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Observatör Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juni 2009 - 20:18 Uhr: | |
Nach welchem Verfahren ist ein Ortschaftsrat zu wählen, wenn es für die Wahl nur eine zugelassene Wahlvorschlagsliste gibt? Der Anlass für meine Frage ist die Wahl vom letzten Sonntag in der Ortschaft Bretten-Dürrenbüchig, die im Rahmen der allgemeinen Kommunalwahlen in BaWü erfolgte. In Dürrenbüchig gab es genau einen zugelassenen Wahlvorschlag vom dortigen Bürgerverein. Ich hätte angenommen, dass in diesem Fall entsprechend der Regelung für Gemeinderatswahlen in § 26, Abs. 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg verfahren würde. Das hätte dann bedeutet, dass eine reine Mehrheitswahl hätte stattfinden müssen, ohne Kumulieren, aber mit der Möglichkeit, auch Bürger der Ortschaft zu wählen, die nicht dem - einzigen - Wahlvorschlag angehören und deren Namen mithin nicht auf dem Wahlzettel vorgedruckt sind. Dem veröffentlichten Wahlergebnis nach zu schließen, scheint aber nach dem Verhältniswahlverfahren mit Kumulieren gewählt worden zu sein, wie es bei Kommunalwahlen mit mehreren Wahlvorschlägen vorgeschrieben ist: http://www.bretten.de/wahlen/web/215007o55.htm Anders ist jedenfalls nicht zu erklären, dass mehrere Bewerber mehr Stimmen erhalten haben, als gültige Stimmzettel abgegeben wurden. Außerdem fällt auf, dass sämtliche ausgewiesenen gültigen Stimmen sich auf die Bewerber des einen Wahlvorschlags verteilen. Es hat also niemand außerhalb dieses Vorschlags Stimmen erhalten, was für mich darauf hindeutet, dass entgegen meiner Interpretation der Gemeindeordnung (s. o.) solche Stimmen gar nicht als gültig erachtet wurden. Sollte das so sein, hätten die sieben Bewerber des Wahlvorschlags bereits vor der Wahl als gewählt festgestanden, da der Ortschaftsrat gerade sieben Sitze hat. |
Wilko Zicht
Moderator
| Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juni 2009 - 23:35 Uhr: | |
Für die Ortschaftsräte gelten gemäß § 69 der baden-württembergischen Gemeindeordnung die gleichen Vorschriften wie bei der Wahl der Gemeinderäte. Demnach gilt gemäß § 26 Absatz 3 der Gemeindeordnung: "Wird nur ein gültiger oder kein Wahlvorschlag eingereicht, findet Mehrheitswahl ohne Bindung an die vorgeschlagenen Bewerber und ohne das Recht der Stimmenhäufung auf einen Bewerber statt. Der Wahlberechtigte kann dabei nur so vielen Personen eine Stimme geben, wie Gemeinderäte zu wählen sind." Das Wahlergebnis dürfte demnach tatsächlich anfechtbar sein. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Juni 2009 - 18:03 Uhr: | |
Aufgrund der hohen formalen Hürden für eine Wahlanfechtung in Bawü faktisch eher nicht ... |
Wilko Zicht
Moderator
| Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Juni 2009 - 19:06 Uhr: | |
Unter diesen Umständen dürfte die Kommunalaufsicht selbst die Wahl für ungültig erklären. Ich habe das Regierungspräsidium Karlsruhe sicherheitshalber auf den Fall hingewiesen. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Juni 2009 - 22:23 Uhr: | |
Halt uns bitte auf dem Laufenden :-) |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Freitag, 12. Juni 2009 - 15:33 Uhr: | |
http://www.bretten.de/cms/sites/default/files/2009-06-12-seite%203.pdf Da ist es auch falsch. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Montag, 15. Juni 2009 - 13:15 Uhr: | |
Der Landkreis ist nicht zuständig (Bretten ist Große Kreisstadt), das wurde ans RP weitergeleitet. |
Observatör Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Donnerstag, 18. Juni 2009 - 18:22 Uhr: | |
In der heutigen Ausgabe des Brettener Amtsblatts wird das angewendete Wahlverfahren jetzt auch als falsch bezeichnet. http://www.bretten.de/cms/sites/default/files/2009-06-18%20Seite%202.pdf |
Observatör Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Freitag, 24. Juli 2009 - 18:09 Uhr: | |
In einer knappen Erklärung im Amtsblatt hat die Stadt Bretten jetzt bekannt gegeben, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe die Wahlen zum Brettener Gemeinderat und allen Ortschaftsräten (auch dem von Dürrenbüchig) für gültig erklärt hat. http://www.bretten.de/cms/sites/default/files/2009-o7-23-Seite%202-1306-neu.pdf (Mitte der rechten Spalte, grau unterlegt) |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Freitag, 24. Juli 2009 - 21:58 Uhr: | |
Args. Was soll das denn? Nächste Ebene Innenministerium? Sind die gaga? |
Wilko Zicht
Moderator
| Veröffentlicht am Montag, 27. Juli 2009 - 22:34 Uhr: | |
Auf unsere Nachfrage hin begründet das Regierungspräsidium Karlsruhe seine Entscheidung wie folgt: "Nach unserer Auffassung lagen hier die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes nicht vor. Erforderlich ist hier, dass durch einen Wahlfehler das Ergebnis der Wahl - gemeint ist hier die Sitzverteilung - beeinflusst werden konnte. Insbesondere Letzteres war hier unseres Erachtens nicht der Fall." |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Montag, 27. Juli 2009 - 23:15 Uhr: | |
Erforderlich ist hier, dass durch einen Wahlfehler das Ergebnis der Wahl - gemeint ist hier die Sitzverteilung - beeinflusst werden konnte. Diese Begründung ist offensichtlich falsch, allein schon deshalb, weil beim gesetzeskonformen Verfahren ja auch nicht im Wahlvorschlag benannte Bewerber gewählt werden könnten. Außerdem kann natürlich das Kumulieren das Ergebnis beeinflussen. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 28. Juli 2009 - 00:28 Uhr: | |
OK, was nun? Ich denke, ich werde auch noch nachfragen. Und dann? Welche Art von Aufsicht übt das Innenministerium aus? |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 28. Juli 2009 - 09:42 Uhr: | |
"Außerdem kann natürlich das Kumulieren das Ergebnis beeinflussen." Ja, aber realistischerweise nur in Kombination mit der Wahl nicht genannter Bewerber. Es wurden ja eh alle gewählt ... |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Mittwoch, 12. August 2009 - 14:58 Uhr: | |
Ich würde das ungern auf sich beruhen lassen ... Einfach eine Beschwerde ans Innenministerium? Die vollständige Auskunft, aus der der Satz oben zitiert wurde, würde mich interessieren. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Freitag, 14. August 2009 - 08:56 Uhr: | |
IMO ist der "Wahl"fehler so schwerwiegend, daß die "Wahl" eine demokratische Legitimation des Ortschaftsrates nicht mehr ansatzweise zu vermitteln vermag. Falls doch, waren auch die Wahlen in der DDR demokratisch ... |
Observatör Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Freitag, 14. August 2009 - 18:58 Uhr: | |
Zwischen den Wahlen in der DDR vor 1989 und der Wahl jetzt in Dürrenbüchig besteht aber ein entscheidender Unterschied. In der DDR waren von vornherein nur die von der Obrigkeit aufgestellten Einheitslisten zur Wahl zugelassen. Andere Personen oder Gruppen durften sich nicht zur Wahl stellen, auch wenn sie es gewollt hätten. In Dürrenbüchig hingegen stand es den Bürgern frei, Wahlvorschlagslisten zu bilden und sich damit zur Wahl zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat 2009 genau eine Gruppierung Gebrauch gemacht, und die Personen des zugehörigen Wahlvorschlags waren dann auch wählbar. |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 22. Oktober 2009 - 23:58 Uhr: | |
Entwurf einer Petition: Betreff: Ortschaftsratswahl in Bretten-Dürrenbüchig hier: Wahrnehmung der Rechtsaufsicht durch Landesbehörden Sehr geehrte Damen und Herren, am 7. Juni 2009 waren in ganz Baden-Württemberg Kommunalwahlen angesetzt, so auch die Ortschaftsratwahl in der Brettener Ortschaft Dürrenbüchig. In Dürrenbüchig hab es einen zugelassenen Wahlvorschlag des Bürgervereins. Die Gemeindeordnung sieht auch für diesen Fall eine /Wahl/ vor: Nach § 26 Abs. 3 GO findet Mehrheitswahl ohne Stimmenhäufung und ohne Bindung an die Wahlvorschläge statt. Diese Wahl hat aber in Dürrenbüchig nicht stattgefunden. Stattdessen wurde das Verhältniswahlverfahren mit Stimmenhäufung angewandt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe als Rechtsaufsichtsbehörde wurde auf diesen Wahlfehler hingewiesen. Es hat eine Wahlanfechtung von Amts wegen mit folgender Begründung abgelehnt: " Nach unserer Auffassung lagen hier die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes nicht vor. Erforderlich ist hier, dass durch einen Wahlfehler das Ergebnis der Wahl -- gemeint ist hier die Sitzverteilung -- beeinflusst werden konnte. Insbesondere Letzteres war hier unseres Erachtens nicht der Fall. " Diese Auffassung ist offensichtlich unhaltbar und unvertretbar. Wenn das vorgeschriebene Wahlverfahren angewandt worden wäre und die Wähler auch darauf hingewiesen worden wären, hätten andere Personen als die im Listenvorschlag aufgeführten gewählt werden können. Diese hätten womöglich mehr Stimmen als die im Wahlvorschlag aufgeführten Personen erhalten, womit es zu einer anderen Zusammensetzung des Ortschaftsrats gekommen wäre. Eine Mandatsrelevanz ist damit sehr wohl gegeben. Viel bedeutender ist aber, daß hier überhaupt keine demokratische Wahl stattgefunden hat, da die Stimmbürger keinerlei Wahlmöglichkeit hatten. Ein neuer Ortschaftsrat wurde damit nicht gewählt, der angeblich gewählte Ortschaftsrat verfügt über keinerlei Legitimation, die sich (unmittelbar oder sonstwie) auf das Volk zurückführen läßt. Ich bitte daher darum, auf das Innenministerium als oberste Rechtsaufsichtsbehörde einzuwirken, damit es das sog. Wahlergebnis aufhebt (strenggenommen ist das zwar nicht nötig und möglich, da bei einer nicht stattgefundenen Wahl auch kein Wahlergebnis festgestellt werden kann) bzw. die Feststellung des Wahlergebnis für nichtig erklärt sodann die Durchführung einer Wahl des Ortschaftsrates anordnet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß jegliche Beschlüsse, an denen der sog. (nicht gewählte) Ortschaftsrat von Dürrenbüchig zwingend beteiligt wurde, nichtig sind, weil Dürrenbüchig momentan keinen Ortschaftsrat hat. Jedenfalls aber sind solche Beschlüsse nichtig, weil sie demokratiewidrig sind. Dies liegt daran, daß an ihnen ein Organ mitgewirkt hat, das aus einer Wahl hervorging, die unter einem so schwerwiegenden Fehler leidet, daß das Organ über keinerlei demokratische Legitimation verfügt. Nach alledem ist eine neue Wahl des Ortschaftsrates anzusetzen und die Rechtsaufsichtsbehörden haben die notwendigen Maßnahmen und Anordnungen zu treffen. Mit freundlichen Grüßen Jens Müller |
Broell Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Dezember 2009 - 14:56 Uhr: | |
Neuwahl eines Ortschaftsrates??? Das sind ja überaus wichtige politische Gremien mit extremsten Entscheidungsbefugnissen... Da ist natürlich eine Neuwahl dringenst geboten, zumal sich ja nicht mal die Parteizugehörigkeit dadurch ändert ;-) |
Jens Müller
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 11. April 2010 - 13:27 Uhr: | |
Siehe LDrs. 14/5946 (Nr. 5) |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 11. April 2010 - 16:05 Uhr: | |
http://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/5000/14_5946_d.pdf Natürlich ist es richtig, dass eine korrekte Wahl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts an der momentanen Sitzverteilung geändert hätte. Bloß stellt sich dann die Frage, warum man im Fall "Kandidatenzahl = Sitzzahl" überhaupt eine Wahl durchführt, anstatt die Wählerschaft vor "unnötiger Belastung" und die Gemeinde "vor dem damit verbundenen Aufwand zu bewahren". Dass 82 Wähler anders wählen hätten müssen, ist nicht richtig. Es reicht schon, wenn die Hälfte davon eine andere Person wählt. Richtig relevant wird der Wahlfehler aber jedenfalls dann, wenn eine Person ausscheidet, weil dann keine Ersatzpersonen vorhanden sind, die es bei Mehrheitswahl wahrscheinlich gegeben hätte. Ob dann noch (oder überhaupt bei Mehrheitswahl) die zitierte Auffassung, eine falsche Reihenfolge der Ersatzpersonen stelle keine "Ergebnisbeeinflussung" dar, anwendbar ist, ist äußerst fraglich. Schon bei einer Verhältniswahl ist diese Auffassung bedenklich, weil das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg beim Nachrücken keine Wahlprüfung mehr vorsieht, auf die man das Problem verschieben könnte. |