiges Mandat weil es eine Abweichung vom "Soll" darstellt. Wenn überhaupt, würde ich aus demokratie-theoretischer Sicht genau umgekehrt argumentieren: ein Überhangmandat wird stets von einem direkt gewählten Abgeordneten eingenommen. Dessen Legitimation ist m.E. mindestens gleichwertig mit einem Listenkandidaten. Natürlich haben Sie aber recht, dass "Überhangmandat" ein gängiger Begriff ist. Meine Kritik geht nur dahin, dass gerade der Bundestag selbst ein Interesse daran haben sollte, seine eigenen Mandate nicht auf eine Weise in verschiedene Qualitäten zu unterscheiden (zumal diese Unterscheidung im Wahlrecht selbst so nicht gemacht wird). Was Aktualität angeht: Ich habe da vorhin beim durchblättern etliche veraltete Texte gefunden. Zum Beispiel wird die Bundestagswahl 2009 noch im Futur beschrieben: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/wahlen/index.html "Das nächste Mal werden die rund 62 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland am 27. September 2009 an die Wahlurnen treten und die Zusammensetzung des 17. Bundestags bestimmen." Oder der Text über die Fraktionen (http://www.bundestag.de/bundestag/fraktionen/index.html) bezieht sich noch auf den 16. Bundestag. |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 28. Oktober 2009 - 18:54 Uhr: | |
Ein Überhangmandat hat keine andere Qualität, weil es nur ein rechnerischer Zahlenwert und eben kein reales Mandat ist. Dass der Zahlenwert eine Abweichung vom Soll darstellt, ist jedenfalls die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts. Im Übrigen kann man Überhangmandate auch als Listenmandate betrachten. Im Vergleich zu den Direktmandaten hängen jedenfalls die Listenmandate über. Von einem konkreten direkt gewählten Abgeordneten wird es allenfalls dann eingenommen, wenn der Sitzanspruch der zugehörigen Landesliste 0 war, und auch dann nur aus Sicht dieser Landesliste. |
Bremer Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Freitag, 30. Oktober 2009 - 16:30 Uhr: | |
@Thomas Frings Es fällt auf, daß fünf der 13 MdB's, die keine Wahlkreiskandidaten waren, in den drei Stadtstaaten gewählt wurden. Gibt es Gründe für diese Überproportionalität? |
Clovis Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 03. November 2009 - 14:52 Uhr: | |
Guten Tag Ratinger Linke, Dass der Zahlenwert eine Abweichung vom Soll darstellt, ist jedenfalls die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Kolossal, woher wissen Sie das? Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, Clovis |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 03. November 2009 - 19:15 Uhr: | |
Das lässt sich problemlos dem Überhangmandateurteil entnehmen. Das Soll wird durch den Grundcharakter der Wahl als Verhältniswahl sowie die hälftige Zusammensetzung nach Wahlkreis- und Listenmandaten gemäß § 1 BWG bestimmt, und Überhangmandte verursachen in beiderlei Hinsicht eine Abweichung, die nur in Grenzen zulässig ist. http://www.wahlrecht.de/wahlpruefung/199704101.htm#abs101 (insbesondere Randnummern 101 f) |
Clovis Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Montag, 09. November 2009 - 16:24 Uhr: | |
Guten Tag R.L. Im §1 BWG steht sinngemäß, dass es entweder 598 Bundestagsabgeordnete gibt oder eine andere Anzahl. Wenn 598 ein Sollwert wäre, dann allenfalls ein formaler. Man könnte die Zahl samt dem entsprechenden Satz aus dem Gesetz streichen. ohne materiell auch nur das Geringste am Gesetz zu ändern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, Clovis |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Montag, 09. November 2009 - 17:05 Uhr: | |
Für das Bundesverfassungsgericht hätte es wohl schon einen Unterschied gemacht, wenn § 1 BWG gelautet hätte: (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Deutschen nach den Grundsätzen einer Personenwahl mit beschränktem Verhältnisausgleich gewählt. (2) Der Verhältnisausgleich wird vorbehaltlich der sich aus diesem Gesetz ergebenden Abweichungen auf der Basis von 598 Sitzen durchgeführt. (3) 299 Abgeordnete des Deutschen Bundestags werden nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen gewählt. Weitere Abgeordnete werden nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) gewählt. Jedenfalls hätte es dann seine Begründung ändern müssen. |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Montag, 09. November 2009 - 17:18 Uhr: | |
"Man könnte die Zahl samt dem entsprechenden Satz aus dem Gesetz streichen. ohne materiell auch nur das Geringste am Gesetz zu ändern." Nein, denn nirgends sonst im Gesetz läßt sich ableiten, wie viele Sitze zu verteilen sind. Abs. 1 Satz 2 ist dagegen tatsächlich redundant. |
Clovis Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 10. November 2009 - 13:42 Uhr: | |
Guten Tag Thomas Frings & R.L. Auch wenn ich mich dahingehend geirrt habe sollte, dass die Zahl 598 nirgendwo anders im Gesetz auftaucht, ist die Aussage des §1 des BWahlG unzweitdeutig so zu verstehen, dass es sich dabei um die Summe der Listenmandatsansprüche aller Landeslisten handelt und nicht um die Anzahl der Abgeordneten. Alles andere ist einfach überinterpretiert. 598 ist genau genommen nicht mal eine untere Schranke für die Anzahl der Abgeordneten, weil es passieren kann, dass eine erschöpfte Landesliste nicht alle Mandate besetzen kann, auf die sie einen Anspruch hätte. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, Clovis |
Leser Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 11. November 2009 - 17:03 Uhr: | |
Wieso sollte in inoffiziellen Angelegenheiten nicht ein (List-)Abgeordneter mit dem Wahlkreis, in dem er erfolglos angetreten ist, in Verbindung gebracht werden? Zwar ist das nicht streng korrekt, aber schädlich ja eigentlich auch nicht. |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 11. November 2009 - 21:40 Uhr: | |
"Inoffiziell in Verbindung bringen" ist schon in Ordnung. Dass sich ein Abgeorneter als Lobbyist für den Wahlkreis begreift, in dem er Wahlkampf betrieben hat (und das bei der nächsten Wahl womöglich wieder vorhat), ist nicht so fernliegend. Aber häufig wird der Eindruck erweckt, er sei Repräsentant des Wahlkreises, und das ist absurd. Wobei streng genommen auch die tatsächlich in den Wahlkreisen Gewählten keine Repräsentanten ihres Wahlkreises sind. Eigentlich sind die Wahlkreise in Deutschland rein wahltechnische Gebilde, die lediglich eine Form von Personenwahl gewährleisten sollen. Auch die Inhaber von Direktmandaten sind Vertreter des ganzen Volks, nicht ihres Wahlkreises. |
Arno Nymus Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. April 2011 - 02:32 Uhr: | |
Florian das Original schrieb: quote: Und es ist m.E. gerade für die Bundestagsverwaltung sehr unpassend, die Mandate in "normale" und "Überhangmandate" zu unterscheiden.
Das sehe ich durchaus etwas anders, nicht nur wegen der von Ratinger Linke erwähnten "Soll-Abweichung". Zusätzlich können Überhangmandate aber auch innerhalb einer Legislaturperiode verloren gehen, d.h. sollte ein Direktkandidat aus einem Bundesland ausscheiden, in dem seine Partei mindestens ein Überhangmandat besitzt, so wird der Sitz nicht neu besetzt. Das kommt zwar nicht übermäßig oft vor (etwa 3 pro Legislaturperiode), aber es legitimiert durchaus, die Überhangmandate bei den Mandatssummen gesondert auszuweisen - insbesondere wenn alle Überhangmandate innerhalb der selben Fraktion zu finden sind. |