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Archiv bis 14. November 2006

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Sonstiges (noch nicht einsortierte Themen) » Streitfrage: Ist "Stimme ungültig machen" dasselbe wie nicht wählen gehen? » Archiv bis 14. November 2006 « Zurück Weiter »

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Detlef
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. Mai 2004 - 23:53 Uhr:   

Ich habe schweren Streit mit einigen meiner Mitbürger und bitte um Hilfe:
"Nicht Wählen heisst Randgruppen unterstützen" hab ich gelernt.
Soll heissen: Wenn ich nicht Wählen gehe verringere ich die Wahlbeteiligung und somit erhalten vermeintlich schwächere Parteien mehr Prozentpunkte.
Nun sagen einige meiner Bekannten, dass es das Selbe ist ob ich Wählen gehe und meinen Stimmzettel ungültig mache oder zu Hause bleibe und gar nicht wähle.
Das kann doch nicht sein oder?
Mit meiner Wahlteilnahme zeige ich doch den Willen zum Wählen, mit meiner Verweigerung zeige ich desinteresse.
Mache ich den Stimmzettel nun ungültig, fliesse ich zumindest in die Wahlbeteiligung ein und zeige damit aber das keine Partei mir zusagt.
Beispiel: 100 Leute Wählen. Alle gehen zur Wahl. 90 Leute machen ihren Stimmzettel ungültig durch falsches ankreuzen oder ähnliches, weil sie mit den zur Verfügung stehenden Parteien nicht einverstanden sind.
4 Leute wählen A 6 Leute wählen B. Wir haben also eine Wahlbeteiligung von 100% wobei 90 % ungültig sind aber zumindest eine Wahlbereitschaft gezeigt haben.
Gewinnt jetzt Partei B die Wahl? oder bleibt die alte Regierung an der Macht? oder gibt es Neuwahlen? oder wie?

im voraus vielen Dank für eure Antworten
Gruß Detlef
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 07:52 Uhr:   

@Detlef
Gewinnt jetzt Partei B die Wahl?

Zumindest nach deutschem Wahlrecht ja und zwar mit absoluter Mehrheit. Und hoffentlich fassen sich danach 90 Leute an den Kopf ...
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Kai
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 08:54 Uhr:   

In der Tat, durch eine ungültige Stimme ändern Sie nichts am Wahlausgang. Aber eine große Zahl ungültiger Stimmen ist dennoch m.E. ein deutlicheres Signal an die Parteien, dass keine einem zusagt, als zu Hause zu bleiben. Freilich bezweifele ich, dass sich die Politiker, die meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, das wirklich zu Herzen nehmen würden.

Nicht wählen oder ungültig wählen heißt vor allem, diejenigen zu unterstützen, die einem am wenigsten zusagen. Daraus ziehe ich für mich den Schluss, dass ich

1. wählen gehen muss
2. die Partei wähle, die die Einäuigige unter den Blinden ist, sprich: ich wähle, wenn mich nichts wirklich überzeugt, das geringste Übel, denn dadurch verhindere ich, dass es noch schlimmer kommt.

Und wenn man wirklich massiv unzufrieden ist, kann ich nur den Gang in eine Partei empfehlen und dort selbst einfach mal den Mund aufmachen. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man - gerade, wenn man keine Ämter anstrebt - hierdurch den Laden vor Ort durchaus aufmischen und aufrütteln kann. Und nur so kann sich dann wirklich an dem Politikstil im Land was ändern.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 11:06 Uhr:   

@Kai:
> Aber eine große Zahl ungültiger Stimmen ist dennoch m.E. ein
> deutlicheres Signal an die Parteien, dass keine einem zusagt, ...
Ich würde das eher als Signal nehmen, daß PISA immer stärker zuschlägt und die Leute nicht mal korrekt einen Wahlzettel ausfüllen können.
Wer unzufrieden ist, bleibt üblicherweise zu Hause.

Und da stimme ich voll zu: Bei Unzufriedenheit ist Aktivität die einzige vernünftige Alternative. Sei es in einer bestehenden Partei, durch Gründung einer neuen, durch Aktivität in irgendwelchen Gruppen, die auf Parteien Einfluß ausüben.

Wer sich nicht beteiligt, noch nicht einmal an Wahlen - der wird völlig zu Recht ignoriert.
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kai
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 11:41 Uhr:   

@Ralf:

Na ja, es steht eigentlich relativ klar und leicht verständlich auf dem Stimmzettel, wie man ihn auszufüllen hat, und als Wahlhelfer habe ich das den Bürgern auch immer noch gesagt:

Auf dem weißen Stimmzettel bitte in jeder Spalte ein Kreuz machen. Den weißen Zettel in den blauen Umschlag stecken und nicht zukleben.

Auf dem rosanen und dem grünen Stimmzettel bitte jeweils nur ein Kreuz machen, die Zettel einmal falten und nicht in den blauen Umschlag stecken.

Den blauen Umschlag und den rosanen und den grünen Stimmzettel werfen Sie dann bitte hier in die Urne.

Wer da noch ungültig wählt, der will es in der Regel auch.

Anders sieht es bei der Briefwahl aus. Dort gibt es relativ viele Stimmen, die aus Formgründen ungültig sind, und wo man davon ausgehen muss, dass die Bürger versehentlich ungültig wählen. Bspw. der Wahlschein steckt mit im Wahlumschlag und nicht nur im Wahlbriefumschlag oder der Wahlumschlag ist nicht zugeklebt.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 12:38 Uhr:   

> > Aber eine große Zahl ungültiger Stimmen ist dennoch m.E. ein
> > deutlicheres Signal an die Parteien, dass keine einem zusagt, ...
> Ich würde das eher als Signal nehmen, daß PISA immer stärker
> zuschlägt und die Leute nicht mal korrekt einen Wahlzettel
> ausfüllen können.
> Wer unzufrieden ist, bleibt üblicherweise zu Hause.
Jein. Es gibt Fälle, bei denen absichtlich ungültig gemachte Stimmzettel nachweisbar einen nennenswerten Umfang einnehmen, zum Beispiel die recht zahlreichen "Weißwähler" bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in Österreich. Und das bei einem der einfachsten Stimmzettel der Welt (es gab genau zwei Möglichkeiten)!
Die aus Versehen unkorrekt ausgefüllten Stimmzettel häufen sich vor allem bei komplexeren Systemen, etwa den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg und Bayern. Selbst da sind es aber nicht mehr als ca. 3% ungültige Stimmen, ein Wert, den man angesichts der Vorteile dieser Systeme durchaus in Kauf nehmen kann.

Zum ursprünglichen Thema: Es hängt auch vom jeweiligen Wahlsystem sowie weiterer Bestimmungen ab, wie man sich taktisch am sinnvollsten verhält, wenn man mit keiner Partei so richtig etwas anfangen kann. In Deutschland zum Beispiel erhöht eine hohe Zahl gültiger Stimmen gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, dass Parteien der extremen Rechten unter das Limit zur Parteienfinanzierung (im Bund 0,5%) rutschen. So etwas sollte man eben auch nicht außer acht lassen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 13:19 Uhr:   

"Es hängt auch vom jeweiligen Wahlsystem sowie weiterer Bestimmungen ab, wie man sich taktisch am sinnvollsten verhält, wenn man mit keiner Partei so richtig etwas anfangen kann."

Nein, zumindest in Westeuropa gibt es nirgendwo ein Quorum für die Gültigkeit der Wahl. Wer also nicht wählt, verzichtet auf jede Einflußmöglichkeit, und sei es nur die, das kleinste Übel zu wählen.


"In Deutschland zum Beispiel erhöht eine hohe Zahl gültiger Stimmen gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit, dass Parteien der extremen Rechten unter das Limit zur Parteienfinanzierung (im Bund 0,5%) rutschen. So etwas sollte man eben auch nicht außer acht lassen."

200 Stimmen heben die Hürde gerade mal um eine (gültige) Stimme an. Das kann man getrost ignorieren. Zumindest eine rechtsradikale Partei erreicht sowieso immer klar über 0,5%. Zudem neigen gerade auch potentielle Nichtwähler überdurchschnittlich dazu, für Rechtsradikale zu stimmen.

@ Ralf
"Wer sich nicht beteiligt, noch nicht einmal an Wahlen - der wird völlig zu Recht ignoriert."

Vollkommen richtig. Ich weiß auch nicht, warum niedrige Wahlbeteiligung oder viele ungültige Stimmen was schlechtes sein sollen. Besser, die Unzufriedenen bleiben zu Hause oder stimmen ungültig statt irgendwelche Spinner zu wählen.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 15:50 Uhr:   

Das "Nicht wählen heißt Randgruppen unterstützen" ist pauschal sicher nicht richtig. Ich geh davon aus, dass bei den Nichtwählern die prinzipielle Bereitschaft, Randgruppen zu wählen, höher als im Durchschnitt ist, also werden faktisch eher die etablierten Parteien gestärkt.

Für den Einzelnen, der sich entscheidet, ob er (gültig) wählen geht, ist die Lage aber anders. Wie Kai schon bemerkt hat: Man "wählt" als Nichtwähler (und leider auch als Wähler von Splittergruppen, die die 5%-Hürde höchstwahrscheinlich verfehlen) immer das, was man persönlich als größtes Übel betrachtet.


Zu den Ursachen der ungültigen Stimmen kann man schon ein paar Aussagen machen. Laut repräsentativer Wahlstatistik (PDF, 260 KB) war bei 28% der ungültigen Zweitstimmen der Stimmzettel komplett leer oder durchgestrichen. Da muss man von Absicht ausgehn. Bei 32% war das nur auf der Zweitstimmenseite der Fall und die Erststimme gültig. Das kann fehlende Kenntnis der zweiten Stimme oder bewusste Teilenthaltung sein. Bei 34% waren zu viele oder falsch verteilte Kreuze. Das wird in der Regel (aber nicht immer) mangelnde Kenntnis des Wahlsystems sein. 5% sind sonstige Gründe. Eigentlich müssten da die Stimmzettel mit Zusatz oder Vorbehalt dabei sein, aber die Zahl erscheint mir so niedrig, dass sie vielleicht auch als durchgestrichene Stimmzettel zählen (bei manchen wird das ja zusätzlich tatsächlich der Fall sein).

Kai:
> Anders sieht es bei der Briefwahl aus. Dort gibt es relativ viele
> Stimmen, die aus Formgründen ungültig sind, und wo man davon
> ausgehen muss, dass die Bürger versehentlich ungültig wählen.

Nicht ganz. In den meisten dieser Fälle wird der Wahlbrief zurückgewiesen, womit der Wähler als Nichtwähler gilt.


Thomas:
> 200 Stimmen heben die Hürde gerade mal um eine (gültige) Stimme an.

Wovon aber mehrere Parteien gleichzeitig betroffen sein können und im Erfolgsfall je an die 250.000 Stimmen ihren Geldwert verlieren.

Überhaupt hat die Stimme auch andere Auswirkungen auf die Parteienfinanzierung, siehe hier.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 16:04 Uhr:   

@kai:
> Na ja, es steht eigentlich relativ klar und leicht verständlich auf
> dem Stimmzettel, wie man ihn auszufüllen hat, und als Wahlhelfer
> habe ich das den Bürgern auch immer noch gesagt:
Man sollte die Doofheit der Leute nicht unterschätzen!
Selbst bei sehr einfachen Wahlzetteln (Dein Beispiel war ja schon fast kompliziert) gibt es genug Leute, die es einfach falsch machen.

Die von c07 zitierten Zahlen sind da schon aussagekräftig und decken sich mit meinen Erfahrungen als Wahlhelfer:
> war bei 28% der ungültigen Zweitstimmen der Stimmzettel komplett
> leer oder durchgestrichen.
Durchgestrichen dürfte wohl wirklich immer Protest sein, ein leerer Stimmzettel auch oft - aber nicht immer.
Es ist schon erstaunlich, wie schusselig manche Leute sein können.

Wir hatten da mal einen extremen Fall: Wähler (relativ alt) kriegt den Stimmzettel, geht nicht in die Kabine, faltet und steckt ihn in den Umschlag, wirft ihn in die Urne (da hätte der Beisitzer m. E. nicht frei geben dürfen - der war wohl abgelenkt). Und fragt dann: "Und wo soll ich jetzt mein Kreuz machen?".
Dumm gelaufen ...

> Bei 32% war das nur auf der Zweitstimmenseite der Fall und die
> Erststimme gültig. Das kann fehlende Kenntnis der zweiten Stimme
> oder bewusste Teilenthaltung sein.
In der Tat nicht zu unterscheiden.

> Bei 34% waren zu viele oder falsch verteilte Kreuze. Das wird in
> der Regel (aber nicht immer) mangelnde Kenntnis des Wahlsystems
> sein.
Wir hatten mal einen Kollegen (Akademiker!), der hat immer grundsätzlich alle Parteien (außer NPD oder so) angekreuzt.
Motto: "Es haben doch alle Parteien gute Ideen".
Trotz heftiger Diskussionen war ihm nicht beizubringen, daß er damit eine ungültige Stimme abgibt. Er blieb völlig beratungsresistent dabei, daß dann jede Partei eine Stimme mehr bekommt ...
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Detlef
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 19:07 Uhr:   

Vielen Dank für dir Beiträge -hat mir sehr geholfen- obwohl ich offensichtlich im unrecht war :-(
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 14. Mai 2004 - 20:00 Uhr:   

@Detlef
>"Nicht Wählen heisst Randgruppen unterstützen"

Nicht Wählen heisst vor allem die stärkeren Parteien zu unterstützen. Die Parteien profitieren ja proportional zu ihrem Stimmenanteil von einer Nichtwahl. Randgruppen unterstützt man am effektivsten indem man sie wählt.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 09. Juli 2004 - 04:16 Uhr:   

Nochmal zu Ursachen von ungültigen Stimmen, diesmal für die Europawahl 1999 (die repräsentative Wahlstatistik betrifft da allerdings nur die Urnenwahl):

Insgesamt waren damals 57% der ungültigen Stimmen leere oder durchgestrichene Stimmzettel, 33% haben mehrere Kreuze gehabt, und bei 10% waren es sonstige Gründe.

Intressant ist die Aufteilung nach Bundesländern: Die leeren oder durchgestrichenen Stimmzettel waren überall da extrem stark vertreten, wo parallel andere Wahlen waren, aber auch bei denen mit mehreren Kreuzen gibt es da bezogen auf die Zahl der Wähler noch eine Steigerung, auffälligerweise gerade im Saarland, wo man auch bei der Kommunalwahl nur 1 Stimme hat (aber die Saarländer wählen wie die anderen neuen Bundesländer ganz allgemein gern ungültig). Auch die Hamburger mit ihrem damaligen 1-Stimmen-Wahlrecht haben vergleichsweise häufig mehrere Kreuze gemacht (ohne Parallelwahl).

Die "sonstigen Ursachen" sind ziemlich gleichmäßig auf niedrigem Niveau (etwa 0,1% der Wähler). Dabei gibt es aber mit Hessen und vor allem Sachsen zwei deutliche Ausreißer. Allerdings hab ich den Verdacht, dass da vor allem die Kategorisierung unterschiedlich gehandhabt worden ist, weil gleichzeitig die leeren bzw. durchgestrichenen Stimmzettel relativ wenig sind.

Männer und Frauen haben insgesamt ungefähr ähnlich viele ungültige Stimmzettel produziert, aber bei Frauen ist die Variante mit mehreren Kreuzen deutlich beliebter (außer in Schleswig-Holstein). Auch in den neuen Bundesländern scheint es eine Vorliebe für mehrere Kreuze zu geben, aber nachdem da fast überall Kommunalwahlen waren, ist das nicht ganz eindeutig.

Insgesamt wählen die Wähler über 60 mehr als doppelt so häufig ungültig wie die unter 25. Das liegt vor allem am Osten, wo es der 3- bis 4-fache Anteil ist. Im Westen ist dieses Gefälle wesentlich weniger stark ausgeprägt, aber das scheint zu einem guten Teil an den Kommunalwahlen zu liegen, nachdem da Rheinland-Pfalz und das Saarland aus der Reihe tanzen. Anderswo bleiben die älteren Wähler halt gleich daheim, statt einen leeren Stimmzettel abzugeben.

In etlichen westlichen Bundesländern haben die Jungwähler, besonders die weiblichen, sogar wieder höhere Anteile an ungültigen Stimmen als die mittleren Jahrgänge. In Hessen ist die Verteilung nach Alter komplett gedreht, aber das ist so auffällig, dass es auch ein Fehler in der Statistik sein könnte.

Bei den Aussagen zu den ungültigen Stimmen der Jungwähler muss man noch bedenken, dass da die Fallzahlen selbst bei der repräsentativen Statistik allmählich niedrig werden, wenn man einzelne Bundesländer anschaut (insgesamt sind knapp 4% der Wähler erfasst, aber in manchen (teilweise auch den kleineren) sind es weniger).
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Josef
Veröffentlicht am Sonntag, 11. Juli 2004 - 14:43 Uhr:   

c07: "aber die Saarländer wählen wie die anderen neuen Bundesländer ganz allgemein gern ungültig"

LOL!
Ist Baden-Württemberg (*1952) eigentlich ein neues oder ein altes Bundesland?
Spielt dabei bei der Beurteilung dieser Frage Art. 118 GG eine Rolle?
;-)
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laura
Veröffentlicht am Freitag, 29. Juli 2005 - 11:15 Uhr:   

Es gibt auch noch aktiven Wahlboykott:

bitte nachlesen
bei
www.wahlboykott2005.de

und

www.wahlboykott-muenchen.de

www.pilt.de
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müller
Veröffentlicht am Freitag, 16. September 2005 - 13:14 Uhr:   

hier wird gepostet das ein NICHTWÄHLER ! seine stimme der stärksten oder schwächsten partei zugute kommt (ja was den nun?) weder das eine oder das ander trifft zu ! DENN wenn der NICHTWÄHLER wählen gegangen wäre, hätte er sich für eine partei entschieden ! so als "nichtwähler" hat diese partei diese stimme ja nicht bekommen und somit verlust UND WIR, IHR wisst ja gar nicht welche partei der NICHTWÄHLER den gewählt hätte !!!! also, lasst den von politikern verbreiteten quatsch das die stimme da oder dort hin geht ! in diesem sinne rate ich .... den wahlzettel UNGÜLTIG zu machen !!!
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 11. Dezember 2005 - 12:52 Uhr:   

@c07 9. Juli 2004:

Kleine aktuelle Ergänzung: In der Monatsschrift des Statistischen Landesamts Berlin, "Berliner Statistik", Heft 9/2005 findet sich eine Analyse zu ungültigen Stimmen bei der Europawahl 2004.

Die Ergebnisse sind ganz interessant. Auch da findet man wieder den etwas erhöhten Anteil im Saarland; einen Kategorisierungsunterschied, was Hessen betrifft; die These, dass protestwillige jüngere Berliner männlichen Geschlechts häufiger rechtsextrem, weiblichen Geschlechts häufiger ungültig wählen; Hinweise, dass bei Ungültigkeit durch zwei Kreuze wohl oft von Unvermögen auszugehen sei, da - ungültig - gern "rot-grün" oder "schwarz-gelb" gewählt wird,

und etliches mehr.
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bert (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 19. Dezember 2005 - 16:15 Uhr:   

Tja, aber die von Detlef gestellte Kernfrage bleibt doch - gibt es nun "Enthaltungen" (z.B. abgegebener, aber leerer Stimmzettel), oder nicht?
In den bunten Diagrammen der ARD taucht jedenfalls nie eine Partei "ungültige Stimmen" auf.
Ich gehe als davon aus, dass ich, wenn ich mit einer ungültigen Stimme liebäugle (z.B. indem ich alle ankreuzen oder einen lustigen Kommentar zu jedem Kandidaten dazu schreiben oder einfach leer abgeben will) mir den Weg zur Urne gleich sparen kann.
Der Effekt bleibt derselbe, ich erspare aber den Wahlhelfern Arbeit.
IST DAS SO??? Wenn da jemand bescheid weiß, wäre ich sehr glücklich über eine Fundstelle oder Angaben über die Herkunft dieser Info. Danke!
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ja (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 19. Dezember 2005 - 16:38 Uhr:   

Also:

Die Ungültigkeit der Stimme regelt sich nach § 39 BWG (z.B. http://www.bundestag.de/parlament/gesetze/bwahlg_pdf.pdf).

Die Nichtberücksichtigung ungültiger Stimmen bei der Sitzverteilung und bei der Berechnung der 5%-Hürde ergibt sich aus § 6 BWG (insbesondere Abs. 6).

Insofern ist es für die Sitzverteilung völlig belanglos, ob jemand ungültig abstimmt oder nicht wählt. [Die einzige mir bekannte Ausnahme stellen die Berliner Abgeordnetenhauswahlen dar: hier wird die 5%-Hürde auf die Gesamtzahl der Wähler, also gültige + ungültige Stimmen, bezogen, sodass sich eine ungültige Stimme zumindest theoretisch auswirken könnte.]

Ansonsten kann die Abgabe einer ungültigen Stimme u.U. dann eine Wirkung entfalten, wenn dies von entsprechend vielen Wahlberechtigten wahgenommen wird; bestes Beispiel: bei den saarländischen Landtagswahlen 1952 galt die Abgabe leerer Stimmzettel als Protest gegen die französisch-orientierten Parteien, der Anteil ungültiger Stimmen lag bei 24,5% (bei einer Wahlbeteiligung von 93,1). Dies wurde als deutliches Zeichen des Protestes gewertet, das im Zusammenhang mit dem späteren Anschluss des Sarrlandes an die BRD durchaus eine Rolle spielte.

Das kann aber auch leicht untergehen, insbesondere wenn der Anteil ungültiger Stimmen ohnehin schon hoch ist: Bei den Europawahlen 1984 hatte der Bauern- (oder Winzer-?) Verband in Rheinland-Pfalz zur Abgabe ungültiger Stimmen aufgefordert (als Protest gegen die Politik der Landesregierung). Der Anteil der ungültigen Stimmen lag denn auch mit 3,9% deutlich über dem Bundesdurchschnitt (1,5%), Auswirkungen sind mir allerdings nicht bekannt.
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Xenon (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 09. Januar 2006 - 15:35 Uhr:   

Entweder man bleibt zu Hause. Oder man geht zur Wahl und wählt. Es gibt aber nichts Dümmeres als sich zur Wahlurne zu schleppen und dann nen leeren oder durchgestrichenen Zettel einzuwerfen. Dann lieber einen Exoten wählen (Famile, Tierschutz, ÖDP, Zentrum, LD, Violette, MLPD... gibt ja genug.). DAS tut den Großparteien wenigstens noch ETWAS weh. Ungültige Stimmen sind denen doch schnuppe. Die werden beim Wahlergebnis vorab raussortiert und NICHT BERÜCKSICHTIGT. Also kannste auch genausogut zuhause bleiben.
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ja (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 09. Januar 2006 - 15:53 Uhr:   

@Xenon:
"Es gibt aber nichts Dümmeres als sich zur Wahlurne zu schleppen und dann nen leeren oder durchgestrichenen Zettel einzuwerfen."
Vielleicht gibt es auch nichts Dümmeres als blöde Forumsbeiträge?
Wenn jemand wirklich der Meinung ist, dass ihm (oder ihr) von den angebotenen Alternativen keine zusagt, ist es natürlich sein gutes Recht, ungültig zu stimmen. Und ob er nun einen Sonntagsspaziergang macht oder nicht, ist auch seine Sache.

Ein Beispiel:
Bei den letzten Landrats- und Ob-Stichwahlen (zugegeben: jeweils nur 2 KandidatInnen) bin ich natürlich hingegangen und habe meiner Meinung (dass nämlich beide ungeeignet sind) Ausdruck gegeben.
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cme (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 21. März 2006 - 18:41 Uhr:   

Das Problem nicht wählen/ungültigen Stimmzettel abgeben kann man auch schön rechnerisch lösen.
Sagen wir mal von 100 Leuten wählen 30 Partei A und 40 Partei B und 30 Leute geben einen ungültigen Stimmzettel ab. Dann bekommt Partei A 30% und Partei B 40% der Stimmen.
Bleiben die 30 Leute mit den ungültigen Stimmzetteln jedoch zuhause, teilen sich die Prozent zu 42,86 auf Partei A und zu 57,14 auf Partei B auf.

Der prozentuale Anteil der Stimmen erhöht sich also bei allen Parteien wieder prozentual. Man beeinflusst das Ergebnis also schon, wenn man geht und den Wahlzettel ungültig macht.
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ja (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 21. März 2006 - 19:08 Uhr:   

@cme:
"Man beeinflusst das Ergebnis also schon, wenn man geht und den Wahlzettel ungültig macht."
Das ist leider schlicht falsch, da alle Statistiken (also sowohl die Demoskopen am Wahlabend, als auch Bundes-/Landeswahlleiter in den offiziellen Ergebnissen als auch die berichterstattenden Medien) die Prozentwerte nach den abgegebenen gültigen Stimmen berechnen - also hier in jedem Fall 57 zu 43 %.
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(Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 01. April 2006 - 16:11 Uhr:   

"In der Monatsschrift des Statistischen Landesamts Berlin, "Berliner Statistik", Heft 9/2005 findet sich eine Analyse zu ungültigen Stimmen bei der Europawahl 2004."

findet sich hier: http://www.statistik-berlin.de/aktuell/ms/ms2005/aufsatz0905b.pdf
die erste untersuchung der ungültigen stimmzettel seit Lavies 1968.

außerdem gibt es hier http://ungueltigwaehler.goleomat.de/fragebogen/main.htm eine sicherlich nicht ganz repräsentative umfrage von bewussten ungültigwählern.

sehr spannend auch oberbürgermeisterberichte zu den ungültigen stimmen bei der wahl 1946 in württemberg-baden in: Uffelmann, Uwe, 2002: Von einigen Schwierigkeiten, Demokratie zu lernen. Eine Dokumentation zu den Kreistagswahlen vom 28.4.1946 im Landbezirk des Landes Württemberg-Baden, in: Uffelmann, Uwe: Politische Wegzeichen: Bausteine zu den westdeutschen Weichenstellungen und zur staatlichen Formierung Südwestdeutschlands nach dem zweiten Weltkrieg, Weinheim, S. 69-87. (bei amazon search-inside möglich).
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bert (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 11. April 2006 - 04:51 Uhr:   

Also so wie ich das sehe, hat "ja" mit seiner Meinung recht. Die Belege finde ich handfest und die Argumentation plausibel.
Einen leeren der verunstalteten Stimmzettel abzugeben muss deswegen nicht dumm sein, auch wenn ich Xenon Recht gebe, dass es Quatsch ist, sich schon mit diesem Vorsatz zur Kabine zu begeben. Es kann ja aber sein, dass jemand "erstmal schauen will", und sich dann erst in der Kabine entscheidet, dass sein Plan, eine der Kleinen zu wählen, an der Auswahl zwischen Autofahrer- BibeltreueChristen- und Biertrinkerpartei scheitert und den Stimmzettel verungültigt.
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hbs79 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 23. April 2006 - 00:53 Uhr:   

Man sollte ruhig immer wählen gehen, und wenn man mit der Auswahl der oberen Ankreuzmöglichkeiten nicht zufrieden ist, kreuzt man mal einen der unteren an.
zB:Tierschutzpartei,Grauen Panter(partei d. Rentner oder so)und selbst wenn es im Notfall die Partei der Biertrinker ist.Besser als garnicht wählen.
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Mai 2006 - 01:18 Uhr:   

Ja, das stimmt, da man eigentlich davon ausgehen darf, dass die Leute die zu Hause bleiben und nicht wählen gehen einfach kein interesse an der Politik zeigen und so funktioniert das System nicht. Es ist die PFLICHT eines jeden Bürgers wählen zu gehen und wer mit den angegebenen Wahlmöglichkeiten nicht Einverstanden ist, der soll seine eigene Partei gründen und wenn ihm das zu viel Arbeit ist, dann muss er sich mit dem begnügen, was vorhanden ist.
Besser falsch wählen als gar nicht wählen.
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juwie
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Mai 2006 - 16:04 Uhr:   

Liberale Demokratien zeichnen sich (gerade im Vergleich zu sog. "Volksdemokratien") dadurch aus, dass jeder Bürger das Recht hat, sich nicht für Politik zu interessieren!

Systeme, in denen politische Partizipation eine Bürgerpflicht ist, zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie nicht besonders "freiheitlich" sind.

Bitte jetzt nicht das Gegenargument mit der Wahlpflicht in Belgien etc. anführen. Die Regelung ist in einem ganz anderen historischen Kontext eingeführt worden. Mit der Pflicht zur Wahlteilnahme sollte garantiert werden, dass das allgemeine Wahlrecht auch faktisch durchgesetzt werden konnte.

Die dahinter stehende Überlegung:
Der Fabrikbesitzer sagt seinen Arbeitern: "Jeder, der wählen geht (und - so vermute ich - sozialistisch stimmt), wird entlassen!" K(aum)ein Arbeiter geht wählen, die bürgerlichen Parteien gewinnen. Mit Einführung der Wahlpflicht wurde solchen Praktiken (weitgehend) der Boden entzogen.

Das ist heute aber nicht mehr der Fall. Deshalb fordere ich die Unterstützung der "Freiheit zur politischen Apathie"!
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Mai 2006 - 17:06 Uhr:   

"... fordere ich die Unterstützung der 'Freiheit zur politischen Apathie'"!

@juwie
Ist es dann nicht inkonsequent, hier zu posten?
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 31. Mai 2006 - 22:41 Uhr:   

@ juwie
Nun, mit Pflicht meinte ich jetzt nicht, dass es gesetzlich festgelegt sein sollte, dass jeder Bürger wählen geht, sondern dass eigentlich jeder Bürger durch seine demokratischen Moralvorstellungen zur Wahl gezwungen werden sollte.
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juwie
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juni 2006 - 17:36 Uhr:   

@MMA:
> Ist es dann nicht inkonsequent, hier zu posten?

Wieso, das Recht zur Nichtpartizipation zu fordern, ist doch nicht die Forderung, nicht zu partizipieren!

@unbekannter benutzer 17
Auch diese Position lehne ich ab! Jeder hat das Recht, politisch desinteressiert zu sein. Er ist nicht - und sei es auch nur moralisch - zur Partizpation zu verpflichten!
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juni 2006 - 18:08 Uhr:   

@juwie

Da haben Sie schon recht; aber:

Die "Freiheit zur politischen Apathie" zu _verteidigen_ ist das eine; sie zu _unterstützen_ bedeutet m. E., die politische Apathie geradezu zu fördern.
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juni 2006 - 23:33 Uhr:   

@ juwie:
MMA hat da schon Recht, nur noch was: Die Demokratie basiert nun mal darauf, dass jeder wählen geht. Sie haben mit Sicherheit Recht, dass niemand dazu verpflichtet sein darf, wählen zu gehen, aber wenn die Mehrheit der Bürger nicht wählen geht, dann kann man doch davon ausgehen, dass sie sich nicht für Politik, Demokratie und ihre Freiheit interessieren. In dem Moment, in dem ich nicht wählen gehe, zeige ich Desinteresse für die Politik und v.a. für die Demokratie. Das heisst, dass ich nicht mehr an meiner politischen Freiheit interessiert bin und es nicht für nötig erachte, die Demokratie zu fördern, indem ich wählen gehe. Und ich denke doch, dass jeder demokratisch eingestellte Bürger für seine Freiheit zumindestens einmal in vier Jahren zum Wählen gehen sollte.
Man verhilft durch Nichtwählen doch den Randparteien, wenn man davon ausgeht, dass die Radikalen auf jeden Fall wählen gehen. Ein Bespiel:
80 Millionen Deutsche
2 Millionen davon unterstützen aktiv eine rechtsextreme Partei.
Fall 1:
40 Millionen Deutsche gehen wählen, 2 Millionen davon wählen rechtsextrem.
Ergebnis:
rechtsextreme Partei : 5%
andere Parteien : 95 %

Fall 2:
20 Millionen Deutsche gehen wählen, davon wählen Millionen rechtsextrem.
Ergebnis:
rechtsextreme Partei : 10 %
andere Parteien : 90 %

Wie man hier eindeutig sehen kann, unterstützt man doch Randparteien, wenn man nicht wählen geht und davon ausgeht, dass die Extremen sehr viel mehr Interesse daran zeigen, wählen zu gehen. Denn ich denke nicht, dass z.B. unter Rechtsextremisten in Deutschland die gleiche Wahlbeteiligung gegeben ist, wie unter den "normalen" Durchschnittsbürgern.
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Juni 2006 - 23:35 Uhr:   

EDIT:
Fall 2:
20 Millionen Deutsche gehen wählen, davon wählen 2 Millionen rechtsextrem.
Ergebnis:
rechtsextreme Partei : 10 %
andere Parteien : 90 %
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senf aus Österreich (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 02. Juni 2006 - 02:44 Uhr:   

Seltsamerweisen ist aber doch erfahrungsgemäß gerade bei hoher Wahlbeteiligung der Stimmanteil rechtsextremer überproptional groß.
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der_republikaner
Veröffentlicht am Freitag, 02. Juni 2006 - 14:27 Uhr:   

da hat der senf aber recht. als die dvu damals 12% holte in SA war die Wahlbeteiligung im vergleih zu den anderen wahlen sehr hoch.

DIe extremen Parteien schöpfen ihr Potenzial daher eher aus den nichtwählern und den protestwählern.

auch ich denke das man freigestellt bekommen sollte ob man wählt oder nicht.

ich wäre zwar für eine wahlpflicht aber würde mich auch mit einer alternative zufrieden geben bei der die nichtwähler auch mit einbezogen werden sollten.

andererseits ist es ja auch fraglich warum leute die nicht wählen gehen einfluss auf die parlarmentsitze haben sollten.

vielleicht wäre eine koppelung der sitzzahl an die stimmen eine lösung, dennn da haben die politiker mehr motivation. den dann geht es nicht mehr um prozente sondern um absolute stimmzahlen. Die Aufgabe Menschen von seinen Absichten zu überzeugen ist enorm schwierig und wenn man weiß das man zb. 50000 Stimmen braucht für einen sitz macht einem dass doch mehr dampf unterm hintern als das wissen 50% zu brauchen da dann die nichtwähler mitunter ganz nützlich sein könnten

hier wurde das schon mal beschrieben:
http://www.wahlrecht.de/forum/messages/40/2497.html?1147454937
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Thomas Frings (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 02. Juni 2006 - 17:16 Uhr:   

@senf aus ö.

Den Umkehrschluß (geringe Beteiligung schlecht für Extreme)konnte man ja vor wenigen Wochen in Sachsen-Anhalt bestätigt sehen.
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juwie
Veröffentlicht am Samstag, 03. Juni 2006 - 13:49 Uhr:   

@ unbekannter benutzer17

> Die Demokratie basiert nun mal darauf, dass jeder wählen geht.

Nein! Sie basiert darauf, dass jeder wählen gehen KANN!

> Sie haben mit Sicherheit Recht, dass niemand dazu verpflichtet sein darf, wählen zu gehen, aber wenn die Mehrheit der Bürger nicht wählen geht, dann kann man doch davon ausgehen, dass sie sich nicht für Politik, Demokratie und ihre Freiheit interessieren. In dem Moment, in dem ich nicht wählen gehe, zeige ich Desinteresse für die Politik und v.a. für die Demokratie.

Das ist ein oft gehörtes Argument, welches einer empirischen Überprüfung aber nicht standhält. Dann stünde es in der Schweiz und den USA nämlich viel schlechter um das Interesse an der Demokratie (ich weiß, das Beispiel Schweiz hinkt etwas ).

> Das heisst, dass ich nicht mehr an meiner politischen Freiheit interessiert bin und es nicht für nötig erachte, die Demokratie zu fördern, indem ich wählen gehe.

Man kann aber auch nicht gehen, weil man glaubt, dass es so gut läuft, dass man sich nicht darum kümmern müsste.

> Und ich denke doch, dass jeder demokratisch eingestellte Bürger für seine Freiheit zumindestens einmal in vier Jahren zum Wählen gehen sollte.

Das ist durchaus richtig - und ich vertrete das auch immer: Wem es einmal in vier Jahren nicht wichtig genug ist, mal eben seine Stimme abzugeben (das schließt strategisches Nichtwählen aus), der soll gefälligst auch die nächsten Jahre nicht über die Politik mosern. Aber das ist eine Frage auf einer anderen Ebene!
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 03. Juni 2006 - 14:44 Uhr:   

Das heisst, dass ich nicht mehr an meiner politischen Freiheit interessiert bin und es nicht für nötig erachte, die Demokratie zu fördern, indem ich wählen gehe.

@Unbekannter Benutzer17: Demokratie und politische Freiheit sind nicht dasselbe. Bei der letzten Wahl im Iran, die ganz augenscheinlich ordnungsgemäß ablief, hat das Volk völlig demokratisch Herrn Ahmadinedschad gewählt und damit quasi gegen die politische (und vielfach auch sonstige) Freiheit im Iran gestimmt.

Wären die Ahmadinedschad - Anhänger (Die Mehrheit des Volkes!!!) nicht zur Wahl gegangen, gäbe es dort jetzt mehr politische Freiheit.

@Juwie: Sehe ich auch so.
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 05. Juni 2006 - 01:53 Uhr:   

> Nein! Sie basiert darauf, dass jeder wählen gehen KANN!
Das denke ich nicht, da die Demokratie darauf basiert, dass die Richtigkeit der politischen Entscheidung durch die Masse der Wähler gewährt wird. Das heisst, je mehr Menschen wählen gehen, desto "richtiger" ist das Ergebnis.
Natürlich darf man nicht zum Wählen gezwungen werden, aber man erreicht auch nichts, wenn man nicht Wählen geht.
@ Good Entity: Demokratie schliesst aber zumindest ein, dass man die Möglichkeit hat, wählen zu gehen und wenn sich die Bürger im Irak gegen die Freiheit dort ausgesprochen haben, dann ist das wahrscheinlich bei der jetzigen Situation dort angebracht.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 05. Juni 2006 - 15:49 Uhr:   

@unbekannter Benutzer: Ahmadinedschad ist Präsident vom Iran, nicht vom Irak. Wenn es dort angebracht war, sich gegen die politische Freiheit zu entscheiden, dann hat sich das Thema Freiheit wohl fast weltweit erledigt.

Wie und wo auch immer, mir würde es überhaupt nicht gefallen, wenn sich meine Mitwähler in demokratischer Wahl entscheiden würden, die (also auch meine) politische und sonstige Freiheit abzuschaffen. Das weckt starke Assoziationen an eine namhafte Wahl aus dem Jahre 1933.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 05. Juni 2006 - 17:25 Uhr:   

@ unbekannter benutzer 17:

Können Sie mir vielleicht erklären, warum es "bei der jetzigen Situation dort" angebracht sein könnte, dass sich die Bürger des Irak gegen die Freiheit aussprechen?

Ganz abgesehen davon, dass sie gerade dies nicht getan haben (sondern vielmehr zum ersten Mal seit Menschengedenken freie Wahlen abgehalten haben - mit einer Wahlbeteiligung, auf die man in Deutschland stolz wäre):
Ihr Kommentar spiegelt eine in Deutschland weit verbreitete Einstellung wider, die mich einfach nur ankotzt.

Man kann ja zum amerikanischen Engagement im Irak stehen wie man will. Dass dieses Engagement dem irakischen Volk Freiheit und Demokratie (und die Befreiung von einem ganz besonders widerlichen Diktator) gebracht hat, ist ja wohl (hoffentlich) unstrittig.
Um nun aber trotz dieser Fakten weiterhin eine Fundamental-Opposition gegen einem westlichen Engagement im Irak aufrecht erhalten zu können, ist es notwendig, genau dieses Demokratie-Bringen zu diskreditieren.
So nach dem Motto, die Iraker wollten doch eigentlich gar keine Demokratie und im übrigen könne man Demokratie nicht von Außen überstülpen. Das müsse vielmehr von Innen wachsen.
Hat ja schließlich bei uns 1945 auch wunderbar funktioniert...
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unbekannter benutzer 17 (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Juni 2006 - 23:29 Uhr:   

Also gut, erstmal entschuldige ich mich dafür, dass ich aus versehen Irak anstatt Iran geschrieben habe, ist aber vll auch verständlich, da ich den Kommentar um 1:53 Uhr verfasst habe.

@Good Entity: Gehen wir mal davon aus, dass da im Iran die Wahlen fair stattgefunden haben. Dann dürfen sich die Bürger auch gegen Freiheit entscheiden, wenn sie das wollen. Und wenn es einige Bürger gibt, die da was dagegen haben, dann gibt es auch noch andere Länder, in denen es Freiheit gibt.
Eins verstehe ich nicht so ganz: Wieso hat sich das Thema Freiheit dann weltweit erledigt? Da fehlt jetzt eine logische Argumentation.
Und dass sich die Mitwähler anders entscheiden und dass man dann selbst damit leben muss ist eig oft der Fall. Jetzt stellen Sie sich mal vor, sie wären ein Linksextremist. Dann können sie sich ja auch nicht beschweren, dass es in Deutschland keinen Kommunismus gibt, oder?
@ Florian: Weil die jetzige Situation dort unten doch vll nicht so ganz sicher ist und dass sie dehalb eine starke und sichere Regierung brauchen? Das mag jetzt zwar an gewisse andere Wahlen in den 30er Jahren erinnern, aber ich denke, dass wir das hier am schlechtesten beurteilen können, das können nur die Iraner.

Meine Einstellung ist in Deutschland eig eher weniger verbreitet, vll könnten Sie sich ein wenig konkretisieren, damit ich ein evtl. Missverständnis aus dem Weg räumen kann.
Dass man Demokratie von Aussen nur schwer überstülpen kann ist ja eig klar. Nur ist die Situation im Iran eine ganz Andere, als damals 1945. Deshalb kann/sollte man nicht allzu viele Vergleiche machen.

Ich bin mir jetz net so sicher, ob ich Ihren Text richtig verstanden hatte, aber falls Sie mit dem untersten Absatz die in Deutschland weit verbreitete Einstellung niederschreiben wollten, dann haben Sie damit leider Recht. Aber das Argument: " Hat ja bei uns auch geklappt" zieht einfach nicht.
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2006 - 12:36 Uhr:   

@unbekannter benutzer
Ich denke, Florian hat seine gesamte Aussage auf den Irak (!) bezogen, erste freie Wahl nach Besetzung durch USA etc. Wenn man ihn so liest, findet sich in dem Text eine im Internet weit verbreitete Einstellung wieder.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2006 - 18:53 Uhr:   

@ unbekannter Benutzer 17:

Irgendwie scheinen Sie Probleme zu haben IraN und IraK auseinander zu halten.
MMA hat recht, mein obiger Beitrag bezog sich auf Ihren Beitrag vom Montag, in dem Sie (offenbar aus Versehen) vom IraK schrieben - entsprechend war auch meine Antwort auf den IraK gemünzt.

Die in meinem letzten Satz enthaltene Ironie scheint Ihnen entgangen zu sein.
Daher ganz ironiefrei:
1945 war die einzige Chance, nach Deutschland (und Japan) Demokratie zu bringen, diese von Außen zu erzwingen. Wenn in einem Land nämlich ein Diktator fest genug im Sattel sitzt, dann kann man ewig warten, bis sich von Innen heraus Demokratie bildet.
Entsprechend beurteile ich es eindeutig positiv, dass 1945 den Deutschen die Demokratie von Außen gebracht wurde.
Ihre Ansicht (die ich allerdings durchaus als in Deutschland weit verbreitete Meinung identifiziere) "dass man Demokratie von Aussen nur schwer überstülpen kann" teile ich daher nicht - es gibt eben Fälle, da klappt das mit der Demokratie NUR durch einen externen Anstoss.
Der Irak ist m.E. ein Musterbeispiel für einen solchen Fall.

Um noch ein weiteres Missverständnis anzusprechen:
Üblicherweise wird "Freiheit" als "Freiheit von staatlichem Zwang" definiert.
Dieses Grundprinzip liegt implizit vielen Menschenrechts- oder Grundrechtskatalogen zugrunde.

In einer Demokratie wird der staatliche Zwang in der Regel nun aber nach Willen der Mehrheit ausgeübt.
Politische Freiheitsrechte sind daher Rechte des Einzelnen oder einer Minderheit gegenüber der politischen Mehrheit.
Wenn eine Mehrheit in einem Land die Abschaffung elementarer poltischer Freiheitsrechte unterstützt, dann mag dass zwar eine demokratische Entscheidung sein. Dennoch verletzt dieses Land damit aber den Grundkonsens zu den Menschenrechten (ich weiß, ein schwammiger Begriff).
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2006 - 18:56 Uhr:   

@unbekannter benutzer 17: 1933 haben sich die Deutschen in einer demokratischen Wahl gegen die politische Freiheit entschieden. einige Bürger gab es, die da was dagegen hatten. Zum Glück gab es auch noch andere Länder, in denen es Freiheit gab. Pech für viele andere Bürger, die in der Folge nicht nur ihre "politische Freiheit" verloren. Sie mussten halt einsehen, dass sich die Mitwähler anders entscheiden und dass man dann selbst damit leben muss .

Und da sollten sie sich ja auch nicht beschweren können. Konnten sie auch nicht.

Aber die Deutschen dachten ja auch, dass sie eine starke und sichere Regierung brauchen. Und sie dachten auch, dass alle anderen das hier am schlechtesten beurteilen können.

Wieso hat sich das Thema Freiheit dann weltweit erledigt? - Wenn wir es allen Ernstes angebracht finden, dass im Iran eine Regierung an die Macht kommt, die die Freiheit für Pustekuchen hält, wieso soll es dann nicht überall angebracht sein?
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2006 - 19:33 Uhr:   

@Good Entity
Der Vergleich hinkt aber doch arg, da 1933 wohl allerhöchstens die 44 Prozent NSDAP-Wähler dafür waren, dass die gewählte Regierung nach Ende der Leg.-periode nicht wieder abgewählt werden könne.
Wenn man Wahlen im diktatorisch regierten Iran mit dem NS-Staat vergleichen will, müsste man wohl eher die "Reichstagswahlen" nach der Machtergreifung ansehen.

@Florian
"1945 war die einzige Chance, nach Deutschland (und Japan) Demokratie zu bringen, diese von Außen zu erzwingen."
Dafür dass die Siegermacht, die immerhin Berlin erobert hat, dies (zumindest nach dem, was wir heute unter Demokratie verstehen) gar nicht wollte, ist die Sache letztlich ja doch noch ganz gut ausgegangen ... Das spricht aber doch (neben vielem anderen) dagegen, vorschnelle Parallelen zu ziehen.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juni 2006 - 21:22 Uhr:   

@ MMA:
Richtig: Irak 2003 ist nicht Deutschland 1945.
Und nicht jede Besatzungsmacht will im besetzten Gebiet die Demokratie einführen.
Die UdSSR (auf die Sie anspielen) wollte es nicht.
Die USA hingegen wollten es - sowohl 1945 in Deutschland als auch 2003 im Irak.

In wie weit das Irak-Experiment geglückt ist, darüber lässt sich natürlich trefflich streiten.
Aber mich stört (speziell bei vielen Diskussionen die ich in Deutschland dazu erlebt habe), dass man dem amerikanischen Bestreben, dem Irak die Demokratie zu bringen oft mit sehr viel Verachtung und Häme begenet.
Gerade aufgrund der deutschen Geschichte (und auch aufgrund der amerikanischen Beteiligung daran 1945ff) finde ich dies unangebracht.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juni 2006 - 18:53 Uhr:   

@MMA: Man mag ja über den Iran der Jahre etwa von 2000 bis 2005 und seine inneren Zustände als Demokrat nicht in unmittelbare Begeisterung verfallen, aber die Wahl im vergangenen Jahr war schon "demokratisch" in dem Sinn, dass mehrere unterschiedliche politische Konzepte und Auffassungen "zur Wahl" standen.

Die Wahl war zumindest in einer Beziehung sogar "demokratischer" als die vom 30. Januar 1933: Jede der kandidierenden Personen (incl Ahmadinedschad nebst Anhängern) hätte wohl einen Misserfolg akzeptiert und damit die Wahl eines anderen Präsidentschaftskandidaten hingenommen.

Natürlich konnten nicht alle politischen Richtungen (oder womöglich eine Frau oder ein Nichtmoslem) kandidieren, aber immerhin.

Von daher ist meines Erachtens der Vergleich mit der letzten Wahl vor der Machtergreifung durch die NSDAP doch sehr passend, denn es war im Iran eben gerade keine pro-forma-Jubelwahl wie die Wahlen ab Februar 1933 bis 1945 in Deutschland.

Die Frage, ob nun 44 % wie 1933 in D oder eine knappe Mehrheit wie 2005 im Iran den Ausschlag geben, kann eine Vergleichbarkeit der beiden Ereignisse auch nicht verhindern: Es sollte gerade hier auf wahlrecht.de einleuchten, dass unterschiedliche Wahlrechte und Koalitionsmöglichkeiten andere Prozentzahlen möglich machen.

Gespannt kann man wohl sein, wie die zukünftigen Wahlen im Iran ablaufen werden. Momentan dürfte einer Wiederwahl nichts im Wege stehen, am wenigsten die Wähler. Ob Ahmadinedschad später einmal eine Wahlniederlage riskieren und/oder ggf abtreten würde? Derzeit würde ich noch "ja" annehmen.

Als Parallelen sehe ich aber vor allem Äußerungen wie die von unbekannter Beobachter 17, dessen von mir weitgehend wörtlich zitierte Aussagen zum Iran/Irak 2005 auf D 1933ff wunderbar passen und von nichtdeutschen Europäern der Jahre 1934/39 stammen könnten.
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MMA (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 09. Juni 2006 - 12:13 Uhr:   

@Good Entity
"Von daher ist meines Erachtens der Vergleich mit der letzten Wahl vor der Machtergreifung durch die NSDAP doch sehr passend."
"Die Wahl war zumindest in einer Beziehung sogar "demokratischer" als die vom 30. Januar 1933"

Welche meinen Sie denn richtig? Die vom 6. November 1932?
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Thomas Frings (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 09. Juni 2006 - 17:27 Uhr:   

"denn es war im Iran eben gerade keine pro-forma-Jubelwahl wie die Wahlen"

Falls nicht bekannt: "Unislamische" Kandidaten kann vom Wächterrat die Teilnahme verweigert werden. Damit ist die Wahl a priori undemokatisch. Man stelle sich vor, die SED hätte eine Wahl mit wirklicher Kandidatenauswahl zugelassen, aber mit dem Haken, daß alle "unsozialistischen" Kandidaten die Kandidatur vom Staatsrat verweigert werden kann. Wäre die DDR dadurch auch nur minimal demokratischer geworden?

Abgesehen davon ist auch fraglich, ob die Wahl im Iran über diesen Mangel hinaus sauber war.
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andremike (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. September 2006 - 22:47 Uhr:   

Diese Beiträge haben alle einen oder mehrere interessante Aspekte, die ich interessiert gelesen habe.
Allerdings sorgte die Eigendynamik der Diskussion dann dafür, dass deren Beiträge mit der eigentlichen Ausgangsfrage nicht mehr in direktem Zusammenhang standen, was ich als Interessierter an genau dieser Problematik schade finde.
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Susa (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 06. November 2006 - 01:47 Uhr:   

Die Frage wählen gehen oder nicht beschäftigt mich andauernd.
Diesmal bin ich nicht zur OB-Wahl gegangen. "Meine" Partei, der ich damit eine verpassen wollte, ist mit 12 mickrigen Prozent grandios abgeschmiert! Nachdem sie 16 Jahre lang die Stadt regiert hatte. Sie hat vor allem deshalb so schlecht abgeschnitten, weil die Wahlbeteiligung bei nur 46 Prozent lag. Die Stammwähler, solche wie ich, sind zu Hause geblieben. Ehrlich - diese Verzweiflung über die Niederlage in den Gesichtern der Ortsvereinler war eine wahre Wonne! Die absolute Genugtuung. Und erst ihre wutverzerrten Gesichter über uns Nichtwähler - ging mir runter wie Öl. Natürlich möchten sie jetzt alle die Wahlpflicht einführen.

Ich will die Kehrseite dieses bescheidenen Vergnügens nicht verschweigen. Natürlich hat nun der Kandidat einer Partei, die mir erst recht missfällt, die OB-Wahl gewonnen. Auf unsere Stadt kommt jetzt möglicherweise die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände, vielleicht der Wasserwerke ect. zu, damit die angekündigten, ehrgeizigen Bauprojekte realisiert werden können. INVESTOREN will er in die Stadt holen. Das sagt schon alles.
Dumm gelaufen, was? Vielleicht hätten wir doch zur Wahl gehen sollen, um den Typ zu verhindern?
Besonders zu denken gibt mir noch die Tatsache, dass ich für den künftig arbeiten muss.

Aber dennoch. Diese Entwicklung ist zur Zeit - auch durch Wahlbeteiligung - sowieso nicht aufzuhalten. Alle Parteien scheinen sich darin einig zu sein, dass das "Notwendige" getan werden muss. Zum Trost dürfen wir Schafe einmal alle 4 Jahre zur Wahl gehen und uns als große Demokraten fühlen. Danach machen die wieder, was sie wollen.

Ich bin nicht mehr sicher, ob wir noch ein demokratisches System haben. Was wir hier haben sieht nach Wirtschaftstotalitarismus aus. Der Souverän sind die Investoren. Die Parteien und die Medien haben sich zu Verwaltern und PR-Agenturen ihrer Interessen entwickelt. Und ich sehe nirgends auch nur einen Hauch von Opposition oder Widerstandsbereitschaft in unserer Gesellschaft.

Ich finde eigentlich nicht, dass ich dieses System mit meiner Wählerstimme auch noch legitimieren soll.

Und was unsere Stadt betrifft, der Krug geht so lange zu Wasser bis er (hoffentlich) bricht.
Liebe Grüße
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 06. November 2006 - 11:59 Uhr:   

@Susa:
> Ich bin nicht mehr sicher, ob wir noch ein
> demokratisches System haben.
Ich sehe keinerlei reale Gründe für diesen Zweifel.
Es gibt diverse Optionen zur freien Auswahl, und die kann man nutzen (wenn man will).
Wer sich an einer demokratischen Wahl nicht beteiligt, kann das tun, darf sich aber hinterher nicht über das Ergebnis oder "das System" beklagen.

> Was wir hier haben sieht nach
> Wirtschaftstotalitarismus aus.
Auch hier wieder: Keinerlei reale Gründe für diese wilde These.
Mal abgesehen davon, daß "Totalitarismus" hier ohnehin ein völlig abwegiger Begriff ist: "Die Wirtschaft" ist heute in Deutschland deutlich reglementierter und politisch dominierter als je zuvor zu demokratischen Zeiten und auch deutlich mehr als in den meisten Vergleichsländern.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 06. November 2006 - 16:26 Uhr:   

Tja, Verlieren ist erstens immer hart, und zweitens besonders dann, wenn man selbst daran mitschuldig ist.
Drittens haben wir hier das, was man einen Zielkonflikt nennt: der eigenen Partei eins in die Fresse hauen oder den missliebigen Gegenkandidaten verhindern? Wie so oft im Leben liegt auch hier der Fall vor, dass zwei Dinge nicht gleichzeitig zu haben sind, sondern dass je das eine das andere ausschliesst. Da muss man sich eben einfach entscheiden.
Viertens dienen Wahlen üblicherweise in aller Welt dazu, ein Organ zu bestellen, nicht aber dazu, die Bestellung eines Organs zu be- oder verhindern. Daher berücksichtigt man im allgemeinen nur die Stimmen, die für jemand abgegeben wurden, nicht aber irgendwelche Stimmen gegen jemand.
Fünftens bedeutet Demokratie nur soviel, dass jeder und jede das Recht hat, unter gleichen Bedingungen (gleiche Voraussetzungen hingegen gibt es auf der Welt nicht) am politischen Geschehen teilzunehmen, nicht jedoch, dass einem die Wünsche mittels Telepathie abgelesen werden. So stehen einem immer noch die Möglichkeiten offen, eine Partei zu gründen, als Einzelkandidat anzutreten, seine politischen Ansichten mittels Presse und Medien, Flugblättern, Demonstrationen, Eingaben und Petitionen oder ggf. auch durch Aktionen wie Streik, Aufstand u. dgl. kundzugeben.
Sechstens gibt es nicht "die Wirtschaft", sondern nur einzelne wirtschaftliche Akteure, die nicht alle gleich und in die gleiche Richtung agieren.
Siebtens und letztens hilft es auch wenig, sich gegen die Mehrheit zu stellen, wenn diese gross oder sehr gross ist und wenn sich alle oder doch die allermeisten im wesentlichen einig sind. In der demokratischen Schweiz spricht man bei einem Ergebnis von 52% von einem "knappen Ergebnis", so etwa ab 54% wird es "eindeutig", 58% sind dann schon ein "deutliches" Ergebnis, über 62% wird es dann allmählich "eine grosse Mehrheit", ab 70% "wuchtig" und über 80% "überwiegend". Und gar so selten kommt es nicht einmal vor, dass Vorlagen in Volksabstimmungen mit solchen stalinistischen Mehrheiten angenommen werden, was darauf hindeutet, dass trotz allem noch ein erheblicher Grundkonsens in wesentlichen Fragen besteht. Jeder kann sich nun selbst überlegen, wie erfolgreich es sein wird, gegen solche Mehrheiten anzurennen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 06. November 2006 - 17:33 Uhr:   

@Susa
"INVESTOREN will er in die Stadt holen. Das sagt schon alles."
O mein Gott, es gibt noch Leute in Deutschland, die was riskieren, Geld investieren und Arbeitsplätze schaffen. Und dann wollen die auch noch Profit machen, was bilden diese Kapitalistenschweine sich ein!

Mal im Ernst: Wer so einen Müll schreibt, sollte sich mal anschauen, wie investitionsfreie Gemeinden im Osten aussehen, wo die netten SED-Antikapitalisten 40 Jahre kaum investiert haben (oder höchstens in Plattenbauten) und es auch nach der Wende in weiten Teilen wenig bis gar keine privaten Investitionen gab. Jeder PDS-Bürgermeister wäre dort dankbar, wenn ein Unternehmen bei ihm anklopfte und kräftig investieren wollte.

Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber wer so verquere Ansichten hat, bleibt am besten wirklich zu Hause. Oder er oder wählt ungültig, das läuft auf das gleiche raus.
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Susa (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 10. November 2006 - 21:33 Uhr:   

@ Philipp Wälchli
Nein, zwei Dinge sind i.d.R. nie gleichzeitig zu haben. Prioriäten setzen ist angesagt.
Die Weigerung, "ein Organ zu bestellen", ist ein Signal,und auf jeden Fall eine Art Gegenstimme.

Es ist naiv zu glauben, dass jeder und jede heute unter gleichen Bedingungen am politischen Geschehen teilnimmt.

Die Bundesregierung hat aus gutem Grund 2003 die UN Konvention zur Bekämpfung politischer Korruption nicht unterzeichnet. Kaum ein Abgeordneter in Deutschland steht heute nicht auf der pay-list irgend eines großen Unternehmens oder eines Verbandes. Selbstverständlich haben diese Lobbygruppen auf diese Weise mindestens zwei Wählerstimmen pro Person. Und selbstverständlich vertreten Abgeordnete heute in erster Linie die Interessen ihrer Financiers.

Und da ist das Thema Medien: Hier greift das selbe Prinzip. Unsere Medien finanzieren sich heute vor allem über Werbekunden, nicht über den Verkauf ihrer Zeitungen, Radio/TV-Sendungen. Also auch korrumpiert. Und da ist sehr viel Geld im Spiel. Ein armer Wicht ist, der glaubt, er könnte mit irgendwelchen Flugblättern dagegen halten.

Was die "Mehrheiten" betrifft. Der OB unserer besagten Stadt wurde von etwas mehr als 40% von 46 Prozent aktiven Wählern bestellt. D. h., nicht mal die Hälfte hat gewählt und davon hat er nicht mal die Hälfte der Stimmen. Alle lachen schon hinter vorgehaltener Hand. Er tritt sein Amt mit kaum nennenswerter Legitimität an.

Ein Sch..., sicher.

@ Thomas Frings
Und jetzt zu den Investoren. Sicher sind die nötig, wenn sich überhaupt noch irgendetwas in dieser Stadt entwickeln soll. Die Kommune ist ja so pleite, dass sie nicht mal ihre Gebäude Instand halten kann. SAP, MLP, ....Druckmaschinen ect. zahlen schon längst keine Steuern mehr hier. Krankenhäuser schließen oder werden privatisiert, öffentliche Schulen verrotten. Wer kann, schickt seine Kinder schon längst in Privatschulen. Über den Zustand der Straßen will ich erst gar nicht reden. Der Einzelhandel liegt am Boden, er kann die enormen Mieten der privaten Eigentümer in der Innenstadt schon längst nicht mehr bezahlen. Aber wer will schon den Schrott der Kettenläden kaufen? Den braucht kein Mensch. Der Umsatz ist im letzten Jahr um 6,5 % zurückgegangen.
Jetzt wird das Theater privatisiert, weil die Stadt die Sanierung des Gebäudes nicht bezahlen kann. Ich bin mal gespannt, wer künftig noch die Theaterkarten bezahlen kann. In dieser Stadt gibt es zwar viel Reiche, aber nicht genug. Wahrscheinlich wird es über kurz oder lang wegen mangelnder Rentabilität schließen.

Und überhaupt, private Investoren entscheiden ohne demokratische Beteiligung. Was soll das Wählen dann überhaupt?

Und jetzt würde ich - als Mutter - gerne mal das Thema "Eigenverantwortung" ansprechen. Für uns Mütter ist dieser Begriff eine echte Lachnummer. Wer dies ernst nimmt, bekommt doch in Deutschland keine Kinder mehr! Die wirtschaftlichen Nachteile sind einfach zu gravierend.
Als Mutter wähle ich hier sowieso nicht mehr. Und ich tue alles, um meine Kinder auf die Emigration vorzubereiten.
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(Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 10. November 2006 - 21:51 Uhr:   

Sorry, es muss Immigration heißen. Ich denke leider schon aus der Richtung des Ziellandes.
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(Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 10. November 2006 - 21:56 Uhr:   

Ach so, ich will auch noch mitteilen, dass ich nicht in Ostdeutschland lebe, sondern im ach so priviligierten Süden Westdeutschlands
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 11. November 2006 - 12:03 Uhr:   

Tja, die "Weigerung, ein Organ zu bestellen", gibt es in unseren Wahlsystemen schlicht und einfach nicht. Absenz oder Enthaltung bzw. Ungültigwählen werden eben gerade NICHT gezählt. Die Frage, ob ein Oberbürgermeister gewählt werden soll oder nicht, steht nicht zur Diskussion. Diese Frage ist bereits durch die Verfassung (Landesgesetzgebung, Stadt- oder Gemeindeordnung usw.) rechtsgültig entschieden. Die Wahlberechtigten haben nicht die Wahl, einen Oberbürgermeister zu bestimmen oder keinen zu bestimmen. Sie haben ausschliesslich die Wahl, wen sie zum Oberbürgermeister bestimmen.
Und genau aus diesem Grund ist es völlig gleichgültig, was die Wahlabstinenten, Stimmenthaltenden oder Ungültigwählenden in ihren Akt hineininterpretieren oder was irgendwelche wohlmeinende Dritte hineininterpretieren: Faktisch geben sie alle nur denen, die wählen und einen Kandidaten aussuchen, mehr Macht.
So einfach ist das.
Im übrigen sollte man sich angewöhnen, zwei Dinge zu unterscheiden: Legalität und Legitimität. Über Legitimität lässt sich immer streiten. Legalität ist eine ganz andere Sache.
Angenommen, ein unbeliebter Kandidate wird allgemein boykottiert, so dass am Wahltag nur er selbst zur Wahl geht und für sich selbst stimmt. Dann ist er auf Grund dieser einzigen Stimme gewählt. Das ist legal, und er hat danach als gewählter Amtsträger gleich viel Macht wie ein anderer Kandidat, der von 100% aller Stimmen bei 100% Stimmbeteiligung gewählt würde.
In einem Wahlsystem nach Verhältnismässigkeit ist es ohnehin so, dass "Legitimation" eine etwas andere Bedeutung annimmt als in einem System mit Mehrheitsentscheiden. Denn hinter jedem Abgeordneten steht dann nicht eine Mehrheit, sondern nur ein bestimmter Bruchteil alle Wähler; die numerische "Legitimation" jedes einzelnen Abgeordneten kann daher sehr unterschiedlich sein. Dennoch ist die qualitative Legitimation - durch einen Bruchteil der Wähler bestimmt zu sein - für alle Abgeordnete, die im selben Verfahren gewählt wurden, dieselbe. Niemand würde etwa einem erfolgreichen Direktkandidaten im Bundestag eine höhere oder bessere Legitimation zusprechen als einem Abgeordneten, der als letzter auf einer Liste gewählt wurde. Legal sind sie alle ohnehin völlig gleich gestellt und haben keine Vorrechte voreinander.

Auf die übrigen Lamenti will ich nicht eingehen, weil diese mit Wahlrecht nicht wirklich etwas zu tun haben. Nur allgemein möchte ich dazu bemerken: Wer die Situation in Deutschland so sieht, sollte am besten gleich auswandern. Vielleicht nach Grossbritannien, dessen wirtschaftlicher und sozialer Leistungsausweis allgemein bekannt ist.
Durch Wahlabstinenz wird man im übrigen an einer politischen Situation höchst wenig ändern. Statt Lamentieren wäre politisches Handeln angebracht. Beurteilt man dies als ohnehin aussichtslos, so ist Lamentieren ebenfalls keine gute Alternative, sondern man sollte eben gleich auswandern oder sich der Situation anderweitig entziehen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Samstag, 11. November 2006 - 17:09 Uhr:   

@Susa: Zu dem Genöhle hat Philipp das Richtige gesagt.

Ich wollte nur noch auf eine grundlegende Tatsache aufmerksam machen, die gerne von Kapitalismusverächtern übersehen wird: Der Staat kann nur dann Einnahmen erzielen, wenn es Unternehmen gibt, die Gewinne machen. Daran kommt man einfach nicht vorbei, egal wohin man auswandert.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 11. November 2006 - 19:26 Uhr:   

Nur kurz eine ergänzende Bemerkung:
Das westliche Eruopa unter Einschluss der deutschen Länder ("Deutschland" gab es ja nicht immer und nicht stets in dieser Form und den heutigen Grenzen) hat schon verschiedenste Wirtschaftsformen erlebt, es sei nur an die Dreifelderwirtschaft mit Flurzwang, Grundherrschaft und Naturalienwirtschaft erinnert, an die zunftständischen Verfassungen, den obrigkeitlich reglementierten neuzeitlichen Staat und andere mehr.
Die Reglementierung des wirtschaftlichen Handelns war dabei quantitativ und qualitativ immer wieder verschieden. Die meiste Zeit über waren, gerade auch im Bereich des heutigen Deutschland, diese Reglementierungen nicht im geringsten demokratisch legitimiert; am ehesten als "demokratisch" im weitesten Sinne könnten noch die Zünfte (Innungen, Gilden usw.) und gewisse Formen der städtischen Regimente gelten.
Das bedeutet zweierlei: Erstens bedeuten staatliche Wirtschaftslenkungen nicht automatisch einen Zugewinn an demokratischer Legitimation (was insbesondere dann nicht der Fall sein kann, wenn man ja das gegebene Wahlsystem für nicht-demokratisch ansieht!); zweitens können private (oder besser: nicht-staatliche) Akteure durchaus auch eine Legitimation beanspruchen, die im demokratischen Sinne ist, denn sie schreiben andern nichts vor, sondern handeln selbst für sich und erkennbar aus ihrem Interesse heraus, während Diktatoren, Fürsten usw. vorgeben, im allgemeinen Interesse zu handeln (was aber keineswegs der Fall sein muss).
Allen historischen Systemen ist aber gemeinsam, dass sie nicht jegliches privates Handeln untersagten, sondern ihm nur gewisse Schranken setzten. Daneben trugen die privaten Akteure stets ihr eigenes Risiko und entschieden darüber, was sie tun wollten.
Daran kann nichts grundsätzlich falsch sein. Vielmehr hat es damit zu tun, wie Entscheidkompetenzen sachgerecht verteilt werden. Alles zentral entscheiden zu wollen, führt immer dazu, dass mangels Nähe zu den konkreten Sachverhalten einiges unsachgemäss entschieden wird; alles dezentral entscheiden zu wollen, führt regelmässig dazu, dass anderes nicht sachgemäss entschieden wird oder (meist im Falle grosser Unternehmungen) gar nicht angepackt wird. Beispielsweise mutet es seltsam an, wenn der Staat einzelnen Bürgern und Bürgerinnen vorschreiben will, wie gross ihre Wohnung zu sein hat, welchen Grundriss sie haben muss und wie sie eingerichtet wird. Das wissen die einzelnen selbst meist viel besser - daher ist es richtig, dass sie selbst darüber entscheiden können, auch wenn sie sich bisweilen vertun können.
In diesem Sinne kann "privater Investor" auch jemand sein, der nur ein Haus bauen will.
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stummer Zeuge mit dem Kopf schüttelnd (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 12. November 2006 - 00:55 Uhr:   

@Thomas Frings: Ich finde zwar auch, dass es wenig bringt in einem Forum mal Dampf abzulassen, dass dann aber als "Genöhle" abzutun finde ich in anbedracht der offensichtlichen verzweifelung von Susa schon SEHHHR hart, hätte nicht gerade sein müssen!
und inhaltlich:
"Der Staat kann nur dann Einnahmen erzielen, wenn es Unternehmen gibt, die Gewinne machen. Daran kommt man einfach nicht vorbei, egal wohin man auswandert." Es sei denn,das Unternehmen macht genau Gewinne durch wegfall der Unternehmenssteuer, Subventionen o.ä. Da der Staat stets klamm ist, holt er es sich dann woanders, Z.B. beim Bürger oder spart es eben dort (frag mal einen Berliner Polizisten, was dessen Stundenlohn ist...).
Aber das ist wohl überall so und deshalb bringt auswandern auch nichts.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 12. November 2006 - 15:06 Uhr:   

Mir fällt als Ausländer, der nur zu etwa 1/4 bis 1/3 Deutscher Herkunft ist, immer wieder auf, dass bei vielen Deutschen augenscheinlich eine besondere Mentalität in Bezug auf den Staat herrscht. Ich erwarte vom Staat eigentlich nur soviel, dass er mir faire Rahmenbedingungen garantiert, dass er auf Verlangen hin etwa mittels Polizei, Justiz u. dgl. einschreitet, wenn andere sich unfair verhalten (etwa Diebe, unlautere Geschäftemacher usw.), und - vor allem anderen - mir und allen Personen innerhalb seines Territoriums Sicherheit und Freiheit gewährleistet. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen, die der Staat garantiert, will ich aber selbst handeln, selbst für mich sorgen, mich selbst durchbringen können.

In Deutschland scheint hingegen eine wesentlich andere Sicht auf den Staat zu herrschen: Der Staat soll alles richten, der Staat soll einem Ausbilung, Beruf, Fortkommen, Finanzierung usw. sichern. Der Staat erscheint damit im Grunde als der grosse Moloch, Für- und Vorsorgestaat, als übermächtiger Patron eines ganzen Volkes. Es mag sein, dass dies mit der monarchistisch-kaiserlichen Vergangenheit etwas zu tun hat, denn immerhin hat niemand anderes als der Begründer des Kaisertums, Augustus, sich selbst gern als übergrosser Patron, Vor- und Fürsorger aller Bürger dargestellt (ob er es wirklich auch war, bleibe dahingestellt). Indessen wird dies kaum ein Staat heute zu leisten vermögen, wenn er es denn auch wollte, und dies auch nur unter Bevormundung der Bürger bis hin zu Polizeistaat und Totalitarismus.

Es ist mir klar, dass solche Erwartungen an den Staat nur enttäuscht werden können. Allerdings ist dies vielleicht doch weniger das Problem des Staates, sondern der eigenen Ansprüche und Erwartungen. Diese sollte man vielleicht gelegentlich einer Prüfung an der Wirklichkeit unterziehen, statt Lamenti, oder "Genöhle", um es in deutscher Umgangssprache zu sagen, feilzubieten.
Es war zu allen Zeiten immer so, dass jeder Mensch zunächst einmal zu sich selbst schauen musste. "Wo man sich bettet, da liegt man; es deckt einen da keiner zu", liess Bert Brecht singen - und der war kein Anhänger von Shareholder Value, Neoliberalismus oder Kapitalismus, sondern bekanntlich Kommunist.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 12. November 2006 - 15:09 Uhr:   

Susa selbst scheint mir so übermäßig verzweifelt nicht zu sein, wenn sie schreibt:

"Ehrlich - diese Verzweiflung über die Niederlage in den Gesichtern der Ortsvereinler war eine wahre Wonne! Die absolute Genugtuung. Und erst ihre wutverzerrten Gesichter über uns Nichtwähler - ging mir runter wie Öl."

Immerhin war ihr ihre Schadenfreude bei ihrer Entscheidung, nicht wählen zu gehen, wichtiger als ihr Job offenbar bei ihrer eigenen Kommune, die Zukunft ihrer Kinder und das Schicksal ihrer Nachbarn, Freunde und Kollegen in ihrer Stadt in Süddeutschland,

Wenn die seit 16 Jahren in ihrer Stadt regierende Partei nun auf 12 mickrige Prozent grandios abgeschmiert ist, dann dürfte wohl nicht nur eine Leiche im Keller dieser bisherigen Regierungspartei gelegen haben, sondern gleich ein Massengrab im Vorgarten. Da muss schon ein Bestechungsskandal im Bauamt mit Kinderpornos auf dem PC des Bürgermeisters oder so zusammentreffen, um diesen Absturz hervorzurufen. Bei diesem Ergebnis kann ich mir die "wutverzerrten Gesichter" lebhaft vorstellen. Die Nichtwähler dürften dabei das kleinste Problem gewesen sein.

Wenn die Wahlbeteiligung bei nur 46 Prozent lag haben keine 6 % der Wahlberechtigten für das bisherige Stadtoberhaupt gestimmt. Der "Neue" hat laut Susa fast viermal so viel Zustimmung bekommen. Diejenigen Wahlberechtigten, die sich für ihre Stadt interessierten, waren demnach für einen Wechsel. Dann ist der offensichtlich gewünscht und auch legitim. Wenn hier jemand Grund zum Lachen hat, dann wohl eher der neue Bürgermeister, und nicht nur hinter vorgehaltener Hand.
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Marc K.
Veröffentlicht am Sonntag, 12. November 2006 - 16:20 Uhr:   

@Phillip Wälchli,

ich sehe das ebenso wie Sie und das als Deutscher. Das ist ein großes Mentalitätsproblem in Deutschland, die Erwartungshaltung an den "Vater Staat". Auch die bismarcksche Sozialpolitik hat dieser parternalistische Staatsverständnis weiter verstärkt (wenngleich diese andererseits wichtige Sozialreformen beinhaltet hat).
Besonders in Ostdeutschland ist der Glaube an einen "starken Staat" sehr verbreitet, in Westdeutschland sicherlich auch noch sehr stark, wenngleich nicht ganz so stark.

Die Schweiz ist hier mit iherer sehr langen demokratischen Tradition (die Urkantonen gehen ja jetzt schon auf fast 800 Jahre zurück) eine ganz andere Mentalität.
Kein Wunder, dass sich die Schweizer auch nicht von der EU bevormunden lassen wollen, die ja eine supranationale quasi-staatliche Einrichtung mit eigenen Rechtssetzungsmöglichkeinten (Verordnungen und Richtlinien) ist. In Deutschland trifft das kaum auf Widerstand. Wenn man die Ausweitung der Kompetenzen der EU kritisiert steht man ja schon unter Nationalismusverdacht. Und wer sich gegen den alles regulierenden Staat stellt ist für viele allein dadurch schon "unsozial". Mit diesen Totschlagargumenten wird leider oft in Deutschland eine notwendige Diskussion abgewürgt.

Ich denke zwar, dass sich die Forderungserwartungen an den Staat inzwischen leicht abgeschwächt hat (aufgrund der politischen Entwicklung der letzten Jahre (bes. letzten 15 Jahre), sie ist aber immer noch viel zu hoch. Es wird wohl noch sehr lange dauern bis sich diese Mentalität grundlegend wandelt, wenn überhaupt. Dies stellt die deutsche Demokratie natürlich vor große Probleme. Sie hat ihre Zustimmung weitgehend dadurch erlangt, dass es Wachstum gab und immer mehr Umverteilung.
Was wird aus ihr, wenn es weniger Wachstum gibt und aufgrund des demographischen Wandels per saldo zwar mehr Umverteilung, per Kopf aber weniger Umverteilung geben wird????
Das ist eine große Frage und eine berechtigte Sorge über die grundlegende dauerhafte Stabilität des politischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie z.B. auch in der Neuen Züricher Zeitung letztes Jahr einmal zum Ausdruck gebracht wurde. Hier steht die deutsche Gesellschaft vor gewaltigen Herausforderungen. Ein Mentalitätswandel ist hier nötig und bei der jüngeren Generation teilweise (aber auch nur teilweise) vorhanden.
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Marc K.
Veröffentlicht am Sonntag, 12. November 2006 - 16:27 Uhr:   

Zusatz:
eine solche paternalistische Staatsauffassung wurde auch durch den Absolutismus gefördert. Dieser war ein alles überwachender Polizeistaat. Der Liberalismus hat sich in Deutschland nie wirklich durchgesetzt (Fehlgeschlagene Revolution von 1848, 1918 war im Angesichts der Niederlage und schon sozialistisch geprägt (und daher auch staatsgläubig), 1945/49 ebenso (Erhard hatte ja Mühe die Marktwirtschaft in der CDU durchzusetzen, die SPD war für Verstaatlichung der Schlüsselindustrien) und 1989 (in Ostdeutschland) war zwar die einzige erfolgreiche deutsche Revolution, aber auch sie hat sich nicht völlig von der Staatsgläubigkeit abgewandt (nur einige intellektuelle, sonst gab es einfach die Hoffnung auf einen besseren Staat, nachdem die DDR wirtschaftlich durch eine Staatswirtschaft in den Ruin geführt wurde).
Zum Teil hat die Politik diese Erwartungen auch geschürt, aber sie waren und sind auch jenseits dessen stark vorhanden - wenngleich sie in den letzten 15 Jahren schon leicht abgenommen haben.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 13. November 2006 - 10:10 Uhr:   

@Susa:
> Kaum ein Abgeordneter in Deutschland steht
> heute nicht auf der pay-list irgend eines
> großen Unternehmens oder eines Verbandes.
Gibt es für diese krasse Unterstellung eigentlich irgendeinen Beleg? Wohlgemerkt einen außerhalb der üblichen Verschwörungstheorien?

> Der OB unserer besagten Stadt wurde von etwas
> mehr als 40% von 46 Prozent aktiven Wählern
> bestellt.
Na und? Offenbar hatte er mehr Stimmen als die übrigen Bewerber - das reicht.

> Alle lachen schon hinter vorgehaltener Hand.
Das "Alle" glaube ich überhaupt nicht.
Und wenn irgendwelche Stammtische meinen, über ein Wahlergebnis lachen zu müssen - bitte sehr. Relevant ist das nicht.

> Aber wer will schon den Schrott der
> Kettenläden kaufen?
Offenbar so viele Menschen, daß die Kettenläden gut davon leben können.
Man kann diese Läden mögen oder nicht - aber etwas als "Schrott" zu bezeichnen, weil es nicht den eigenen Geschmack trifft, das ist schon arrogant.

> Als Mutter wähle ich hier sowieso nicht mehr.
Schon schade, wenn einen die Zukunft der eigenen Kinder so wenig interessiert.
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(Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 13. November 2006 - 21:04 Uhr:   

@Ralf Arnemann
Es gibt unendlich viele Belege für die "Nebentätigkeiten" unserer Abgeordneten. Hier nur einige Links. Später mehr.

http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/15/0,3672,2249039,00.html

http://www.sueddeutsche.de/deutschland/bildstrecke/336/75261/p0/?img=0.0#bild


http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23170/1.html
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Susa (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 13. November 2006 - 22:22 Uhr:   

@Ralf Arnemann

Sorry. Der letzte Eintrag war auch von mir. Hab vergessen meinen Benutzernamen einzugeben.

Ja. Der Wahlsieger hat die meisten Stimmen derjenigen, die gewählt haben. Aber viele Nichtwähler schauen wachsam auf die Wahlbeteiligung - um für sich zu klären, ob sie im "Trend" liegen. Wie sich das weiterentwickelt ist noch offen.

Ich bin nicht sicher, ob es ein gutes Zeichen ist, wenn sich eine zunehmende Zahl von Leuten über den politischen Vertretungsanspruch eines so schwach unterstützten Kandidaten schier schlapp lacht. Was bedeutet das für das politische Klima?

Dass die Kettenläden trotz gegenteiliger Pressedarstellung (die Discounter boomen) keine goldene Nase verdienen, zeigt der dramatisch sinkende Binnenkonsum der letzten Jahre. Da helfen auch die alljährlichen, optimistischen Konjunkturaussichten "Wirtschaftsweisen" nicht, die immer wieder nach unten korrigiert werden müssen.

Schrott ist nach meinem Verständnis, was am Ende der Saison massenweise im Kaufhof liegenbleibt, dann durch sämtliche Filialen Deutschlands weiterwandert, noch mal drastisch reduziert, in der Hoffnung, was nicht in Hamburg geht, geht vielleicht in Königswusterhausen.

Die Zukunft von Kindern, und da hast du mich wohl falsch verstanden, ist für Eltern das wichtigste. Eltern sind auf funktionierende Strukturen und glaubwürdige Politk bedacht.
Eltern wollen bezahlbare Qualitätswaren, keinen Schrott aus Kettenläden. Sie wollen bezahlbare Wohnungen für Familien und Arbeit, mit deren Einkommen sie ihre Kinder ernähren können. Außerdem wollen sie solide bezahlbare Schulen und eine berufliche Zukunft für ihre Kinder. Wenn das für den Normalo nicht mehr drin ist, werden die Kinder sowieso hier nicht bleiben.
Ich fürchte, dies wird die Zukunft meiner Kinder sein:
http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,422774,00.html
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 14. November 2006 - 14:19 Uhr:   

Gelacht wird in der Regel aus einigen wenigen Gründen: Gelacht wird entweder aus Dummheit, indem man jemand aus-lacht oder ver-lacht, oder aus Schadenfreude oder aber deshalb, weil etwas wirklich komisch (lustig, spassig, witzig) ist. Nun ist es gewiss nicht komisch, lustig, spassig witzig o. dgl., wenn ein Kandidat eine Wahl gewinnt. Also scheidet echte Komik als Grund des Lachens mit Sicherheit aus. Schadenfreude kann als Grund ebenfalls nicht in Frage kommen, denn es wäre widersinnig, einen Gewinner als Geschädigten zu betrachten. So bleibt eigentlich nur noch übrig, dass aus Dummheit oder vielleicht Bosheit gelacht wird. In Anlehnung an ein berühmtes Wort eines römischen Kaisers darf dazu aber gesagt werden: Rideant, dum se abstineant!
Welche Auswirkungen solches Gelächter auf das politische Klima also haben dürfte, scheint auf der Hand zu liegen. Den politisch wirklich Engagierten mag es im übrigen gleichgültiger als gleichgültig sein.
Eine Grundlage der Betriebsrechnung ist übrigens, dass sich der Gewinn errechnet aus der Subtraktion der Unkosten von den Einnahmen. Wenn wir also Unkosten von 10 Millionen haben und Einnahmen von 12 Millionen, machen wir 2 Millionen Gewinn. Wenn wir dagegen nur 8 Millionen Einnahmen haben und 5 Millionen Unkosten, haben wir zwar weniger Umsatz, aber einen Gewinn von 3 Millionen gemacht. Zu den Geheimnissen der Discounter gehört ja eben, dass sie die Unkosten tief halten, also etwa Leute entlassen, wenn der Umsatz sinkt.

Es mag nun zutreffen, dass ich ein böser Mann bin. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich einen Beruf ausübe, in dem es auf sehr genaues Hinschauen ankommt. Wie dem auch sei, sehe ich mich doch aus Gelegenheit veranlasst, etwas zum Thema "Eltern" zu sagen.
Erstens einmal sollte man die Rolle von Eltern in realistischem Licht sehen: Die heutigen Generationen haben Lebenserwartungen von 75 und mehr Jahren. Davon verbringen sie 18 Jahre als Kinder/Jugendliche/Unmündige; diese Phase setzt sich bisweilen durch die Ausbildungszeiten noch Jahre lang weiter fort. Dann haben sie vielleicht zwei oder drei Kinder, oft auch nur ein einziges. Bis das letzte Kind erwachsen ist, vergehen vielleicht maximal 25 Jahre. Danach kommen wieder andere Aufgaben auf einen zu, möglicherweise allzu rasch die Grosseltern-Rolle.
Wenn wir diese maximal vielleicht 25 Jahre eigentlicher Elternschaft in Beziehung setzen zur Lebensarbeitszeit von durchaus 40 bis 50 Jahren oder zur Kindheits- und Ausbildungsphase von 25 Jahren oder zur Nach-Eltern-Phase, die durchaus auch ihre 30 bis 40 Jahre dauern kann, dann erscheint rein zahlenmässig die Elternschaft im engeren Sinne als eine verhältnismässig kurze Periode innerhalb des Lebens. "Eltern" bleibt man aber natürlich in anderm Sinne immer, auch dann, wenn man selbst 100 und die eigenen "Kinder" 75 sind.
Dagegen mag nun vorgebracht werden, dass Elternschaft eine sehr einschneidende Erfahrung sei. Dem will ich nicht widersprechen, sondern nur darauf hinweisen, dass auch während dieser Zeit auch gearbeitet werden, Freundschaft und Partnerschaft gepflegt werden muss usw. Ich halte es für einen ganz wesentlichen, grundsätzlichen Fehler, Menschen mit einer einzigen Eigenschaft gleichsetzen zu wollen. Wir sind niemals ausschliesslich Eltern, genau so wenig wie wir ausschliesslich Verheiratete, Ledige, Geschiedene, Staatsbürger, Werktätige oder etwa romtreue Katholiken sind. Wer sich in einer solchen Eigenschaft erschöpft, dürfte ohnehin psyhologisch betrachtet gestört sein.
Ich wage daher zu bezweifeln, dass sich eine Politik rein nur aus dem Elternsein heraus herleiten lässt, denn auch als Eltern hat man Vorlieben und Wünsche, die mit der Elternschaft allein nichts zu tun haben. Was eine "gute Zukunft" für die eigenen Kinder sei, hängt sehr stark von der eigenen weltanschaulichen Vorstellung ab und deckt sich erfahrungsgemäss oft nicht mit den Vorstellungen der eigenen Kinder. Ja, oftmals bin ich in der Praxis auch darauf gestossen, dass Eltern augenscheinlich andere Interessen an erster Stelle stehen hatten als die (wirklichen oder vermeintlichen) ihrer Kinder.
Von daher erlaube ich mir, auch die Schlagworte der "Eltern-Politik" kritisch zu befragen:
"Funktionierende Strukturen" wollen vermutlich alle - bloss: Was sind "funktionierende Strukturen"? Dem einen sind einige Autobahnen schon Struktur genug, der andere möchte eine Rundumversorung durch den Staat. Auch die Strukturen des NS-Regimes oder der Sowjetunion unter Stalin haben "funktioniert", in manchen Bereichen sogar besser als in demokratischen Systemen. Bloss - was waren das für Strukturen?
Dass Politik "glaubwürdig" sein soll, wollen wohl auch alle. Diejenigen, die Politik in erster Linie bestimmen, sind wohl auch fest davon überzeugt, dass ihre Politik glaubwürdig sei. Es kann wohl auch kein Zweifel daran herrschen, dass bspw. der iranische Staatspräsident eine äusserst glaubwürdige Politik gegenüber dem Westen vertritt - jedenfalls glaubt er selbst felsenfest daran, an seiner Ernsthaftigkeit kann wohl auch sein grösster Gegenspieler nicht zweifeln. Das Dumme an der Glaubwürdigkeit ist bloss, dass nicht alle dasselbe glauben.
Auch "bezahlbare Qualitätswaren" werfen fragen auf. Was ist denn bezahlbar? Das hängt einfach davon ab, wieviel Geld man hat, und davon haben nicht alle gleich viel. Das ist heute so und war noch nie wirklich anders. Auch was Qualität sei, darüber kann man sich streiten. Qualität hat aber bekanntlich ihren Preis. Daher werden meist Kompromisse geschlossen zwischen Preis und Qualitätsanspruch. Entsprechendes gilt auch für den "Schrott". Würde man beispielsweise nur Flachbildschirme ohne einen einzigen Pixelfehler verkaufen, müssten 90% aller produzierten Schirme verschrottet werden; dies würde nicht nur Unmengen Abfall erzeugen, sondern auch die Preise erheblich nach oben treiben.
Auch "bezahlbare Wohnungen" folgen demselben Gesetz: Plattenbauten lassen sich ohne weiteres billig aus dem Boden stampfen, höhere Qualität hat ihren Preis, und nicht alle haben dieselben Ansprüche an eine Wohnung. Arbeit wiederum hängt von weiteren Faktoren ab, etwa von der Vorbildung. Damit sind wir bei den Schulen. Müssten wir jetzt noch definieren, wer oder was ein "Normalo" sei.
Kurz zusammengefasst: Besser als mit Allerweltsschlagworten zu operieren, unter denen sich alle vorstellen können, was sie sich ohnehin vorstellen, wäre es, konkret anzugeben, was man sich denn wünscht. Das wäre ausserdem auch redlicher.

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