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Archiv bis 21. September 2009

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Reform des Bundeswahlgesetzes » Archiv bis 21. September 2009 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 17:41 Uhr:   

Bei der Mehrheitsumkehr muss man allerdings auch bedenken, dass das selbst bei einer völlig simplen Listenwahl passieren kann. Den Fall, dass eine einzelne Partei die absolute Mehrheit der Stimmen hat, kann man noch mit Mehrheitsklauseln abdecken, aber bei möglichen Koalitionen müsste man vorher bestimmen, welche im Zweifel vorzugswürdig ist.

Wobei der Fall bei großer Sitz- und kleiner Parteienzahl ziemlich unwahrscheinlich ist und solche knappen Mehrheiten in der Praxis im Bundestag ohnehin nicht tragfähig wären, während bei Überhangmandaten die Verzerrung leicht groß genug werden kann, dass das auch in der Praxis relevant wird.
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Unwissender
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 17:59 Uhr:   

Zitat: "Der Grundcharakter der Verhältniswahl hat mit Mehrheitsverhältnissen nichts zu tun"

@Good Entity:
Aber genau das ist doch der Konstruktionsfehler der augenblicklichen Situation. Bisher hat, soweit ich weiß - und Thomas Frings kann das vielleicht auch wieder mit Zahlen untermauern - erst zweimal eine Partei von den Überhangmandaten einseitig und so stark profitiert, dass die Möglichkeit bestand, das Stimmenverhältnis zwischen Regierungs- und Oppositionsgruppe auf den Kopf zu stellen:
1994 Kohls CDU und 2002 Schröders SPD, deren jeweils knappe Vorsprünge bei den Zweitstimmen erst mit einigen Überhangmandaten zu sicheren Mehrheiten im Parlament führten.
Die von Thomas Frings erwähnten Jahre 1998 und 2005 waren insofern unproblematisch, da bei diesen Wahlen die entstandenen Überhangmandate die parlamentarische Mehrheitsfindung nicht beeinflussen konnten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 18:33 Uhr:   

"1994 Kohls CDU und 2002 Schröders SPD, deren jeweils knappe Vorsprünge bei den Zweitstimmen erst mit einigen Überhangmandaten zu sicheren Mehrheiten im Parlament führten."
2002 hätte es für Rot-Grün auch ohne Überhangmandate mit sechs Stimmen Mehrheit noch gereicht. Wie die Kanzlerwahl 1994 bei 329 zu 327 ausgegangen wäre für Kohl, ist schwer zu sagen. Im ersten Wahlgang hätte es wohl nicht gereicht, aber daß Scharping in der dritten Wahlphase wirklich mehr Stimmen als Kohl bekommen hätte, ist recht fraglich. Herzog hätte einen mit relativer Mehrheit gewählten Kohl sicher ernannt. Es ist durchaus möglich, daß Union und FDP auch mit zwei Stimmen Mehrheit die ganze Legislaturperiode hätten regieren können. Während der Wahlperiode trat Lengsfeld von den Grünen zur CDU über, kein CDU/CSU- oder FDP-MdB hat in der Wahlperiode seine Fraktion verlassen.


@Ratinger Linke
"Wobei der Fall bei großer Sitz- und kleiner Parteienzahl ziemlich unwahrscheinlich ist und solche knappen Mehrheiten in der Praxis im Bundestag ohnehin nicht tragfähig wären,"
Kommt auf die Geschlossenheit an, und darauf, ob der Bundespräsident wohlgesonnen ist. Eine Linksfront mit zwei Stimmen Mehrheit nach der Bundestagswahl wäre zum Scheitern verurteilt, unter anderen Umständen kann eine sehr knappe Mehrheit durchaus funktionieren. Das zeigen auch diverse Beispiele auf Länderebene.
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Unwissender
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 18:55 Uhr:   

@Thomas Frings:
Oh, sorry, da habe ich mich wohl etwas undeutlich ausgedrückt:
Ich wollte darauf hinweisen, dass es 1994 u. 2002 durch die erlangten Überhangmandate BEINAHE zu einer Umkehr gekommen wäre. Insbesondere 1994 wäre es ohne diese Mandate sicher spannend geworden.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 20:17 Uhr:   

@Thomas Frings:
Gut, wenn man eine gerade Sitzzahl voraussetzt, wie sie im Bundestag ohne Überhangmandate wahrscheinlich ist, ist immerhin ein Ausfall drin. Aber bei 300 Sitzen sind Ausfälle (sowohl dauerhafte als auch vorübergehende) viel wahrscheinlicher als in den Landtagen. Zudem gibt es öfter Entscheidungen, bei denen man nicht so gut warten kann, bis mal alle verfügbar sind. Auf eine Opposition, die inkomplette Mehrheiten toleriert, wird man bei einer solchen Lage wohl eher nicht vertrauen dürfen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 20:20 Uhr:   

"Auf eine Opposition, die inkomplette Mehrheiten toleriert, wird man bei einer solchen Lage wohl eher nicht vertrauen dürfen."
Wohl wahr, die Oppsition müßte dann aber erstmal selbst für Vollzähligkeit sorgen.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 20:21 Uhr:   

@Unwissender: Aber genau das ist doch der Konstruktionsfehler der augenblicklichen Situation.

Genau das sieht aber das Bundesverfassungsgericht ganz anders. Daran hatte es nämlich in beiden hier erwähnten Entscheidungen nichts auszusetzen und es sieht darin ersichtlich auch keinen Konstruktionsfehler. Und daran hätte auch der letzte Wahlrechtsänderungsentwurf der Grünen nichts geändert und daran soll auch zukünftig nichts geändert werden. Wie nämlich @Ratinger Linke sehr richtig anmerkt, tritt dieses Problem ganz normal und immer wieder auch ohne alle Überhangmandate bei sehr knappen Ergebnissen beim Verhältniswahlrecht auf.

Auch zukünftig kann es immer wieder vorkommen, dass eine Regierungskoalition zwar knapp die Mehrheit der Sitze, aber die Opposition die Mehrheit der Stimmen hat. Das ist bei einem Parlament mit vier oder mehr Parteien auch nicht zu vermeiden und kann mal diese, mal jene Konstellation treffen. Dafür gibts in anderen Threads hier im Forum auch schon Beispielrechnungen.

@Thomas Frings: Völlig richtig. Hätte halt vor dem Posten nochmal über die Jahreszahl nachdenken sollen.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 20:41 Uhr:   

@Good entity

"Wie nämlich @Ratinger Linke sehr richtig anmerkt, tritt dieses Problem ganz normal und immer wieder auch ohne alle Überhangmandate bei sehr knappen Ergebnissen beim Verhältniswahlrecht auf."

Natürlich ließe sich das vermeiden, indem man festelgt, daß die Parteien vor der Wahl verbindlich für die gesamte Wahlperiode erklären müssen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Dann kann man auch feststellen, welcher Block nach der Mehrheitsklausel das Zusatzmandat bekommt. Am einfachsten wäre natürlich eine Regelung ähnlich der italienischen: Der stärkste Block erhält eine gewisse Zahl an Zusatzmandaten, um die Mehrheit zu sichern.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will das nicht, aber möglich wäre es schon.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 20:57 Uhr:   

Die Verbindlichkeit kollidiert mit der Freiheit des Mandats. Außerdem klappt das nur dann sicher, wenn jede Partei in einen von maximal drei Blöcken gezwungen wird, was mit einer Verhältniswahl wohl kaum vereinbar ist.

Mit einer unverbindlichen, freiwilligen Listenverbindung, die nur für die Mehrheitsklausel gilt, könnte man allerdings ein paar mögliche Fälle abdecken.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 21:02 Uhr:   

@Norddeutscher: Schon klar, sowohl der dritte als auch der vierte Absatz.

Aber das wäre im Grunde eine Wahl nach definiert zwei Blöcken, nicht nach vier, fünf, sechs oder soundsoviel Parteien, letztlich also ein Zweiblock- statt Zweiparteiensystem. Man müsste also das System, nicht (nur) das Wahlrecht ändern.

Im Übrigen stellt sich dann die Frage, was bei einem solchen System unsere Gastposterin Frau Edeltraut Dietert oder auch etwa die NPD oder auch andere nicht kompatible Gruppen erklären, die weder selbst mit anderen noch andere mit diesen zusammenarbeiten wollen. Und was passiert, wenn die NPD erklärt, mit den Linken koalieren zu wollen, diese das jedoch zurückweisen?
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 21:31 Uhr:   

@ Ratinger Linke / Good Entity

Wer keinem Block angehört, könnte natürlich auch in einem derartigen System kandideren. er dürfte halt nur hinterher auch mit keiner anderen Partei koalieren.

Auch für mehr als drei Blöcke könnte man eine Mehrheitsklausel dergestalt schaffen, daß der stärkste Block soviele Zusatzsitze erhält, bis er eine Mehrheit der Sitze erlangt.

Was das freie Mandat angeht: Wir diskutieren über einen Systemwechsel (wie von Ihnen richtig angemerkt). In einem solchen grundlegenden Systemwechsel, könnte man sicherlich auch auf die Idee kommen, das Abgeordnetenmandat anders zu definieren. Nämlich weg vom freien Mandat des Einzelnen, hin zum Vertreter der Partei im Parlament, was bei einem derart starren mit Festschreibung von Mehrheiten für eine Wahlperiode auch konsequent wäre.

Wenn man die Weiterungen denkt, dann wird auch klar, daß das natürlich nicht mehr dieselbe Republik wäre, denn es hieße auch, daß das, was viele Leute schon heute behaupten - nämlich die Allmacht der Parteiführungen zwischen den Vorstandswahlen - dann auch Wirklichkeit würde. Heutzutage haben tatsächlich die von den Landesvertreterversammlungen (bzw. Kreisvertreterversammlungen bei den direkt gewählten Abgeordneten) nominierten Abgeordneten die tatsächliche Macht über die Politik einer im Parlament vertretenen Partei, da kann ein Bundesvorstand oder selbst ein Bundesparteitag sich auf den Kopf stellen. Auch wenn das vielen Medien (Stichwort: "Herr X muß als Parteivorsitzender mal Führungsstärke zeigen und den Abgeordneten Y zur Raison bringen") und wohl auch Bürgern nicht passt, so halte ich doch die dadurch verursachte Vielstimmigkeit aus demokratischer Sicht für durchaus sinnvoll.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 21:50 Uhr:   

So eine Mehrheitsklausel ist dann aber das Gegenteil von dem, worüber wir geredet haben. Anstatt eine Mehrheitsumkehr zu verhindern, erzwingt sie sie. Wenn man das systematisch macht, ist es halt kein Verhältniswahlrecht mehr.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 22:14 Uhr:   

@ Ratinger Linke

Nein, es wird keine Mehrheitsumkehr erzwungen, denn der Block, der eine (auch nur relative) Mehrheit der Stimmen hat, der erhält eine (absolute) Mehrheit derMandate. Eine Umkehr, in dem Sinne, daß ein anderer als der stärkste Block die meisten Mandate erhält, kann ich nicht erkennen. Nach jetzigem Wahlrecht ist dies aber möglich (und auch schon vorgekommen).
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 22:50 Uhr:   

Die Mehrheitsklausel im üblichen Sinn bezieht sich aber immer auf eine absolute Mehrheit. Dass eine nur relative Mehrheit der Stimmen bei einem Verhältniswahlsystem keine absolute Mehrheit der Sitze bekommt, ist der Normalfall. Anderenfalls haben ja die anderen Parteien zusammen eine absolute Mehrheit der Stimmen und bekommen nur eine Minderheit der Sitze, also gibt es eine Mehrheitsumkehr. Ob die jeweilige Mehrheit in der Praxis koalitionsfähig wäre, ist eine andere Frage.

Unter einem Verhältniswahlrecht sind rein relative Mehrheiten prinzipbedingt wertlos.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 23:02 Uhr:   

@Norddeutscher

Aber die (beiden) kleineren Blöcke, die zusammen die Mehrheit der Stimmen hätten, bekämen dann schon wieder nicht die Mehrheit der Sitze. Eine Minderheit, nämlich der größte Block, hätte die Mehrheit der Sitze. Von daher liegt @Ratinger Linke schon ganz richtig. Unser beziehungsweise @Unwissenders Problem wird also auch so nicht gelöst.

Übrigens kommen wir mit dem Vorschlag (den wir alle drei auch gar nicht wollen) außerdem immer weiter vom Verhältniswahlrecht ab. Dann schon lieber zwei Dutzend Überhangmandate samt negativem Stimmengewicht. Typisch für die Politik: In dem wir ein relativ kleines Problem lösen, schaffen wir einige größere ...
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 20. September 2009 - 23:57 Uhr:   

@Ratinger Linke
Zustimmung. Es wird nächsten Sonntag auch wahrscheinlich so sein, daß weder Union+FDP noch SPD+Grüne+Linke die absolute Stimmenmehrheit bekommen. Wenn man keine Mehrheitsumkehr will, müßte man konsequenterweise übrigens gegen jede Sperrklausel sein.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 21. September 2009 - 00:30 Uhr:   

Nein, mit einer Sperrklausel, die alle bis auf die zwei (oder drei) stärksten Parteien ausschließt, könnte man eine Mehrheitsumkehr sogar definitiv ausschließen, wenn man das per Rangfolgewahl macht. Aber das ist dann auch keine Verhältniswahl mehr.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 21. September 2009 - 00:44 Uhr:   

"Nein, mit einer Sperrklausel, die alle bis auf die zwei (oder drei) stärksten Parteien ausschließt, könnte man eine Mehrheitsumkehr sogar definitiv ausschließen,"
Das wäre nur dann richtig, wenn alle Wähler auch wirklich "linientreu" den Parteien des gleichen Lagers die nächstfolgenden Präferenzen geben würden. Das ist unrealistisch.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 21. September 2009 - 01:02 Uhr:   

Jeder Wähler würde ja gewissermaßen die Lager für sich definieren. Wenn man von vorgefertigten Lagern ausgeht, dann kann man die gleich direkt zur Wahl stellen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 21. September 2009 - 01:17 Uhr:   

"Jeder Wähler würde ja gewissermaßen die Lager für sich definieren. Wenn man von vorgefertigten Lagern ausgeht, dann kann man die gleich direkt zur Wahl stellen."
Jeder Wähler mag sein eigenes Lager definieren, die Parteien können das ganz anders sehen. Parteien werden sich durch vom Wähler gefühlte Nähe nicht ähnlicher. Wenn es keine vorgefertigten Lager gibt, kann man überhaupt nicht von einer Mehrheitsumkehr sprechen.

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