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Direktwahlerfolg ohne Parteiliste (in...

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WOBE
Veröffentlicht am Freitag, 20. September 2002 - 03:31 Uhr:   

Ich habe einige Fragen fuer den Fall eines Wahlkreisgewinners ohne angeschlossene Parteiliste bzw. mit Anschluss an eine erfolglose Liste. Insbesondere ueber die (in diesem Fall eintrettende) Streichung der Zweitstimme.

1. Was soll diese Regelung ueberhaupt?

Der einzige Grund der mir einfaellt, ist das damit verhindert werden soll, das eine Partei nur formal unabhaengige Kanidaten antrettten laesst (die dann natuerlich nicht mit Listenmandaten verrechnet werden muessen) Dies scheint aber extrem unwahrscheinlich, da ein Kanidat ohne Parteienkuerzel neben seinem Namen sowieso keine Chance haben duerfte (ausserdem erklaert es nicht warum diese Regelung dann auch fuer Parteinen gilt, die an der 5%-Huerde scheitern).
Irgendwo habe ich gesehen, dass damit ein "erhoehter Erfolgswert" der Zweitstimme verhindert werden soll. Dies macht nun ueberhaupt keinen Sinn, da die Massnahme "Stimmenstreichung" den Erfolgswert auf 0 setzt und somit noch mehr verzerrt.

2. Koennte man diese Regelung juristisch angreiffen?

So koennte ein unabhaengiger Kanidat z.B. argumnetieren, dass seine Wahlchancen so gemindert werden, da ja jeder der ihn Waehlen will mit dem moeglichen Verlust seiner Zweitstimme rechnen muss. Auch koennte ein Waehler sich darueber beschweren, dass die Gueltigkeit einer (ansonsten korrekt abgegebenen Stimme) ja kaum davon abhanegen sollte, was er mit einer anderen Stimme waehlt.

Man sollte erwaehnen, dass diese Regelung auch praktische Probleme nach sich zieht, da sie wohl die einzige ist, bei der eine Stimmzettelkombination von irgendwelcher Bedeutung ist. Ohne sie koennte man auch Erst- und Zweitstimme unabhaengig voneinander abgeben lassen (oder habe ich hier einen anderen Grund uebersehen?)
Dies hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Gestaltung von Computerwahlsystemen (jetzt ja in einigen Wahlkreisen eingesetzt)

3. Ein theorethischer Fall

Angenommen eine Partei erringt ein Direktmandat, kommt aber nicht ueber 5%. Folglich werden die entsprechenden Zweitstimmen gestrichen. Nun kann es natuerlich vorkommen, dass durch das geaenderte Zweitstimmenergebnis einige Parteien ueber (oder unter) die 5% rutschen. Ansich nicht weiter schlimm, aber es koennte hier natuerlich der Fall auftretten, dass es paradoxerweise gerade die Partei des Direktkanidaten betrifft, was wiederum diesen Zweitstimmen zur Gueltigkeit verhelfen wuerde (dies ist hochgeradig theoretisch, da es natuerlich voraussetzt das der Direktkanidat hauptsaechlich von Waehlern gewaehlt gewaehlt wurde, die Ihre Zweitstimme anderwertig vergeben haben) Wie ist in einem solchen Fall zu verfahren?

4. Ein weiters Beispiel.

Angenommen ein unabhaengiger gewaehlter Kanidat scheidet aus dem Bundestag aus, und es kommt zur Ersatzwahl. Hier gewinnt ein Kanidat der Partei X. Frage: Muss dieses Mandat jetzt mit der Liste verrechnet werden, d.h. muss jetzt ein Listenkanidat seinen Stuhl im Bundestag raeumen? Ich nehme mal an, dies ist nicht der Fall, aber dies fuehrt natuerlich zu der unangenehmen Situation das Nachwahlmandate effektiv wertvoller sind als die urspruenglichen Direktmandate, die sie ja eigentlich nur ersetzen sollen (praktisch ist dieses Problem natuerlich von geringer Bedeutung)

Vielen Dank schon mal!
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Freitag, 20. September 2002 - 09:17 Uhr:   

zu 1. "Irgendwo habe ich gesehen, dass damit ein "erhoehter Erfolgswert" der Zweitstimme verhindert werden soll."

Stimmt, bei den erfolgreichen Einzelkandidaten.

"bzw. mit Anschluss an eine erfolglose Liste. Insbesondere ueber die (in diesem Fall eintrettende) Streichung der Zweitstimme."

Wo hast Du denn das gelesen? Du meinst sicher von Parteien aufgestellte Einzelbewerber, die in dem Land keine Landesliste aufgestellt haben, dann stimmt es.

"Dies macht nun ueberhaupt keinen Sinn, da die Massnahme "Stimmenstreichung" den Erfolgswert auf 0 setzt und somit noch mehr verzerrt."

Nein, die Erststimme hat ja dann (ausnahmsweise - wie bei Überhangmandaten) einen Erfolgswert, der auch nach Verrechnung erhalten bleibt und in den meisten Fällen auch größer als der der Zweitstimme wäre.

zu 2. "Koennte man diese Regelung juristisch angreiffen?"

Klar, ist auch schon geschehen, aber diese Regelung ist wasserdicht und unumstritten.

"So koennte ein unabhaengiger Kanidat z.B. argumnetieren, dass seine Wahlchancen so gemindert werden, da ja jeder der ihn Waehlen will mit dem moeglichen Verlust seiner Zweitstimme rechnen muss."

Nein, s. zu 1.

zu 3. Wird es nicht geben, lies bitte noch einmal genau § 6 Bundeswahlgesetz.

zu 4. Nein, es gibt keine Neuverrechnung.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Montag, 06. Oktober 2003 - 21:11 Uhr:   

Ich habe gerade das Satire"Nachrichten"blatt FOCUS von letzter Woche in die Hand bekommen und bin schwer entsetzt über einen Artikel zum Wahlrecht.

Zunächst einmal zitiere ich, leicht gekürzt, die wichtigsten Pasagen:
"Wähler aus Berlin und dem Rheinland stützen ihre Wahlanfechtungen auf einen Beschluß des BVerfG vom 23.11.88. Danach bestehen gewichtige Zweifel, ob 16.000 Berliner SPD-Zweitstimmen aus zwei Berliner Wahlkreisen mitgezählt werden durften.[...]
Der Ärger mit den Zweitstimmen entsteht aus ungleichem Wahlrecht. Gemäß Art. 38 I GG soll jeder Wähler den gleichen, keiner den doppelten Stimmen-Erfolgswert haben. Entweder-oder: Hat ein Wähler mit der Erststimme seinem Wahlkreiskandidaten zum Direktmandat verholfen, bleibt die Zweitstimme für eine Partei-Landesliste wirkungslos.
Eine Regel mit Lücke und Tücke. Sie greift nicht bei Wählern einer Partei, die ein oder zwei Direktmandate erringt, aber ansonsten an der 5-Prozent-Hürde scheitert. So erzielten 16.000 Wähler in den Berliner PDS-Hochburgen Marzahn und Lichtenberg mit rot-rotem Splitting einen Doppeltreffer: Erststimme fürs PDS-Mandat, Zweitstimme für den SPD-Wahlsieg.
Die Mahnung der Richter, das Loch wegen der "im Wahlrecht in besonderem Maße gebotenen Rechtsklarheit" zu schließen, hat der Bundestag 15 Jahre lang ignoriert."

Dazu noch ein bißchen Polemik gegen Rot-Grün, fertig ist der FOCUS-Artikel.

Aus diesem Wust von Halbwahrheiten und Irrtümern entnehme ich, daß irgendwer eine Beschwerde eingelegt hat mit dem Ziel, die Zweitstimmen der PDS-Wähler aus den PDS-Direktmandatskreisen Marzahn und Lichtenberg für ungültig erklären zu lassen, was zu Lasten der SPD ginge. Aus dem Bundeswahlgesetz ist aber doch eindeutig zu entnehmen, daß diese sehr wohl gültig sind. Sie wären es nicht, wenn die PDS in Berlin keine Landesliste aufgestellt hätte und Frau Pau und die andere (Name vergessen) also "echte" Direktmandate hätten.

Der Autor hat die Regelung offenbar nicht verstanden. Insbesondere die Sätze "Hat ein Wähler mit der Erststimme [...] 5-Prozent-Hürde scheitert" sind m.E. doch völliger Quatsch. In Wirklichkeit gilt die Regelung ja nur, wenn der erfolgreiche Erststimmenbewerber gar keine Liste "hinter" sich hat; wenn es so wäre, wie es der Autor darstellt, würden ja regelmäßig fast 50% der Zweitstimmen nicht gezählt werden.


Was mich aber verwundert, ist die Entscheidung des BVerfG, auf die mehrmals hingewiesen wird: Weiß jemand, worum es da ging? Ich könnte mir folgendes denken:
Das BVerfG hat 1988 an der gültigen Regelung §6 Abs.1 BWahlG bemängelt, daß ein erfolgreicher Direktkandidat zwar eine Liste hinter sich haben könnt, diese aber wg. der 5%-Klausel nicht ins Parlament käme. Genau das ist ja in Berlin passiert. Die Zweitstimmen der PDS-Wähler gelten - wenn die PDS aber keine Landesliste aufgestellt hätte, dann gälten sie nicht. Die Zahl der SPD-Stimmen ist also nach geltendem Recht tatsächlich davon abhängig, ob die PDS in Berlin eine Liste aufgestellt hat oder nicht. Nun vermute ich, daß das BVerfG 1988 diesen - damals hypothetischen - Fall verhindern wollte und der Gesetzgeber die Regelung so ausweiten sollte, wie es "WOBE" oben in diesem Thread beschrieben hat und der FOCUS (was ich aus dem wirren Drumherum herauslese) fordert: nämlich daß auch die Zweitstimmen der Wähler von Direktkandidaten, deren Partei nicht über die 5%-Hürde kommt, nicht gezählt werden.

Geltendes Recht ist das nicht, weswegen die vorauszusehende Ablehnung der Anfechtungen durchaus OK ist. Trotzdem könnte man es ja auch so handhaben wie es - vermute ich - BVerfG, FOCUS und "WOBE" intendieren. Dagegen sprächen dann allerdings Matthias Cantows obige Einwände.

Wer verstanden hat, was ich sagen will, möge bitte seine Meinung dazu äußern.
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J.A.L.
Veröffentlicht am Montag, 06. Oktober 2003 - 21:26 Uhr:   

Ich habe es (glaube ich) verstanden, und stimme dir zu.
Denn den doppelten Erfolgswert habe ich doch auch, wenn ich den Direktkandidaten einer Partei wähle, ihm so u.U. zu einem Überhangmandat verhelfe, und die Landesliste einer anderen, die 5%-Hürde überspringenden Partei mit der Zweitstimme. Beide Stimmen haben ihren Beitrag zur Verteilung der Sitzzahl geleistet.

Ich empfinde derlei aber durchaus nicht als Verstoß gegen die Gleichheit der Wahl, da es einem Zweistimmensystem immanent ist.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 06. Oktober 2003 - 22:28 Uhr:   

Die Zahl 16.000 ist im übrigen nur eine grobe Schätzung des Bundeswahlleiters. An der Sitzverteilung änderte sich aller wahrscheinlichkeit nichts. Würde die verlangte Nachzählung aber ergeben, daß der SPD 55.000 Stimmen gestrichen werden müßten, würde das zu einer Änderung der Sitzverteilung führen.
Die SPD erhielte dann ein zusätzliches Überhangmandat.

Hier findet sich im Übrigen die Entscheidung – 2 BvC 3/88 – (BVerfGE 79, 161) im Wortlaut.
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Torsen Schoeneberg
Veröffentlicht am Montag, 06. Oktober 2003 - 23:17 Uhr:   

Hmm... Erstmal Danke für den Link.
Das Urteil zielt ganz eindeutig darauf ab, den jetzt aufgetretenen Fall gesetzlich zu regeln und entsprechend in §6 Abs. 1 des BWG aufzunehmen - nämlich so, daß die Zweitstimmen der PDS-Wähler in denzwei Bezirken tatsächlich ungültig wären. Die Eindeutigkeit der entsprechenden Stellen im Text (insb. Absatz 22 ff.) hat mich überrascht; ich würde fast denken, daß eine evtl. Beschwerde beim BVerfG nach Ablehnung durch den Wahlprüfungsausschuß Erfolg haben könnte. Es ist immer noch wahrscheinlicher, daß sie wegen nicht zu erwartender Änderung der Sitzverteilung abgelehnt wird, aber wenn das Gericht seinen Prinzipien folgen würde, müßte es die Beschwerde doch akzeptieren.

Woraus sich freilich die oben von WOBE unter 2 und 3 beschriebenen Probleme ergeben würden.
Z.B. müßte ein maschinelles Wahlysystem so beschaffen sein, daß es jede Erststimme eindeutig der vom selben Wähler abgegebenen Zweitstimme zuordnen kann, damit diese für ungültig erklärt werden kann. Genauer gesagt müßte dies sogar schon für die jetzt eingesetzten Computer gelten, denn niemand konnte ausschließen, daß der gesetzlich bereits geregelte Fall, in dem Zweitstimmen ungültig werden, eintritt. Ich habe irgendwie den Verdacht, daß die eingesetzten Computer dies nicht gewährleisteten - was ja dann ein klarer Verstoß gegen das BWG wäre.
Das könnte man aber durch entsprechende Computersysteme verhindern.

Viel schlimmer wäre der von WOBE unter 3. beschriebene Fall. Hier sehe ich bisher wirklich keinen vernünftigen Ausweg.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 06. Oktober 2003 - 23:31 Uhr:   

Die 5%-Hürde bezieht sich auf die "abgegebenen gültigen Zweitstimmen", das Streichen der Zweitstimmen bei den "zu berücksichtigenden Zweitstimmen" ändert hier also nichts.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Oktober 2003 - 00:59 Uhr:   

@ Martin Fehndrich:
Aha, der Unterschied war mir noch gar nicht aufgefallen.
Dann also bitte in meinen obigen Texten jeweils statt "ungültig" "nicht zu berücksichtigen" lesen.

Heißt das also, bei einer Partei wird erst geprüft, ob sie - nach abgegebenen gültigen Stimmen - die Hürde überschreitet, ihr tatsächlicher Sitzanteil wird aber nach den zu berücksichtigenden Stimmen errechnet?
Bzw. im konkreten Fall: die Partei überschreitet die Hürde nicht, bekommt also keine Listensitze, selbst wenn sie nach Streichung von Stimmen mehr als 5% der zu berücksichtigenden Stimmen hat?
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Oktober 2003 - 02:30 Uhr:   

@Torsten:
Ja.

Siehe hierzu auch die Meldungen vom 9.10.02 und 12.10.02

http://www.wahlrecht.de/news/2002/15.htm
http://www.wahlrecht.de/news/2002/16.htm

sowie die Diskussionen in den Threads "Verfallende Zweitstimmen", "Direktmandate der PDS" und "Rechtsfrage".

Selbst wenn den Einsprüchen stattgegeben würde und auf die SPD dann weniger "zu berücksichtigende" Stimmen entfielen als auf CDU/CSU, wäre die Behauptung "Die Union hat mehr Stimmen bekommen als die SPD" in etwa so sinnvoll wie die These "Die PDS hat keine einzige Stimme erhalten."
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Oktober 2003 - 08:37 Uhr:   

Torsten:

Was du aus dem Focus zitiert hast, kann man schon so interpretieren, dass es relativ richtig ist: Wer mit der Erststimme den Direktkandidaten mit den meisten Stimmen gewählt hat, hat ihm ja wirklich definitiv zu einem Sitz verholfen. Im Gegensatz zur Zweitstimme wird die Wirkung der Erststimme nicht von sekundären Kriterien eingeschränkt. Tatsächlich bleibt auch die Zweitstimme solcher Wähler für die Landesliste der Partei meistens wirkungslos bzw. wird eher sogar negativ (weil die meisten Kandidaten mit weniger als 50% gewählt werden). Es werden halt bloß nicht die Stimmen, sondern die Mandate verrechnet.

Die gröberen Probleme fangen erst mit dem Stimmensplitting an. Damit kann sich der Wähler eine echt wirksame Zweitstimme verschaffen. Insofern hat die gegenwärtige Regelung sogar einen gewissen Sinn (wenn er auch wahrscheinlich nicht Absicht ist): Wieso sollte dieser Effekt ausgerechnet dann unterbunden werden, wenn die Partei an der Sperrklausel scheitert? Im Prinzip sind die beiden PDS-Mandate nichts anderes als Überhangmandate.

Nehmen wir einmal an, die PDS hätte in Berlin weiter eine Landesliste gehabt, auf die allerdings (fast) keine Stimme entfallen wäre. In anderen Bundesländern hätte sie aber genügend Stimmen für bundesweite 5% bekommen. Dann würden die beiden Berliner PDS-Direktmandate ganz selbstverständlich als Überhangmandate bestehen bleiben und die zugehörigen Zweitstimmen einer anderen Partei zugute kommen.

Wenn man das Argument mit dem zusätlichen Erfolgswert ernst nimmt, müsste man zumindest in Ländern, wo für eine Partei Überhangmandate aufgetreten sind, untersuchen, welche anderen Parteien von den Extrastimmen profitiert haben und ihnen gegebenenfalls Mandate nehmen, die ihnen unter Anrechnung der anteiligen Überhangmandate nicht zustehen würden. Wenn man dann noch sicherstellt, dass für ein Direktmandat immer 50% der Erststimmen nötig sind (per IRV), müssten sich so eigentlich sämtliche Überhangmandate vermeiden lassen.

Die Einzelkandidaten sind natürlich ein echter Sonderfall, weil deren Wähler mangels passender Liste zum Stimmensplitting gezwungen sind. Die Sitze solcher Kandidaten sind notwendigerweise Überhangmandate, was u.U. ihre Sonderbehandlung rechtfertigen kann. Eigentlich seh ich aber sowieso keinen Sinn in Einzelkandidaturen, wo es eine Sperrklausel gibt (wie in anderen Threads bereits ausführlich diskutiert).


Dass die eigentlich entwerteten Zweitstimmen sehr wohl einen Einfluss auf die 5%-Hürde haben, halt ich übrigens für eine ziemlich krasse Sache. Gegebenenfalls bekommt sie dadurch eben doch wieder annähernd ihren vollen Erfolgswert. Solang es nur um Einzelkandidaten geht, könnte man sie problemlos ganz aus der Rechnung nehmen. Wenn man aber auch sonst Zweitstimmen streichen will, könnten die dann möglichen Flip-Flop-Effekte tatsächlich zu Problemen führen.


Zu den potenziellen Problemem mit Wahlgeräten: Solang man den Wortlaut des Bundeswahlgesetz für verbindlich hält, gibt es kein Problem. Da ist ja schon im voraus bekannt, ob der Fall der Zweitstimmenstreichung eintreten kann. Wenn es keinen Einzelkandidaten gibt, ist es nicht möglich, und sonst wär es katastrofal, wenn das System nicht darauf vorbereitet wär. Dumm ist es allerdings, wenn sich die Notwendigkeit zur kombinierten Auszählung von Erst- und Zweitstimmen erst im Nachhinein durch die Rechtsprechung ergibt.

Dafür, dass zumindest in der Vergangenheit tatsächlich beide Stimmen völlig getrennt ausgezählt worden sind, gibt es ein Indiz: Mir liegt inzwischen ein Bericht zu den 80 verschollenen Stimmen der Bundestagswahl 1980 vor (Bundestagsbeschluss zu einer diesbezüglichen Wahlanfechtung). Im Prinzip ist die Differenz darauf zurückzuführen, dass es unterschiedlich viele Erst- und Zweitstimmen gegeben hat. Also kann es gar keine Zuordnung der Zweit- zu den Erststimmen gegeben haben (ich weiß nicht, ob es im betroffenen Wahlkreis (247 St. Wendel) Einzelkandidaten gegeben hat).

Nun könnte man denken, dass man daraus gelernt hat. Allerdings ist es ja 1983 erneut zu so einem Vorfall gekommen. Seither stimmen wohl zumindest die Summen aus Erst- und Zweitstimmen, aber das heißt natürlich noch lang nicht, dass die Zuordnung auch im Nachhinein rekonstruierbar wär.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Oktober 2003 - 18:06 Uhr:   

Das Fenster, in dem die SPD davon profitieren könnte, dass sie von ihrem Stimmenüberschuss in Berlin befreit wird, ist übrigens relativ klein. Mindestens müsste sie etwa 54.000 Zweitstimmen loswerden, damit sie das Überhangmandat in Berlin bekommt, aber schon bei 60.000 kippt ihr ein Mandat zur CDU.

Insgesamt geht es um 109.857 Stimmen. Davon haben mindestens 29.257 nicht PDS als Zweitstimme (weil sie insgesamt nur 80.600 in den beiden Wahlkreisen hat). Die Schätzung mit den 16.000 Stimmen für die SPD dürfte zwar eher das untere Ende markieren, aber an den Mandaten würde sich ziemlich sicher nichts ändern. Bei den anderen Parteien fehlt es auch recht weit, am wenigsten mit etwa 9.000 Stimmen bei den Grünen, aber auch das ist eher unrealistisch.

Wirklich interessant wär eine Nachzählung geworden, wenn die SPD das Überhangmandat in Brandenburg geschafft hätte (dafür hat sie nur 549 Stimmen zu viel gehabt). Dann würden nämlich in Berlin schon ein paar einzelne Stimmen reichen, um die Sitzverteilung durcheinander zu bringen. Zu lokalisieren wär sowohl das Brandenburger als auch das Berliner Überhangmandat übrigens in Bremen (um die Verwirrung für die weniger Versierten komplett zu machen ;) ).
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Oktober 2003 - 22:17 Uhr:   

Vielleicht übersehe ich inzwischen vor lauter Bäumen den Wald. Wilko schreibt im Wahlrecht und in dem von ihm zitierten Thread im Forum:

"Allerdings kann man auch die Meinung vertreten, das BVerfG sei in dem Überhangmandatsurteil von 1997 von dieser Auffassung wieder abgewichen. Damals rechtfertigten die vier das Urteil tragende Richter die Abzugsregelung vor allem mit dem Argument, bei Einzelbewerbern sei von vornherein klar, daß die Erststimme im Erfolgsfalle ein nicht verrechenbares Direktmandat bewirke, während dies bei Überhangmandaten erst nach der Sitzverteilung feststehe. Die erforderliche Erfolgschancengleichheit sei daher gewahrt. Wenn man diese Argumentation auf den vorliegenden Fall überträgt, dann gilt auch hier, daß die Nichtverrechenbarkeit der PDS-Direktmandate nicht von vornherein feststand, so daß die Berücksichtigung der betroffenen Zweistimmen nach dem Urteil der vier tragenden Richter des Überhangmandatsurteils wohl rechtmäßig ist."

Für mich gilt dies. Dies würde meines Erachtens anders aussehen, wenn 3 Direktkandidaten in den Bundestag eingezogen und die PDS dann mit ihrem Zweitstimmenanteil ins Parlament eingezogen wäre - bei knapp über 4%. Oder ist die oben zitierte Rechtsauffassung fehlerhaft? Ich sehe dies nicht.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Oktober 2003 - 10:56 Uhr:   

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß die bayrische Regelung, daß Direktkandidaten nur dann ins Parlament einziehen können, wenn die Partei 5% erreicht, durchaus Sinn macht. Wäre das im Bundeswahlgesetz analog geregelt, gäbe es den Murks nicht.
Die im Focus-Artikel angesprochene Ungleichbehandlung sehe auch ich als Problem- auch wenn im konkreten Fall die Klage keinen Sinn macht. Da überzeugt auch die Rechtfertigung des BVG nicht. Ob der Wähler nun damit gerechnet hat oder nicht- die Stimme der PDS-Ersrstimmenwählern, die mit der Zweitstimme SPD (oder CDU, Grüne oder FDP) wählen wirkt zweifach und das verstößt klar gegen die Wahlgleichheit. Zu unterscheiden, ob nun der Wähler mit der doppelten Wirkung rechnen konnte und mußte ist schon deshalb unsinnig, weil die Wähler zu 99% das Wahlrecht eh nicht kapiert haben.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Oktober 2003 - 17:40 Uhr:   

Ich habe mir die früheren Diskussionen und Meldungen noch einmal durchgelesen und komme zu dem Schluß, den FOCUS vielleicht über Gebühr gerügt zu haben. Man kann in der Tat alles so interpretieren, daß es irgendwie stimmt, aber ob der Redakteur es auch so gemeint hat, bezweifle ich immer noch.

Ich steige zwar bei den höchsten Diskussionssphären hier auch nicht mehr ganz durch, sehe aber prinzipiell zwei Möglichkeiten, die "Ungleichheit" der Stimmen zu unterbinden: entweder man sorgt dafür, daß alle Wähler mit ihren zwei Stimmen einen "doppelten Erfolgswert" erreichen, oder man verhindert dies bei allen.
Zu ersterem könnte man z.B. "negative (Zweit-)Stimmen" vermeiden, indem man die Überhangmandate anders regelt.
Zu zweiterem könnte man z.B. die Erst- und Zweitstimme koppeln (wie z.B. im NRW-Kommunalwahlrecht), so daß man die Stimmen nicht splitten kann (also praktisch Einführung nur einer Stimme, die dann einmal zur Direktwahl und einmal als Listenstimme zählt).

Zu konkreteren Vorschlägen bin ich noch nicht durchgedrungen. Hat jemand weiterführende Ideen?
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Oktober 2003 - 18:30 Uhr:   

@ Thomas Frings

Dann müßte ich doch auch das Stimmensplitting verhindern. Denn genau dieses kann ja auch zum doppelten Erfolgswert führen. Wenn ich mir angucke, daß diesemal ein sehr großer Teil der Grün-Wähler mit der Erststimme SPD (und früher ein sehr großer Teil der FDP-Wähler mit der Erststimme CDU bzw. CSU) gewählt haben und damit einerseits einige Überhangmandate für die SPD (früher CDU) produziert haben und andererseits die Zweitstimmen- und damit Mandatszahl der Grünen (früher FDP) gestärkt haben, so haben halt Wähler durch ein intelligentes Ausnutzen der wahlrechtlichen Besonderheiten jeweils die Chance erhöht, ihr Stimmengewicht zu optimieren. Das halte ich für äußerst legitim.

Wer dieses nicht will, muß für das Einstimmen-Wahlrecht plädieren. Wer keine direkt gewählten Abgeordneten von Parteien, die keine fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, im Parlament haben will, der muß für das reine Listenwahlrecht optieren. Die beiden PDS-Damen vertreten weiß Gott nicht meine politische Richtung, aber die relative Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in ihrem Wahlkreis wollte durch diese Kandidatinnen im Deutschen Bundestag vertreten werden. Ihnen dieses Mandat wegzunehmen, hieße den Wählerwillen im Wahlkreis zu mißachten.

Auch für die Wahl Ströbeles - die in diesem Forum schon häufiger als Systembruch bezeichnet wurde - kann nichts anderes gelten. Hätte der Landesverband Berlin Herrn Ströbele verhindern wollen, dann hätte der Landesvorstand halt auf der Wahlkreisversammlung der örtlichen Grünen Werbung für einen Gegenkandidaten machen müssen. Das hat er nicht getan. Ich nehme mal an, weil er sich der werbenden Wirkung auf eine bestimmte in diesem Wahlkreis überproportional vorhandene Klientel bewußt war und auf einen erheblichen Zweitstimmenzuwachs hoffte, der ja auch eintrat; er hat halt nur nicht mit einem solchem missionarischen Eifer des Kandidaten gerechnet, der jede Nacht durch die Kreuzberger zog, um Wähler zu gewinnen, und damit am Ende Erfolg hatte.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Oktober 2003 - 19:31 Uhr:   

Torsten:

Die Kopplung von Erst- und Zweitstimme verhindert aber nicht unbedingt Überhangmandate. In Brandenburg kann die SPD allein deshalb mit ihnen rechnen, weil sie bei 3 ähnlich starken Parteien flächendeckend die dominante ist (bzw. war). 40% reichen dann eben für alle Direktmandate, und wenn das 50% der Gesamtmandate sind, hat man ein Problem.

Zumindest erschlägt die Kopplung aber die Frage, ob die Zweitstimmen in Situationen wie bei den beiden PDS-Mandaten gezählt werden dürfen.

Die einfachste Lösung wär, die Direktmandate ersatzlos zu streichen. Ihr Nutzen ist nicht sonderlich groß und sie verursachen die ganzen Probleme, weil sie eigentlich systemfremd sind und sich nicht vernünftig in ein Verhältniswahlsystem integrieren lassen. Die praktischen Probleme sind nur deshalb relativ klein, weil die Parteienlandschaft von zwei sehr großen Parteien dominiert wird.

C.-J. Dickow:
> die relative Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in ihrem Wahlkreis
> wollte durch diese Kandidatinnen im Deutschen Bundestag vertreten werden.

Mal abgesehen davon, dass eine relative Mehrheit von nicht viel mehr als einem Drittel ziemlich nichtssagend ist: Wer sagt denn, dass sie tatsächlich von den Gewählten vertreten werden wollen? Wenn man sich strikt nach dem gegebenen Wahlrecht verhält, ist es in der Regel nicht sinnvoll, den besten der Direktkandidaten zu wählen. Entscheidend ist die Relation zu den restlichen Kandidaten der betreffenden Liste. Im konkreten Fall ist auch die Motivation nahe liegend, damit indirekt die restlichen PDS-Kandidaten zu wählen oder einfach nur die Chance zur doppelten Stimme zu nutzen.

Übrigens sprechen diese möglichen Motivationen auch klar dagegen, die Spielregeln nachträglich zu ändern und die Zweitstimmen zu entwerten, die ein Wähler womöglich (und zu Recht) als einzig relevante betrachtet hat.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Oktober 2003 - 21:08 Uhr:   

@ c07

Ich gehe bis zum Beweis des Gegenteils erstmal davon aus, daß 99,99% der Wähler sich über Fragen wie negatives Stimmengewicht keine Gedanken machen, sondern mit der Vergabe Erststimme eine der vier folgenden Absichten hegen:
1) Sie wählen ihren Lieblingskandidaten, damit er gewählt wird (habe ich bisher immer getan, auch wenn der jeweilige noch nie gewählt wurde).
2) Sie wählen den Kandidaten der von ihnen präferierten Partei, weil sie sich mit den Direktkandidaten nicht befasst haben und ihrer präferierten Partei auch zutrauen den aus ihrer Sicht besten Kandidaten aufgestellt zu haben (bis auf zwei Ausnahmen fiel der von mir präferierte Kandidat auch mit der von mir präferierten Partei zusammen).
3) Sie wählen aus taktischen Gründen einen Kandidaten, der eine Chance hat gewählt zu werden, weil sie entweder ihn für das geringere Übel gegenüber einem anderen aussichtsreichen Kandidaten halten und hoffen, daß dieser andere dann nicht über die Liste einzieht oder weil sie hoffen das Entstehen eines Überhangmandates damit zu fördern oder zu vermeiden.
4) Sie wählen den Direktkandidaten einer Partei, in der Hoffnung er werde gewählt und verhülfe mit zwei weiteren direkt gewählten Kandidaten dieser Partei derselben zur Teilnahme an der Sitzverteilung nach dem Zweitstimmenergebnis.

In allen vier Fällen haben die Wählerinnen und Wähler den Erfolg genau dieses von ihnen gewählten Kandidaten gewollt. In drei von vier Fällen (nämlich 1), 2) und 4)) auch aus Gründen, die zumindest nahe legen lassen, daß sie diesen Kandidaten (aus seiner Person oder seiner politischen Richtung heraus) im Bundestag haben wollten, lediglich in Fall 3) kann es sein, daß er aus reinen Verhinderungsgründen (nämlich dann, wenn es um die Verhinderung eines Überhangmandates der "Gegenseite" geht) will.

Und von wegen einer relativen Mehrheit, die sehr nichtssagend sei: Das ist nunmal das Wesen des relativen Mehrheitswahlrechts, daß der Kandidat mit den meisten Stimmen die Übrigen ausschließt. In Großbritannien regt sich kein Mensch darüber auf, daß es Abgeordnete (vor allem aus Schottland) gibt, die deutlich unter 30% der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Die LibDems, die als einzige größere Partei für das Verhältniswahlrecht streitet, versucht zB seit ca. 15 Jahren mittels Targeting knapper Wahlkreise ihren Einfluß trotz des Mehrheitswahlrechts zu erhöhen und von ihren 13 Sitzen 1987 über 20 (1992) und 46 (1997) nunmehr bei 52 Sitzen (2001) angekommen. Sie hat dieses System inzwischen auch bei den Kommunalwahlen erfolgreich angewandt und den Tories wird langsam bange, daß sie nicht in der Mandatszahl irgendwann (sprich bei den nächsten Wahlen) von den LibDems als offizielle Opposition abgelöst werden.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 07:04 Uhr:   

C.-J. Dickow: Schon richtig, aber ich hab z.B. 1990 mit der Zweitstimme die Grünen gewählt und wollte (wie vermutlich die große Mehrheit der anderen Grünen-Wähler), dass ich mit meiner Stimme tatsächlich von einem Grünen-Abgeordneten vertreten werde. Sie ist aber ebenso wie die 1.788.199 anderen entwertet worden. Warum sollten dagegen ausgerechnet die 52.876 Erststimmen für Petra Pau so wertvoll sein, bei denen jeder Wähler sowieso ernsthaft damit rechnen muss, dass sie wirkungslos bleiben, weil ein anderer Wahlkreiskandidat die Mehrheit bekommt?

Dass sich in Großbritannien "kein Mensch" darüber aufregt, dass die Legitimation der Abgeordneten sehr gering sein kann, stimmt so pauschal auch nicht. Aber natürlich ist die große Mehrheit erst mal mit allem zufrieden, was ihr vorgesetzt wird bzw. was sie nicht anders kennt. Ich bin das in anderen Bereichen auch. Aber das heißt ja noch lang nicht, dass man nichts verbessern kann und sollte.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 08:33 Uhr:   

@ c07

Wir können gerne auch über den Sinn und Unsinn von 5%-Hürden reden, aber das war nicht das Thema.

Und daß die gut 52.000 Wähler von Frau Pau damit rechnen mußten, daß ihre Stimme wirkungslos bleibt, halte ich in einem Wahlkreis, in dem (umgerechnet auf die neuen Wahlkreisgrenzen) auch 1998 die PDS eine relative Erststimmenmehrheit besaß für arg weit hergeholt.

Dein Vergleich der Zweitstimmenzahl der Grünen 1990 mit der Erststimmenzahl von Frau Pau ist im Übrigen ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Die Partei "Die Grünen" hat 1990 nicht die im Wahlgebiet notwendigen Zweitstimmen erzielt, um an der Mandatsverteilung teilzunehmen. Die Kandidatin Pau hat 2002 in ihrem Wahlkreis - und nur darauf kommt es bei der Erststimme an - mehr Stimmen bekommen, als jeder einzelne andere Kandidat und ist damit von den Wählern in den Deutschen Bundestag entsandt worden.

Wer diese Möglichkeit nicht will, der muß die Wahlkreise abschaffen, aber nicht darüber jammern, daß das Ergebnis aufgrund des bestehenden Wahlrechts so zustande kommt.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 09:15 Uhr:   

Es geht ja nur darum, ob die Sperrklausel für alle gelten soll. Ich will die Regel auch nicht rückwirkend ändern, sondern nur die Unsinnigkeit der bisher bestehenden Ausnahmen darstellen. Von mir aus kann man auch gern die Wahlkreise tatsächlich abschaffen, aber das ist gar nicht nötig. Wenn die erste Kandidatin nicht die Eintrittsvoraussetzungen erfüllt, kann man bei relativer Mehrheitswahl auch die zweite nehmen. Im Vergleich zu den relevanten Alternativen hat sie ganz genauso eine relative Mehrheit.

Übrigens war der Vorsprung der PDS in Marzahn gar nicht besonders groß (4 Punkte). 1998 allerdings schon (20 Punkte).
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 13:34 Uhr:   

@ c07

Wieso hat Frau Pau die Eintrittsvoraussetzungen nicht erfüllt? Sie ist passiv wahlberechtigt und hat mehr Stimmen erhalten als jeder andere einzelne Kandidat. Damit hat sie nach dem Gesetz die Eintrittsbedingungen erfüllt. Ich erachte es mit dem Element des relativen Mehrheitswahlrechts, das eine Wahl in Einmannwahlkreisen nun einmal bedeutet für nicht vereinbar, einem Kandidaten, der die relative Mehrheit der Stimmen erhält, den Sitz abzuerkennen, nur weil seine Partei landesweit keine fünf Prozent der Stimmen erhält. Wenn man bereit ist, Wahlkreise zu akzeptieren (darüber kann man sehr wohl streiten), muß man aus meiner Sicht auch bereit sein hinzunehmen, daß Personen in das Parlament einziehen, deren Parteien die Sperrklausel nicht überwinden.

Im Übrigen gilt die Sperrklausel (fünf Prozent der gültigen Stimmen oder mindestens drei Direktmandate) für alle Parteien gleichermaßen (wenn man mal die Sonderregelungen für Dänen und Sorben, die sich bei Bundestagswahlen noch nie ausgewirkt hat, außen vor lässt). Für Direktkandidaten kann sie nicht gelten, denn diese werden nicht nach dem Verhältniswahlrecht sondern nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 13:41 Uhr:   

@C-J Dickow
"Wer dieses nicht will, muß für das Einstimmen-Wahlrecht plädieren."
Richtig, dafür wäre ich tatsächlich.

"Die beiden PDS-Damen vertreten weiß Gott nicht meine politische Richtung, aber die relative Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in ihrem Wahlkreis wollte durch diese Kandidatinnen im Deutschen Bundestag vertreten werden. Ihnen dieses Mandat wegzunehmen, hieße den Wählerwillen im Wahlkreis zu mißachten."

Naja, da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Erstens sind solche Fälle sehr selten. Zweitens haben ja immerhin 60,4 bzw. 62,3% der Wähler die PDS-Frauen nicht gewählt. Ich sehe auch keine Rechtfertigung dafür, regional zentrierte Parteien gegenüber anderen zu bevorzugen- da schließe ich mich c07 an. Darüber hinaus können fraktionlose Abgeordnete für ihren Wahlkreis sowieso praktisch nichts tun.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 14:58 Uhr:   

@ Thomas Frings

"Naja, da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Erstens sind solche Fälle sehr selten. Zweitens haben ja immerhin 60,4 bzw. 62,3% der Wähler die PDS-Frauen nicht gewählt. Ich sehe auch keine Rechtfertigung dafür, regional zentrierte Parteien gegenüber anderen zu bevorzugen- da schließe ich mich c07 an. Darüber hinaus können fraktionlose Abgeordnete für ihren Wahlkreis sowieso praktisch nichts tun."

1.) Das solche Fälle selten sind, gibt noch keinen Grund den Abgeordneten die Mandate zu nehmen, nach dem Motto: Was selten ist ist auch nicht gewollt.
2.) Jeder andere Kandidat in dem jeweiligen Wahlkreis ist von einem noch größeren Anteil an Wählern nicht gewählt worden.
3.) Hat die Frage, ob man die Direktwahl der beiden PDS-Abgeordneten nichts mit einer Bevorzugung von regional zentrierten Parteien zu tun, sondern mit der Frage, ob man bereit ist das Wählervotum im Wahlkreis zu akzeptieren.
4.) Ob ein Abgeordneter etwas für seinen Wahlkreis erreicht hat, mögen doch bitte die Wähler vier Jahre später entscheiden und nicht wir im Voraus, nur um dadurch den Ausschluß eines durch demokratische Wahl legitimierten Abgeordneten zu rechtfertigen.

Ich bleibe dabei: Wer bereit ist Wahlkreise hinzunehmen, muß auch bereit sein hinzunehmen, daß Menschen gewählt werden, die nicht einer der Parteien angehören, die die Sperrklausel überwunden haben. Wer aber Wahlkreise eh ablehnt, der sollte sich nicht darüber verbreiten, wie man in ein bestehendes System mit Wahlkreisen Systemfehler einbaut, um es in seine Richtung zu verbiegen, sondern gleich sagen, daß er es nicht haben will.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Oktober 2003 - 15:53 Uhr:   

Die 5%-Hürde ist mit einem Verhältniswahlsystem genauso wenig vereinbar wie mit einem Mehrheitswahlsystem. Akzeptabel wird sie nur durch die Forderung, dass die Abgeordneten von Haus aus schon in größeren Gruppen organisiert sein sollten. Um das zu erreichen, muss sie aber generell gelten, sonst ist sie sinnlos.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 10. Oktober 2003 - 16:46 Uhr:   

@Claus-Joachim:
Wer bereit ist Wahlkreise hinzunehmen, muß auch bereit sein hinzunehmen, daß Menschen gewählt werden, die nicht einer der Parteien angehören, die die Sperrklausel überwunden haben.

Wie so oft in Wahlrechtsfragen, wird viel zu sehr unter den Aspekten Systemreinheit, Folgerichtigkeit und Konsequenz argumentiert. Bei einem Wahlsystem gibt es unzähliche Hebel, die man verstellen kann, meist mit diversen Auswirkungen, die häufig auch in unterschiedliche Richtungen gehen. Will man mit einem Wahlsystem mehrere Effekte (in unterschiedlicher Intensität) erreichen, kommt man in der Regel nicht daran vorbei, Elemente einzubauen und zu kombinieren, die teilweise auch gegenteilig wirken.

Von daher ist es äußerst schwierig, ein Wahlsystem zu kreieren, das objektiv "konsequent" bzw. "folgerichtig" ist. In der Regel wird die dahingehende Kritik dadurch verursacht, daß die Kritiker einzelnen Elementen des Wahlsystems eine andere oder höhere bzw. geringere Bedeutung zumessen als die Macher bzw. Verteidiger des Wahlsystems.

So ist es auch hier. Für dich ist die Erststimmenwahl in den Wahlkreisen eine hochgradig demokratisch legitimierte (und dadurch unantastbare) Bestimmung eines Repräsentanten der Wahlkreisbevölkerung vermittelt durch die Stimmen der relative Mehrheit in diesem Wahlkreis.

Ich halte diese Betrachtungsweise für völlig unrealistisch. Die tatsächliche Funktion der Einmandatswahlkreise im Bundes- und Landtagswahlrecht besteht meines Erachtens nicht darin, den Wählern einen nennenswerten Einfluß auf die Auswahl bestimmter Abgeordneter zu geben. Denn dazu sind Einmandatswahlkreise, in denen pro Partei nur ein Kandidat antreten darf, schlichtweg ungeeignet. Zumal das schwache Kriterium "relative Mehrheit" erst recht keine unumstößliche demokratische Legitimation verschaffen kann.

Nein, die Wahlkreise erfüllen vor allem zwei völlig andere Funktionen:

1. Die innerparteiliche Demokratie wird gestärkt, indem ein erheblicher Teil der Kandidatenaufstellung dezentral in den Wahlkreisen stattfindet.

2. Jede Region ist mit einem lokal verorteten Abgeordneten vertreten, der sich (u.a.) verantwortlich für die Bevölkerung dieser Region fühlt und ihr als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

DIESE Funktionen sind es, die meiner Meinung nach die Existenz von Wahlkreisen in unserem Mischwahlsystem rechtfertigen. Diesen Funktionen widerspricht es aber nicht, sofern hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, das Wahlkreismandat nicht dem Kandidaten mit der relativen Stimmenmehrheit zuzusprechen, sondern dem Zweitplazierten. Die Vermeidung von außerhalb des Proporzes stehenden Einzel- oder Überhangmandaten können meines Erachtens durchaus solche hinreichend gewichtigen Gründe sein. Von daher halte ich die bayrische Regelung für absolut vertretbar. Ebenso könnte ich z.B. gut damit leben, bei Bundestagswahlen Überhangmandate dadurch zu vermeiden, indem man die Direktmandate nicht streng nach relativer Mehrheit zuteilt (wobei ich den listenverbindungsinternen Ausgleich aber für deutlich vorzugswürdig halte).

Gerade im Namen der Systemgerechtigkeit ist es auch unzulässig, davon zu sprechen, Wahlkreismandate würden "aberkannt" oder "verweigert". Das bayrische Landtagswahlrecht sieht nun einmal zwei Voraussetzungen für den Gewinn des Wahlkreises vor:

a) relative Erststimmenmehrheit im Wahlkreis
b) mehr als 5 % der Zweitstimmen im Land

Von der Systematik her hat ein Kandidat, der nur Kriterium a erfüllt, nie das Direktmandat gehabt, also kann man es ihm auch nicht wegnehmen.

Aus diesen Gründen halte ich es generell für nicht hilfreich, einzelne Elemente eines Wahlsystems unter dem Aspekt der Systemreinheit zu beurteilen. Denn das ist ein sehr schwaches Argument, das letztlich überhaupt nichts zu bedeuten hat.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 10. Oktober 2003 - 23:56 Uhr:   

Ich teile hier voll und ganz die Argumentation C.-J. Dickows. Es kann meines Erachtens - und ich habe dies mehrfach dargestellt - nicht angehen, dass einem Kandidaten, der mit Mehrheit seinen Erststimmenkreis gewonnen hat (absolute wäre besser, aber relative Mehrheit ist im Bundestagswahlrecht nun mal Fakt) diesen Wahlkreis nicht im Parlament vertreten darf, nur weil seine Gruppierung unter 5% der Stimmen erhalten hat oder er als unabhängiger Kandidat angetreten ist. (vgl. auch Thread: Bayerisches Wahlrecht.) Ich bin genauso wie C.-J. Dickow der Auffassung, dass bei einer Einpersonenwahl in Wahlkreisen man auch bereit sein muss, hinzunehmen, dass nicht parteigebundene Kandidaten gewählt werden - egal, ob ich sie mag oder nicht. Man kann diesen Kandidat/inn/en ihrsein Mandat doch nicht einfach entziehen. Was den Erfolgswert der Zweitstimmen angeht, so hat Torsten ja einen Ausweg benannt: der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass der Wähler mit seiner Stimme einen "doppelten Erfolgswert" erhält, d.h. es zählen seine Erst- und seine Zweitstimme. Aber dem direkt gewählten Kandidaten den Wahlkreis einfach wegzunehmen, dies geht nicht. Ich gehe auch nach wie vor davon aus, dass im Falle Bayerns ein direkt gewählter Kandidat, dessen Partei jedoch unter 5% bliebe, trotz der Bestimmungen in der Bayerischen Verfassung Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht hätte (d.h. einen Sitz im Landtag bekommen würde), da Bundesrecht (Art. 38 GG) nun einmal Landesrecht bricht.

Was den "Erfolgswert" der Zweitstimmen für die Kandidatinnen der PDS in Berlin angeht, so teile ich Wilkos Interpretation, dass die Zweitstimmen in diesem Falle aufgrund der - umstrittenen - Überhangmandatsentscheidung der Richtermehrheit von 1997 anzuerkennen ist. In demselben Urteil wurde ja auch die Rechtmäßigkeit der Direktmandatsklausel ("Lex PDS") bestätigt.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Samstag, 11. Oktober 2003 - 00:39 Uhr:   

@ c07:
"Die einfachste Lösung wär, die Direktmandate ersatzlos zu streichen. Ihr Nutzen ist nicht sonderlich groß und sie verursachen die ganzen Probleme, weil sie eigentlich systemfremd sind und sich nicht vernünftig in ein Verhältniswahlsystem integrieren lassen."

Oder man schüfe Ausgleichsmandate. Es wäre wahrscheinlich etwas kompliziert, diese dann wieder auf die einzelnen Bundesländer zu verrechnen, aber sicherlich machbar.

Die beiden von Wilko Zicht genannten Vorteile der Wahlkreiskandidaten
"1. Die innerparteiliche Demokratie wird gestärkt, indem ein erheblicher Teil der Kandidatenaufstellung dezentral in den Wahlkreisen stattfindet.
2. Jede Region ist mit einem lokal verorteten Abgeordneten vertreten, der sich (u.a.) verantwortlich für die Bevölkerung dieser Region fühlt und ihr als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
"
blieben erhalten, aber die Probleme der Überhangmandate / Direktmandate ohne Einzug der Liste würden vermieden. Dabei würde der Ausgleich freilich nur greifen, wenn eine Partei mehr Sitze bekommt
als ihr zustehen (will sagen, der aktuelle Bundestag würde wegen der zwei PDS-Damen nicht auf 50 Sitze verkleinert werden). So bleiben nur noch die Einzelkandidaten ohne Liste als Problemverursacher übrig.
Oder übersehe ich da etwas?
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Samstag, 11. Oktober 2003 - 04:07 Uhr:   

Ich sollte mir angewöhnen, erst die vorhandenen Artikel zu lesen und dann etwas zu schreiben ...

Also, nach Lektüre des entsprechenden Textes von Martin Fehndrich verstehe ich es so, daß die Lösung 2 unter Punkt 4 geeignet wäre, das Problem zu beheben, weil ja so die Sitzzahlen tatsächlich nur von der Zweitstimme abhängen würden, wobei trotzdem noch die Vorteile der Direktkandidaten erhalten blieben. Man muß sie wirklich nicht gleich abschaffen.
Es ist ja auch in der Tat kaum einzusehen, warum die "gerechte" Verteilung innerhalb der Parteien wichtiger sein soll als der Proporz zwischen den Parteien.
Ausgleichsmandate wären dann ja erst im unwahrscheinlichen Fall externer Überhangmandate nötig.
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 11. Oktober 2003 - 07:06 Uhr:   

Wilko:
> Die innerparteiliche Demokratie wird gestärkt, indem ein erheblicher
> Teil der Kandidatenaufstellung dezentral in den Wahlkreisen stattfindet.

Das ein Argument, das mir nicht bewusst war, aber ich find es relativ überzeugend (wenn auch nicht zwingend notwendig). Allerdings spricht es eher für Mehrmannwahlkreise, weil es sonst nur für die großen Parteien und selbst da nicht flächendeckend gilt.

Torsten, Bernhard:

Was meint ihr eigentlich mit dem "doppelten Erfolgswert"? Ein Grabenwahlsystem? Das würd ja die Probleme nur verschärfen, weil im Teil mit Mehrheitswahl regelmäßig ein großer Teil der Stimmen ohne Erfolgswert bleibt. Sie bietet eben generell keine Erfolgswertgleichheit, sondern bestenfalls gleiche Chancen auf einen Erfolgswert.

Oder meint ihr, dass auch die Erststimme für die generelle Verteilung auf die Parteien zählen sollte? Das ist eigentlich nicht sonderlich sinnvoll, wenn nicht die Zweitstimme eine zusätzliche Funktion hat (wie in Bayern die Wahl einer Person aus der Liste). Sonst ergibt sich halt eine halbe Kopplung von der Verhältnisbildung an die Erststimme, die auch etwa den halben Effekt hätte.

Torsten:

Der Nachteil von Ausgleichsmandaten ist, dass sie das Parlament ganz erheblich vergrößern könnten. Wenn z.B. eine Regionalpartei 3 Direktmandate erzielt, aber nach dem Verhältnis nur Anspruch auf 1,5 Mandate hätte, müsste man den Bundestag schon aufs Doppelte vergrößern. So ein Szenario wär etwa beim SSW durchaus nicht abseits jeder Realität, zumindest solang eine relative Mehrheit für ein Direktmandat reicht. Die Mandate von Einzelbewerbern würden zum Ausgleich ohnehin einen unendlich großen Bundestag erfordern, weil ihr Anspruch nach dem Verhältnis immer null ist.

Beide Beispiele wären übrigens externe Überhangmandate. Trotzdem ist aber die parteiinterne Kompensation von Überhangmandaten sicher sinnvoll, wo sie möglich ist. Das würd schon mal eine große Zahl völlig unnötiger Überhangmandate verhindern. Allerdings setzt es halbwegs homogene politische Strukturen in den Ländern voraus, sonst könnte der Länderproporz (nicht nur parteiintern) empfindlich gestört werden. Wo diese Gefahr besteht, ist es besser, überhängende Direktmandate nicht zuzuteilen. Das hätte ohnehin den Vorteil, dass es auch bei externen Überhangmandaten wirksam ist.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Samstag, 11. Oktober 2003 - 14:59 Uhr:   

@c07:
Mit "doppeltem Erfolgswert" meine ich das, was der FOCUS beschreibt:
"Gemäß Art. 38 I GG soll jeder Wähler den gleichen, keiner den doppelten Stimmen-Erfolgswert haben. Entweder-oder: Hat ein Wähler mit der Erststimme seinem Wahlkreiskandidaten zum Direktmandat verholfen, bleibt die Zweitstimme für eine Partei-Landesliste wirkungslos."

Das ist ja so, wie ich anfangs geschrieben hatte, nicht richtig. Aber Du hattest selbst geschrieben, daß ein Stimmen-Splitter mit seiner Zweitstimme einen größeren Erfolgswert hat als derjenige, der mit Erst- und Zweitstimme dasselbe wählt: falls nämlich der von beiden gewählte Kandidat das Direktmandat erringt, sind hierin beide gleich erfolgreich; aber die Zweitstimme des Splitters hat einen besseren Wirkungsgrad als die des anderen; dessen Zweitstimme für die Partei des Direktkandidaten kann u.U. negative Auswirkungen haben. Stimmensplitter werden vom Wahlsystem also tendenziell bevorzugt.

Was ich also meine, ist, daß die Zweitstimme jedes Wählers die gleiche Wirkung haben sollte, egal, ob er eine Partei mit vielen Direktkandidaten wählt oder nicht.

Dies kann man erreichen, indem man negative Stimmenwirkung verhindert, und dazu suchte ich ja eine optimale Methode (unter Beibehaltung von Direktkandidaten).
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c07
Veröffentlicht am Samstag, 11. Oktober 2003 - 17:49 Uhr:   

Das heißt also im Prinzip auch wieder, dass die Erststimme (möglichst) niemals einen Erfolgswert haben sollte. Normalerweise hat sie den ja nicht (abgesehen von einer parteiinternen Umverteilung).
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. November 2003 - 17:03 Uhr:   

Will ja hier keine Diskussion über die Hohmann-Rede und den Umgang der CDU damit lostreten. Aber es erscheint nicht undenkbar, daß Hohmann 2006 als Unabhängiger in den Bundestag gewählt werden könnte. Ein erheblicher Teil (wahrscheinlich sogar eine deutliche Mehrheit)der Unionsmitglieder und -wähler sympatisiert mit ihm, erst recht in seinem Wahlkreis. Wenn die MdB's nur nach ihrer persönlichen Einstellung abstimmten, wäre sogar de Zweidrittelmehrheit für den Ausschluß fraglich, aber da die meisten sich wohl von Opportunitätserwägungen leiten lassen wird es sicher reichen. Bis 2006 wird über die Geschichte wohl etwas Gras gewachsen sein, aber viel bekannter als der CDU-Kandidat wird er auch dann allemal sein. Wenn Hohmann gewählt würde, könnte der hessischen CDU einen Sitz kosten. Vielleicht würde man sich dann Änderungen am Wahlrecht ausdenken, um Unabhängige zukünftig zu verhindern. Das aber würde Hohmann nur in seiner Märtyrerrolle bestärken.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 17. November 2003 - 18:02 Uhr:   

Unabhängige gibt es jetzt schon sehr wenig - wenn man die Pseudo-Unabhängigen von 1949 abzieht dürfte es gegen Null laufen.

Auch Direktmandate ohne Liste/ohne Listenerfolg sind mit Ausnahme der PDS bisher nicht vorgekommen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 18. November 2003 - 15:58 Uhr:   

Unabhängige werden doch vor allem deshalb nicht gewählt, weil sie keiner kennt und die Wähler auch bei der Zweitstimme so gut wie immer nach Parteizugehörigkeit gehen.
Bekannt sein dürfte Hohmann nun ausreichend und das wird er vor allem in seinem Wahlkreis auch in drei Jahren noch sein. Der Fall Ströbele hat gezeigt, daß in Ausnahmefällen doch die Person und nicht die Partei bei der Erststimme den Ausschlag geben kann. Sogar der bundesweit wenigen (aber in seinem Wahlkreis offenbar vielen)bekannte, aus der CSU wegen Strauß' DDR-Krediten ausgetretene MdB und Mitbegründer der Reps Franz Handlos bekam 1987 in seinem Wahlkreis Deggendorf als Unabhängiger 17,9%. Bei Hohmann dürfte wohl deutlich mehr drin sein und einen Direktwahlerfolg halte ich für denkbar.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 18. November 2003 - 17:40 Uhr:   

Gerade das Beispiel Handlos zeigt m. E. eher, daß Hohmann keine großen Chancen haben wird.

Der Austritt aus eigenem Antrieb war ja durchaus respektabel, die Begründung lag völlig auf der (bis dato) gängigen CSU-Linie - und trotzdem blieb er weit weg von der absoluten Mehrheit und unter seinem alten Ergebnis.

Auch wenn viele Wähler in Hohmanns Wahlkreis derzeit die Entscheidung der CDU-Führung nicht gut finden - es bleibt halt doch in Erinnerung, daß es ein Rausschmiß in Unehren war. Und man kann ohne Böswilligkeit unterstellen, daß eine gewisse Autoritätsgläubigkeit bei den konservativen CDU-Anhängern dort vorhanden ist und diese letztlich der Parteilinie weiter folgen werden.

Und man darf auch nicht unterschätzen, daß die nächsten drei Jahre vor Ort sehr schwierig werden für Hofmann.
Anfangs wird es noch einige demonstrative Solidaritätsbekundungen geben - aber dann wird der Rauswurf aus der CDU kommen, die CDU-Funktionäre im Wahlkreis werden zunehmend auf Distanz gehen und die gewohnten Netzwerke incl. der Präsenzmöglichkeit bei Vereinen und Veranstaltungen werden in die Brüche gehen.

2006 wird er Vielen wohl immer noch als ein unschuldiges Opfer gelten. Aber Opfer ohne Zukunftsperspektive wählt man nicht gerne, und der offizielle CDU-Kandidat wird das Rennen machen.
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Sole
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. November 2003 - 09:13 Uhr:   

Ströbele ist - wie Genscher 1990 - eher ein Sonderfall.

Wenn man sich den Wahlbezirk anschaut, wenn man weiß, wer da lebt und wenn man dann die populistische (das ist keine Abwertung) Wahlkampagne 2002 "Ströbele wählen, Fischer quälen" im Kopf behält - dann kann man nur noch begrenzt auf Personenwunder hoffen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. November 2003 - 12:59 Uhr:   

@Ralf
Auch ich würde die Wahrscheinlichkeit unter 50% ansiedeln. Aber der Fall hat hochgradig emotionalisiert- im Gegensatz zu Handlos' Austritt. Emotionen schüren bzw. vorhandene für sich nutzen war schon immer wichtigste Voraussetzung für einen Wahlerfolg.
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Oliver Witt
Veröffentlicht am Montag, 09. Mai 2005 - 22:41 Uhr:   

Liebe Wahlrechtler!

Meine Auffassung zu dem Thema ist die, dass die Vorschrift, bestimmte Zweitstimmen nicht zu zählen, zwar um erfolglose Listen ergänzt werden kann - solange es keine Ausgleichsmandate gibt, ist sie insgesamt jedoch nicht anwendbar.

Gründe:

1. Wenn eine Partei mit einem Zweitstimmenanteil, der auf 8,0 Sitze hinausläuft, 10 Direktmandate erreicht, kann man von einem doppelten Stimmerfolg und einem erhöhten Erfolgswert von 1,25 (=10 M/8,0 M oder 2(Ü)M/8,0 M + 8 M/8,0 M) für die Wähler dieser Partei sprechen.

BVerfG 2 BvC 3/88:
"Auch durch das "Splitten" von Erst- und Zweitstimme kann ein Wähler – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers – im Regelfall keinen doppelten Stimmerfolg[swert, Anm. d. Autors] erzielen: Hat er mit seiner Erststimme einen erfolgreichen Direktkandidaten einer anderen als der Partei gewählt, der er seine Zweitstimme gegeben hat, so hat nur diese Einfluß auf die politische Zusammensetzung des Bundestages; seine Erststimme kann der anderen Partei nicht zu mehr Sitzen im Bundestag verhelfen, als ihr nach der Zahl der für sie abgegebenen Zweitstimmen zustehen – abgesehen von dem Ausnahmefall des Entstehens von _Überhangmandaten._ [emphasis added, Anm. d. Autors]"

Doch warum so beschränkt denken? Warum ein Ausnahmefall? Gesetzt den Fall, Joschka und seine Freunde treten in einem _Bundesland_ in allen zwanzig Wahlkreisen über die Erststimme an und die Grünen über die Zweitstimme. Joschka und Co. gewinnen jedes Direktmandat, die Grünen erhalten 15% und nach Proporz der Zweitstimmen nur 3,0 Sitze. Dank der Überhangmandate sind es aber dennoch 20 Abgeordnete, die einziehen. Dann kann der einzelne konsequente Grünen-Wähler doch von einem Erfolgswert von 6 2/3 sprechen. (=20/3,0 oder 17(Ü)M/3,0 M + 3 M/3,0 M).

Mit welcher Berechtigung regen sich CDU/CSU dann über ein lediglich doppeltes Stimmgewicht, bzw. einen doppelten Erfolgswert innerhalb eines _Wahlkreises_ bei Wählern, die PDS/Sonstige gewählt haben, auf? (Erfolgswert bei einem Direktmandat entweder 1(D)M/1 M + ca. 1 = ca. 2 oder V/v + ca. 1) Diesen Wert kann man bereits theoretisch zumindest um einiges überbieten, nur wenn man zweimal dasselbe wählt. "Die 12 Geschworenen" scheinen unsere Verfassungsrichter jedenfalls nicht mit Löffeln gefressen zu haben, schade.

2. Ausserdem kann eine Partei vor allem bei Hare-Niemeyer und Sainte-Lague bereits mit etwa 0,5 Sitzen ins Parlament einziehen, wodurch auch Erfolgswerte von 2 (=1/0,5) entstehen können, denn nicht jedes Parlament hat eine 5%-Hürde, deren Aufgabe es ist, die demokratische Grundordnung zu sichern und nicht unbedingt die Gleichheit der Wahl zu gewährleisten.

Man könnte sich natürlich auch die Frage stellen, ob nicht durch diese Klausel das Vorhandensein von Ausgleichsmandaten impliziert wird, und dem Gesetzgeber zusätzlich ein Regelungsauftrag in diese Richtung gegeben werden soll. Aber da haben die Schwarzen ja was gegen.

Denn falls es Ausgleichmandate (und individuelle Stimmkräfte der Parlamentarier) gibt, wäre der Erfolgswert (fast) jeder Stimme bei (ca.) 1 fixiert. Daraus könnte man dann herleiten, dass die (exakte!) Erfolgswertgleichheit zwingend unter den Grundsatz der gleichen Wahl fällt (tut sie doch, oder? :->) und dem Wähler folgende Entscheidung zusätzlich zur Wahl von Parteien und Personen auferlegt werden muss:

"Falls Sie den Wahlkreiskandidaten wählen,
- der auch die meisten Stimmen erhält,
- und der jedoch keiner Fraktion oder Gruppe angehört oder angehören wird,
- und Sie mit der Zweitstimme von der Parteizugehörigkeit des Kandidaten abweichen (Stimmen-Splitting), können die Erststimmen für ihren Kandidaten nicht mit dem für die Zusammensetzung des Parlaments entscheidenden Zweitstimmenanteil verrechnet werden. Dies hätte nämlich zur Folge, dass Sie nicht mehr nur über die Auswahl der Parlamentarier innerhalb einer Partei entscheiden, sondern sowohl einen Abgeordneten direkt als auch eine Partei gewählt haben. Da die Bundesrepublik Deutschland Ihrer Stimme kein doppeltes Gewicht verleihen kann, wird in einem solchen Fall nur Ihre Zweitstimme ausgewertet, es sei denn, Sie erklären hiermit, dass vorrangig die Erststimme ausgewertet werden soll.
(_) Ja, vorrangig soll die Erststimme ausgewertet werden."

Und falls plötzlich alle Schwarzen auf den Trichter kommen würden, mit der Erststimme FDP zu wählen, und alle SPDler Grün, und man dann der Fairness halber Ausgleichsmandate verteilt, hätten wir plötzich mehrere Tausend Leute im Parlament. Da würde ich lieber individuelle Stimmkräfte der Abgeordneten einführen [SK(x) = 1/ErfW(x)].

Was denkt ihr darüber?

Viele Grüße
Oliver Witt
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MMA
Veröffentlicht am Dienstag, 10. Mai 2005 - 20:17 Uhr:   

Zur Frage, ob man die Zweitstimmen der Wähler von erfolgreichen Einzelkandidaten und die der Wähler von an der Sperrklausel gescheiterten Parteien gleichermaßen nicht berücksichtigen sollte, eine eher pragmatische These:

Die Vorschrift in § 6 I BWahlG dient nicht nur dem Schutz des gleichen Erfolgswerts, sondern beschneidet zugleich das Recht des Bürgers, zwei Stimmen abzugeben, welche Eingang in das Wahlergebnis finden (wenn auch mit sehr unterschiedlicher Relevanz).
Der Eingriff sollte also prinzipiell beschränkt bleiben auf Fälle, wo der Wähler einigermaßen vorher abschätzen kann, ob seine Zweitstimme wegen Erfolgs des per Erststimme Gewählten unter den Tisch fallen könnte. Solange es sich bei Letzterem um einen Einzelkandidaten handelt, kann der Wähler sich anhand von Prognosen vor Ort für seinen Wahlkreis ein realistisches Bild machen.
Bei Parteien sieht dies ganz anders aus. Über die Frage, ob die PDS ein drittes Direktmandat in Berlin, Gera oder Rostock erhalten würde, haben auch Medien bei den letzten BT-Wahlen öfters grob fehlspekuliert. Eine realistische Voreinschätzung, die letztlich eine bundesweite, sachkundige Perspektive erfordert, kann man dem Wähler nicht abverlangen [egal ob man jetzt in den Fehlern der Medien einen Ausdruck der generellen Schwierigkeit oder eher eine Ursache für die Probleme des Wählers sieht].

Daher ist die Ungleichbehandlung der beiden Fallgruppen gerechtfertigt.

Eine Berücksichtigung des Umstandes, ob Ausgleichsmandate auftreten, wäre hingegen noch komplizierter und vom Wähler noch weniger zu kalkulieren.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Mai 2005 - 09:37 Uhr:   

"Solange es sich bei Letzterem um einen Einzelkandidaten handelt, kann der Wähler sich anhand von PROGNOSEN VOR ORT für seinen Wahlkreis ein realistisches Bild machen."

Wo gibt es denn sowas? Bei uns im östlichen Niedersachsen habe ich sowas jedenfalls noch nie gesehen. Da bin ich ja schon froh, wenn die Direktkandidaten überhaupt mal kurz in der Zeitung vorgestellt werden. Ansonsten schweben Direktkandiadaten (im wortwörtlichen Sinne) allenfalls über den Köpfen der Wähler auf den Plakaten der Laternenmasten.

Ich persönlich habe über die Monate immer mal wieder versucht, der Diskussion hier zu diesem Thema zu folgen. Und ich muss leider zugeben, dass ich irgendwann vor der Materie kapituliert habe. Das Ganze ist so verworren, dass scheinbar jeder gerade das reininterpretieren kann, was ihm passt, da eh kaum jemand das Ganze versteht.

Aber die Diskussion, ob die Wähler unser Wahlsystem überhaupt verstehen sollen und Transparenz des Systems ein VORRANGIGER Wert ist, hatten wir ja schon an anderer Stelle in diesem Forum ...
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Mai 2005 - 11:45 Uhr:   

Hmja, mal dumm gefragt:
Warum macht man überhaupt ein System, in dem zwei Stimmen abgegeben werden können, wenn dann doch wieder Stimmen gestrichen werden, die ansonsten zu einem "doppelten" Erfolgswert führen würden/könnten?
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SHler
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Mai 2005 - 14:09 Uhr:   

Zweitstimmen werden ja nur dann gestrichen, wenn man für einen nicht für eine Liste (bzw. erfolgreiche Liste, der PDS-Fall ist ja momentan vor dem BVerfG) antretenden Kandidaten stimmt und dieser den Wahlkreis gewinnt. Das kommt nur sehr selten vor.

Gut finde ich, daß durch dieses System jeder Wahlkreis durch einen Abgeordneten vertreten ist, ohne daß man die Vorteile der sonst von mir bevorzugten Verhältniswahl aufgeben muß (dazu ist natürlich nicht notwendigerweise ein solches Wahlsystem nötig, man kann das auch anders machen, siehe z.B. NRW).
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MMA
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Mai 2005 - 16:58 Uhr:   

@Martin Jurgeit

Stimmt schon, dass man im Wahlkreis auch nicht unbedingt viel erfährt. Aber gerade deshalb weiß man doch, dass der Wahlkreis mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit nach von SPD oder CDU gewonnen wird, so wie seit einem halben Jahrhundert Brauch ist. Wenn da etwas anderes drohen würde, wäre doch das Monopolblatt in heller Aufregung und man erführe es.

Also kann man sicher sein, dass man mit der Wahl eines Einzelkandidaten garantiert nicht die Zweitstimme riskiert.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Mai 2005 - 22:07 Uhr:   

@MMA
Wo liegt das Problem? Wenn man einen erfolgreichen Einzelkandidaten gewählt hat, zählt die Zweitstimme nicht. Und für den Fall des Scheiterns, zählt die Zweitstimme quasi als Ersatzstimme. Die Einschätzung der Wahlchancen des Einzelkandidaten ändern daran doch auch nichts.
In Bezug auf Wahlkampfkostenerstattung kann man trotzdem aber zwei Stimmen haben.

@Philipp Wälchli
Weil zwei Stimmen den Eindruck von mehr Demokratie und Einflußnahme der Wähler erwecken, und wer ist schon gegen sowas.
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MMA
Veröffentlicht am Freitag, 13. Mai 2005 - 19:14 Uhr:   

Wo liegt das Problem?

Grundsätzlich darin, dass hier Zweitstimmen abgegeben werden, die durch ein vom Wähler nicht zu kalkulierendes Verhalten anderer
Wähler quasi nichtig gemacht werden. Extremer Fall: Ein Briefwähler, frühzeitig wählend, geht (wie wohl die allermeisten Wähler!) davon aus, dass es "auf die Zweitstimme ankommt", und vergibt diese nach reiflicher Überlegung, er gibt jedoch die Erststimme einem vermeintlich chancenlosen Einzelbewerber - der später gewaltig aufholt und den WK gewinnt (sagen wir mal, so einen wie Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg, wo man sich das irgendwie vorstellen könnte).

Diesen Effekt finde ich schon problematisch. Er ist natürlich gegen die Sicherstellung des gleichen Erfolgswerts abzuwägen; im Falle parteiloser Einzelbewerber finde ich, wie oben erklärt, die Abwälzung dieses Unsicherheitsfaktors auf den Wähler vertretbar.
Wer den ungleichen Erfolgswert völlig beseitigen will, muss schon an die Überhangmandateregelung rangehen.

Wahlkampfkostenerstattung
Verstehe ich das richtig, dass bei der Wahlkampfkostenerstattung die nicht mitgezählten Zweitstimmen dann doch noch hinzugerechnet werden?
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 13. Mai 2005 - 20:28 Uhr:   

Der Erfolg des chancenlosen Kandidaten ist doch Sinn und Zweck der Wahl und kein nicht zu kalkulierendes Risiko. Wenn mir die Folgen nicht gefallen, dann wähl ich den Einzelbewerber nicht, egal ob chancenlos oder nicht.

Wahlkampfkostenerstattung
Ja, für die Wahlkampfkostenerstattung und auch für die 5%-Hürde gelten alle Zweitstimmen.

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