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Archiv bis 14. September 2008

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Reform des Bundeswahlgesetzes » Archiv bis 14. September 2008 « Zurück Weiter »

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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 14. August 2006 - 19:03 Uhr:   

Vor längerer Zeit haben wir ja über die Kompensation von Überhangmandaten diskutiert. Ich habe das mal als mögliche Änderung des Wahlgesetzes ausformuliert. Wichtigstes Ziel ist natürlich die Vermeidung negativen Stimmengewichtes. Daneben habe ich einfließen lassen:

- Schließung der anläßlich der beiden PDS-Abgeordneten 2002 offenbar gewordenen Regelungslücken (Wertung der Zweitstimmen, Nachfolgeregelung)
- Umstellung auf Sainte-Laguë
- Externe Überhangmandate fallen weg, um möglicher Aufblähung des Bundestages vorzubeugen (sonst gäbe es für jedes CSU-Überhangmandat z.B. gleich über ein Dutzend Ausgleichsmandate).
- Streichung der Grundmandatsklausel. Es gibt keine Rechtfertigung für die Bevorzugung regional zentrierter Parteien. Die CSU muß sicher nicht fürchten, weniger als ein Drittel der Stimmen in Bayern zu bekommen.
- Wegfall des Ausschlusses der Listenverbindung: Bisher nie angewendet, Streichung wegen Einführung der internen Kompensation geboten.
- Streichung der Minderheitenklausel. Die ist praktisch irrelevant und prinzipiell fragwürdig.
- Streichung der Mehrheitsklausel. Die ist ebenfalls praktisch irrelevant und dazu noch löchrig.
- Vermeidung von Nachwahlen
- Zuletzt: Verständlichere und logischere Formulierung des Textes

Mein Vorschlag konkret. Die §§ 5 und 6 erhalten folgende Fassungen:

"§5
Direktmandate
Im Wahlkreis wird vorbehaltlich § 6 Abs. 6 ein Abgeordneter gewählt. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Kreiswahlleiter zu ziehende Los.

§ 6
Verteilung der Sitze nach Zweitstimmen
(1) Für die Verteilung der Sitze nach Zweitstimmen werden die für jede Landesliste abgegebenen Zweitstimmen zusammengezählt. Zweitstimmen von Parteien, die weniger als 5 Prozent aller gültigen Zweitstimmen im Wahlgebiet erhalten haben, bleiben unberücksichtigt. Ferner bleiben die Zweitstimmen derjenigen Wähler unberücksichtigt, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 20 Abs. 3 oder von einer Partei, für die im betreffenden Lande keine Landesliste zugelassen ist oder deren Zweitstimmen nach Satz 2 nicht berücksichtigt werden, vorgeschlagen ist. Von der Gesamtzahl der Abgeordneten (§ 1 Abs. 1) wird die Zahl der in Satz 3 genannten Wahlkreisbewerber abgezogen.
(2) Die Landeslisten einer Partei gelten im Verhältnis zu den übrigen Listen als eine Liste.
(3) Die nach Absatz 1 Satz 4 verbleibenden Sitze werden auf die Landeslisten auf der Grundlage der nach Absatz 1 Sätze 1 bis 3 zu berücksichtigenden Zweitstimmen wie folgt verteilt. Die Landesliste mit den meisten Stimmen erhält den ersten Sitz. Die weiteren Sitze werden nacheinander jeweils der Landesliste zugewiesen, die bei Teilung ihrer Stimmenzahl durch die um 0,5 erhöhte Zahl ihr bereits zugewiesener Sitze den höchsten Quotienten aufweist. Bei gleichem Anspruch auf einen Sitz entscheidet das vom Bundeswahlleiter zu ziehende Los.
(4) Die einer Partei nach Absatz 3 zufallenden Sitze werden auf ihre Landeslisten verteilt. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Hat eine Partei in einem oder mehreren Ländern mehr Direktmandate errungen, als ihrer Landesliste gemäß Absatz 4 Sitze zufallen, verbleiben ihr diese Mehrsitze (Überhangmandate). Zum Ausgleich verfallen bei Landeslisten dieser Partei, bei denen keine Überhangmandate auftreten, die ihnen zuletzt zugewiesenen Sitze in entsprechender Anzahl in umgekehrter Reihenfolge ihrer Zuweisung gemäß Absatz 4. Hierbei wird eine Landesliste übergangen, wenn bei Streichung des Sitzes ihre Sitzzahl unter die Zahl ihrer Direktmandate fiele.
(6) Können nicht alle Überhangmandate nach Absatz 5 ausglichen werden, verfallen die nicht ausgleichbaren Überhangmandate. Der Partei werden Direktmandate in entsprechender Anzahl in aufsteigender Reihenfolge des Anteils ihrer Bewerber an den gültigen Erststimmen im Wahlkreis gestrichen. Hierbei wird ein Direktmandat übergangen, wenn durch seine Streichung die Sitzzahl der Landesliste die nach Absatz 4 errechnete Zahl unterschritte oder diese bereits unterschritten ist; Absatz 3 Satz 4 gilt entsprechend.
(7) Von der für jede Landesliste so ermittelten Sitzzahl wird die Zahl der nicht nach Absatz 6 gestrichenen Direktmandate abgezogen. Die restlichen Sitze werden über die Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. In einem Wahlkreis gewählte Bewerber bleiben dabei unberücksichtigt. Bei Erschöpfung der Liste verfallen nicht zu besetzende Sitze."


Als reine Folgeänderungen fallen die §§ 7 und 29 weg.
§ 43 erhält folgende Fassung:
"§ 43
Nachwahl
(1) Eine Nachwahl nach denselben Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl findet statt, wenn in einem Wahlkreis oder Wahlbezirk die Wahl nicht durchgeführt worden ist. (2) Die Nachwahl soll spätestens drei Wochen nach der Hauptwahl stattfinden. Den Tag bestimmt der Landeswahlleiter."


Auch die Nachfolgeregelung in § 48 muß angepaßt werden. Grundgedanke dabei: Fallen interne Überhangmandate weg, gehen die Sitze an die Landeslisten, denen Mandate gestrichen wurden. Auch die gestrichenen Direktkandidaten werden bevorzugt. Außerdem wird die Nichtberücksichtigung von inzwischen aus der Partei ausgeschiedenen Bewerber gestrichen. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich fragwürdig. Dazu ist es auch unlogisch, diese Personen anders zu behandeln als Bewerber, die nicht der Partei angehörten und sich später von ihr abgewendet haben.

"§ 48
Berufung von Nachfolgern und Ersatzwahlen

(1) Wenn gewählte Bewerber sterben oder die Annahme der Wahl ablehnen oder wenn Abgeordnete sterben oder sonst nachträglich aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden, so werden die Sitze wie folgt neu besetzt:

1. Bei Vakanzen bei Landeslisten mit Überhangmandaten werden die Sitze über die Landeslisten der Partei, denen nach § 6 Abs. 5 Sitze gestrichen sind, in umgekehrter Reihenfolge ihrer Streichung neu besetzt. Die Sitzzahl darf hierdurch jedoch nicht die nach § 6 Abs. 4 errechnete Zahl unterschreiten.
2. Bei Vakanzen bei Landeslisten, denen nach § 6 Abs. 6 Sitze gestrichen sind, folgen, soweit Nummer 1 nicht anwendbar, die gestrichenen Bewerber des betreffenden Landes in umgekehrter Reihenfolge ihrer Streichung nach.
3. Bei Vakanz von Sitzen der in § 6 Abs. 1 Satz 3 genannten Bewerber findet eine Ersatzwahl im Wahlkreis statt.
4. Sofern und soweit die Nummern 1 bis 3 nicht anwendbar sind, werden die Sitze über die jeweiligen Landesliste der Ausgeschiedenen neu besetzt.

Hinsichtlich der Parteizugehörigkeit ist maßgeblich, für welche Partei die Abgeordneten oder Bewerber bei der Wahl auftraten. Außer im Fall der Nummer 3 stellt der Landeswahlleiter die Nachfolge fest. § 42 Abs. 3, § 45 und in den Fällen der Nummern 1 und 4 auch § 6 Abs. 7 Satz 4 gelten entsprechend."

In Abs. 2 wird Satz 1 gestrichen.
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Stefan F.
Veröffentlicht am Sonntag, 03. September 2006 - 17:42 Uhr:   

Warten wir mal ab, wie das BVerG entscheidet. Sollte es die gegenwärtigen Regelungen für GG-konform halten, könnte man über das Gericht freilich nur noch spotten. Deiner Auffassung, dass Überhangmandate vermieden werden sollten, kann man nur beipflichten - stellen sie doch eine Verzerrung des überregionalen Parteienproporzes dar. Dein Vorschlag hingegen würde das gegenwärtige System mit seinen ursprünglichen Intentionen vollends ad absordum führen. Daher bin ich auch sehr für einen totalen Systemwechel anstatt für Herumdoktern am bestehenden System, welches einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Es gibt zwei Optionen: Entweder man verzichtet auf die Wahl von Direktkandidaten und lässt nur noch Landeslisten wählen. Schließlich ist das bestehende Personenwahlrecht ohnehin ein höchst unproduktives und unausgegorenes Instrument zur Beeinflussung der personellen Zusammensetzung des BT durch den Wähler. Der Gesetzgeber sollte deshalb endlich mal Tacheles reden: Sollen die Wähler entsprechende Partizipationsmöglichkeiten erhalten oder sollen sie es nicht, damit dieses Stückchen politische Macht vollständig in den Händen der Parteien verbleibt. Entscheidet er sich für Letzteres, ist die Sache ganz einfach: Umsetzung der ersten Option. Andernfalls ist ein personalisiertes Verhältniswahlrecht zu schaffen, das diese Bezeichnung auch verdient: Das Wahlgebiet wird in 60 Wahlkreise untergliedert (die Anzahl ist diskutabel). Die Landesgrenzen sind einzuhalten. Starke Größenunterschiede sind zu vermeiden, aber kein Drama. Die Wahlkreise eines BL bilden einen Wahlkreisverbund. Eine Partei hat in jedem BL die Wahl, entweder für jeden Wahlkreis eine eigene Liste aufzustellen oder für mehrere eine Gemeinschaftsliste oder gar für alle Wahlkreise eine Verbundliste. Der Wähler hat eine Listenstimme. Zudem hat er die Möglichkeit, die Listenkandidaten nach seinen Präferenzen zu nummerieren. Nutzt er diese nicht, erklärt er sich mit der Listenreihenfolge einverstanden. Die 598 Mandate werden nach Sainte-Lague entsprechend der bundesweiten (Listen)stimmenanzahl unter den Parteien aufgeteilt. Anschließend wird auf die Wahlkreisverbünde nach Sainte-Lague unterverteilt. Im dritten Schritt wird auf die Wahlkreis- und/oder Gemeinschaftslisten nach Sainte-Lague unterverteilt, so diese bestehen. Die gewählten Kandidaten werden durch das STV-System bestimmt. Hier müsste sich der Gesetzgeber für einen der möglichen Modi entscheiden.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 04. September 2006 - 16:43 Uhr:   

Ein grundlegender Wechsel ist äußerst unwahrscheinlich, die Einführung von STV erst recht. Und die Verbindung von STV mit Bundesproporz ist außerdem administrativ sehr aufwendig.

Theoretische Möglichkeiten gibt es natürlich viele. Das ist ja hier auch alles schon diskutiert word einschließlich dem völligen Verzicht auf Wahlkreise.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 04. September 2006 - 18:12 Uhr:   

Eine verhältnismässig einfache Möglichkeit zur Verbesserung der heutigen Probleme wäre folgende:
Zunächst werden die Direktmandate abgeschafft. Folglich gibt es keine Wahlkreise mit Wahlkreiskandidaturen mehr.
Es bleiben die Bundesländer als Wahlkreise mit Landeslisten. Wie bisher kann jeder Wahlberechtigte eine Liste wählen; diese erhält dann 1 Stimme, die im Land gezählt wird. Wie heute wird die Mandatsverteilung bundesweit nach erhaltenen Stimmen berechnet, etwaige Verzerrungen müssten zwischen den Landeslisten wie heute ausgeglichen werden, nur dass dabei keine Überhangmandate u. dgl. entstehen können.
Im Unterschied zu heute wirft der Wahlberechtigte aber keinen Wahlzettel mehr ein, auf dem eine von mehreren Listen angekreuzt wird, sondern die Liste einer Partei. Auf dieser Liste kann der Wahlberechtigte Namen streichen oder deren Reihenfolge verändern.
Nachdem feststeht, wieviele Sitze eine Landesliste erhält, werden die Kandidaturen entsprechend ihrer Reihenfolge auf der Liste unter Anrechnung der Streichungen und Veränderungen den Sitzen zugewiesen, wofür man am einfachsten ein umgekehrtes Punktesystem verwendet (d. h. der 1. Name auf einer Liste mit 10 Mandaten erhält 10, der letzte Name 1 Punkt, Streichung zählt als 0 Punkte).
Das ist immer noch komplex genug, erlaubt aber den Wahlberechtigten, sich für eine bestimmte Liste zu entscheiden, wodurch sie die Gesamt-Zusammensetzung des Bundestages verändern, aber keine Paradoxien wie Überhangmandate u. dgl. mehr auslösen können, ferner ist es ihnen möglich, Einfluss auf die perosnelle Zusammensetzung der gewählten Liste zu nehmen, ohne jedoch jene einer nicht-gewählten Liste zu beeinflussen.
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Georg Götz
Veröffentlicht am Dienstag, 05. September 2006 - 11:38 Uhr:   

Der Vorschlag von Herrn Wälchli findet bis auf einen Punkt meine Zustimmung. Insbesondere die Vermeidung von Überhangmandaten, die der Wähler sicher nicht will, wird hier gut gelöst.

Hier möchte ich jedoch auch auf das niederländische System bei Kommunalwahlen hinweisen, denn die Gewichtung einzelner, besonders der höheren Listenplätze - im Vorschlag von Herrn Wälchli - bevorzugt nur die Kandidaten, die ihre Ellenbogen während der parteiinternen Kandidatur am weitesten ausgefahren haben. Und ob dies im Sinne der Wähler ist, wage ich zu bezweifeln.

In den Niederlanden geschieht bei den Kommunalwahlen Folgendes: Die Stimme wird persönlich auf den Kandidaten abgegeben.
1. Nach der Wahl wird zuerst ein Stimmenteiler bestimmt, dies ist die Anzahl der abgegebenen gültigen Stimmen dividiert durch die Anzahl der zu vergebenden Sitze.
2. Danach werden die Stimmen pro Partei gezählt und durch den Stimmenteiler - Anzahl der Stimmen pro Sitz - dividiert, um die Anzahl der Sitze pro Partei festzustellen.
3. Dann verbleiben natürlich noch Restteiler < 1 pro Partei, wobei dann noch nicht verteilte Sitze entsprechend dem höchsten Restteiler vergeben werden, bis der letzte Sitz verteilt wurde.
4. Nun schaut man auf die Parteilisten: Kandidaten, die mit ihren auf sie abgegebenen Stimmen >= dem Stimmenteiler sind, sind direkt gewählt.
5. Dann bestimmt man die Kandidaten, die mit ihren auf sie abgegebenen Stimmen >= dem halben (!) Stimmenteiler sind, auch diese sind (im Normalfall, ansonsten 6.) direkt gewählt.
6. Danach werden die verbleibenden Sitze entweder so gemäss dem persönlichen Restteiler verteilt wie oben die Sitze für die Partei (siehe unter 3.), oder die Reihenfolge auf der Liste entscheidet. Für das entweder/oder muss sich eine Partei vor der Wahl bei der Registrierung ihrer Listen beim Wahlleiter entscheiden.
Der Vorteil dieser niederländischen Methode ist der, dass auch der Kandidat einer Volkspartei auf z.B. Platz 212 seiner Parteiliste aufgrund seiner auf ihn persönlich abgegebenen Stimmen ins Parlament gewählt wird, während der Populist auf Platz 3, der die letzten 4 Jahre nur Blödsinn erzählt und gemacht hat, sich die Sitzungen von der Zuschauertribüne anschauen darf.
Diese Art der Volksvertretung entspricht eher einer Basisdemokratie als einer Parteiendemokratur.
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Frank Schmidt
Veröffentlicht am Dienstag, 05. September 2006 - 13:31 Uhr:   

Der halbe Stimmenteiler ist immer noch recht hoch. Die Analyse der CDU-Änderung zum Hamburger Wahlrecht (da wird 30 % des Stimmenteilers verwendet) hatte ergeben, dass es keine Änderung gegenüber der Listenreihenfolge geben würde, wenn die Stimmen auf Kandidaten ähnlich wie in Hannover vergeben werden (auch dort kann man alle Stimmen auf einen Kandidaten konzentrieren).
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Martina Schmidt (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 18:12 Uhr:   

Was ist eigentlich aus dem Gesetzesentwurf der CDU/CSU von 2005 geworden, die Grundmandatsklausel auf 5 Direktmandate zu erhöhen?
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mma
Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 18:32 Uhr:   

Der Antrag wurde noch kurz vor der BT-Auflösung im BT abgelehnt (http://www.wahlrecht.de/doku/doku/200502244.htm). Ansonsten wäre er mit der Auflösung verfallen.
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Martina Schmidt (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 18:50 Uhr:   

Danke für die schnelle Reaktion. Gibt es vielleicht weitere Entwürfe, die noch ausstehen bzw. werden in der Großen Koalition bezüglich Bundestagswahlgesetz Änderungen/Reformen angestrebt?
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 19:20 Uhr:   

In das Gesetzgebungsverfahren eingebracht ist bisher erst ein Entwurf, siehe die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bundesratsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Stichwort Nachwahl, die angedachten Änderungen hätten aber möglicherweise größere Änderungen beim Nachrücken in Überhangmandate zur Folge). Der Bundestag wartet erst einmal auf die Entscheidungen zur Prüfung der Wahlen 2002 (die für dieses Jahr angekündigt sind) und 2005, um nicht nach den Entscheidungen erneut die Gesetze ändern zu müssen und dem BVerfG in der Sache vorzugreifen (Stichwort Organtreue).

Insgesamt stehen Entscheidungen zu mehreren Themenkomplexen aus, u. a.: Verfassungsmäßigkeit der Überhangmandateregelung im BWahlG vor dem Hintergrund der Erfolgswertgleichheit bzw. dem negativen Stimmgewicht, die Freiheit der Wahl des Sitzzuteilungsverfahrens durch den Gesetzgeber, Berliner Zweitstimmen, der Homogenität von Listen und dem Einsatz von elektronischen Wahlgeräten). Durch das Verschleppen der Entscheidungen zur Bundestagswahl 2002 beim Bundesverfassungsgericht kann es aber auch sein, dass es bei einigen dieser Themen keine inhaltlichen Äußerungen des Gerichts gibt und das Spiel 2009 von vorne beginnt.
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Lars Tietjen
Veröffentlicht am Samstag, 29. September 2007 - 19:15 Uhr:   

Zumindest die Politikwissenschaft diskutiert über Wahlrechtsreformen.
In der Zeitschrift für Parlamentsfragen (3/2007) finden sich einige lesenswerte Aufsätze:

Gerd Strohmeyer; Ein Plädoyer für die "gemäßigste Mehrheitswahl": optimale Lösung für Deutschland, Vorbild für Österreich und andere Demokratien

Heiko Franke, Andreas Grimmel; Wahlen mit System? Reformüberlegungen zur personalisierten Verhältniswahl

Daneben auch noch einige andere im Wahlkontext interessante Aufsätze (Einfluss der Bundespolitik auf Landtagswahlen; Bündelung der Wahltermine)

Noch ist das Inhaltsverzeichnis nicht Online:
http://www2.politik.uni-halle.de/zparl//index.htm
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AeD
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 17. Juni 2008 - 23:51 Uhr:   

Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner heute (17. Juni 2008) „Berliner Rede 2008“ einige, recht allgemeine Gedanken zu Wahlrechtsänderungen geäußert:

„... Die demokratische Teilhabe ließe sich durch Änderungen des Wahlrechts stärken. Ich plädiere nicht für ein Mehrheitswahlrecht, denn unser geltendes Wahlsystem hat sich bewährt und die Koalitionsfähigkeit der Parteien sichert handlungsfähige Regierungen. Aber die Wählerinnen und Wähler könnten zum Beispiel mehr Einfluss darauf bekommen, welche Kandidaten auf den Wahllisten der Parteien ein Mandat bekommen - es müssen ja nicht immer nur die sein, die oben stehen. Das stärkt auch die innerparteiliche Unabhängigkeit der Gewählten. Gegen den hierzulande meist herrschenden Dauerwahlkampf ließe sich die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages auf fünf Jahre verlängern, und es könnten öfter als bisher mehrere Landtags- und Kommunalwahlen auf denselben Tag gelegt werden. ...“
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 19. Juni 2008 - 14:55 Uhr:   

(Köhler: "Gegen den hierzulande meist herrschenden Dauerwahlkampf ließe sich die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages auf fünf Jahre verlängern")

Wenn man das sofort beschließen würde, wäre die übernächste Bundestagswahl nicht in dem wahlarmen Jahr 2013, sondern 2014.

Die für 2009 erwarteten Effekte würden sich 2014 und alle weiteren 5 Jahre wiederholen (außer bei vorzeitiger Parlamentsauflösung natürlich):
Bundespräsidentenwahl als Koalitionsbarometer,
Europa- und Kommunalwahl als Testlauf,
Terminkollision mit den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Saarland, also entweder Wahltermin-Häufung oder vollkommen von de r gleichzeitigen BT-Wahl überformte Landtagswahlen - kann man das wollen?

Möglicher Trick: Man wartet noch ein bisschen mit der Wahlperioden-Verlängerung, etwa indem man sie in die Föderalismusreform packt, und kann sie leiderleider erst im Frühjahr 2009 beschließen, sodass sie erst für die 2013 beginnende Wahlperiode angewandt werden kann.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 07. September 2008 - 13:28 Uhr:   

@mma
Die FDP hatte doch schonmal eine Bündelung der Wahltermine (wie wir sie ja in den USA praktisch haben) vorgeschlagen, dann hätte man nicht ständig irgendwo Wahl und es würde nicht jede Stadtratswahl zum bundes- oder zumindest landesweiten Test hochstilisiert werden. Was ist eigentlich aus dem Vorschlag geworden?
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. September 2008 - 19:17 Uhr:   

Vermutlich hat das nicht die ganze FDP, sondern nur ein FDP-Politiker vorgschlagen, der wusste, dass es eh nicht durchkommt, aber mal wieder in die Zeitung wollte.
So eine Terminbündelung ist in einem Präsidialsystem wie in Amerika möglich, aber würde in einem parlamentarischen Regierungssystem nur Schaden anrichten.

Wenn die FDP das anders sieht, kann sie sich ja dafür starkmachen, das System mit sofortiger Wirkung in Hessen einzuführen:
Vorzeitige Neuwahl - vor Januar 2013 - ist streng verboten. Viel Spaß!

(Beitrag nachträglich am 08., September. 2008 von MMA editiert)
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juwie
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. September 2008 - 20:35 Uhr:   

@Norddeutscher

Mein Vorschlag: Das Hochhypen jeder Bürgermeisterwahl in Kleinkleckersdorf einfach ignorieren.

Ich kann mich an eine der letzten Wahlen in Bremen erinnern. Die Umfrageergebnisse, von den Demoskopen in der Sendung vorgestellt, waren ganz eindeutig: Das Wahlergebnis war weit überwiegend von lokalen Faktoren beeinflusst. Kamerawechsel zum Fernsehjournalisten, der dem nächsten Studiogast die Frage stellt: "Was bedeutet dieses Wahlergebnis bundespolitisch?"

Warum sagt nicht einfach dann mal einer: "Nichts!"
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Mitdenker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. September 2008 - 20:49 Uhr:   

juwie

Es gibt nun eine Rot Grüne Vertretung, statt einer Rot Schwarzen Vertretung im Bundesrat.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. September 2008 - 22:15 Uhr:   

@Mitdenker: juwie hatte allerdngs nicht die letzte Landtagswahl in Bremen gemeint, sondern "eine der letzten".

Ansonsten: Lieber Dauerwahlkampf als gar keinen. Und wen es stört: Einfach nicht hinhören. Es gibt auch jeden Tag mehrfach Werbung für zig Kosmetika, Waschmittel, Autos und Süßwaren und Touristik und und. Wenn die das können (ohne pleite zu gehen und ohne ihre Arbeit zu vernachlässigen) und wir das aushalten, dann sollte das mit einer Dienstleistung wie Politik auch gehen.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 14. September 2008 - 10:06 Uhr:   

@mma

Erstens war das schon ein Beschluß des Bundesparteitages (den Westerwelle und Gerhardt dann in die Öffentlichkeit getragen haben) und zweitens waren Neuwahlen nicht verboten, sondern die nächste Wahlperiode verlängert sich dann bis zum Standardwahltermin (der ja auch nicht einmal alle fünf Jahre liegen sollte, sondern es sollte etwa alle zwei Jahre einen allgemeinen Wahltermin geben).
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 14. September 2008 - 18:19 Uhr:   

Wie soll denn das bitte gehen, nach dem Platzen einer Koalition noch anderthalb Jahre mit den alten Mehrheiten weiterwursteln, nur damit die Bundespolitik nicht durch Wahlen gestört wird?

Wie gesagt, die FDP kann ja mal versuchen, aktuell in Hessen diesen Neuwahlverzicht, und sei es auch nur für anderthalb Jahre, durchzusetzen.

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