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Archiv bis 12. Juli 2008

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Negatives Stimmgewicht & Bundesverfassungsgericht » Archiv bis 12. Juli 2008 « Zurück Weiter »

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Florian das Original
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 07. Juli 2008 - 19:55 Uhr:   

Wenn man sich überlegt, was nun kommen wird, dann muss man natürlich zuerst einmal die Interessenlage der handlenden Parteien betrachten:

Durch das zufällige Zusammentreffen eines Gerichtsurteils, das eine Neuregelung fordert mit einer Phase der Großen Koalition bietet sich für Union und SPD eine historische Chance, ein Wahlrecht zu schaffen, dass die großen Parteien relativ begünstigt.

Und diese Chance werden sie nutzen.

Die "härteste" Lösung - das Mehrheitswahlrecht - werden sie sich zwar sicher nicht trauen.

Aber ein Schritt in diese Richtung wäre z.B. auch eine feste Aufteilung der Mandate in Direktmandate und Listenmandate.
Dadurch würde zumindest einmal 50% des Bundestags durch Direktmandate besetzt, was den relativen Stimmenanteil von SPD und Union deutlich erhöhen würde.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 07. Juli 2008 - 21:30 Uhr:   

@Florian,

das ist extrem unwahrscheinlich.
Die SPD könnte bestrebt sein die Union in so eine Richtung zu treiben um das dann am Ende zu sabotieren und sich damit bei der FDP einzuschleimen und den Weg Richtung Ampel zu ebnen. So war ja auch die Debatte zur Wahlrechtsreform in den 60er-Jahren gelaufen.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Erfahrung wird die Union keinen Schritt in diese Richtung unternehmen. Er würde von der SPD, die innerlich ohnehin in einem völlig zerissenen Zustand ist, sabotiert werden.

Meiner Einschätzung nach wird es bis zum Ende der Legislaturperiode keine Änderung geben.
Es verbleibt bei der gegenwärtigen Rechtslage.
Der neue Bundestag wird darüber befinden.
Und die Lösung die dann kommt wird natürlich von der dann bestehenden Koalition abhängen.
Aber etwas anderes als Detailkorrekturen - die außer Wahlrechtsexperten, die außerhalb dieses Forums kaum vorhanden sind (ich selbst kann mich auch nicht zu dieser Gruppe zählen) - wird das niemanden auffallen und interessieren.
Die faktischen Auswirkungen des negativen Stimmgewichts sind ja äußerst gering. Von daher hat das Bundesverfassungsgericht den von ihm festgestellten Mangel im Bundeswahlgesetz auch nicht als so gravierend betrachtet, dass eine sofortige Abhilfe nötig wäre.
Das Bundesverfassungsgericht hat nicht die beanstandete Regelung für nichtig erklärt, was bei einem verfassungswidrigen Gesetz möglich ist, sondern lediglich die Verfassungswidrigkeit festgestellt und den Gesetzgeber die Änderung bis 2011 aufgetragen.
An dieser Stelle sei allerdings ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass das Nichtigkeitsdogma nur bei Gesetzen greif, die verfassungswidrig Freiheitsrechten der Bürger verletzen. Hier muss die Verletzung möglichst unverzüglich beendet werden und das kann sie auch durch die Nichtigkeitserklärung.

Bei Gleichheitsrechten ist diese Lösung in der Regel nicht möglich. Daher findet das Nichtigkeitsdogma grundsätzlich keine Anwendung, weil nicht ersichtlich ist, welche Regelung der Gesetzgeber anstelle der den Gleichheitssatz verletzenden Regelung getroffen hätte.
Das Bundesverfassungsgericht stellt daher bei Verletzungen des Gleicheitssatzes regelmäßig nur die Verfassungswidrigkeit fest, beläßt dem Gesetzgeber danach aber eine Frist zur Neuregelung. Die verfassungswidrige Regelung bleibt regelmäßig bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit in Kraft.

Das Urteil zum Wahlrecht bestätigt diese Praxis, die für den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG entwickelt wurde) nun auch für den speziellen Gleichheitssatz des Art. 38 GG, der für das Wahlrecht die Gleichheit der Wahl postuliert.

Die beanstandeten Regelungen können bis 2011 trotz Verfassungswidrigkeit weiterhin geltendes Recht bleiben. Daher kann auch der kommende Bundestag nach diesen Regelungen gewählt werden. Dessen Legitimation ist dadurch nicht gemindert. Wie überhaupt aufgrund der sehr geringen faktischen Auswirkungen des negativen Stimmgewichts schon ein gehöriges Maß an Fanatismus dazu gehört, einen so gewählten Parlament die Legitimation abzusprechen.
Das tut das Bundesverfassungsgericht durch sein Urteil auch gerade nicht.

Dennoch ist es gut, wenn dieser Fehler abgestellt wird. Zwar mögen die Auswirkungen des negativen Stimmgewichts derzeit gegen Null gehen, so ist es aber aufgrund der Veränderungen in der Parteienlandschaft nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass sie in der Zukunft größer würden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Neuregelung gesetzt, die der nächste Bundestag hoffentlich dazu nutzen wird, alle Möglichkeiten zur Neuregelung zu prüfen und abzuwägen.
Dieser Bundestag wird das in der kürze der Zeit sicher nicht mehr tun können und auch nicht mehr tun wollen.
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J.A.L.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 08. Juli 2008 - 15:30 Uhr:   

Wobei sich dann die Frage stellt, was wäre, wenn auch der neue Bundestag sich bis 2011 nicht aufrafft und ein neues BWahlG erlässt. Das alte würde doch dann nach dem Urteil des BVerfG außer Kraft treten. Ohne ein gültiges Bundeswahlgesetz dürften aber Bundestagswahlen kaum durchführbar sein.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 08. Juli 2008 - 20:20 Uhr:   

@J.A.L.

Das Bundeswahlgesetz wird ja nicht ungültig, sondern nur die genannten Einzelvorschriften. Diese sind im übrigen auch nur soweit, wie sie zur negativen Stimmgewicht führen. Sollte das Wahlergebnis so sein, dass es dazu nicht kommt, besteht von daher kein Problem mit Blick auf die Bestandskraft der Bundestagswahlen.
Die Vorschriften betreffen im übrigen nur die Mandatszuteilung, nicht auf den Wahlvorgang und das Wahlverfahren selbst. Bundestagswahlen könnten auch ohne entsprechende Änderungen durchgeführt werden. Problematisch wird dann nur die Mandatszuteilung, falls es bei der übernächsten Bundestagswahl Überhangmandate UND negatives Stimmgewicht geben sollte.
In dem Fall gäbe es dann eine Lücke im Gesetz, die nicht geschlossen werden könnte. Wahleinsprüche hätten in dem Fall Aussicht auf Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht könnte in dem Fall auch die Wahl für nichtig erklären und selbst eine Übergangsregelung - etwa durch Ausgleichsmandate (diese Regelung führt zwar zu einer Aufblähung des Parlaments beeinträchtigt aber nicht das regionale Gleichgewicht wie etwa eine Verrechnung zwischen den Landeslisten) - erlassen, die für eine dann erfolgende Neuwahl gelten würde.
Wahrscheinlicher erscheint indes, dass das Bundesverfassungsgericht die Wahl dennoch für bestandskräftig erklärt - aus Gründen der Rechtssicherheit und aufgrund des Umstandes das Wahlfehler nicht besonders gravierend ist - und selbst eine Verrechnungsmethode übergangsweise festlegt (Ausgleichsmandate-Lösung).
Die Ausgleichsmandate sind zwar im gegenwärtigen Bundeswahlgesetz nicht vorgesehen. Sie führen aber zumindest nicht zu Sitzverlusten entgegen dem geltenden Bundeswahlgesetz. Eine solche Regelung wäre damit eine Rechtsfortbildung praeter legem, aber nicht contra legem. Daher würde sich so eine Übergangsregelung für den Fall des Versagens des Gesetzgebers anbieten.



Schon aus Eigeninteresse werden die politischen Parteien bestrebt sein bis zur übernächsten Bundestagswahl ein neues Wahlgesetz zustande zu bringen. Man sollte schon zur Kenntnis nehmen, das der Gesetzgeber die Neuregelungsaufträge durch das Bundesverfassungsgericht schon in der Regel erfüllt. Von daher kann man relativ sicher davon ausgehen, dass der nächste Bundestag fristgemäß ein Änderung im Bundeswahlgesetz verabschieden wird. Regulär wären die übernächsten Wahlen ja erst 2013, so dass auch eine gewisse Fristüberschreitung unschädlich wäre.
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Philipp Waelchli
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 08. Juli 2008 - 23:30 Uhr:   

"Das Bundeswahlgesetz wird ja nicht ungültig, sondern nur die genannten Einzelvorschriften. Diese sind im übrigen auch nur soweit, wie sie zur negativen Stimmgewicht führen."

Huch! Da hat aber einer dieselbe Irrmeinung wie meine Wenigkeit, die ja von gewisser Seite in Bausch und Bogen verdammt worden ist. Immerhin lautet aber das Urteil wie folgt: "§ 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6
Absätze 4 und 5 des Bundeswahlgesetzes in der Fassung des
Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 11. März
2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 674) verletzt Artikel 38
Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit hierdurch ermöglicht wird,
dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten
oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten
führen kann."
Rechtsverbindlich im Urteil festgestellt wird also bloss eine Verletzung der Verfassung, soweit die betreffende Regelung zu negativem Stimmengewicht führt. Um dies zu verhindern bzw. die betreffende Regelung zu korrigieren, hat das Gericht eine Frist angesetzt. Dass das betreffende Gesetz dadurch als ganzes ungültig würde oder die betreffende Regelung bei Fristablauf hinfällig würde o. dgl., hat das Gericht eben gerade nicht angeordnet, dies kann daher auch nicht eintreten.

Ich stimme meinem Vorposter insoweit zu, als eine vom Gericht verordnete Übergangsregelung oder eine "verfassungskonforme" Auslegung o. dgl. möglich wäre.
Fraglich scheint mir aber, ob es nicht noch weitere Möglichkeiten gäbe: Könnte bspw. das Gericht "verfassungswidrige" Überhangmandate kassieren und eine Neuberechnung der Sitzverteilung unter Auslassung der betreffenden kassierten Sitze anordnen? (Das wäre immerhin etwas näher am Sinne einer Wahlprüfung, aber ist eine solche Teil-Annullation auch rechtlich zulässig?) Wie steht es mit Auslegungsspielraum der Wahlbehörden, um eine "verfassungskonforme" Anwendung der bestehenden Vorschriften zu gewährleisten? Könnte der Bundestag im übrigen eine beschleunigte Gesetzgebung oder so etwas wie ein provisorisches Dekret erlassen, falls die Zeit wirklich knapp würde?

Im übrigen aber glaube ich auch, dass der Bundestag der Aufforderung wohl fristgerecht nachkommen wird. Probleme könnte es nur geben, falls wider erwarten etwa eine neuerliche vorzeitige Neuwahl dazwischen kommen sollte.
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juli 2008 - 02:51 Uhr:   

@Phillip Waelchli,

Der Bundewahlleiter müsste ja das Ergebnis verkünden und die Verteilung der Sitze begründen.
Er ist hierbei auch an das Urteil des BVerfG gebunden, denn dieses hat gemäß § 31 BVerfGG Gesetzeskraft. Nach dem 30.6.2011 kann er nicht einfach das Gesetz anwenden, sollte es zu negativen Stimmgewicht führen.
In dem Fall müsste er eine Regelung für die Sitzverteilung treffen, die sich unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG aus der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen ergibt und die Gesetzeslücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft schließt.
Hierbei wird er plausiblerweise die Möglichkeiten zu erwägen haben, die das BVerfGG selbst in seinem Urteil nennt. Dabei wird er diejenige auszuwählen haben, die am wenigsten vom BWahlG abweicht.
Dies scheint die Verrechnung von Überhandmandaten mit anderen Landeslisten der selben Partei zu sein.

Sie selbst haben diese Möglichkeit angesporchen:

Pukelsheim schlägt vor, § 6 II 2 BWahlG wie folgt zu ergänzen:
Jede Landesliste erhält so viele Sitze, wie sich nach Teilung der Summe ihrer im Wahlgebiet erhaltenen Zweitstimmen durch einen Zuteilungsdivisor »und Rundung« ergeben, »mindestens aber die Zahl ihrer in den Wahlkreisen errungenen Sitze«.


Demnach wäre die Verteilung unter den Landeslisten eben unter Berücksichtigung etwaiiger Überhangmandate vorzunehmen. Die Verteilung auf die übrigen Landeslisten würde demnach erst danach erfolgen. Dies wäre auch im Einklang mit der BVerfGE, die die Nichtberücksichtigung von Überhangmandaten bei der Verteilung auf die Landeslisten (§ 6 V BWahlG) insoweit für verfassungswidrig erklärt, als sie zu negativen Stimmgewicht führen kann.

Jede andere Lösung steht noch mehr im Konflikt zum geltenden Bundewahlgesetz:
Zu den Wahlkreismandaten stellt § 5 BWahlG fest, das in jedem Wahlkreis ein Kandidat zu wählen ist. Die Nichtberücksichtigung eines Wahlkreises, weil im Bundesland ein Überhangmandat besteht würde diesen Wahlkreis unvertreten lassen und gegen die klare Anweisung von § 5 BWahlG verstoßen.
Diese Lösung scheidet damit aus.
Ausgleichsmandate sind überhaupt nicht im Bundeswahlgesetz vorgesehen. Die Frage ihrer Berechnung ist zudem schwierig zu entscheiden.
Eine Trennung des Wahlgebietes und eine völlige Aufsplittung auf Landesebene ist eine Wertung, die nur der Gesetzgeber treffen kann.

Die Verrechnung von Landeslisten mit Überhangmandten mit den übrigen Landeslisten
verstößt hingegen nicht mit der Grundstruktur des Bundeswahlgsetzes:

Die Zahl der Listenmandate pro Bundesland ist im Bundeswahlgesetz anders als die Zahl der Wahlkreismandate nicht fixiert. Ein Abzug eines Listenmandates in einem Bundesland für ein Überhangmandat im anderen Bundesland wäre daher durchaus vertretbar. Unter Verweis auf die Entscheidung des BVerfG würde hier ein Verweis auf ein ius superveniens in Form von Art 38 I 1 GG den Weg zu einer Neuregelung der Verrechnung öffnen, die so zwar vom Gesetz nicht vorgesehen ist, aber doch dazu führt, dass das Gesetz insgesamt intakt bleibt und seine Grundgedanken erhalten bleiben. Man würde sich nicht weiter als zwingend nötig vom Gesetz entfernen.

Von daher wäre dies eine Möglichkeit wie der Bundeswahlleiter mit dem Problem umgehen könnte - sollte es sich stellen. Eine Entscheidung muss er von Amts wegen treffen. So oder so wird sie angegriffen werden. Am Ende würden das die Gerichte zu klären haben.

Noch kurz zu Neuwahlen: Sollten die Neuwahlen vor dem 30.6.2011 stattfinden, würde das beanstandete Recht weiter zur Anwendung kommen dürfen. Das gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit. Erst danach kann überhaupt ein Problem aufkommen.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat das BVerfG die weitere Anwendung der für verfassungswidrig beanstandeten Vorschriften weiter gestattet. Ein aufgrund dieser Vorschriften gewählter Bundestag wird daher auch nicht mit oder ab diesem Datum illegitim oder muss sich gar auflösen. Nur ein neuer darf danach nicht mit der selben Regelung mehr gewählt werden.
Ich gehe auch davon aus, dass ein neuer Bundestag dies in der ersten Hälfte der Legislaturperiode schaffen sollte, so dass für die dann kommende Wahl, sei sie regulär oder aufgrund eines Koalitionsbruchs vorgezogen - eine neue Regelung besteht.
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R.D.A.
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juli 2008 - 18:26 Uhr:   

Hallo!

Zunächst muss ich eingestehen, dass ich bis letzten Donnerstag zu den ca. 98 % der Bundesbürger gezählt habe, die unser Wahlrecht bestenfalls in den relevanten Grundzügen kennen.

Dennoch, da ich in den letzten Tagen verzweifelt nach einer Antwort gesucht habe, stellt sich mir Frage, wieso dem Gesetzgeber 3 Jahre Zeit eingeräumt werden, um das Wahlrecht so zu überarbeiten, dass "negative Stimmengewichtung" ausgeschlossen wird?

Die hier bereits angesprochene von Pukelsheim vorgeschlage Lösung würde das Problem doch mit einem eizigen Nebensatz beseitigen, oder nicht? Klar wäre der Länderproporz dann leicht zugusten der Länder verzerrt, in denen eine der beiden großen Parteien mehr Direkt- als Listenmandate erringt, aber wäre das nicht dennoch besser, als eine weitere Wahl unter verfassungsrechtlich bedenklichen Vorraussetzungen durchzuführen?

Mir als Laie wären in den letzten Tagen auch noch andere plausible Lösungen eingefallen, allerdings müsste das erstmal überprüft werden, kann ja sein, dass sich da Denkfehler eingeschlichen haben, aber draum geht soll es hier auch nicht gehen, sondern nur um die Frage: warum so lange Zeit?

Ich hab hier in der gesamten Diskussion genau eine Erklärung gefunden, die mir plausibel erscheint, wenngleich ich nicht daran glaube, dass es so weit kommen wird: In der langen Zeit bestünde die Möglichkeit das Wahlsystem grundlegend zu reformieren, z.B. Landeslisten ähnlich der Kommunalwahl in Bayern, also auch Abschaffung der Erst- und Zweitstimme. - allerdings stelle ich mir den Wahlzettel gerade in NRW und Bayern sehr lustig vor....
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juli 2008 - 19:10 Uhr:   

@R.D.A.,

diese Lösung würde aber zu einer Verzerrung der Mandatsverteilung zwischen den Bundesländern führen. Die Frage ist, ob man dies in Kauf nehmen möchte.
Es gibt auch andere Lösungen.
Alle haben so ihre Vor- und Nachteile.
Daher hat das Bundesverfassungsgericht eine dreijährige Frist gesetzt, in der der Gesetzgeber die Vor- und Nachteile jeder Variante abwägen kann.
Es bedarf hierzu ja auch Gespräche zwischen den Parteien, die dabei von einer unterschiedlichen Ausgangsbasis ausgehen.
So einfach dürfte ein Kompromiss nicht zu finden sein. Daher hat das Bundesverfassungsgericht eine dreijährige Frist gesetzt.
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R.D.A.
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 09. Juli 2008 - 22:29 Uhr:   

Danke Marc K.

Das jede Partei bei einer Reformierung des Wahlrechts andere Interessen hat, seh ich ein, aber dennoch will ich nicht ganz verstehen, warum es dafür eine so lange Frist braucht. Seit der Nachwahl in Dresden musste doch jedem klar sein, zumindest jedem, der sich damit beschäftigt, dass handlungsbedarf besteht.

Ich muss zugeben, mir war das vorher auch nicht bewusst und ich habe mich seit 2005 auch wenig damit beschäftigt, aber ich bin überzeugt, dass jede Partei da ihr Konzept schon in der Schublade hat, dazu gibt es alle möglichen Vorschläge von Experten.

Das Problem mit den Mandatsverteilungen über die Länder ist mir bewusst, hatte ich auch bereits angedeutet, aber auch diese Vor- und Nachteile, die die ein oder andere Änderung hätte ließen sich m.E. in einem überschaubaren Zeitraum abwägen.

Letztendlich würde der Vorschlag zur Veränderung des BWahlG doch ohnehin durch Experten ausgearbeitet und vom Bundestag abgesegnet werden, wozu also drei Jahre warten, wenn ex Experten gibt, die sich berets seit Jahren damit beschäftigen?



Mal ein Gedankengang: Wenn man das Wahlgesetz nur dahingehend ändert, dass der Bundestag in jedem Fall 598 Abgeordnete hat (okay, würde das Ende der Überhangmandate bedeuten), ansonsten alles beibehält (Direktmandate erhalten auf jeden Fall ihr Mandat, Parteienproporz über Saint Lague, Verteilung innerhalb der Parteien ebenfalls), würde sich doch die Verzerrung des Länderproporzes über die verschiedenen Parteien nahezug ausgleichen, oder nicht?

Falls ja, wo wären hier die Nachteile? Spontan fielen mir nur Vorteile ein, allerdings lass ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Auch dies wäre nur eine geringfügige Änderung. Wozu also, ich muss die Frage einfach nochmal stellen, drei Jahre?
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Philipp Waelchli
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Juli 2008 - 00:13 Uhr:   

Na ja - dass da ein Problem besteht, war ja wohl schon klar, aber nicht ohne weiteres klar ist die Lösung.
Und was ist nun geschehen? Jemand hat Wahlbeschwerde eingelegt. Diese ging zunächst an den Bundestag. Nun ist der Bundestag kein Gericht und auch kein Expertengremium, sondern ein Parlament. In ständiger Praxis tut der Bundestag nun eigentlich nichts weiter als Wahlbeschwerden als "offensichtlich unbegründet" abweisen, weil er zu mehr eigentlich nicht befähigt ist. Nun konnten die Beschwerdeführer 100 Unterstützer suchen, um ihre Beschwerde ans Gericht weiterzuziehen. Das dauert alles seine Zeit - und nun liegt also die Sache beim Gericht, das notorisch überlastet ist. Daher dauert es nun auch beim Gericht noch einige Zeit, bis es entscheidet. Und somit kommt nun die endgültige Entscheidung etwas mehr als ein Jahr vor Ablauf der ordentlichen Wahlperiode.
Das bedeutet aber auch, dass der Bundestag nun seit über 2 Jahren, nämlich seit die Sache beim Gericht anhängig ist, weiss, dass es da eine verfassungsgerichtliche Entscheidung geben wird, ob die beanstandete Regelung überhaupt zulässig sei und falls nicht in welche Richtung Abhilfe zu suchen wäre.
Was soll also nun ein Parlament tun, wenn es weiss, dass ein Gerichtsentscheid kommen wird, aber nicht weiss, was dieser enthalten wird?
Die Antwort liegt auf der Hand: am besten nichts, sondern den Entscheid abwarten und sich dann nach dessen Leitlinien richten.

Ja, und nun kommt das Gericht ins Spiel: Es weiss, dass der Bundestag noch etwas mehr als ein Jahr bestehen bleibt, bis die nächste Wahl ansteht. Nur beginnen die Wahlvorbereitungen aber schon vorher. Und spätestens dann müsste also auch die Rechtsgrundlage klar sein. In einem Jahr kann man aber eine so heikle Materie nicht durch ein parlamentarisches Verfahren bringen. Bzw. das könnte man wohl, aber nur über verkürzte Abläufe. Der Kanzler könnte z. B. die Vorlage zur Anpassung des Wahlgesetzes mit der Vertrauensfrage verbinden. Das wäre aber wohl eher politischer Selbstmord.
Also rechnet das Gericht und sagt sich, dass zwei Jahre zur Gesetzgebung in einer komplexen und heiklen Materie eigentlich genügen sollten, ausserdem bleibt ja noch ein Jahr, in dem schon mal die Vorarbeiten begonnen werden können. Also bis Mitte 2011 sollte es schon da sein, das neue Gesetz. Und das erscheint über Daumen und Zeigefinger gepeilt auch realistisch.

Wie leicht man sich aber eben in dieser durchaus komplexen Materie vertun kann, zeigt ja eben folgender Vorschlag: "Wenn man das Wahlgesetz nur dahingehend ändert, dass der Bundestag in jedem Fall 598 Abgeordnete hat (okay, würde das Ende der Überhangmandate bedeuten), ansonsten alles beibehält (Direktmandate erhalten auf jeden Fall ihr Mandat, Parteienproporz über Saint Lague, Verteilung innerhalb der Parteien ebenfalls), würde sich doch die Verzerrung des Länderproporzes über die verschiedenen Parteien nahezug ausgleichen, oder nicht?"

Dazu sei angemerkt:
- Das Problem ist nicht der Länderproporz. Diesen hat das Gericht ja mit dem Konzept des "unitarischen Vertretungsorgans" weitgehend vom Tisch gewischt. Zudem besteht ja noch der Bundesrat als föderalistisches Vertretungsorgan der Länder.
- Das Problem ist das auftreten von negativem Stimmengewicht.
- Wenn man die Direktmandate in jedem Fall zuteilt, aber die Grösse des Bundestages fixiert, dann treten notwendig Verzerrungen des Parteienproporzes auf, denn statt einer Kompensation überschüssiger, durch Zweitstimmenanteile nicht gedeckter Direktmandate durch das Anfallen von Überhangmandaten müssten diese nun direkt von den nach Zweitstimmen zu vergebenden Sitzen abgezogen werden.
Dabei müssten notwendig ungleiche Erfolgswerte und negative Stimmengewichte anfallen.
Das so vorgeschlagene System wäre also noch schlechter als das jetzige, es würde zudem den bekannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts keineswegs genügen.
Daher sollte man eben doch wohl besser eine eingehende Beratung und Untersuchung der Sache anstellen, z. B. die in die engere Wahl gelangten Lösungen mit den Zahlen der letzten Bundestagswahlen durchrechnen und daraufhin prüfen, ob nun kein negatives Stimmengewicht mehr anfalle.
Mit andern Worten: Selbst den Beweis geliefert, dass die Sache doch besser etwas Zeit braucht. Warum also nicht drei Jahre?
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R.D.A.
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Juli 2008 - 13:20 Uhr:   

Ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich mich nur schlecht ausgedrückt habe oder ob ich wirklich einem Denkfehler aufgesessen bin... und ja, ich war einem Denkfehler aufgesessen.

Aber gehen Sie wirklich alle davon aus, dass die Parteien, bei den Apperaten, die sie umgeben, sich in den letzten 2 ein halb Jahren nicht damit beschäftigt haben, also erst mit dem Urteil das Denken beginnen?

Das mag für den Abgeordneten xy, der noch nie ein Wort im Bundestag gesprochen hat, gelten, nciht aber für bundesweit agierende Parteien, die zu jeder Frage zu jedem Zeitpunkt Experten einschalten (können).

Ich seh das aber vielleicht zu iedalistisch und überschätze da auch die Einigungsbereitschaft unserer Politiker, insofern seh ichs ja jetzt ein. Schade find ichs trotzdem, gerade den Regierungsparteien sollte doch daran gelegen sein, für ihre Wähler, die ja als einzige direkt betroffen sind, mehr Transparenz zu schaffen.
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Matthias Cantow
Moderator
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Juli 2008 - 13:40 Uhr:   

Aber gehen Sie wirklich alle davon aus, dass die Parteien, bei den Apperaten, die sie umgeben, sich in den letzten 2 ein halb Jahren nicht damit beschäftigt haben, also erst mit dem Urteil das Denken beginnen?

Drüber nachgedacht haben einige mit Sicherheit schon vorher, schon wegen der Wahleinsprüche beim Bundestag.

Nur kann das Bundesverfassungsgericht nicht davon ausgehen, dass es solche Überlegungen bereits gab. Zudem hat das Gericht in den letzten Jahren nicht gerade Signale nach Berlin gesandt, die eine völlige Umkehr der alten 97er-Rechtsprechung erwarten ließen (ich erinnere da an das letzte Schreiben des damaligen Berichterstatters in einem immer noch anhängigen Wahlprüfungsverfahren zur Bundestagswahl 2002).
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Markus
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 12:00 Uhr:   

@R.H.
Naja, zumindestens ist die Wahrscheinlichkeit, daß STV, IRV, Condorcet, Bucklin, etc. für verfassungswidrig erklärt werden, deutlich gestiegen. So müßte z.B. ein Gesetzgeber, der eine Condorcet-Methode einführt, nicht nur darlegen, daß das Condorcet-Kriterium mit dem Partizipations-Kriterium unvereinbar ist. Er müßte auch darlegen, warum das Condorcet-Kriterium wichtiger ist als das Partizipations-Kriterium; angesichts der Tatsache, daß die Frage, wie wichtig ein gegebenes Kriterium ist, letztendlich immer subjektiv ist, wird dies dem Gesetzgeber nur sehr schwer gelingen.
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 12:13 Uhr:   

("Gerade vor dem Hintergrund dieser Erfahrung wird die Union keinen Schritt in diese Richtung unternehmen. Er würde von der SPD, die innerlich ohnehin in einem völlig zerissenen Zustand ist, sabotiert werden.")

Die SPD hätte doch, indem die Konkurrentinnen Linkspartei und Grüne empfindlich geschrumpft würden, noch mehr Vorteile als die Union (anders als 1969). Warum sollte sie dagegen sein? Im Übrigen ist die Situation im Moment so günstig, wie es nicht unbedingt bleiben muss. Im BRat haben die Länder, in denen nicht nur Union und SPD regieren nur 28 von 69 Stimmen.

(Beitrag nachträglich am 11., Juli. 2008 von MMA editiert)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 13:58 Uhr:   

@mma

Was der Partei vielleicht nutzt, muß noch lange nicht den einzelnen Abgeordneten nutzen. SPD-MdBs aus Bayern oder Baden-Württemberg dürften von Mehrheitswahl wenig begeistert sein, sogar in NRW gibt es Gegenden, wo die SPD nur eine geringe oder gar keine Chance hat. Im Osten ist es auch keineswegs sicher, daß die Linksparteiler taktisch überwiegend SPD wählen würden. Wenn es dumm liefe für die SPD, marginalisierte die Linkspartei dort die SPD und nicht umgekehrt - immerhin in drei Landtagen ist sie dort jetzt schon stärker vertreten als die SPD.
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mma
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 14:16 Uhr:   

@Thomas Frings
"Sprechen" wir beide vom Grabenwahlrecht und nicht von der reinen Mehrheitswahl? Bei dem Grabenwahlrecht würde doch auch die SPD - auf Kosten der kleinen Parteien - Sitze gewinnen können ggü der jetzigen Regelung. Die verteilten sich doch prinzipiell genauso proportional wie heute auch, oder?
Wenn man noch eine gewisse Fluktuation der Abgeordneten unterstellt, sind es doch nicht so viele Personen, die sich mit der Änderung "ihren Ast slbst absägen würden".
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 15:39 Uhr:   

@mma
Das Probklem ist doch sowohl bei reiner Mehrheitswahl als bei Grabenwahklrecht tendenziell das gleiche, nur beim Grabenwahlrecht nicht so stark. Beim Grabenwahlrecht würde die Bayern-SPD im Bundestag auch fast halbiert. Und wie viele Leute aufhören und welchen Listenplatz man kriegt, das dürfte zum Zeitpunkt der Verabschiedung einer entsprechenden Gesetzesänderung den Abgeordneten nicht bekannt sein. Wenn man von einem 50:50-Grabenwahlrecht ausgeht, dann hätte die SPD ohnehin nur eine geringe Chance, allein regieren zu können. Ein möglicher kleiner Koalitionspartner würde dann die Abschaffung des Grabenwahlrechts zur conditio sine qua non machen. Und wie gesagt, im Osten könnte der Schuß schlimmstenfalls sogar völlig nach hinten losgehen. Auch in der CDU dürfte es Widerstand geben. Insgesamt wurde gut ein Drittel der Koalitionsabgeordneten nicht direkt gewählt und könnte den Graben als Bedrohung sehen - dazu kommen noch einige, die zwar direkt gewählt wurden, aber einen unsicheren Wahlkreis haben, im Osten können ja schon um die 30% zur relativen Mehrheit reichen.


Dann würden natürlich die Koalitionspartner versuchen auszurechnen, wie sich ein neues Wahlsystem bei der nächsten Wahl für sie auswirken würde. Kommt eine zu dem Schluss, es nütze vor allem der Gegenseite, ist die Sache gestorben.
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 23:09 Uhr:   

Es wird hier viel spekuliert, was der Bundestag denn letztendlich entscheiden würde. Aber wäre der jetzige Zeitpunkt, wo alles noch in der Schwebe ist, nicht der geeignetste Zeitpunkt, selber die Initiative zu ergreifen und eine öffentliche Diskussion anzustoßen? (Vorausgesetzt natürlich, Wilko und die anderen wären bereit dazu, sich dermaßen aus dem Fenster zu lehnen)

Wir könnten damit anfangen, indem wir erst einmal möglichst viele verschiedene Systeme sammeln. Danach können wir die systematisch vergleichen, und dann versuchen, diese Gegenüberstellung publik zu machen, um eine öffentliche Diskussion anzustoßen, _bevor_ der nächste Bundestag zusammentritt.

Ich fange schon mal mit dem Sammeln an. Erstmal gibt es Kategorien, in die die einzelnen Vorschläge einsortiert werden können:
* reines Verhältniswahlrecht mit Listen (V)
* reines Mehrheits/Personenwahlrecht (M)
* Grabenwahlrecht (G): V und M getrennt
* personalisiertes V (P): M in V integriert

(Jede Mehrheits-Variante läßt sich als Teil eines Graben- oder personalisieren Wahlrechts einsetzen)

Es wird wohl bei einer P-Variante bleiben, auch weil die großen Parteien nicht beide die Möglichkeit sehen, durch ein Mehrheits- oder Grabenwahlrecht alleine regieren zu können, und die kleinen wäre dadurch eh in Gefahr.

Die einfachsten P-Varianten sind natürlich die, die an der jetzigen Situation wenig ändern:
* Überhang bleibt und wird ausgeglichen
* interner Ausgleich (Vermeidung von Überhang)
* Trennung der Landeslisten: Überhang, aber kein negatives Stimmgewicht
* Senkung des Anteils der Direktmandate
* bei Überhang verlieren knappste Sieger ihre Sitze (ähnlich im bayrischen LT-Wahlrecht: Wahlkreissieger verlieren ihre Sitze, wenn ihre Partei unter 5% bleibt)

Dann könnte man die einfache Mehrheitswahl im Wahlkreis durch ein anderes System ersetzen:
* Dreierwahlrecht (V intern im Wahlkreis mit 3 Abgeordneten)
* Zweierwahlrecht (wie Schweizer Ständerat, 2 Stimmen für 2 Kandidaten - abgewandelt: bei Überhang verlieren die schwächsten Zweitstärksten ihre Sitze an die jeweiligen Dritten)

Dann gibt es noch Systeme mit offenen Mehrpersonenwahlkreisen:
* verbundene Wahlkreise (siehe mein Vorschlag hier im Forum)
* unverbundene Wahlkreise: dadurch STV möglich, oder Verhältniswahl mit St.Lague (bei entsprechend großen Wahlkreisen - etwa 10 Abgeordnete - können alle Bundestagsparteien ihre Stärken etwa halten)

Weitere Ideen?
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Philipp Waelchli
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juli 2008 - 23:50 Uhr:   

Spekulieren ist im Grunde zur Zeit die einzige Möglichkeit, weil es a) keine Lösung des Problems gibt, die auf der Hand liegt, "logisch" wäre oder sogar "zwingend" schiene, weil b) das Bundesverfassungsgericht auch keinen Fingerzeig in eine bestimmte Richtung gegeben hat, sondern ziemlich nach- und ausdrücklich gesagt hat, dass es eben diesen Fingerzeig nicht geben, sondern dem Gesetzgeber weitesten Spielraum lassen will und weil c) von den Parteien, dem zuständigen Ausschuss, Experten in Parteien, Bundestag oder deren Umfeld und auch von der Bundesregierung schlicht zu diesem Problemfeld keine klaren Positionen bekannt sind, ja im Grunde überhaupt keine Positionen (noch nicht einmal schwammige), von denen man ausgehen könnte.

Ich spekuliere nun aber auch einmal und behaupte, dass die Politik vermutlich versuchen werde, die Problematik als "technisch" herunterzuspielen und eine Fortschreibung des geltenden Wahlrechts zu versuchen. Dass das geltende Wahlrecht in seinen Grundzügen verändert oder gar völlig umgekrempelt wird, halte ich für unwahrscheinlich, denn solcherlei geschieht in der Regel aus besonderem äusseren Anlass, und gerade in der Bundesrepublik sind die Grundzüge des Wahlsystems seit ihrer Gründung weitgehend konstant geblieben. Zudem bietet das Zweistimmen-System ja auch Vorteile für Volk und Politiker: Immerhin erweckt es bei den wohl doch ziemlich zahlreichen Wählern, die das Verfahren nicht so genau verstehen, die Illusion, sie hätten mehr zu sagen, als wenn sie bloss eine Stimme hätten, und das macht ja nicht nur das Volk glücklich, sondern auch die Politiker.
Dass davon abgerückt wird, scheint mir unwahrscheinlich; also liegt es nahe, einen minimalen Eingriff ins geltende System zu suchen, der den Anforderungen des Urteils gerade noch gerecht wird, aber sonst so wenig verändert als irgend möglich.
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Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juli 2008 - 11:19 Uhr:   

Ich denke, das würde genau so passieren, wie du es beschreibst, wenn keine öffentliche Diskussion stattfindet. Aber wenn diese Diskussion stattgefunden hätte, würde es dem Bundestag schwerer fallen, das Ergebnis zu ignorieren.

Man kann die Diskussion auch aufspalten in Bundestags- und Europawahlrecht; die sind ja momentan auch verschieden, und auch wenn das Bundestagswahlrecht etwa beim alten bleibt, wollen die Leute vielleicht mehr Auswahlmöglichkeiten, wen sie ins Europaparlament schicken.

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