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Archiv bis 13. Januar 2003

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Landtagswahlen in Deutschland » Können Hessen-Wahlen angefochten werden? » Archiv bis 13. Januar 2003 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 22:17 Uhr:   

Das "Heute-Journal" berichtet heute abend unter Berufung auf die Staatsrechtler Denninger und Von Arnim, die am 02. Februar stattfindnden Landtagswahlen in Hessen könnten angefochten werden. Grund: Die Wahlkreise seien nicht nach den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von 1997 neu geschnitten worden, wie es im Bund und anderen Bundesländern erfolgt sei. Jeder unterlegene Abgeordnete oder Bürger könne daher die Wahl anfechten. Zunächst müßte der Wahlprüfunsausschuss des Hessischen Landtages, dann - nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Zulässigkeit der letzten Landtagswahl, der Staatsgerichtshof über die Gültigkeit der Wahl entscheiden. Spätestens in der neuen Legislaturperiode, so das "Heute-Journal" vo 09. Januar 2002, müssten die Wahlkreise neu geschnitten werden. Ein Wahlkreis in Wiesbaden habe wesentlich mehr Wahlberechigte als ein anderer in Gießen, daher habe der Wiesbadnr Wahlkreis ein höheres Stimmgewicht. Das Bundesverfasungsgericht atte ja etshieden, dieWahlkreise nach ihrer Bevölkerung entspechend neu u scneiden. Die Abweichung darf eine bestimmte Proentzahl (ich glaube 25%) nicht übersteigen. Es sei in Hessen im Gegensatz zum Bund und zu anderen Ländern veräumt worden, das BVefG-Urteil umzusetzen. Aus Wiesbaden: kein Kommentar !!!! Was meint ihr dazu?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 22:28 Uhr:   

Ich habe jetzt den im "Heute-Journal" gebrachten Filmbericht als Quelle im Hessischen Rundfunk gefunden (bei Hessen heute). Anbei die Meldung:
Landtagswahl

Staatsrechtler nennt Einteilung der Wahlkreise verfassungswidrig

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Landtagswahl hat der Staatsrechtler von Arnim geltend gemacht.
Der Zuschnitt von mehr als einem Drittel der 55 Wahlkreise verletze die verfassungsrechtlichen Vorgaben, sagte von Arnim am Donnerstag im "heute-journal". In manchen Wahlkreisen lebten mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie in anderen. Diese hätten somit ein erheblich kleineres Stimmgewicht.

Das Bundesverfassungsgericht habe 1997 entschieden, dass eine solche Regelung nicht mit dem demokratischen Prinzip der Gleichheit der Wahl vereinbar sei.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 23:45 Uhr:   

Selbiges Thema bei Spiegel online:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,230021,00.html

Wenn das so stimmt, ist es wirklich schwerwiegend. Aber warum kommt der Typ gerade jetzt darauf?
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 00:30 Uhr:   

Ich halte das Ganze für ziemlichen Humbug. Arnim hat das Wahlsystem entweder nicht verstanden oder er will sich mal wieder wichtig machen (oder beides). Ähnliche Unterschiede in der Wahlkreisgröße gab es schon bei vielen Landtags- u. Bundestagswahlen, meistens wurde deshalb wenig Aufhebens gemacht, auch nach dem Urteil von 1997.
Unsinn ist die Argumentation deshalb, weil mit der unterschiedlichen Wahlkreisgröße eben KEIN unterschiedlicher Erfolgswert der Stimmen verbunden ist. Denn für die Mandatsanteile im Landtag sind praktisch ausschließlich die Zweitstimmenanteile im ganzen Land maßgeblich. Direktmandate für Parteilose gab es in Hessen noch nie und Überhangmandate sind dort auch sehr unwahrscheinlich, und für diese gibt es ja auch unbegrenzt Ausgleichsmandate. Kurz: Der Einfluß eines Wählers in einem großen Wahlkreis ist genauso groß wie in einem kleinen Wahlkreis und nur darauf kommt es an.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 00:47 Uhr:   

@Thomas:

Das sehen die allermeisten Staatsrechtler aber ganz anders. Der Fall "Hessen" ist ähnlich - um nicht zu sagen: identisch - mit der Situation in Niedersachsen bei der Wahl 1998. Der Niedersächsische Staatgerichtshof hatte damals die Verfassungswidrigkeit der Wahlkreiseinteilung festgestellt:

http://www.wahlrecht.de/landtage/stgh.htm

Die Begründung, warum die Wahl trotzdem gültig blieb, war - höflich formuliert - sehr knapp...

Leider will der hessische Landeswahlleiter für den Download aktueller Bevölkerungszahlen der Landtagswahlkreise 10 EUR haben. Bei der letzten Landtagswahl 1999 sprengten aber bereits zehn von 25 Wahlkreisen die bei Bundestagswahlen geltende Höchstabweichung von 25%:

+40,64% Kassel-Land II
+25,87% Lahn-Dill II
+41,13% Gießen II
+32,37% Wetterau I
+39,15% Wetterau II
-32,02% Wiesbaden II
-27,32% Frankfurt I
+31,43% Main-Kinzig I
+38,42% Main-Kinzig III
+27,34% Bergstraße I
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 01:02 Uhr:   

@ Wilko
Bisher war das Totschlagargument bei im Grunde berechtigten Wahlanfechtungen doch fast immer, der zu beanstandende Fehler habe das Wahlergebnis nicht wesentlich beeinflußt. Das dürfte wahrscheinlich auch diesmal greifen, denn die Sitzverteilung wird ja durch die ungleiche Wahlkreisgröße nicht beeinflußt.
Und was das Gericht in Niedersachsen entscheidet, muß ja für Hessen nichts heißen. Da gab es in der Vergangenheit ja auch unterschiedliche Rechtsprechung. In Bayern war ja z.B. die getrennte Anwendung von d'Hondt in den Wahlkreisen verfassungswidrig, in Rheinland-Pfalz aber nicht (dort wurde nur beanstandet, daß die faktische Sperrklausel z.T. weit über 5% lag). Und selbst eine Verfassungswidrigkeit muß ja keine Ungültigkeit zur Folge haben, auch das wurde unterschiedlich gehandhabt. In Niedersachsen und Bayern änderte sich für die laufende Wahlperiode nichs, in Rheinland-Pfalz wurden 3 Sitze in der laufenden Wahlperiode zugunsten der FDP umverteilt.
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Cram
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 01:53 Uhr:   

Wilko Zicht,

das Urteil ist durchaus nachvollziehbar (Entscheidung für Niedersachsen). Zwar liegt ein Anfechtungsgrund vor. Doch Voraussetzung für eine Anfechtung ist nicht nur das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes. Der Irrtum (in dem Falle die fehlerhafte Wahlkreiseinteilung) müßte auch erheblich sein.
Im vorliegenden Fall sind ja nicht alle Wahlkreise vom Wahlfehler betroffen. Eine Abweichung von 1/3 nach oben und unten ist zulässig. Somit läge nur eine Teilnichtigkeit der Wahl vor (Wahl wäre nur in den Wahlkreisen die mehr als 1/3 abweichen nichtig).
Eine Teilanfechtung ist jedoch nur möglich wenn das Rechtsgeschäft teilbar ist. Das setzt voraus das das Rechtsgeschäft auch ohne das nichtigen Teilgeschäft abgeschlossen wurde. Wäre die Wahl in den betroffenen Wahlkreisen nicht möglich gewesen, so wäre nach verbreiteter Auffasung die gesamte Wahl verschoben worden. Nach allgemeiner Auffasung würde ein unterschiedlicher Wahlzeitpunkt zu einer Wahl (in diesem Fall LTW NS) dazu führen das die Gleichheit der Wahl nicht gewährleistet ist, da die Wähler nicht über dieselben Informationsmöglichkeiten potenziell verfügt haben. Somit ist davon auszugehen das die Wahl als ein unteilbares Rechtsgeschäft anzusehen ist. Somit liegt keine Teilnichtigkeit vor.
Allerdings könnte die ganze Wahl nichtig sein. Dafür würde der Grundsatz sprechen das Rechtsgeschäfte die Teilnichtig sind zur Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts führen, wenn dieses nicht ohne den nichtigen Teil vorgenommen wurde. Dies ist ist der Fall. Die Nichtigkeit setzt aber eine wirksame Anfechtung voraus.

Das vorliegen eines Anfechtungsgrundes wurde bejaht. Allerdings müßte der Wahlfehler auch erheblich sein. Das setzt voraus das der Wahlfehler bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles erheblich für das Wahlergebnis und damit die Zusammensetzung des Landtags war. Dies verneint das Gericht unter Verweis darauf das der Landtag ein größtmöglichen Bestandsschutz gebieße und daher der Wahlfehler in seiner möglichen Auswirkung nicht ausreichend gewichtig sei. Dem ließe sich allerdings entgegenhalten, das in Niedersachsen immerhin zwei Überhangmandate entstanden sind, die möglicherweise nicht entstanden wären, wenn die Wahlkreise auf die rechtmäßige Weise zugeschnitten worden wären. In diesem Fall hat ja das Erstimmenergebnis zur Veränderung der Zusammensetzung des Landtags geführt. Dem ließe sich nun allerdings entgegenhalten das die Mehrheitsverhältnisse der Fraktionen des Landtages sich nicht verändert hätten wenn die zwei Überhangmandate (beide für die SPD) weggefallen wären.

Auch wenn dieses Urteil in einem anderen Bundesland beschlossen kann es insofern als aussagekräftig für Hessen herangezogen werden als es sich auf das Bundesverfassungsgericht bezieht, das grds. einen sehr hohen Bestandsschutz für Wahlen gewährt (vgl. BVerfGE 89, 243, 253). Dies hatte das BVG auch bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Verfahrens vor dem hessischen Wahlprüfungsgericht Anfang 2001 noch einmal festgestellt. Anders als in Niedersachsen ist es in Hessen praktisch ausgeschlossen das Überhangmandate bestehen. Also würde ein Wahlfehler im Bezug auf den Zuschnitt der Wahlkreise überhaupt keine Veränderung auf das Wahlergebnis und die Zusammensetzung des Landtages (auf die jeweilige Fraktionsstärke) haben würde. Ein solcher Wahlfehler wäre jedenfalls weniger gravierend als der in Niedersachsen. Eine wirksame Anfechtung der Wahl ist daher nicht wahrscheinlich.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 15:48 Uhr:   

@Cram:
Ich will wirklich hoffen, daß das so richtig ist ;-)
Mal unabhängig davon, wie das Ergebnis am 2. 2. aussehen wird - ich habe so überhaupt keine Lust, die ganze Arbeit noch einmal zu machen.

Ansonsten noch eine Nachfrage:
Es ist wohl zu erwarten, daß eine Änderung der Wahlkreise keinen Einfluß auf die Fraktionsstärken und damit auf die Mehrheitsverhältnisse haben würde - damit würde das "Erheblichkeits"-Argument in der Tat entfallen.

Aber ist denn nicht auch wichtig, wer innerhalb einer Liste zum Zuge kam und wer nicht?

Wenn jetzt in einem der stark abweichenden Wahlkreise ein Direktkandidat knapp durchfallen würde, der über die Liste nicht abgesichert ist - dann wäre es doch zumindestens für diesen Wahlkreis und die Wähler dort erheblich, daß er bei einem anderen Zuschnitt vielleicht doch zum Zuge gekommen wäre.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 17:44 Uhr:   

Die 25% waren übrigens auch bei der Bundestagswahl ausgereizt, wenn nicht überschritten. Wenn ich die Bevölkerungszahlen von Ende 1999 mit den Wachstumsraten von 1999 auf den Tag der Wahl hochrechne, komm ich bei Rostock (014) auf -25,5% und bei Freising (216) auf +24,9%.

Das wär allerdings in erster Linie ein Verstoß gegen das Wahlgesetz, das in Hessen keinerlei Vorgaben macht. Und die Vorgaben vom Bundesverfassungsgericht sind, soweit ich weiß, nicht ganz eindeutig. Ist überhaupt klar, auf was sich die häufig genannte Maximalabweichung von 1/3 bezieht? Auf die Bevölkerung, die deutschen Staatsbürger, die Wahlberechtigten oder sonst was? Der niedersächsische Staatsgerichtshof argumentiert mit Wahlberechtigten. Wenn das der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts entspricht, dann sind alle in Gesetzen existierenden Grenzen eigentlich relativ irrelevant, weil sie einen anderen Maßstab haben.

Ralf:

Aus der Sicht der Kandidaten machen ungleich große Wahlkreise wenig Unterschied. Gegenüber Bewerbern im selben Wahlkreis sowieso, und in der Konkurrenz zu Bewerbern der eigenen Liste seh ich nur einen leicht erhöhten Aufwand für den Wahlkampf, der im Verhältnis zu strukturellen Unterschieden der Wahlkreise wohl ziemlich vernachlässigbar ist.

Das Problem ist eher aus Sicht des Wählers, der in großen Wahlkreisen eine anteilig schwächere Vertretung hat. Aber auch das ist ein verhältnismäßig kleines Problem, weil ein Wahlkreis ja seine Vertretung durch Ausscheiden des betreffenden Abgeordneten ganz verlieren kann (oder ist das in Hessen anders?).
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 21:29 Uhr:   

Wenn ich die Diskussionen zusammenfasse, wären also die Erfolgschancen einer Anfechtung der Landtagswahl wegen der hohen Hürden, die das BVerfG dem Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung (vgl. das Urteil zur letzten hessischen Landtagswahl 1999 und der Kompetenzen des Hessischen Wahlprüfunsgerichtes) und aufgrund der Tatsache, dass sich die Zahl der Landtagsmandate in Hessen überwiegend über die Zweitstimme und nicht die Erststimme ergibt, sehr gering.
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Cram
Veröffentlicht am Freitag, 10. Januar 2003 - 23:35 Uhr:   

Ralf,

"Aber ist denn nicht auch wichtig, wer innerhalb einer Liste zum Zuge kam und wer nicht?
Wenn jetzt in einem der stark abweichenden Wahlkreise ein Direktkandidat knapp durchfallen würde, der über die Liste nicht abgesichert ist - dann wäre es doch zumindestens für diesen Wahlkreis und die Wähler dort erheblich, daß er bei einem anderen Zuschnitt vielleicht doch zum Zuge gekommen wäre."

Für die betroffenen Wahlkreise ist es natürlich ein bedeutender Fehler. Durch die fehlerhafte Zuteilung liegt ja eine große Unter- bzw. Überpräsentation bestimmter Gebiete vor. Das diese fehlerhaften Wahlkreiszuschnitte Auswirkungen neben der in Hessen eher theoretischen Möglichkeit einer Veränderung der Stärke der Fraktionen durch Überhangmandate auch Einfluß auf die Zusammensetzung der Fraktionen haben kann (über Liste und Direktmandate) ist unbestreitbar. Für nicht abgesicherte Kandidaten kann dies ein Grund des Scheiterns bei der Wahl sein. Nur sind eben aber eben nur einige Wahlkreise vorhanden die ober-bzw. unterhalb der zulässigen Schwankung liegen. Angesichts des großen Bestandsschutzes den Wahlen genießen (das BVG hat Anfang 2001 schon sehr hohe Hürden für die Anfechtung gestellt) erscheint es daher für das Gesamtwahlergebnis als nicht ererheblich. Die hohen Hürden für eine Anfechtung ergeben sich auch gerade daraus, das eine Teilnichtigkeit einer Wahl nicht möglich ist (für die betroffenen Wahlkreise wäre ansich der Wahlfehler schon erheblich und daher eine Teilnichtigkeit zu bejahen).
Daher muß der die Erheblichkeit des Wahlfehlers schon ein sehr gravierendes Maß annehmen um eine Nichtigkeit der gesamten Landtagswahl und des aus ihr hervorgegangenen, durch Bestandschutz geschützten Landtags zu begründen.
Dabei hat das Gericht einen Ermessensspielraum. Bei dem Begriff Erheblichkeit geht es um einen unbestimmten Rechtsbegriff (nicht im Gesetz bestimmt). Die Gerichte orientieren sich in solchen Fällen in der Regel an der Entscheidung höherer Gerichte (hier vor allem BVG) und der Literatur. Absolute Sicherheit über ein mögliches Urteil kann man nicht haben. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Aber es ist festzuhalten das das Gericht bei der Feststellung der Erheblichkeit neben der Sachlage auch eine verständige Würdigung des Einzellfalles vornehmen muß. Von daher erscheint es nicht nur aufgrund des Bestandsschutzes sondern auch schon aufgrund des Grundsates der Verhältnismäßigkeit als unangemessen wegen möglicherweise einiger Fällen der Nichtwahl von Kandidaten die nicht über die Landesliste abgesichert sind eine Nichtigkeit der Gesamtwahl zu begründen. Zumal in den Fällen die Kausalität für ihre Nichtwahl praktisch nicht nachgewiesen werden kann. Denn man kann nicht unterstellen wie die Wahlkreise bei korrekter Aufteilung ausgesehen hätten, wie der Zuschnitt gewesen wäre. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Mangels Erheblichkeit dürfte dieser Anfechtungsgrund schon mal wegfallen. Anders sieht es allerdings mit der ungleichen Representanz aus. Das ist der eigentlich gravierendere Fehler. Bestimmte Orte, Kreise, Landstriche sind rechtswidrig über- bzw. unterrepräsentiert. Wenn bei der überwiegenden Zahl der Wahlkreise ein rechtswidriger Zuschnitt vorläge wäre das sicherlich ein Grund für eine Nichtigkeit der Wahl. Die Frage des Ausmasses der betroffenen Wahlkreise dürfe daher von Bedeutung sein, aber eben auch ob bestimmte Kreise des Landes durch den Wahlkreiszuschnitt systematisch über- bzw. unterrepräsentiert werden. Allerdings dürfte wie bereits schon mehrfach gesagt eine sehr hohe Hürde für eine Nichtigkeit bestehen und von daher erscheint es doch als sehr unwahrscheinlich.
Allerdings wäre es schon interessant zu erfahren wieviele Wahlkreise nun betroffen wären. Hat jeman dazu Infos?
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Cram
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 01:38 Uhr:   

Ralf, c07
Ich muß in einem Punkt etwas richtigstellen/korrigieren:
Eine Teilnichtigkeit von Wahlen ist grundsätzlich möglich, im vorliegenden Fall (eines Fehlers bei der Wahlkreiseinteilung allerdings nicht). Eine Teilanfechtung ist möglich. Wirksam ist die Anfechtung aber nur dann wenn der Wahlfehler für die Gesmantwahl erheblich war. Die Erheblichkeit für die betroffenenen Wahlkreis reicht eben nicht aus. Von daher sind auch für eine Teilanfechtung die Hürden sehr hoch gelegt.
Aus dem Grunde hat eben auch das niedersächsische Staatsgerichtshof die Beschwerde zurückgewiesen. Das Gericht führt neben der Begründung den größtmöglichen Bestandschutz des Landtages, die untergeordnete Bedeutung der Erststimme an. Der entscheidend Punkt ist allerdings der folgende. "Denn die Neuwahlen könnten nicht auf den gerügten Wahlfehler beschränkt werden, sondern würden das Wahlergebnis vom 1.3.1998 insgesamt für die Zukunft ersetzen." - Das folgt eben daraus das das ein Neuzuschnitt der Wahlkreise erforderlich gewesen wäre. Man hätte sich ja gerade nicht auf die betroffenen Wahlkreise beschränken können. Eine Teilnichtigkeit schied von daher aus. Eine Gesamtnichtigkeit der Wahl festzustellen hielt das Gericht nicht für geboten und verneinte von daher die Erheblichkeit für eine Anfechtung obschon es sie grds. für eine Teilanfechtung bejahte unter Hinweis darauf das der Grundsatz der Gleichheit der Wahl durch die übermäßige Unter-bzw. Überrepresentation verletzt sei(die aber in dem Fall ausgeschlossen war, da die Neuwahl sich nicht auf den gerügten Wahlfehler beschränken ließ). Folgt man dieser Argumentation, so wäre eine Nichtigkeit der Wahl wegen eines fehlerhaften Zuschnitts der Wahlkreise jedenfalls nur dann geboten wenn eine sehr große, wenn nicht die überwiegende Zahl auf verfassungswidrige Weise zugeschnitten ist.
Da die Rechtslage was das Wahlgesetz angeht in Niedersachsen und Hessen ähnlich ist, erscheint doch die Chance für eine wirksame Anfechtung sehr gering. Das gilt zumal da in NS neben den fehlerhaften Zuschnitt auch noch die Überhangmandate ins Feld geführt wurden. Schon die Gründe eine Anfechtung in Hessen sind daher geringer als in Hessen.

P.S.: Der Verweis der NS StGH auf die Zahl der Wahlberechtigten ist auch mir schleierhaft. Als Kriterium für die Einteilung in Wahlkreise gilt die Einteilung nach der deutschen Bevölkerungszahl. Dies orientiert sich am GG, das besagt alle Staatsgewalt gehe vom Volk aus. Laut Definition des BVG sind mit dem Begriff die deutschen Staatsangehörigen gemeint. Dazu zählen eben auch die Minderjährigen. Eine Einteilung anhand der deutschen Wohnbevölkerung erscheint von daher vertretbar; dies ist das bei BTW verwendete und in der Literatur meist als Grundlage genannte Verfahren.
Da weder in Hessen noch in NS eine eigene gesetzliche Regelung zu dieser Frage haben wäre eine Orientierung an den BTW-Regeln plausibel. Wie groß die Abweichung sein darf ist ebenso eine Auslegungsfrage: da jedoch auf Bundesebene kein Ausgleich von Überhangmandaten stattfindet (anders als auf Landesebene) ist davon auszugehen das Abweichungen mindestens bis zu einem Drittel zulässig sind.
Bei BTW beträgt die maximale Höchstabweichung 33,33% (Quelle http://www.bundestag.de/info/wahlen/wahlverfahren/wahlen4.html#10)
Eine Neuaufteilung der Wahlkreise ist vorgeschrieben wenn die Abweichung mehr als als 25% beträgt.

§3 Abs. 3. BWahlG: Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises soll von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht um mehr als 15 vom Hundert nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 vom Hundert, ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen.

Daraus folgt jedoch nicht, das eine Abweichung von über 25% oberhalb der Höchstgrenze ist. Erst ab 25% Abweichung ist der Gesetzgeber verpflichtet eine Neuabgrenzung vorzunehmen. Dafür wird ihm jedoch Zeit gewährt, da eine Neufestsetzung ja eine Neufestlegung der Wahlkreisaufteilung insgesamt entspricht. Daher ist nach h.M auch eine Abweichung von bis zu 33% nicht zu beanstanden und ist kein Anfechtungsgrund. Wendet man das nun analog auf Hessen an und bezieht sich auf die von Wilko für 1999 genannten Zahlen so ergibt sich bei Zugrundelung der 1/3-Grenze das nicht 10 von 55 Wahlkreisen, sondern nur 4 diese überschreiten. Das sind weniger als 10% aller Wahlkreise. Das würde keine komplette Anfechtbarkeit der Wahl begründen (Teilanfechtung in dem Fall wie gesagt nicht möglich) Wie die Lage heute aussieht weiß ich nicht. Aber das eine exorbitante Zunahme der Wahlkreise oberhalb der Höchstabweichung von 1/3 stattgefunden hat ist zu bezweifeln.
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 02:59 Uhr:   

Cram:

Die angegebene Höchstabweichung von 33,33% auf bundestag.de ist offensichtlich veraltet und bezieht sich auf die alte Fassung des BWG. Dort wird ja auch von den 299 Wahlkreisen noch im Konjunktiv gesprochen.

Allerdings kann man die 25%-Grenze wirklich so verstehn, dass sie nur eine Korrektur für die Zukunft verlangt. Bloß frag ich mich, wozu dann die separate Soll-Grenze gut sein soll. Wenn man schon nicht willens ist, die großzügigere Grenze in jedem Fall einzuhalten, dann kann sie doch nur der Verarschung der Leser dienen.

Wenn ich die von Wilko angegebenen Zahlen und eine absolute Grenze von 1/3 nehm, wär eine Teilnichtigkeit durchaus möglich. Nachdem alle kritischen Wahlkreise zu groß sind, könnten sie jeweils halbiert werden und in den resultierenden Wahlkreisen nur die Wahl der Direktkandidaten wiederholt werden. Nach Wunsch könnte man auch die Zahl der Listenmandate entsprechend aufstocken. Und wenn es ein Problem ist, dass durch die Neuverteilung bereits Gewählte ihren Sitz verlieren könnten, könnte man auch eine Ausgleichsmandandatsregelung konstruieren, bei der das nicht mehr der Fall ist.

Nebenbei bemerkt: Es ist nicht Zufall, dass die Mehrzahl der Wahlkreise zu groß ist. Eine Abweichung von 1/3 nach oben ist eine wesentlich engere Grenze als 1/3 nach unten. Wenn von 2 Wahlkreisen über einen längeren Zeitraum einer wächst und der andere im selben Maß schrumpft, dann hat letzterer eine Abweichung von -1/4, wenn der Wachsende +1/3 hat. Zu +25% würde analog -20% passen und zu +15% ungefähr -13%.
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Cram
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 10:47 Uhr:   

"Nachdem alle kritischen Wahlkreise zu groß sind, könnten sie jeweils halbiert werden und in den resultierenden Wahlkreisen nur die Wahl der Direktkandidaten wiederholt werden."
Das BWahlG verlangt aber bei Vornahme eines Neuabgrenzung das die daraus folgende Abweichung weniger als 15% betragen soll und maximal 25% betragen darf. Bei der von dir vorgeschlagenen simplen Teilung der zu großen Wahlkreise wäre in allen Fällen die Soll-Abweichung von 15% und sogar die Höchstabweichung von 25% vom Mittelwert überschritten. In diesem Fall ist eine Überschreitung von 25% auf jeden Fall unzulässig, da es auf jeden Fall Folge der Neuabgrenzung sein muß, alle Wahlkreise mit einer Abweichung von über 25% zu beseitigen (eine Neuabgrenzung soll eine Abweichung von 15% zur Folge haben, darf aber maximal 25% abweichen). Im übrigen gibt es auch Wahlkreise die die Grenze von 25% unterschreiten, wahrscheinlich sogar solche die sie um mehr als 1/3 unterschreiten. Von daher wäre die von dir skizzierte Vorgenensweise gar nicht anwendbar, selbst wenn man entgegen den Wortlaut des Wahlgesetzes auch nach einer Neuabgrenzung eine Abweichung von bis zu 1/3 zulässig hielte.
Denn auf die zu kleinen Wahlkreise könnte eben diese Möglichkeit nicht angewendet werden. Daher ließe sich eben eine Nichtigkeit nicht auf die von dem Wahlfehler betroffenen Wahlkreise beschränken. Eine Teilnichtigkeit (in dem Fall nur Nichtigkeit der Wahl in den betroffenen Wahlkreisen) wäre also nicht möglich. Und für eine Nichtigkeit der Gesamtwahl ist der Wahlfehler nicht gravierend genug. Die Erheblichkeit scheidet aus. Das gilt jedenfalls dann wenn nicht eine sehr große Zahl der Wahlkreise, möglicherweise die Mehrzahl zu stark abweichen (1/3).
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 11:25 Uhr:   

Cram: Nach deinen eigenen Worten ist die 1/3-Grenze entscheidend, und nur auf die hab ich mich bezogen. Außerdem ist eine temporäre Korrektur keine Neuabgrenzung und das BWG hier sowieso nicht maßgeblich.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 18:31 Uhr:   

Vielen Dank für die Antworten, die finde ich einleuchtend (und beruhigend).

Ich habe inzwischen mal an verschiedenen Stellen nachgefragt, was eigentlich der Grund für diesen Wahlkreisschnitt ist.
Da das hessische Wahlrecht ja die korrekte Proportionalität bei den Fraktionsstärken herstellt, ist es ja auf jeden Fall kein "gerrymandering", d.h. eine Manipulation, um eine politische Seite zu bevorzugen (was allein daran zu sehen ist, daß keine Partei mit der Aufteilung ein Problem hat).

Es ging aber wohl darum, daß die Wahlkreise bestmöglich entlang der Kreis- und Gemeindegrenzen geschnitten werden.
Ich habe jetzt nicht überprüft, ob das gelungen ist - halte aber diese Auskunft für glaubwürdig (und auf jeden Fall für glaubwürdiger als Arnims merkwürdige Unterstellungen).

Wir hatten ja das Thema Wahlkreisschnitt schon mal allgemein diskutiert, und das Prinzip "logisch sinnvoll" geschnittener Wahlkreise ist ja nicht umbedingt schlechter als das Prinzip "möglichst gleichgroße" Wahlkreise.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 19:15 Uhr:   

Ich möchte mich dem Dank anschließen. Es ist toll, welche hervorragenden und kompetenten Informationen alle Teilnehmer hier engagiert geben (auch wenn wir oft unterschiedlicher Auffssung sind). Vielen Dank nochmals !
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 19:33 Uhr:   

Wobei von von Arnim in dem SZ Interview vor allem bemängelt wird, daß die meisten Abgeordneten durch Listenabsicherung und sichere Wahlkreise schon feststehen und so die Wahlfreiheit eingeschränkt wird. Dem Vorwurf die Wahlkreise, in denen praktisch nur chancenlose bzw. faktisch schon gewählte Kandidaten antreten, seien zu klein/groß wird damit ja die Spitze genommen.

@Ralf Arnemann
Gerrymandering betrifft im übrigen mehr den Wahlkreiszuschnitt als die Größe.
Wobei es in Deutschland bei Wahlkreisneueinteilungen manchmal ein riesen Geschrei gibt, obwohl es eine Bevorzugung einer Seite dabei gar nicht geben kann.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 11. Januar 2003 - 22:51 Uhr:   

Anbei zu Eurer Information der Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom 10.01.2003. Es ist doch offenbar der Bericht, auf den Du, Martin, Dich beziehst?

Die Namen von fast drei Vierteln der neuen Abgeordneten stehen schon fest

Die Hessen haben nicht viel zu wählen

Sichere Wahlkreise und Listenplätze erlauben nur wenig Alternativen / Verfassungswidrige Abweichungen beim Zuschnitt der Wahlkreise


Von Hans Herbert von Arnim

Hessen vorn? In Sachen Demokratie kann davon keine Rede sein. Am 2.Februar ist Landtagswahl. Doch wer Abgeordneter wird, ist längst entschieden. Fast drei Viertel der Mitglieder des nächsten hessischen Parlaments stehen schon jetzt namentlich fest, weil sie in sicheren Wahlkreisen oder auf vorderen Listenplätzen ihrer Parteien postiert sind. Der hessische Landtag hat 110 Abgeordnete, von denen die Bürger die Hälfte mit ihrer Erststimme in 55 Wahlkreisen wählen, die andere Hälfte mit der Zweitstimme über landesweite Parteilisten. Soweit die Idee. Doch meist findet überhaupt keine wirkliche Wahl statt. In ihren Hochburgen können die jeweils dominierenden Parteien den Bürgern ihre Abgeordneten faktisch diktieren.

Selbst zahlreiche Kandidaten, die im Wahlkreis durchfallen, kommen durch die Hintertür doch noch in den Landtag, weil ihre Partei sie auf der Liste abgesichert hat. Im Wahlkreis Lahn-Dill II etwa kämpfen der SPD- Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Gerhard Bökel und Hans-Jürgen Irmer (CDU) um das Mandat. Da aber beide sicher über die Listen in den Landtag einziehen, ist alles Wahlkampfgetöse nur ein Scheingefecht. Oft werden sogar gleich drei Kandidaten erfolgreich sein, neben dem Gewinner also noch zwei Verlierer. So etwa im Wahlkreis Wetterau der Landesgeschäftsführer der SPD Jürgen Walter (SPD), der CDU-Fraktionsvorsitzende Norbert Kartmann und, falls die Liberaöen nicht an der Fünf-Prozent-Hürde hängen bleiben, auch der Vorsitzende der FDP-Fraktion Jörg-Uwe Hahn. Alle drei haben schon jetzt ein sicheres Ticket in den Landtag. Franz Josef Jung, der wegen Verwicklung in den Spendenskandal der hessischen CDU als Chef der Staatskanzlei hatte zurücktreten müssen, ist gegen eine Bestrafung durch die Wähler gleich doppelt abgesichert: im sicheren CDU-Wahlkreis Rheingau Taunus I und auf dem sicheren CDU-Listenplatz 6.

Insgesamt können sich so 79 Kandidaten, also rund 72 Prozent der Mitglieder des neuen hessischen Landtags, schon heute, Wochen vor dem 2. Februar, faktisch als gewählt betrachten. Zum Vergleich: In Niedersachsen sind es rund 63 Prozent. Unser Wahlsystem nimmt dem Bürger die Möglichkeit, schlechten Abgeordneten bei den nächsten Wahlen das Vertrauen zu entziehen. Ist die mangelnde Verantwortlichkeit der einzelnen Politiker gegenüber dem Wähler nicht vielleicht eine Ursache für deren viel beklagte Handlungs- und Reformunfähigkeit?

Immer geringere Aufgaben

Die Vorab-Verteilung der Mandate durch die Parteien kommt denen zugute, die parteiintern die Fäden ziehen; das sind vor allem die amtierenden Abgeordneten selbst. Sie haben sich große Vorteile im Nominierungskampf verschafft. Die Vollalimentation aus der Staatskasse bei immer geringeren Aufgaben der Landesparlamente macht sie für Parteiarbeit abkömmlich und erschwert so das Aufkommen von Konkurrenten. Die staatsfinanzierten persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten, die auch im Wahlkreis eingesetzt werden und vielfach Parteifunktionen mit erledigen, erhöhen den Einfluss der Abgeordneten auf ihre örtliche Parteigliederung noch weiter und sichern dadurch deren Wiedernominierung erst recht. Die Haushaltsmittel für ihre Mitarbeiter haben die hessischen Abgeordneten in der ablaufenden Wahlperiode mehr als verdoppelt: von vier Millionen Mark jährlich (1999) auf 4,6 Millionen Euro im Jahr 2002.

Der Wunsch amtierender Abgeordneter, dass alles so bleiben möge, wie es ist, erklärt auch ihre Laxheit gegenüber einem anderen Missstand: die krass ungleiche Größe der 55 hessischen Wahlkreise. Manche umfassen mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie andere. Einige Wahlkreise sind weit mehr als ein Drittel größer als der Durchschnitt. Das widerspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Wahl und der Wählbarkeit. So benötigte etwa der CDU-Abgeordnete Volker Bouffier bei der letzten Landtagswahl 32316 Stimmen, um im größten hessischen Wahlkreis (Gießen II) gewählt zu werden, während die CDU-Abgeordnete Birgit Zeimetz-Lorz nur 13 884 Stimmen brauchte, um – mit etwa dem gleichen prozentualen Stimmenanteil – den kleinsten Wahlkreis (Wiesbaden II) zu gewinnen.

Die Bundestagswahlkreise wiesen früher ähnlich große Unterschiede auf. Diese wurden aber inzwischen beseitigt. Neuere Urteile der Verfassungsgerichte hatten die Maßstäbe massiv verschärft. Deshalb sahen sich auch Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen jüngst gezwungen, ihre Wahlkreise neu zuschneiden, um solche übergroßen Divergenzen zu beseitigen.

Anders in Hessen. Hier scheinen selbst Wahlkreise, die mehr als um 33 1/3 Prozent vom Durchschnitt abweichen und damit die äußersten Verfassungsgrenzen überschreiten, die Politik kalt zu lassen. Der Einwand, das Wahlrecht und damit auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen seien in Hessen ganz andere, trifft nicht zu. In Niedersachsen etwa stimmt das Wahlrecht mit dem hessischen weitgehend überein. Und alle Fraktionen des niedersächsischen Landtags sahen sich – mit Recht – durch die Verfassung zu einem Neuzuschnitt der Wahlkreise gezwungen.

Beide Demokratiedefizite hängen politisch eng zusammen. Warum hat Hessen – im Gegensatz zum Bund und zu anderen Bundesländern – bisher keinerlei Anstalten gemacht, seine Wahlkreise neu zuzuschneiden, obwohl das Thema seit Jahren bundesweit diskutiert wird? Warum halten Regierung und Parlament sich nicht an die Verfassung und nehmen damit in Kauf, dass über der ganzen Landtagswahl vom 2. Februar das Odium der Verfassungswidrigkeit liegt?

Abgeordnete scheuen einen Neuzuschnitt der Wahlkreise, zumal davon eine sehr viel größere Zahl von Wahlkreisen betroffen ist als nur die eindeutig verfassungswidrigen. Wenn man schon einen Neuzuschnitt in Angriff nimmt, erscheinen auch Abweichungen von 20 oder 15 Prozent, wie sie die große Mehrheit der hessischen Wahlkreise aufweist, nicht mehr tolerabel. Dann aber können Erbhöfe, also die vielen hessischen Wahlkreise in fester Hand von CDU oder SPD, verschwinden, und das widerspricht natürlich dem Sekuritätsbedürfnis ihrer Inhaber.

Verschärfend kommt hinzu: Sobald man in Hessen die Wahlkreise neu zuschneidet, wird man auch um eine Verkleinerung des Landtags schwerlich herumgekommen. Denn der Landtag in Wiesbaden hatte früher einmal, als er noch sehr viel umfassendere Aufgaben zu bewältigen hatte und die Abgeordneten noch nicht voll alimentiert wurden, nur 80 Mitglieder, 30 weniger als heute. Auch im Bund, in Bayern und Nordrhein-Westfalen ging die Neueinteilung der Wahlkreise mit einer Verringerung der Mandate einher. Das zeigt: Zwischen der Neueinteilung der Wahlkreise und der Verkleinerung der (in Deutschland meist zu großen) Parlamente besteht häufig eine Art politisches Junktim.

Wie der Landtag die Frage seiner eigenen Größe behandelt, hat erst kürzlich eine (nur aus Abgeordneten bestehende) Enquetekommission „Künftige Aufgaben des Hessischen Landtags“ demonstriert. In ihrem Bericht wird die Verkleinerung des Landtags vom Tisch gewischt. Sie widmete dem Thema nur neun Zeilen und lehnte eine Verkleinerung unter anderem mit dem offenbar ernst gemeinten Argument ab, hessische Abgeordnete hätten schon jetzt „zeitliche Schwierigkeiten, allen Einladungen zu Veranstaltungen von Einrichtungen und Vereinen zu folgen“. Dass eine Parlamentsverkleinerung umgekehrt zur „Verbesserung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Parlamentsarbeit“ beitragen könnte (so die amtliche Begründung für die Verkleinerung des Bundestags), blieb gänzlich unerwähnt.

Wie sehr der Neuzuschnitt der Wahlkreise und erst recht die Verkleinerung des Landtags die Eigeninteressen der Abgeordneten berührt, zeigt das Beispiel Frankfurt am Main: Die sechs Wahlkreise dieser Stadt sind alle zu klein. Bei einem Neuzuschnitt wird mindestens ein Wahlkreis wegfallen und – im Falle einer Verkleinerung des Landtags – bestimmt zwei. Von den bisher drei Wahlkreisen, die sicher in CDU-Hand sind, bliebe nur einer übrig. Eine öffentliche Diskussion über die Verkleinerung ihres Landtags käme hessischen Parlamentariern vielleicht auch aus einem anderen Grund ziemlich ungelegen: Sie planen einen sehr teuren Erweiterungsbau des Landtags mit vielen neuen Büros. Der könnte sich im Falle einer Parlamentsverkleinerung als überflüssig entpuppen.

Abschirmung der Politiker

Die Abgehobenheit der politischen Klasse erklärt bestimmte finanzielle Privilegien hessischer Abgeordneter, die nur deshalb fortbestehen, weil sie sich von der Kontrolle durch das Volk weitgehend freigemacht haben. So erhalten ehemalige hessische Abgeordnete schon nach einem halben Arbeitsleben im Parlament die Höchstpension von derzeit 4801 Euro monatlich – mehr als alle anderen Landesparlamentarier in Deutschland –, und diese beginnt bereits mit 55 Jahren zu laufen. Das beruht auf einem Geburtsfehler. Als hessische Abgeordnete nämlich 1989, nach dem hessischen Diätenskandal, ihre Bezahlung („Entschädigung“) neu festsetzten, gaben sie vor, am durchschnittlichen Einkommen hessischer Freiberufler Maß nehmen zu wollen. Das war ein ziemlich hoher Betrag, da Freiberufler daraus auch ihre Altersversorgung finanzieren. Doch anders als diese bewilligten sich die Abgeordneten ihre Versorgung noch zusätzlich aus der Staatskasse, ohne eigene Beiträge, wobei aber wiederum die überhöhte Entschädigung als Bemessungsgrundlage diente. – Nicht einmal die allgemeine Absenkung der Altersversorgung für Rentner und Beamte, die kürzlich bundesweit erfolgte, hat hessische Abgeordnete veranlasst, ihre eigene Versorgung entsprechend zu kürzen.

Viele Parlamentarier stemmen sich gegen Reformen des Wahlrechts und der direkten Demokratie gerade deshalb, weil sie um ihre Privilegien fürchten, die dann – auch gegen ihren Willen – eingeschränkt werden könnten. Was Roman Herzog über Reformen gesagt hat, dass sie nämlich weniger ein Erkenntnis- als vielmehr ein Umsetzungsproblem seien, trifft dort, wo Politiker in eigener Sache entscheiden, erst recht zu.
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Cram
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 02:20 Uhr:   

c07
"Nach deinen eigenen Worten ist die 1/3-Grenze entscheidend, und nur auf die hab ich mich bezogen. Außerdem ist eine temporäre Korrektur keine Neuabgrenzung und das BWG hier sowieso nicht maßgeblich."
- Es würde sich aber gerade nicht um eine temporäre Korrektur handeln, sondern um eine durch Anfechtung erfolgte Neuaufteilung der Wahlkreise. Die von dir vorgeschlagene Teilung der Wahlkreise die mehr als ein Drittel oberhalb des Schnitts liegen würde dazu führen, das bei hälftiger Teilung aus einem Wahlkreis der bei z.B. 140% liegt zwei mit 70% werden. Diese würden nun aber um mehr als 25% abweichen. Die Neuaufteilung soll aber gerade dazu dienen eine Sollabweichung von 15% und eine Kann-Abweichung von 25% herstellen. Richtig ist das das BWahlG nicht in den Ländern Hessen und Niedersachsen gilt. Da deren eigenen Gesetze aber keine Aussage zu diesen Fragen machen ist eine Auslegung analog zum Bundeswahlgesetz geboten (der NS-StGH hat auch auf diese Regelungen verwiesen, ohne jedoch eine Auslegung für NS zu treffen, da das Gericht bereits die Erheblichkeit ausgeschlossen hat und sich daher die Mühe einer Konkretisierung wie eine Auslegung zu erfolgen hat ersparen konnte; höher als ein Drittel dürfte sie jedenfalls kaum sein, da nach h.M. maximal 33,33% Abweichung noch zulässig ist (- es gibt auch seit 1995 eine Lehrmeinung die die maximale Abweichung von 33,33% für zu hoch angesetzt hält und die Grenze niedriger anzusetzen sei(z.b. bei 25%).
Würde man nun die Aufteilung der zu großen Wahlkreise (Halbierung) durchführen so wäre man bei Zugrundelung von 25% Abweichung durch die Halbierung jedenfalls bei einigen Wahlkreisen deutlich unterhalb von 25% (Bsp: Wahkreis: 130%: bei Aufteilung 65% = 35% Abweichung: wäre also schlimmer als vor der Aufteilung: daher scheidet Aufteilung aus) Teilnichtigkeit scheidet somit ebenfalls aus.

Unterstellt man nun 33,333% so ergäbe sich das oben erwähnte Bsp.. Die Abweichung wäre jedenfalls in den Wahlkreisen die zwischen 33,33%-50% den Wert überschreiten bei Halbierung größer als 25%, die vorgesehene Höchstabweichung, die den Gesetzgeber zur Neuabgrenzung (Beginn der Planung einer Neuabgrenzung) verpflichtet. Wenn man dies entgegen den Wortlaut der Vorschrift verwirft und dennoch eine Drittel-Abweichung untestellt, so erschiene eine Teilanfechtung zunächst möglich. Dabei berücksichtigst du aber nicht das es auch Wahlkreise gibt die mehr als 33,33% nach unten abweichen. Dieser Fehler kann nicht so einfach bereinigt werden. Wenn nicht zufälligerweise ein ebenfalls durch Wahlfehler (von mehr als 33,33%) betroffener Wahlkreis benachbart wäre, so ließe sich jedenfalls der Wahlfehler nicht ohne Änderung an einer Grenze eines Wahlkreises beheben in dem die Wahlkreisziehung rechlich fehlerfrei war. Der Wahlfehler ließe sich gerade nicht auf den Wahlfehler beschränken und daher wäre eine Teilnichtigkeit nicht möglich, sondern nur eine komplette Nichtigkeit. Für diese Rechtsfolge mangelt dem Fehler allerdings die Erheblichkeit. Somit scheidet eine Anfechtung aus, wenn nicht nach Prüfung der Sachlage und bei Verständiger Würdigung des Einzellfalles die Erheblichkeit bejaht werden könnte. Angesichts der untergeordneten Bedeutung der Erststimme und der nicht gravierend hohen Zahl der betroffenen Wahlkreise, sowie der untergeordneten Folge für das Wahlergebnis erscheint dies nicht gegeben zu sein (vgl. STGH 2/99).

Noch mal kurz zur 1/3-Abgrenzung. Diese steht niergends im Gesetz. Auch schon im BWahlG von 1996 war als Höchstabweichung die einen Neuzuschnitt erforderlich macht 25% genannt. Sie ist aber eine in der Literatur vorherrschende Meinung, denn die Neuabgrenzung erfordert meist eine Neuaufteilung des gesamten Wahlkreise und erfordert von dahr längere Planung. Von daher erscheint es unbillig bei 25%-Abweichung gleich die Möglichkeit einer Anfechtung zuzulassen. Von daher ist eine gewisse Abweichung nach oben zulässig, ohne das daraus ein Anfechtungsgrund erwächst. Dies ist nach in der Literatur vorherschender Meinung 33,33%; allerdings: in der jüngeren Literatur wird die zum Teil die Auffassung vertreten das dies zu hoch sei. Aus dem BWahlG ergibt sich aber zwingend das der minimale Ansatzpunkt einer Obergrenze 25% ist (neben der Höhe kann auch noch eine Rolle spielen die Bewertung ob das Parlament seine Verpflichtung zum Neuzuschnitt begonnen hatte zu erfüllen (durch einsetzen einer Kommission), ob es ihm möglich gewesen wäre noch rechtzeitig eine Änderung vorzunehmen oder ob es angesichts des gebotenen gründlichen Verfahrens zur Prüfung einer Neuaufteilung der Wahlkreise nicht zu erwarten war das eine entsprechende Änderung zustande kommen kann): Diese Werte ergeben sich allerdings vor dem Hintergrund von Bundestagswahlen bei denen Überhangmandate nicht ausgeglichen werden. Von daher erscheint eine Grenze von annährend ein Drittel bis ein Drittel für Landtagswahlen bei denen ÜM ausgeglichen werdem als wahrscheinliche Abgrenzung.
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 03:10 Uhr:   

Cram:

Doch, die 1/3-Grenze war im BWG von 1996. Die Fassung von 1994 kannst du noch hier nachlesen, und die betreffende Passage ist 1996 nicht geändert worden.

Und mit den Zahlen von Wilko, auf die ich mich bezogen hab, weicht kein einziger Wahlkreis um mehr als 1/3 nach unten ab.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 11:27 Uhr:   

Mal abseits von der Frage der Wahlkreisgrößen ist der Text von Arnim eine bodenlose Frechheit. Seine Vorwürfe sind unbegründet - das weiß er auch, mit diesen populistischen Verleumdungen geht es ihm letztlich wohl nur darum, sich ins Gespräch zu bringen und selber Kasse zu machen.

Besonders perfide ist sein Hauptvorwurf, bei den anstehenden Wahlen würde es nicht wirklich demokratisch zugehen, angeblich wären ja 3/4 der Abgeordneten schon sicher im Parlament.
Das ist schierer Unsinn.
Der Begriff "sicherer" Wahlkreis oder "sicherer" Listenplatz ist praxisgerecht, weil er Erfahrungen widerspiegelt. Aber das heißt in keiner Weise, daß auch nur ein hessischer Politiker "sicher" gegen den Wählerwillen wäre.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Bürger wieder ihrem üblichen Wahlverhalten folgen - das ist aber ihr gutes Recht.
Sie haben aber die volle Freiheit, demokratisch auch völlig anders abzustimmen - und dann wäre kein Kandidat mehr "sicher".

Beispiel: Mein Wahlkreis ist seit 50 Jahren fest in SPD-Hand, und gilt damit als Musterbeispiel eines "sicheren" Wahlkreises. Und wenn es überhaupt durch den Bundestrend eine Änderung gäbe, dann nach menschlichem Ermessen hin zur CDU. Der grüne Kandidat und ich haben keine meßbaren Chancen.
Das ändert überhaupt nichts daran, daß selbstverständlich die Wähler des Wahlkreises die völlige Freiheit haben, auch mal ganz ungewöhnlich abzustimmen (wenn sie dies nur mit der Erststimme täten, könnten sie ja trotzdem ihrer gewohnten Neigung für die Regierungsmehrheit frönen).
Die Wahl ist fair, geheim und wird korrekt ausgezählt, auch von den Randbedingungen geht es völlig gerecht zu (z. B. werden Grüne und FDP überall gleichberechtigt eingeladen und können sich genauso vorstellen wie die Kandidaten von rot und schwarz).

Ich bin nun wirklich jemand, der gerne ein besseres Wahlrecht hätte (mit mehr Personenwahlkomponente). Das hessische Wahlrecht kann und sollte verbessert werden.
Aber wenn ich am Abend des 2. Februar dem SPD-Kollegen zum Wahlsieg gratulieren werde, dann war das eine absolut einwandfreie demokratische Entscheidung und die Vorwürfe Arnims sind nichts als fiese Unterstellung.


Ähnliches gilt für Arnims übliches Gewäsch zur Politikerbezahlung. Er schließt da wohl von sich auf andere: Er selber scheint ja seine als Vollzeitjob bezahlte Professorentätigkeit nur so wahrzunehmen, daß ihm nebenbei noch genügend Zeit bleibt, um über Vorträge, Beiträge und Bücher erhebliche Zusatzverdienste zu kassieren.
Ein hessischer Landtagsabgeordneter könnte das nicht, das IST ein Vollzeitjob.
Und weiß Gott kein überbezahlter.

Sollten die Wähler mich tatsächlich in den Landtag schicken, wäre erst einmal ein Gespräch mit der Bank über eine Umschuldung fällig - von den Landtagsdiäten kann ich meine Hypothek nicht bedienen.

Natürlich gibt es bei den Abgeordneten wie im gesamten Beamtenbereich das Problem, daß ganz hinten im Ruhestand relativ viel Geld bezahlt wird. Wobei es verständlich ist, daß nach einem "halben Arbeitsleben" schon die volle Rentenberechtigung da ist: Wer 20 Jahre im Landtag saß, hat wenig reelle Chancen, noch in einen normalen Beruf zu wechseln.

Wenn man diese Versorgung auf eine normale Altersversorgung umstellen würde (was ich im gesamten öffentlichen Bereich gut fände), dann müßte man auch die Entlohnung der aktiven Zeit massiv steigern. Aber hinten und vorne kürzen wie Arnim das fordert, das ist populistischer Unsinn.
Dann würden nur noch Leute ins Parlament gehen wollen, deren Befähigung in anderen Berufsfeldern nicht für den Aufstieg über die Sachbearbeiter-Ebene ausreichen würde.
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Cram
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 11:30 Uhr:   

c07,
"Und mit den Zahlen von Wilko, auf die ich mich bezogen hab, weicht kein einziger Wahlkreis um mehr als 1/3 nach unten ab." Das sind Zahlen von 1999. Falls tatsächlich, wie behauptet wird, die Zahl der abweichenden Wahlkreise sich erhöht hat so ist auch zu vermuten das nicht nur die Abweichungen nach oben sondern auch nach unten zugenommen haben, zumal dies hessische Bevölkerung (deutsche Bevölkerung) insgesamt zugenommen hat aber natürlich nicht alle Gebiete davon betroffen waren. Gerade die Wahlkreise Wiesbaden II und möglicherweise auch Frankfurt I könnten daher die 1/3-Grenze bereits überschritten haben. Besonders bei Wiesbaden II ist dies zu vermuten da die Abweichung 1999 bereits über 32 betrug.
Die Grenze im Bundeswahlgesetz für eine Neuabgrenzung ist 25%
http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/bwahlg/__3.html
Die Änderung erfolgte 1996:
"Im übrigen werde etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch Rechnung getragen, dass der Landtag die Wahlkreiszuschnitte für die Wahl zum Landtag der 15. Wahlperiode geändert und sich bei der höchstzulässigen Divergenz an der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Bundeswahlgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (BGBl. 1996 1 S. 1712) orientiert habe, nach der die Abweichung nicht mehr als 25 % von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise betragen dürfe." (http://www.wahlrecht.de/landtage/stgh.htm)
Die Änderung des BWahlG 1996 beinhaltete auch die Grenze für die Abweichung der Wahlkreise. Die SOll-Werte wurden von 25% auf 15% gesenkt und die Kann-Werte von 33,33% auf 25%. Die von dir benannte Web-Seite zeigt die Fassung von 1994 an und ist insofern seit 1996 nicht mehr aktuell.
Allerdings wird eben die 25%-Grenze nach verbreiteter Meinung eben nicht als absolut angesehen. Wieviel sie überschritten werden darf ohne das daraus ein Anfechtungsgrund entsteht ist strittig. Maximal ist jedoch eine Überschreitung von 1/3 nach h.M. zulässig. Höhere Werte sind jedenfalls nach Meinung aller Experten nicht zulässig.
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Cram
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 11:32 Uhr:   

Allerdings möchte ich nochmal daraufhinweisen, das ein Anfechtungsgrund noch nicht für eine Anfechtung ausreicht. Der Fehler muß auch erheblich sein. Dies ist eben nicht der Fall, jedenfalls was die komplette Nichtigkeit anbetrifft.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 14:14 Uhr:   

Hallo,
jetzt habe ich endlich unter www.heute-t-online.de/ den Bericht die Quelle des Berichtes des "Heute-Journals" vom 09. Januar 2003 gefunden. Anbei der Bericht. Im Filmbericht wurde allerdings noch der Frankfurter Staatsrechtler, Prof. Denninger, interviewt, der den Ausfühungen von Arnims zustimmte.

Ist die Hessenwahl verfassungswidrig?

Staatsrechtler: Wahlkreis-Größen
verstoßen gegen Verfassung

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hessische Landtagswahl am 2. Februar geltend gemacht. Der Zuschnitt von mehr als einem Drittel der 55 Wahlkreise verletze die verfassungsrechtlichen Vorgaben.


10.01.2003 [Archiv]


"Der Wahlgang beruht auf einer verfassungswidrigen Grundlage", erklärte von Arnim im ZDFheute-journal. Die Wähler in kleineren Wahlkreisen hätten ein größeres Stimmgewicht als die Bürger großer Wahlkreise. In manchen Wahlkreisen lebten mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie in anderen. Dies verstoße gegen das demokratische Prinzip der Gleichheit der Wahl und der Wählbarkeit, meint der Staatsrechtler.

Krasse Ungleichheit
Im heute-journal beschreibt von Arnim ein Beispiel von krasser Ungleichheit: Während im Wahlkreis Gießen-Land 110.000 Wähler ihren Abgeordneten wählen, sind im Wahlkreis Wiesbaden II nur 53.000 Wähler an die Urnen gerufen. Die Stimme in Wiesbaden wiege also viel schwerer.




dpa
Roland Koch (CDU) und Gerhard Bökel (SPD) wollen in Hessen Ministerpräsident werden.

Auch bei Bundestagswahlen habe es laut von Arnim Unterschiede gegeben. Doch eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1997 habe die Länder Bayern, Nordrhein- Westfalen und Niedersachsen, so wie auch den Bund, veranlasst, die Wahlkreise neu zu ordnen. Hessen habe dies jedoch unterlassen.

Große Abweichungen
Nach Rechtslage müssen die Wahlkreise ungefähr dem jeweiligen Bevölkerungsanteil entsprechen. Die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises darf die durchschnittliche Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht mehr als 25 Prozent über- oder unterschreiten. Von Arnim berichtet jedoch über Abweichungen von bis zu 33,3 Prozent.


Mit Material von dpa, ZDF
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 14:17 Uhr:   

In der Tat datiert das Änderungsgesetz, das die Grenze auf 25% reduziert hat, von 1996. Allerdings ist die betreffende Änderung des BWG erst 1998 nach der Bundestagswahl in Kraft getreten, insbesondere war die 25%-Grenze zur Zeit der letzten Landtagswahl in Niedersachsen kein geltendes Recht.

Wahrscheinlich hat Wiesbaden II noch weniger als 1/3 Abweichung. Wie ich inzwischen festgestellt hab, sind die obigen Zahlen von Wilko auf die Wahlberechtigten bei der letzten Wahl bezogen. Grob abgeschätzt (angenommen, dass der Wahlkreis ungefähr dem Wiesbadener Durchschnitt entspricht) ergibt sich dort auf die deutsche Bevölkerung bezogen der gleiche Wert, weil sie einerseits leicht überdurchschnittlich wächst, andererseits aber leicht unterdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche hat. Wenn man die Ausländer mitrechnet, wird er sogar ganz klar innerhalb der 1/3-Grenze liegen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 14:21 Uhr:   

Anbei nochmals die Meldung, einschließlich der Reaktionen der Politiker. Verfassungsbruch bei der Hessenwahl?


Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hat Bedenken gegen den Zuschnitt von mehr als einem Drittel der 55 Wahlkreise geäußert. Die Größenunterschiede zwischen den Wahlkreisen verletzten die verfassungsrechtlichen Vorgaben, sagte von Arnim im Hessischen Rundfunk.




In manchen Wahlkreisen lebten mehr als doppelt so viele Wahlberechtigte wie in anderen, so von Arnim. Diese hätten somit ein erheblich geringeres Stimmgewicht. Ein Kandidat in einem kleinen Wahlkreis brauche häufig nur die Hälfte der Stimmen im Vergleich zu einem Kandidaten in einem großen Wahlkreis.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1997 entschieden, dass eine solche Regelung nicht mit dem demokratischen Prinzip der Gleichheit der Wahl vereinbar sei. Das Land Hessen habe nach dieser Entscheidung versäumt, den Zuschnitt der Wahlkreise entsprechend anzupassen, so von Arnim. Der Ausgang der Hessenwahl sei aus diesem Grund rechtlich anfechtbar. Unter Umständen müsse die Wahl sogar wiederholt werden.





Die Reaktionen der Parteien

Regierungssprecher Dirk Metz (CDU) nannte Arnims Einwände am Freitag „abwegig und irreführend“. Regierungssprecher Metz bestritt jede Auswirkung des Verfassungsurteils auf das hessische Wahlrecht. Ausschlaggebend für die Zusammensetzung des Landtags sei nicht die Erst-, sondern die Zweitstimme. Bei ihr spiele aber die Größe des jeweiligen Wahlkreises keine Rolle. Von Arnim sagte, diese Erwiderung gehe ins Leere, weil sein Einwand sich nur auf die Erststimme beziehe.

Der Vorsitzende der SPD-Südhessen, Gernot Grumbach, dagegen kündigte eine Prüfung des Zuschnitts der Wahlkreise an. Während des Wahlkampfs werde seine Partei allerdings nicht auf eine Veränderung drängen, da dies als "Mogelei" ausgelegt werden könne.

Auch Tarek Al-Wazir, Spitzenkandidat der Grünen, plädierte für eine Reform der Wahlkreise nach der Wahl. Eine solche Reform sei ohnehin dringend notwendig.
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Juwie
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 14:30 Uhr:   

Die Arnim-Argumentation in der SZ ist doch mal wieder typisch für ihn:

Aufgehängt wird sie am sehr unterschiedlichen Zuschnitt der Wahlkreise, was auf die Zusammensetzung des Landtags kaum Auswirkungen hat, aber die Zusammensetzung der Fraktionen beeinflussen kann. Daher ist m.E. die Forderung nach möglichst großer Einheitlichkeit zulässig.

Eigentlich geht es nim aber um zwei andere Themen, die mit den zu großen Unterschieden der Wahlkreisgröße gar nichts zu tun haben:

1. Die Absicherung der Abgeordneten durch Liste und sichere Wahlkreise.
"Sichere Wahlkreise" sind aber doch wohl nur zu bemängeln, wenn Sie durch willkürlichen Zuschnitt ("Gerrymandering") zustande kommen. Ansonsten ist die Listenabsicherung einfach ein Element des Hessischen Wahlsystems (kann wie in Baden-Württemberg und Bayern aber - mit anderen mitunter problematischeren Folgen - auch anders gestaltet werden).

2. Der Wunsch, den Landtag zu verkleinern. Darüber kann man ja reden, aber der Anlass ist ja wohl an den Haaren herbeigezogen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 14:58 Uhr:   

Ich denke auch, dass von Arnim hier zwei Aspekte vermengt, die nichts miteinander zu tun haben. 1.) Das Problem des unterschiedlichen Stimmegewichtes in den Wahlkeisen (vgl. den Vergleich im "Heute-Journl" (s.o.) zwischen Wiesbaden und Gießen. Dieser Missstand ist sicherlich berechtigt und da sollte meiner Meinung nach in der Tat in der kommenden Legislaturperiode Abhilfe getroffen werden. Dies wird sicherlich geschehen. Aber auch ich sehe keinen Grund für eine Wahlwiederholung, da - da hat Regierungssprecher Metz ja recht und darauf hat Cram ja hingewiesen - die Zweitstimme in Hessen ausschlaggebend für die Sitzverteilung ist. Außerdem gibt es meines Wissens in Hessen die Reelung, dass mögliche Überhangmandate ausgeglichen werden. Bei der Debatte um unterschiedliche Stimmgewichtung bei den Überhangmandaten bei der Bundestagswahl 1994 (die ja zu dem Urteil des BVerfG 1997 führte) ging es ja um - nicht ausgeglichene Überhangmandate. Meiner Meinung nach hat dies in Hessen durch den unbegrenzten Ausgleich ja keine Auswirkungen (Cram hat das Notwendige ja hier schon ausgeführt). Insofern glaube ich auch, dass Arnim andere Motive hat: 1.) seine sattsam bekante Kritik an Parteien und Politikern wieder unter das Volk zu bringen. Ich frage mich in der Tat (Juwie hat es erwähnt), wie man diese beiden Aspekte vermengen kann. Nichtsdestotrotz verwundert mich natürlich schon, dass die Parteien in Niedersachsen, NRW etc. auf das Urteil des BVerfG von 1997 reagiert haben, die hessischen Parteivertreter jedoch nicht. Warum dies versäumt wurde, darüber verraten die Politiker aller Parteien( vgl. die von mir ins Netz gestelten Reaktionen) leider nichts.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 15:46 Uhr:   

Nochmals zur Konkretisierung: für mich - und so scheint es ja auch Cram zu sehen, wenn ich seine Mails korrekt interpretiere - ist entscheidend, ob sich durch die Nichtbefolgung des Urteils des BVerfG von 1997 die Mehrheitsverhältnisse verändern. Dann spielen Faktoren wie unterschiedliches Stimmgewicht durchaus eine Rolle - so war es ja bei der Diskussion um - nicht ausgeglichene !!!! - Überhangmandate bei Bundestagswahlen, etwa 1994. Dort hätte es theoretisch passieren können, dass eine Koalition, die die Minderheit der Stimmen erhalten hat, die Mehrheit an Sitzen errungen hat. Dies ist in Hessen nicht möglich, da hier Überhangmandate ausgeglichen werden (siehe auch: Wahlsysteme und Wahlverfahren auf der Homepage dieser Seite).


Worauf sich von Arnim bezieht, wenn ich ihn richtig verstehe, ist doch die personelle Zusammensetzung der Fraktionen. Beispiel: In einem hart umkämpften Wahlkreis A kandidieren Person 1 und Person 2 gegeneinander. Person 1 gewinnt knapp. Person 2 kommt - da nicht auf Listen abgesichert - nicht in den Landtag. Person 2 rechnet aus, dass der Wahlkreis über 1/3 der Durchschnittsgröße aller Wahlkreise liegt. Er rechnet sich außerdem aus, dass bei Neuzuschnitt des betreffenden Wahlkreises (also hier Verkleinerung) evtl. ein Gebiet, welches "Hochburg" des Rivalen ist, aus dem neugeschnittenen Wahlkreis entfällt. Er fühlt sich um seinen "Sieg" betrogen und klagt - zunächst vor dem Hessischen Wahlprüfungsgericht, dann bis zum Staatsgerichtshof. Angenommen, er erhält recht. So ist dies zwar für ihn ärgerlich, ändert aber nichts an den Mehrheitsverhältnissen im Landtag (nur an der personellen Zusammensetzung der Fraktionen). Ich denke auch, dass ein erheblicher Wahlverstoß hier nicht vorliegt - so hat ja auch der Niedersächsische Staatsgerichtshof in Bezug auf die dortigen Landtagswahlen 1998 entschieden. So wie ich dies einschätze - als jurististischer Laie - ist somit eine Wahlwiederholung ausgeschlossen. Also kann der Sinn des Vorstosses von Arnims nur sein, Aufmerksamkeit für seine Thesen zu erringen - wie ich bereits erläutert habe.
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Niklas
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 16:10 Uhr:   

Ja, Herr Professor von Arnim steht nun mal gerne in der Öffentlichkeit und seine z.T. sicher nicht unberechtigte Kritik ist nun mal polemisch überzogen. Vielleicht könnte er sich mit rein sachlichen Argumenten auch nicht bemerkbar machen.
Das Problem mit der Wahlkreisgröße wurde hier schon ausführlich diskutiert, dürfte also kein wirkliches Problem sein, da sich niemand benachteiligt fühlt.

Interessanter (und nicht nur technsisch) ist, der Ansatzpunkt, dass ein Großteil der Abgeordneten nicht richtig gewählt werden. Das ist natürlich nicht ganz richtig, da in Deutschland (auch in Hessen)in der Regel die Hälfte der Abgeordneten über den Wahlkreis gewählt werden. Und es ist ausschließlich Sache der Wähler, wenn sie in einem Wahlkreis immer nur den Kandidaten derselben Partei wählen (die anderen Parteien bräuchten es ja nur besser zu machen, bessere Kandidaten, ein besseres Programm). Auch wenn bestimmte Wahlkreiskandidaten aufgrund der Sicherheit des Wahlkreises nicht wirklich abgewählt werden, hat das Erststimmenergebnis doch gewisse Auswirkungen. Ein CSU-Kandidat, der bei der letzten BTW seinen Wahlkreis verlor, obwohl die Partei bei den Zweitstimmen 12 Prozent vorne war, wird (hoffentlich) sein parteiinternes Standing wohl kaum verbessert haben, obwohl er noch über die Liste einzog. Der Stimmenkönig der letzten beiden Bundestagswahlen, Ernst Hinsken (CSU), der sogar 1998 Stimmen dazu gewonnen hat, ist vielleicht nicht bundesweit bekannt, hat aber als „graue Eminenz“ enormen Einfluss und ist in der Unions-Hackordnung ganz weit oben.


Problematischer sind mE starre Landeslisten, bei denen der Wähler nicht einmal die theoretische Möglichkeit hat, besonders trübe Tassen bewusst nicht zu wählen oder besonders engagierte und gute Kandidaten nach vorne zu wählen.

Den Schaden tragen aber nicht nur die Wähler, sondern die Parteien selbst, wenn sie immer wieder dieselben Pfeifen aufstellen und dem Nachwuchs keine Chance geben. So hat die bayerische SPD bei der letzten BTW ihren bewährten Altkadern wieder die besten Plätze zugeteilt und junge Kandidaten blieben außen vor. Der engagierte Kandidat, der den einzigen bayerischen Wahlkreis äußerst knapp gewann, war auf der Liste aussichtslos hinten.
Der schlechteste Wahlkreiskandidat in ganz Deutschland (Herr Pronold, WK Rottal/Dingolfing), der zwar jung ist, aber mit seiner ideologischen Verbohrtheit her genau zur Partei passt, zog natürlich sicher in den Bundestag ein. Wenn eine einigermaßen unbelehrbare Partei ihre Listen nach derlei Gesichtspunkten aufstellt, zahlt sie selbst den Preis, auch wenn dem Wähler mehr Auswahlmöglichkeiten sicher gut gefallenwürden.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Sonntag, 12. Januar 2003 - 16:44 Uhr:   

So wie es aussieht, hat von Arnim mal wieder seine beiden Hauptkritikpunkte (Abgeordnetenbezüge, Wahlsystem) geäußert hat und der Nebensatz (ungleiche Wahlkreisgrößen) läuft durch die Medien.
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Juwie
Veröffentlicht am Montag, 13. Januar 2003 - 19:37 Uhr:   

@Niklas

Es freut mich, dass ich mit meiner Kritik an Pronold nicht alleine stehe. Es ist schon verwunderlich, das ein SPD-Kandidat, der weniger Erst- als Zweitstimmen erhält, in den Bundestag einziehen kann!
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 13. Januar 2003 - 22:32 Uhr:   

@ Juwie, Niklas

Also Herr Pronold sagt mir nichts, aber was ist schlimm daran, wenn einer weniger Erst- als Zweitstimmen holt? Das ist übrigens auch bei ziemlich vielen CSU-Direktkandidaten der Fall. Dafür kann es viele Ursachen geben, die nicht unbedingt mit der Person des Kandidaten zusammenhängen müssen, z.B. taktische Überlegungen der Wähler oder eine hohe Popularität eines Gegenkandidaten. Es lag z.B. vor allem an der Sympathie für Stoiber und weniger an der Unpopularität der Wahlkreisbewerber, daß die CSU oft mehr Erst- als Zweitstimmen bekommen hat.
Arnim ist m.E. nicht nur deshalb nicht ernst zu nehmen, weil er z.T. sachlich eindeutig falsches zum Besten gibt, sondern auch weil er keine Alternativen aufzeigt. Gegen die Versorgung der Parteikader mit sicheren Mandaten sclägt der ja beispielsweise Mehrheitswahl vor. Bei den gängigen Mehrheitswahlsystemen ist der personalisierende Effekt aber de facto null und weniger sichere Mandate gibt es in den USA oder Großbritannien auch nicht. In den USA stehen bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus über 90% der Abgeordneten schon vor der Wahl fest. Und wenn es mal ein enges Rennen gibt, dann meist nur wenn der Amtsinhaber nicht mehr antritt oder Wahlkreise neu zugeschnitten wurden. "Wahlen" mit nur einem Kandidaten oder sogar stille Wahl sind nicht selten.
In GB wechselte bei der Unterhauswahl 2001 nur in 27 der 659 Wahlkreise die Parteizugehörigkeit des Abgeordneten- in 96% der Wahlkreise änderte sich also nichts. Selbst bei dramatischen Verschiebungen wie 1997 wurden über 70% der Mandate von der jeweiligen Mehrheitspartei verteidigt.

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