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Mehrheitswahlrecht für Parteienbündni...

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Sporadischer Besucher (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 08:21 Uhr:   

Für sein Plädoyer, die stärkste Partei überproportinal zu stärken, hat Philipp Wälchli einen prominenten Unterstützer bekommen. Im Interview der Woche des DLF am 23.3.08 sprach sich der ehemalige Richter am BVerfG Paul Kirchhof für ein Wahlsystem aus, bei dem auch bei einem Viel-Parteien-System am Wahlabend stets zweifelsfrei feststeht, wer die Regierung bildet. Er sagte:


quote:


Aber wir haben eine Strukturschwäche in unserem Wahlsystem, die gegenwärtig erkennbar wird, wenn wir einem Fünf-Parteien-System, vielleicht sogar noch Mehr-Parteien-System, entgegen gehen. Jeder Wahlkampf ist ein Wettbewerb. Und jeder Wettbewerb ist darauf angelegt, Sieger und Besiegte zu haben. Das heißt, am Wahlabend muss feststehen, wer hat gewonnen und wer hat verloren. Was haben wir gegenwärtig? Da sagt derjenige, der die meisten Stimmen bekommen hat: Ich bin der Wahlsieger. Und auch darüber wird, siehe Hessen ,sogar manchmal noch gestritten. Und der erklärt dem staunenden Wahlvolk: Ich werde jetzt 14 Tage verhandeln, nach allen Seiten offen, und nach 14 Tagen erkläre ich dem Wähler, wer gewonnen hat, wer die Regierung bildet, wer die Parlamentsmehrheit durch Koalition bildet. Und das ist nicht die Idee unseres Wahlrechts.

Und deswegen müssen wir darüber nachdenken, dass wir dieses Wahlrecht so umorganisieren, dass durch Unmittelbarkeit der Wahl, so heißt das Verfassungsprinzip, allein der Wähler durch sein Kreuzchen in der geheimen Wahlkabine bestimmt, wer am Sonntagabend als Sieger als zukünftige Regierung feststeht.

Wir sollten nicht überlegen, ob wir das Persönlichkeitswahlrecht haben wollen, also das Wahlrecht, in dem jeder Kandidat, der seinen Wahlkreis gewonnen hat, in den Bundestag geht, und keiner geht über die Liste der Partei. Also immer nur das Direktmandat wirkt sich aus bei der Zusammensetzung des Deutschen Bundestages. Dann hätten wir zum Beispiel die FDP nicht im Deutschen Bundestag, dann hätten wir die Grünen nicht im Deutschen Bundestag. Und ich meine, es entspricht inzwischen guter und gefestigter Tradition, dass wir diese Parteien in unserem Staat mit politischer Wirksamkeit haben. Diese Tradition sollte man nicht abrupt unterbrechen durch Änderung des Wahlrechts, denn das würde doch zu sehr danach aussehen, als würde der Wahlgesetzgeber mit einfacher Mehrheit sich die Mehrheiten schneiden, die er gerne hätte.



[Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/757778/]

(Vorsorglich bevor sich der Gelegentliche Besucher wieder bemüßigt fühlt, entsprechende Hinweise zu geben: Sporadischer Besucher und Gelegentlicher Besucher sind unterschiedliche Personen, wie ja eigentlich schon aus dem unterschiedlichen 'Vornamen' hervorgeht )
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Sporadischer Besucher (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 08:27 Uhr:   

Etwas konkreter hatte Paul Kirchhof seine Ideen bei seiner Dankesrede anläßlich der Verleihung der Ludwig-Erhard-Medaille am 21.7.07 in der Heidelberger Aula dargestellt:


quote:


Schließlich könnte die Politik im Wahlrecht vom wirtschaftlichen und sportlichen Wettbewerb lernen. Am Markt und im Sport gilt die Selbstverständlichkeit, dass der Beste als Sieger den Auftrag oder die Goldmedaille erhält und die Mitbewerber dementsprechend die Verlierer sind.

Wenn in einem Ruderwettbewerb - dem Zweier ohne Steuermann - zehn Boote ins Rennen gehen, eines um wenige Zentimeter als erstes die Ziellinie passiert, ist dieses Boot der alleinige Sieger. Etwas anderes gilt im Wahlwettbewerb: Auch hier gehen verschiedene Boote ins Rennen. Das erste ist schwarz-gelb angestrichen, das zweite rotgrün. Vorne sitzt jeweils ein kräftiger Ruderer, hinten ein eher schlanker. Weitere fünf Boote nehmen am Wettstreit teil. Nun geht das Boot Nummer 1 knapp - mit 44 Punkten - vor dem Boot Nummer 2 - mit 43 Punkten - durchs Ziel. Die anderen folgen abgeschlagen. Die Rennleitung aber erklärt nicht das Boot 1 zum Sieger, sondern die beiden kräftigen Ruderer, die in Boot 1 und 2 vorne gesessen haben. Das Publikum ist erstaunt und wendet ein, diese beiden Ruderer hätten doch gar nicht in einem gemeinsamen Boot am Wettbewerb teilgenommen, könnten deswegen auch nicht der Sieger dieses Wettbewerbs sein.

Verfassungsrechtlich geht es um das Problem der Unmittelbarkeit. Das Grundgesetz verlangt die unmittelbare Wahl, fordert also, dass das Wahlergebnis allein durch die Stimmabgabe der Wähler in der Wahlkabine bestimmt wird.

Tatsächlich aber erklärt der Bewerber mit der höchsten Prozentzahl sich zum Sieger und kündigt an, er werde mit den anderen Wettbewerbsteilnehmern verhandeln, um dann in Koalitionsvereinbarungen den Sieger zu bestimmen. Das ist keine unmittelbare, sondern eine mittelbare Wahl, die dem Verfassungsrecht nicht entspricht.

Deshalb sollte man erwägen, die in einem Wahlwettbewerb konkurrierenden Parteien vor der Wahl zu einer Koalitionsaussage zu verpflichten, damit der Wähler im Vorhinein weiß, über welche programmatischen und personellen Alternativen er entscheidet. Die eine Partei wird erklären, sie hoffe, allein zu gewinnen, werde aber mit der Partei X koalieren, wenn ihre Stimmen zum Regieren nicht ausreichen. Die andere Partei erklärt, sie gehe zusammen mit der Partei Y ins Rennen. Die Dritte kündigt an, sie finde keinen Partner und sei die geborene Oppositionspartei und wolle damit die Oppositionskräfte stärken.

Wer nach diesen Koalitionsaussagen dann am Wahlsonntag die meisten Stimmen auf sich vereinigt, zum Beispiel 44 Prozent, ist der Wahlsieger. Er erhält 50 Prozent der Sitze plus fünf, um in dieser Koalition kraftvoll eine Wahlperiode regieren zu können. Die Unmittelbarkeit der Wahl ist gesichert. Allerdings entsteht ein Problem der Gleichheit der Stimmgewichte, das allerdings nicht gravierender sein dürfte, als wir es gegenwärtig von der Fünf-Prozent-Klausel kennen.



[Quelle: www.ludwig-erhard-stiftung.de/pdf/orientierungen/orientierungen113.pdf (S. 84 f. des PDF-Dokuments)]

Im Ergebnis plädiert er also für ein Mehrheitswahlrecht (nicht für Wahlkreisbewerber, sondern) für Parteienbündnisse: immer erreicht ein Parteienbündnis die Kanzlermehrheit im Parlament - notfalls mit relativer Mehrheit der Stimmen.
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Gast (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 08:53 Uhr:   

Wer nach diesen Koalitionsaussagen dann am Wahlsonntag die meisten Stimmen auf sich vereinigt, zum Beispiel 44 Prozent, ist der Wahlsieger. Er erhält 50 Prozent der Sitze plus fünf, um in dieser Koalition kraftvoll eine Wahlperiode regieren zu können. Die Unmittelbarkeit der Wahl ist gesichert. Allerdings entsteht ein Problem der Gleichheit der Stimmgewichte, [...]

Allerdings, und deshalb wäre solch ein Bonus klar verfassungswidrig, sollte Kirchhof eigentlich wissen.
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sebu
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 10:03 Uhr:   

Und was passiert mit einem Koalitionswechsel innerhalb der Legislaturperiode, wenn sich die Partner voneinander entfernen? Dass ein Wahlsystem, das der stärksten Koalition einen Vorteil zuschustert, nicht notwendigerweise stabiler wird, sieht man derzeit in Italien.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 13:42 Uhr:   

Ein Wahlrecht mit Mehrheitsprämie für Koalitionen (wie z.B. in Italien) wäre nicht verfassungswidrig und würde nicht gegen die Unmittelbarkeit verstoßen. Denn der Wähler kennt die Koalitionen ja vorher und kann bewußt eine Auswahl unter diesen Koalitionen und Einzelparteien treffen. Wenn Parteien A und B eine Koalition bilden und ebenso die Parteien C, D und E, dann weiß er, was er bekommt, wenn er z.B. A oder B wählt und diese zusammen die Wahl gewinnen. Der Einfluß der Wähler auf die Regierungsbildung wäre sogar weniger mittelbar als bisher.

Folgte man der Argumentation, eine Mehrheitsprämie für Koalitionen würde gegen die Unmittelbarkeit verstoßen, müßten übrigens auch Listenverbindungen (wie z.B. im bayer. Kommunalwahlrecht) verfassungswidrig sein.
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mma
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 14:36 Uhr:   

("Tatsächlich aber erklärt der Bewerber mit der höchsten Prozentzahl sich zum Sieger und kündigt an, er werde mit den anderen Wettbewerbsteilnehmern verhandeln, um dann in Koalitionsvereinbarungen den Sieger zu bestimmen. Das ist keine unmittelbare, sondern eine mittelbare Wahl, die dem Verfassungsrecht nicht entspricht.")

Seit wann wird denn die Unmittelbarkeit bzw. die Verfassungsgemäßheit der Wahl davon beeinträchtigt, dass jemand "sich zum Sieger erklärt"?

Ein bisschen unterscheiden sollte man schon zwischen Wahlrecht und Propagandareden.
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Tim Spier
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 22:35 Uhr:   

Von einem ehemaligen Verfassungsrichter würde ich schon erwarten, dass er die Grundzüge des Wahlrechts kennt. Auch wenn Herr Kirchhof sich vor allem durch radikale Steuerkonzepte einen Namen gemacht hat. Wenn die Kirchhof'sche Definition von Unmittelbarkeit der Wahl richtig wäre, dann gäbe es in keinem Lande eine unmittelbare Wahl. Selbst im Mehrheitswahlrecht sind Situationen denkbar, in denen keine Mandatsmehrheit bei der stärksten Partei entsteht. Die Unmittelbarkeit bezieht sich doch lediglich auf die Wahl der Parlamentarier, nicht auf die der Bundesregierung, die IMMER indirekt gewählt wird.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 04. April 2008 - 23:25 Uhr:   

Da mein Name eingangs mit einer Aussage in Verbindung gebracht wurde, die ich so ganz sicher nie gemacht habe, sehe ich mich veranlasst, einige Bemerkungen anzubringen:
Gewiss wird man über eine Mehrheitsprämie oder dergleichen sprechen können. Indirekt durch die Existenz von 5%-Klausel und die Möglichkeit von Überhangmandaten gibt es das heute ja bereits teilweise faktisch, wenn auch nicht explizite. Dies muss auch nicht von vorneherein verfassungswidrig sein.
Aber die Begründung, die dafür angeführt wird, ist einfach nur - haltlos.
Ob eine Partei sich zur Wahlsiegerin erklärt oder nicht, ist erst einmal belanglos. Wirklich zählen am Ende nur die Sitze, die zur Mehrheit führen.
Man könnte sich nun vorstellen, dass aus einer Wahl gleich eine Regierung hervorgeht. Man könnte also etwa die Parlamentswahl so mit einer Volkswahl der Regierung koppeln, dass die Stimmen für eine Liste zugleich die Mandatszuteilung im Parlament und die Bestellung der Regierung beeinflussen, so dass es nicht möglich ist, für beide Organe jeweils anders zu stimmen. Man könnte aber auch in einer gleichzeitigen Wahl die Regierung unmittelbar vom Volk wählen lassen.
Allerdings herrscht in Deutschland ein anderes System, und zwar das parlamentarische. Zu diesem System gehört es nun einmal, dass das Parlament den entscheidenden Einfluss auf die Regierungsbildung hat und niemand sonst. Es ist in einem solchen System absolut normal, dass es eben im Parlament eine Verhandlungsphase darüber gibt, wer in welcher Weise die Regierung bildet. Dabei gibt es wiederum verschiedene Systeme, etwa in der Weise, dass das Parlament alle Mitglieder der Regierung wählt (so z. B. in der Schweiz), dass das Parlament den Regierungschef bestimmt (Deutschland) oder dass zumindest die Regierung sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen muss. In jedem Fall ist allerdings eine Regierungsbildung gegen die Mehrheit im Parlament nicht möglich.
Im übrigen wird zumindest die deutsche Bundesregierung nicht gewählt. Man kann darüber streiten, ob der Bundeskanzler gewählt werde oder nicht. Ich habe schon früher ausgeführt, dass das Verfahren der Kanzlerbestellung eigentlich dem klassischen Muster der Präsentation entspricht. Die Regierung als ganze wird aber ganz sicher nicht gewählt, sondern ernannt - und zwar durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag des Kanzlers. Stürzen kann der Bundestag die Regierung als solche nur durch die Bestimmung eines neuen Kanzlers, was automatisch die Absetzung aller Minister nach sich zieht - unter dem Vorbehalt, dass der neue Kanzler bisherige Minister wieder zur Ernennung vorschlagen kann und dass bis zur Ernennung der Nachfolger die bisherigen Minister zur Weiterführung der Geschäfte verpflichtet werden können. Somit kann es faktisch Zeiten geben, in denen eine nicht legitmierte Regierung im Amt ist, die sich allein auf die Autorität des Bundespräsidenten stützt, der sie zur Geschäftsführung angehalten hat.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen und von der Verwechslung des parlamentarischen System mit irgend einer anderen Art von politischem System abzusehen, sei nochmals gesagt, dass eine Mehrheitsprämie durchaus aus verschiedenen Gründen diskutabel ist. Allerdings sollten dafür auch echte Gründe und keine Scheinargumente, die sich auf mangelnde Kenntnis der Sache abstützen, vorgebracht werden. Es fragt sich dabei allerdings, ob es sinnvoll sei, ein Wahlsystem auf vor der Wahl geschlossene "Koalitionen" auszulegen. Denn immerhin können Koalitionen ja auch zerbrechen - und niemand sage, dies sei in Deutschland nicht vorgekommen. Ebenso können Abgeordnete ihre Partei verlassen oder in entscheidenden Fragen deren Kurs missbilligen. In solchen Situationen pflegen dann in parlamentarischen Systemen neue Koalitionsverhandlungen, ggf. mit andern Partnern, aufgenommen oder Neuwahlen ausgeschrieben zu werden.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Samstag, 05. April 2008 - 02:19 Uhr:   

Kirchhof hat da für einen ehemaligen Verfassungsrichter wahrlich haarsträubenden Blödsinn erzählt.

"Im übrigen wird zumindest die deutsche Bundesregierung nicht gewählt. Man kann darüber streiten, ob der Bundeskanzler gewählt werde oder nicht. Ich habe schon früher ausgeführt, dass das Verfahren der Kanzlerbestellung eigentlich dem klassischen Muster der Präsentation entspricht."

Nein. Formal wird im ersten Wahlgang zwar nicht gewählt, sondern nur über den Vorschlag des BuPrä abgestimmt (wenn man es so genau nehmen will). An einem besteht aber gar kein Zweifel: Der Bundeskanzler wird immer allein vom Bundestag ausgewählt, sofern die absolute Mehrheit eine bestimmte Person als Bundeskanzler haben will - da hat der Bundespräsident keinen Einfluß. Ab dem zweiten Wahlgang (der aber noch nie stattfand) handelt es sich auch formal um eine Wahl. Das Vorschlagsrecht des BuPrä ist letztlich eine recht belanglose Formalie. Wichtig werden könnte das Vorschlagsrecht nur bei einer Situation wie jetzt in Hessen. Dann könnte der BuPrä das Vorschlagsrecht als Druckmittel einsetzen, wenn Monate nach der Wahl noch keine Regierung gebildet ist, weil er mit einem Vorschlag eine Frist in Gang setzte, an deren Ende entweder eine neue Regierung oder die Auflösung des Bundestages stünde.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Samstag, 05. April 2008 - 18:39 Uhr:   

@Thomas
„Ein Wahlrecht mit Mehrheitsprämie für Koalitionen (wie z.B. in Italien) wäre nicht verfassungswidrig und würde nicht gegen die Unmittelbarkeit verstoßen.“

Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Bonus-Regelung von Gast bezog sich wohl mehr auf den letzten Teil des Zitats – der Wahlgleichheit – und da hat Gast Recht. Immerhin hat Kirchhof dieses Problem selbst erkannt, auch wenn er nicht zu wissen scheint, warum der Eingriff in die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen durch die Fünf-Prozent-Klausel gerade noch gerechtfertigt wird. Für eine Bonus-Regelung kann die Rechtfertigung jedenfalls nicht herhalten.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Samstag, 12. April 2008 - 12:55 Uhr:   

"warum der Eingriff in die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen durch die Fünf-Prozent-Klausel gerade noch gerechtfertigt wird. Für eine Bonus-Regelung kann die Rechtfertigung jedenfalls nicht herhalten."

Das hängt wohl von der konkreten Ausgestaltung ab: Bonus uns Sperrklausel gleichzeitig würden vom BVerfG wohl gekippt, bei einer Bonusregelung ohne Sperrklausel sähe der Fall schon anders aus.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Samstag, 12. April 2008 - 14:46 Uhr:   

„[...] bei einer Bonusregelung ohne Sperrklausel sähe der Fall schon anders aus.“

Die Regelungen verletzen ja nicht nur bei gemeinsamen Auftreten die Erfolgswertgleichheit, sondern auch einzeln. Bei der Sperrklausel sah das Bundesverfassungsgericht eine Rechtfertigung, wie soll die aber bei einer Bonus-Klausel aussehen?
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sebu
Veröffentlicht am Samstag, 12. April 2008 - 16:44 Uhr:   

Eine Bonusregelung greift in der Tat massiv in die Erfolgswertgleichheit ein und stellt alle Parteien einer Gewinnerkoalition besser als alle Parteien der Verliererkoalition(en). Ob dies allein mit der Sicherstellung einer handlungsfähigen Regierung begründbar ist, sei dahin gestellt.
Aber wenn schon Bonusregelung - sollte dann nicht auch der Wähler statt der Parteien über die Koalitionen entscheiden dürfen? Dann könnte man auf dem Wahlzettel Partei A ankreuzen und bspw. Koalition A+C(+...). Die meistgewählte Koalition wird's und bekommt die Bonussitze.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 12. April 2008 - 22:08 Uhr:   

jetzt mal ganz grundästzlich:


Dass jede Abweichung von einer präzisen Verhältniswahl, bei der die Sitze der Parteien genau proportional zu den Stimmen verteilt werden, zu einer Ungleichbehandlung der Parteien führt ist natürlich eine Binsenweisheit.

Aber:
das Prinzip "Gleichheit der Wahl" ist ein Grundrecht des Wählers und kein Grundrecht einer Partei.

Zumindest nach meinem Rechtsempfinden sind daher Abweichungen vom reinen Verhältniswahlrecht mit dem Grundrecht problemlos vereinbar, solange die Wähler gleich behandelt werden.

Konkretes Beispiel:
Ein Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen ist (nach meinem Rechtsempfinden) GG-konform, solange die Wahlkreise gleich groß sind.
Dass die Parteien nicht proportional (="gleich") berücksichtigt werden, ist dabei kein Problem.
Ebenfalls ist es kein Problem, wenn man NACH der Wahl feststellt, dass alle Stimmen für den unterlegenen Stimmkreis-Kandidaten unberücksichtigt unter den Tisch fallen.
Denn entscheidend ist, dass jeder Wähler die Wahl des Kandidaten in gleicher Weise beeinflussen kann (logischerweise ist daher z.B. auch die Direktwahl eines Bürgermeisters mit Mehrheitswahl in Deutschland unproblematisch, obwohl die Stimmen des unterlegenen Kandidaten kein praktisches Gewicht haben).

Entsprechend sind auch Mechanismen wie Sperrklausel oder nicht-proporionale Sitzverteilungen m.E. GG-konform.

Ob die hier diskutierten Mechanismen wünschenswert oder praktikabel sind, ist allerdings eine andere Frage.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Samstag, 12. April 2008 - 23:33 Uhr:   

„Ebenfalls ist es kein Problem, wenn man NACH der Wahl feststellt, dass alle Stimmen für den unterlegenen Stimmkreis-Kandidaten unberücksichtigt unter den Tisch fallen.
Denn entscheidend ist, dass jeder Wähler die Wahl des Kandidaten in gleicher Weise beeinflussen kann (logischerweise ist daher z.B. auch die Direktwahl eines Bürgermeisters mit Mehrheitswahl in Deutschland unproblematisch, obwohl die Stimmen des unterlegenen Kandidaten kein praktisches Gewicht haben).“


Das ist richtig, denn in einem Mehrheitswahlrecht kann es naturgemäß auch keine Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen geben, dort gebietet die Wahlgleichheit lediglich bzw. zumindest Zählwert- und Erfolgschancengleichheit (eine gute Zusammenfassung zum Grundsatz der Wahlgleichheit findet sich im Überhangmandate-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1997 (BVerfGE 95, 335 <353> – einer der wenigen unumstrittenen Abschnitte in der Begründung).

„Entsprechend sind auch Mechanismen wie Sperrklausel oder nicht-proporionale Sitzverteilungen m.E. GG-konform.“

Abweichungen von der Erfolgswertgleichheit bei einem Verhältniswahlsystem können gerade nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass diese bei Mehrheitswahlsystemen auch möglich sind. Zur vorgeschlagenen Bonusregelung kenne ich auch keinen Wahlrechtsexperten, der die Verfassungsmäßigkeit solch einer Regelung in einem Verhältniswahlsystem bejaht. Dagegen gibt es Auffassungen, dass solche Bonusregelungen verfassungswidrig wären, so etwa von Wolfgang Schreiber, dem Verfasser des Standardkommentars zum Bundeswahlgesetz.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Sonntag, 13. April 2008 - 12:21 Uhr:   

@Matthias
"Bei der Sperrklausel sah das Bundesverfassungsgericht eine Rechtfertigung, wie soll die aber bei einer Bonus-Klausel aussehen?"
Das liegt doch eigentlich auf der Hand. Eine Sperrklausel hat den Sinn, die Wahrscheinlichkeit auf eine stabile Mehrheit zu erhöhen (garantieren kann man das mit wahlrechtlichen Mitteln nicht), bei einem Bonus ist es genauso. Der Unterschied ist nur der, daß ein Sperrklausel kleine Parteien benachteiligt indem sie sie ausschließt, während ein Bonus die stärkste Koalition oder Einzelpartei bevorzugt.


"Abweichungen von der Erfolgswertgleichheit bei einem Verhältniswahlsystem können gerade nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass diese bei Mehrheitswahlsystemen auch möglich sind. Zur vorgeschlagenen Bonusregelung kenne ich auch keinen Wahlrechtsexperten, der die Verfassungsmäßigkeit solch einer Regelung in einem Verhältniswahlsystem bejaht."
Natürlich führt auch eine Sperrklausel zu unterschiedlichem Erfolgswert, denn der Erfolgswert der Stimmen für die Parteien unterhalb der Sperrklausel wird auf Null gesetzt, das ist das Wesen einer Sperrklausel. Das kann im Extremfall 15% oder mehr der Wähler betreffen. Es ist logisch nicht nachvollziehbar, warum die Bevorzugung der stärksten Partei oder Koalition immer verfassungswidrig sein soll, während die Benachteiligung kleiner Parteien grds. i.O. ist.


@Sebu
"Aber wenn schon Bonusregelung - sollte dann nicht auch der Wähler statt der Parteien über die Koalitionen entscheiden dürfen? Dann könnte man auf dem Wahlzettel Partei A ankreuzen und bspw. Koalition A+C(+...). Die meistgewählte Koalition wird's und bekommt die Bonussitze."
Das geht nun absolut nicht, denn hier wäre die Unmittelbarkeit der Wahl eindeutig verletzt.

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