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Archiv bis 27. August 2009

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Reform des Bundeswahlgesetzes » Archiv bis 27. August 2009 « Zurück Weiter »

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silencio
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 04. August 2009 - 21:28 Uhr:   

@Matthias Cantow:
Ich kann da jedenfalls nicht erkennen, dass die momentanen Richter die Ansicht (der Häfte) ihrer damaligen Senatskollegen aus 1997 noch teilen.


Als Laie würde mich mal interessieren, inwiefern das BVG vorhergehende Entscheidungen/Interpretationen überhaupt widerrufen kann? Wenn die heutigen Richter eine andere Auffassung haben, bliebe ihnen ja nur die Möglichkeit Überhangmandate nur in begrenztem Umfang zuzulassen. Ist solch eine Grenzziehung dann nicht der Gefahr der Willkür ausgesetzt?
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. August 2009 - 18:03 Uhr:   

Guten Tag Mathias Cantow,

(Trotz Unübersichtlichkeit, bleibe ich mal bei der altmodischen Sitte)

Erlauben Sie mir aus der Begründung des BVerfG zu zitieren, mit der es die Wahlprüfungsbeschwerde verwarf, die offenbar unter anderem von Ihnen erhoben wurde und zwar im Hinblick auf Überhangmandate:

Es muss nicht entschieden werden, ob § 6 Abs. 5 Satz 2 und § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 Satz 2 BWG insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen, als sie die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Verrechnung oder Ausgleich zulassen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat die vom Beschwerdeführer beanstandeten Regelungen aus einem anderen Grund für verfassungswidrig erklärt.

(...)

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Verfassungswidrigkeit von Überhangmandaten wird sich nach einer Neuregelung nicht mehr in der gleichen Weise stellen. Ob und inwieweit die Mandatsverteilung im Deutschen Bundestag mit der Verfassung vereinbar ist, lässt sich nur unter Würdigung des Zusammenspiels der verschiedenen Wahlrechtsnormen und mit Blick auf das vom Gesetzgeber gewählte Wahlsystem beurteilen. Im Rahmen des dem Gesetzgeber nach Art. 38 Abs. 3 GG zustehenden Gestaltungsspielraums wäre bei einer Neuregelung zum Beispiel (...) der Verzicht auf Listenverbindungen nach § 7 BWG (...) denkbar (..). Je nachdem für welche Lösung sich der Gesetzgeber entscheidet, ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mandatsverteilung dann auf der Grundlage des neuen Regelungskomplexes zu beurteilen.


(Hervorhebung von mir)

Daraus leiten Sie ernsthaft eine prinzipielle Verfassungswidrigkeit von Überhangmandaten ab? Ich erlaube mir, ganau das Gegenteil zu folgern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. August 2009 - 19:23 Uhr:   

@Clovis
Daraus leiten Sie ernsthaft eine prinzipielle Verfassungswidrigkeit von Überhangmandaten ab?

Wo bitte habe ich das denn geschrieben?

Erlauben Sie mir aus der Begründung des BVerfG zu zitieren, mit der es die Wahlprüfungsbeschwerde verwarf, [...]

Die Wahlprüfungsbeschwerde wurde gerade nicht wie eine entsprechende Wahlprüfungsbeschwerde zur Bundestagswahl 1998 gemäß § 24 BVerfGG nach etwa einem Jahr verworfen (etwa weil sie offensichtlich unbegründet ist) – sie hatte sich erledigt. Das Gericht hat lediglich begründet, warum es die Beschwerde nicht trotzdem entschieden hat. Insofern wird dadurch weder die von Ihnen vertretene Ansicht des Urteils von 1997 – über die (bis auf den, der Begründung vollkommen widersprechenden 5 %-Ansatz) uneingeschränkte Verfassungsmäßigkeit von Überhangmandaten und der durch sie hervorgerufenen Verzerrungen – noch meine Ansicht, dass die Richter dieser Begründung mehrheitlich nicht mehr folgen, gestützt. Der Verfahrensablauf nach dem, einer Verwerfung üblicherweise vorangehenden und auch in diesen Fällen erstellten Bedenkenschreiben des Berichterstatters, nämlich die Zustellung der Wahlprüfungsbeschwerden an die Verfassungsorgane und Parteien gemäß § 23 Abs. 2 BVerfGG, spricht aber für meine Ansicht. Zwar reicht schon eine der acht Richterstimmen aus, um eine Wahlprüfungsbescherde vor einer Verwerfung als offensichtlich unbegründet zu bewahren, aber wer sich ein wenig mit der Praxis des Gerichts auskennt weiß, dass so etwas nur in Fällen einer Änderung der Mehrheitsmeinung im Senat geschieht. Denn anzunehmen, dass eine Beschwerde gegen eine erst vor wenigen Jahren als verfassungsgemäß beurteilte Regelung im Bundeswahlgesetz nur deshalb nicht verworfen wird, um sie in einem weiteren Beschluss mit einer neuen ausführlichen Begründung zurückzuweisen, ist nicht sehr realtätsnah.

[...] die offenbar unter anderem von Ihnen erhoben wurde und zwar im Hinblick auf Überhangmandate:

Da die Begründung des Gerichtsbeschlusses den Sachverhalt stark verkürzt darstellt, noch diese Ergänzung: Die Beschwerde richtete sich weder gegen externe Überhangmandate noch gegen überhängende Direktmandate (die manchmal schon als Überhangmandate bezeichnet werden).
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. August 2009 - 19:58 Uhr:   

@silencio
Als Laie würde mich mal interessieren, inwiefern das BVG vorhergehende Entscheidungen/Interpretationen überhaupt widerrufen kann?

Das Bundesverfassungsgericht ist – in einem gewissen Rahmen (Stichwort: Selbstbindung) – frei, anders als in früheren Urteilen oder Beschlüssen zu entscheiden, es muss ja auf neue Sachverhalte reagieren oder lernfähig sein können. Die amtierenden Richter hätten etwa wegen der Verletzung der Gleichheit der Wahl interne Überhangmandate als verfassungswidrig beurteilen können (dabei hätten sie sogar an die alte Rechtsprechung vor 1997 anknüpfen können, denn schon dieses Urteil wich erheblich von früheren Entscheidungen ab).

Ist solch eine Grenzziehung dann nicht der Gefahr der Willkür ausgesetzt?

Zu einer Grenzziehung wird es wohl nicht kommen, da das Urteil von vor einem Jahr dem Gesetzgeber einen solchen Freiraum gab, der die absurde Situation entstehen ließ, dass ein Beibehalten eines „eklatant“ verfassungswidrigen Wahlrechts die rechtlich sicherste Alternative für den Gesetzgeber ist (wird zumindest von vielen so gesehen). Und dass gilt vermutlich auch, wenn es weit mehr als 30 Überhangmandate geben und/oder sich eine Minderheit an Stimmen die Mehrheit im Bundestag sichern würde.
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Clovis
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. August 2009 - 11:40 Uhr:   

Guten Morgen Matthias Cantow,

ehrlichgesagt, Ihre phänomenale Sturheit lässt mich etwas ratlos zurück. Offensichtlich weigern Sie sich zur Kenntnis zu nehmen, was die Richter am BVerfG zu dieser Frage in klarem Deutsch niedergeschrieben haben. Stattdessen ergehen Sie sich in der augurenhaften Deutung geheimnisumwitterter Umstände, ein Vorgehen für das die Bezeichnung "Kaffesatzleserei" noch euphemistisch ist. Ich frage mich, ob es einen Sinn hat, die oben von mir zitierte Passage noch einmal in anderen Worten zu paraphrasieren und ahne, dass die Antwort "nein" ist.

Stattdessen möchte ich Sie direkt fragen, ob Sie sich darüber im Klaren sind, wie winkeladvokatig ihre generelle Argumentationslinie ist. Es geht doch um die Frage, ob die proporzverzerrende Wirkung von Überhangmandaten dem GG-Grundsatz der Gleichheit widerspricht. Stellen wir uns doch mal vor: Völlig unstrittig ist, dass eine reine Mehrheitswahl, samt ihrer proporzverzerrenden Wirkung, inklusive der Möglichkeit, dass mit einer Minderheit an Wählerstimmen eine absolute Mandatsmehrheit, ja sogar eine 2/3 Mehrheit errungen werden kann, der Gleichheit der Wahl nicht widerspricht. Das Gleiche gilt auch für eine Grabenwahl. Da soll nun ausgerechnet die Proporzverzerrung durch Überhangmandate, die so klein und unwahrscheinlich ist, dass sie in der 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik noch nie entscheidend zum tragen kam, problematisch sein? Jeder, der seine fünf Sinne beisammen hat, wird diese Frage verneinen.

Natürlich kommt es auf die Details an, ein negatives Stimmgewicht ist nicht akzeptabel, wie es ja auch das BVerfG unmißverständlich festgestellt hat. Ihr Anliegen ist aber reiner Proporzfetischismus, der sich keinesfalls zwingend aus dem GG ergibt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 23. August 2009 - 20:25 Uhr:   

Wie jeder weiß, wurde das Bundestagswahlrecht zu den kommenden Bundestagswahlen nicht geändert. Im Spiegel sprach ja ein Wahlrechtsforscher von der Möglichkeit, das es eine - rechnerische Stimmen - Mehrheit für rot-rot-grün geben könnte, aber eine Mehrheit von Mandaten für Union und FDP. Gibt es denn schon Prognosen für die einzelnen Wahlkreise, die - basierend auf den jetzigen Umfragedaten - einen Trend ergeben. Denn nicht Umfrageergebnisse, sondern die tatsächlich errungene Sitzmehrheit aufgrund von Überhangmandaten im Bundestag ist ja für die Regierungsbildung entscheidend. Ich habe mit einem Freund heute gewettet, dass es möglicherweise zwar auch eine knappe Stimmenmehrheit für rot-rot-grün geben mag, aufgrund des nicht geänderten Wahlrechtes aber - erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik - eine Mehrheit für die - mögliche - Wahlminderheit, also in diesem Fall Union und FDP (wenn es so kommt) geben könnte. Wie seht Ihr dies als Experten für Wahlrecht? Gibt es entsprechende Wahlkreisumfragen und -prognosen?
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Sonntag, 23. August 2009 - 22:50 Uhr:   

Wahlkreisumfragen wohl nicht, Prognosen schon.
Dabei ist noch schwer abzuschätzen, wie die Wähler auf negative Stimmgewichte reagieren. Das wird stark davon abhängen, wie sehr das in Presse und Wahlkampf thematisiert wird. Der Vorteil daraus liegt diesmal fast vollständig bei CDU/FDP.

Wenn man die Umfragen 1 zu 1 gleichmäßig auf die Wahlkreise hochrechnet, also noch ohne obige Überlegung, landet man bei ca. 20-30 Überhangmandaten für die CDU und bei bis zu 3 für die SPD. Das hängt auch etwas davon ab, inwieweit der Trend sich einfach auf die Erststimmen übertragen läßt.
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zigzag
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 23. August 2009 - 23:22 Uhr:   

Wahlkreisprognosen gibt es von election.de

hier
http://www.election.de/cgi-bin/showpoll.pl unter Wahkreise
oder hier
http://www.rtl.de/rtlaktuell/buwahl09_wahlkarte.php

Eine Analyse für die hamburger Wahlkreise von election.de für die Welt
http://www.welt.de/hamburg/article3123037/CDU-kann-Direktmandat-in-Eimsbuettel-gewinnen.html
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Kay Karpinsky
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 12:10 Uhr:   

Da die bei election.de vorgenommenen Vergleiche auf der Erststimmenverteilung von 2005 basieren, ist vieles davon natürlich höchst fragwürdig. Besser wäre vermutlich, erst mal die voraussichtliche Zweitstimmenverteilung zu berechnen. Dann kann jeder mit Blick auf die örtliche Situation und die einzelnen Kandidaten sich selbst ein Bild machen.
Für Berlin, was mit direkt Gewählten aus vier verschiedenen Parteien besonders erfrischend ist, hab ich das mal gemacht. Auf Basis der EP-Wahlergebnisse und der Prognose vom 27.7. (CDU 26, SPD 22, Grüne 19, Linke 14, FDP 13) kann man ungefähr einschätzen, wie sich das auf die zwölf Wahlkreise verteilen könnte. Dabei gibt es immer zwei Varianten. Entweder die Parteien gewinnen oder verlieren gegenüber der EP-Wahl überall den gleichen Betrag an Prozentpunkten. Oder die Zuwachs- bzw. Verlustraten sind ungefähr gleich (wobei man hier einen Ausgleichsfaktor einbauen muss, damit es überall hinhaut). Nimmt man zwischen diesen beiden Varianten einen ungefähren Mittelwert, ergibt sich folgendes Bild:

NRNameCDUSPDGRÜNELINKEFDPandere
76Mitte21.022.524.014.012.56.0
77Pankow16.520.523.522.010.57.0
78Reinickendorf39.523.512.53.516.05.0
79Spandau/Charlottenb-N36.527.012.53.515.55.0
80Steglitz-Zehlendorf36.021.019.03.017.53.5
81Charlottenburg-Wilmersdorf30.022.522.04.517.53.5
82Tempelhof-Schöneberg31.022.522.54.514.55.0
83Neukölln31.526.516.07.012.56.5
84Friedrichsh-Kreuzb/Prenzlb O11.019.035.018.58.58.0
85Treptow-Köpenick18.523.011.030.59.57.5
86Marzahn-Hellersdorf18.020.06.537.09.09.5
87Lichtenberg15.020.58.539.08.09.0


Es kommt also letztlich darauf an, in welchem Umfang und in welcher Richtung vor allem zwischen SPD, Grünen und Linke gesplittet wird. Nach gegenwärtigem Stand können 85, 86 und 87 als sicher für die Linke, 84 als sicher für die Grünen sowie 78 und 80 als sicher für die CDU gelten. In den übrigen reinen West-Wahlkreisen 79, 81, 82 und 83 hat die CDU einen Vorsprung, wobei im WK 82 vermutlich Renate Künast die aussichtsreichste Gegenkandidatin ist (auch wenn der Süden des Wahlkreises ausgesprochen ungrün ist), sonst die jeweiligen SPD-Leute. Für Mitte und Pankow kann man überhaupt keine zuverlässige Prognose aufstellen. Grüne und Linke kommunizieren da jedenfalls recht deutlich, beide Stimmen haben zu wollen, während üblicherweise etwa die Hälfte der FDP-Zweitstimmen zu Gunsten der CDU-Kandidaten gehen sollte. Damit könnte den Wahlkreis 76 möglicherweise sogar die CDU gewinnen, was zusammen mit den anderen sechs West-Wahlkreisen auch ein Überhangmandat ausmachen dürfte. Im Wahlkreis 77 ist die Situation noch komplizierter. Zwar hätte nach obiger Rechnung der Grünen-Kandidat einen Vorsprung, es ist aber gut möglich, dass viele Grün-Wähler aus alter Gewohnheit weiter mit der Erststimme Thierse wählen. Auf jeden Fall sind die Wahlkreise 76 und 77 heiße Favoriten auf den Sieg in der Disziplin "Schlechtester Wahlkreissieger".
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Tim Spier
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 16:07 Uhr:   

Ich finde solche Prognosen eigentlich immer spannend. Nur: Einige Ergebnisse finde ich doch höchst unplausibel. Berlin-Pankow, Grüne stärkste Partei mit 23,5 %? Halte ich doch für mehr als fraglich, 2005 waren das gerade einmal 15,8 % der Zweitstimmen und die Erststimmen lagen noch einmal deutlich darunter. Ihre Interpretation ist dann ja auch deutlich vorsichtiger.
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Kay Karpinsky
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 16:16 Uhr:   

Deswegen habe ich mich für die Verteilung innerhalb Berlins ja an der jüngsten Europawahl orientiert und an dem letzten Umfrageresultat (u.a. Grüne 19%). Das ergibt dann etwa den gelisteten Wert. Es gab in den letzten Jahren, gerade was den Bezirk Pankow anbelangt (außerdem noch Friedrichshain, Neukölln und Wedding), erhebliche Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Aber dass der Wahlkreis 77 am schwierigsten zu prognostizieren ist, hatte ich oben ja schon geschrieben.
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Korinthenk.
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 16:25 Uhr:   

@ Kay Karpinsky:

Ich halte an meiner in einem anderen Thread geäußerten Auffassung fest, dass die Europawahlen wg. der im Vergleich zu den BT-Wahlen geringeren Wahlbeteiligung nicht aussagekräftig sind. Deswegen setze ich ein großes Fragezeichen hinter die Prognose. Das gilt nicht nur für Pankow, sondern auch für Neukölln. Dort hat die CDU in den letzten Jahren massiv an Boden verloren, was man an den BVV-Ergebnissen ablesen kann. Und die mittlerweile eingesetzt habende Gentrifizierung wird nicht zugunsten der CDU gehen. Ganz abgesehen davon, dass Fritz Felgentreu (SPD) auch eher konservativere Bürgerinnen und Bürger anspricht.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 18:27 Uhr:   

Vielen Dank für die Antworten. Ich habe aber noch eine Frage. Wenn für die Union die obere der angegebenen Grenze, also rund 30 Überhangmandate anfallen, so sind dies doch 10% aller "Wahlkreis"-Mandate bzw. rund 5% aller Bundestagssitze. Nun hat das BVerfG in seinem Überhangmandateurteil von 1997 doch die Grenze von 5% an Überhangmandatssitzen für tolerierbar erklärt. Worauf bezieht sich diese Grenze? Auf die Gesamtzahl der Bundestagssitze - dann wären die 5% gerade erreicht - oder nur auf die Sitze, bei denen Überhangmandate anfallen können, also auf die "Wahlkreismandate"? Denn dann wären es ja rund 10% der Mandate und dies hat das BVerfG in seinem Urteil von 1997 ja für nicht mehr tolerierbar gehalten.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 19:23 Uhr:   

Ich habe übrigens noch einmal das Interview mit Prof. Behnke auf Spiegel Online herausgesucht. Er rechnet ebenfalls mit rund 20 Überhangmandaten für die Union und max. 3 Überhangmandaten für die SPD:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,633073,00.html
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. August 2009 - 20:44 Uhr:   

"Ich habe aber noch eine Frage. Wenn für die Union die obere der angegebenen Grenze, also rund 30 Überhangmandate anfallen, so sind dies doch 10% aller "Wahlkreis"-Mandate bzw. rund 5% aller Bundestagssitze."
Das BVerfG meinte 5% aller Sitze OHNE Überhangmandate.

Ich habe mal die Zahl der Überhangmandate bei den aktuellen Umfragen ausgerechnet, gleiche Veränderung in Prozentpunkten bei Erst- und Zweitstimmen und in allen Wahlkreisen vorausgesetzt:

Emnid: CDU 23, SPD 1
Forsa: CDU 22, SPD 1
Forschungsgruppe Wahlen : CDU 23, SPD 1
Infratest dimap: CDU 24, SPD 3
Allensbach: CDU 26, SPD 1

Die CDU hätte danach sogar in allen fünf Fällen 3 bis 9 externe Überhangmandate, die auch bei einer Kompensationslösung nicht ausgeglichen würden.

Bei solchen Berechnungen ist die Unsicherheit aber sehr groß. Zu den üblichen Unsicherheiten bei Umfragen kommt dazu, daß sich das Wahlverhalten regional unterschiedlich entwickelt und auch das Splittingverhalten sich von Wahl zu Wahl stark ändern kann, insbesondere bei FDP-Wählern.

Allgemein kann man sagen: die CDU bekommt dann besonders viele Überhangmandate, wenn sie mäßig und die SPD sehr schlecht abschneidet und die Linkspartei im Osten stagniert oder verliert. Diese Konstellation ist bei den derzeitigen Umfragen annähernd gegeben. Es stellt sich aber die Frage, ob die SPD wirklich so mies abschneidet. Nachdem die Umfrageinstitute die SPD vor der Europawahl viel zu hoch taxierten, verfällt man nun offenbar eher ins Gegenteil (zumindest für den Bund). Andererseits erscheinen die 12 oder 13% für die Grünen unglaubwürdig hoch.
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Kay Karpinsky
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 25. August 2009 - 14:52 Uhr:   

Das gleiche Spielchen wie für Berlin nochmal für Mecklenburg-Vorpommern. Hier gab es nur eine Umfrage zur Landtagswahl (Mai 2009), die Ergebnisse erscheinen aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Basis war also eine landesweite Verteilung von (%) CDU 32, SPD 25, LINKE 22, FDP 10, GRÜNE 5, NPD 4. Für die regionale Verteilung Orientierung am EP-Wahlergebnis, für die NPD Kreistage. Ungefähre Zweitstimmenverteilung wäre dann diese:

NRWKCDUSPDLINKEFDPGRÜNENPDand
12HWI-NWM-PCH30.530.520.010.04.53.01.5
13SN-LWL28.530.520.510.05.04.01.5
14HRO-DBR NE24.028.025.011.08.02.02.0
15HST-NVP-RÜG39.518.522.010.04.04.51.5
16HGW-DM-OVP36.519.022.510.05.05.51.5
17DBR SW-GÜ-MÜR33.525.520.510.54.53.52.0
18NB-MST-UER32.523.025.59.03.55.01.5

Den Spezialeffekt für Nordvorpommern durch die lokale Prominenz des CDU-Europakandidaten muss man nicht ausgleichen, da durch Angela Merkel eine ähnliche Wirkung auch bei der Bundestagswahl auftreten dürfte.
Für der Erststimmenverteilung ist zu berücksichtigen, dass es im Osten generell weniger Stimmensplitting gibt als im Westen und zwischen SPD und LINKE praktisch gar keins. Bei gleich unterdurchschnittlicher Wahlbeteiligung werden die Grenzen für Listenmandate sich nicht stark gegenüber 2005 verschieben, da der größte Teil des Bevölkerungsrückganges noch auf die Unter-18-Jährigen entfällt. Damit entsprechen den Sitzanzahlgrenzen etwa die Prozentzahlen 3.9-11.7-19.5-27.3-35.1. Entscheidend ist also der Wahlkreis 12. Gewinnt hier die CDU, hat sie einen Überhang, wofür vermutlich landesweite 31% nötig sein werden.
Für Parteien und Personen bedeutet die Situation folgendes: Für die CDU ist drin, wer seinen Wahlkreis gewinnt. Für die SPD wahrscheinlich Hacker (13) und Kleiminger (14) direkt, Steffen (15) über Liste. Sollte es für vier Mandate reichen, wird wahrscheinlich Stephan Bliemel auch den WK 12 gewinnen, so dass es für Dirk Manzewski (17) so oder so nicht reichen wird. Die Linke bekommt ziemlich sicher ihre drei Sitze, bei einem sehr guten Ergebnis bekäme das vierte Mandat vermutlich nicht Peter Ritter (16), sondern als Wahlkreissieger entweder Bockhahn (14) oder Koplin (18). Für die FDP ist ein Sitz (Christian Ahrend) sicher, ein zweiter unwahrscheinlich. Das grüne Mandat (Harald Terpe) ist nie ganz sicher (2005 Idealanspruch 0,523), wird aber schon bei minimalen Zuwächsen gehalten werden können.
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. August 2009 - 00:11 Uhr:   

Die 20-30 Überhangmandate sind eher eine Untergrenze. Dazu kommen die Sitze durch Wähler, die auf negative Stimmgewichte reagieren (also ca. Anteil betroffener CDU Wähler x 100).
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. August 2009 - 20:30 Uhr:   

Wenn dies wirklich so ist, dann dürfte schon aus Gründen des zur Zeit noch nicht geänderten Bundeswahlgesetzes - also aus Gründen des "Wahlrechtes" der Sieg von schwarz-gelb und der Erwerb der absoluten Mehrheit der Mandate für Union und FDP im nächsten Bundestag - ziemlich feststehen, auch wenn sich am Wahltag SPD, Grüne und Linke gegenüber dem konservativ-liberalen Lager noch verbessern sollten.
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Cyrix
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. August 2009 - 20:56 Uhr:   

Ja, tatsächlich braucht Rot-Grün-Rot einen Vorsprung von 3-5 % vor Schwarz-Gelb in den Zweitstimmen, damit es zu einer Mandatsmehrheit kommt...

Cyrix
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. August 2009 - 00:08 Uhr:   

"Die 20-30 Überhangmandate sind eher eine Untergrenze. Dazu kommen die Sitze durch Wähler, die auf negative Stimmgewichte reagieren (also ca. Anteil betroffener CDU Wähler x 100)."
Es geht doch weniger um Vermeidung negativen Stimmgwichts, sondern um das Maximieren von Überhangmandaten. Das kann man nicht gleichsetzen. Vom Entstehen des negativen Stimmgewichts haben 99,99% der Wähler eh keinen Schimmer. Wenn man sich mal die repräsentative Wahlstatistik für 2005 anschaut, dann kann man auch keinen Zusammenhang zwischen Ausmaß des Stimmensplittings und der Wahrscheinlichkeit von Überhangmandaten im Bundesland erkennen. Natürlich, theoretisch wäre Stoiber 2002 Bundeskanzler geworden, wenn alle oder auch nur nur 50% der CSU-Zweitstimmenwähler statt CSU mit der Zweitstimme FDP gewählt hätten. Aber so handeln die Wähler halt in der Realität nicht (wobei dann natürlich auch die Wähler des gegnerischen Lagers dazwischenfunken können) und es ist auch nicht ersichtlich, woher die Wähler plötzlich so viel mehr Durchblick haben sollen. Eine große Mehrheit kennt ja nicht einmal den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme. 20-30 Überhangmandate sind mit Sicherheit Obergrenze, eine Konstellation wie in derzeitigen Umfragen wäre ja bereits nahezu ideal für möglichst viele Überhangmandate.


@Cyrix
"Ja, tatsächlich braucht Rot-Grün-Rot einen Vorsprung von 3-5 % vor Schwarz-Gelb in den Zweitstimmen, damit es zu einer Mandatsmehrheit kommt..."
Naja, 5% ist wohl übertrieben. Sollte Rot-Rot-Grün wider Erwarten ein paar Prozentpunkte vorne liegen, dann bekommt die Union erheblich weniger Direktmandate als jetzt vermutet und damit weniger Überhangmandate.

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