Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

Landtagswahlrechtsreform in Baden-Wür...

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahlrechtsreform in Baden-Württemberg « Zurück Weiter »

  ClosedGeschlossen: Keine neuen Themen Letzter Autor Beiträge Seiten Letzter Beitrag
Archiv bis 03. November 2009nowhereman20 03.11.09, 10:43h 
Archiv bis 06. Dezember 2009Ratinger Linke20 06.12.09, 17:49h 
  ClosedGeschlossen: Keine neuen Themen        

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Dezember 2009 - 18:49 Uhr:   

 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 08. Februar 2014 - 18:08 Uhr:   

Eine grundlegende Reform des Wahlrecht mit der Einführung von Listen (natürlich starre Listen, anderfalls könnten die bösen Wähler Frauen "benachteiligen") ist wohl vom Tisch, die die Grünen und weite Teile der SPD vor allem wegen des relativ geringen Frauenanteils im Landtag. Nun gibt es am baden-württembergischen Landtagswahlrecht sicher einiges zu kritisieren, insbesondere die schwachsinnige Ausgleichsregelung und mögliches negatives Stimmgewicht. Gar nichts einzuwenden ist aber gegen die Abwesenheit von Listen, die Hinterzimmergekungel in den Parteien zumindest stark erschwert.

Natürlich ist der baden-württembergische Landtag, wie jedes Parlament Deutschlands und der Welt, überhaupt nicht repräsentativ für die Wählerschaft. Rechtsanwälte sind extrem überrepräsentiert, Arbeiter kaum vertreten, und auch Angestellte (zumindest die in der Privatwirtschaft) stark unterrepräsentiert. Der öffentliche Dienst wiederum stark überrepräsentiert. Dann ist da die offensichtliche Tatsache, dass fast alle Parlamentarier Parteimitglieder sind, die übergroße Mehrheit der Bevölkerung aber nicht. Die Altestruktur weicht auch stark von der Wählerschaft ab, die mittleren Altersgruppen sind sehr stark verteten, Junge und Alte schwach bis gar nicht repräsentiert. Nicht einsichtig ist, warum speziell der Frauenanteil ein Problem sein soll, wo Parlamente auch in vielen anderen Beziehungen nicht repräsentativ sind. Wem wäre mit mehr Quotenfrauen auf Listen gedient außer vielleicht diesen selbst? Nicht akzeptabel wäre es, die Wahlfreiheit durch Frauen- oder sonstige Quoten zu beschneiden. Und wer sich über angebliche Benachteiligung von Frauen erregt, sollte bei der Lösung dieses vermeintlichen Problems in der eigenen Partei anfangen. Dazu braucht es kein Gesetz. Bei den Grünen waren 2011 44 Bewerber Männer und nur 26 Frauen. Dazu kommt, dass die Frauen tendenziell in den weniger aussichtsreichen Wahlkreisen aufgestellt wurden. 57% der männlichen grünen Bewerber wurden gewählt und 42% der weiblichen.

Nun stellt das baden-württembergische Landtagswahlrecht Quotenfetischisten natürlich vor das prinziepielle Problem, dass es bei einem Bewerber (plus optional einen Ersatzbewerber) je Wahlkreis keine Quote geben kann. Zumindest hinsichtlich der Kandidatenaufstellung wurde hier ein Teil-"Erfolg" erzielt, denn künftig soll eine gemeinsame Mitglieder- oder Verterterversammlung auf Landkreisebene möglich sein. Das wäre im Grunde bloß eine Anpassung ans Bundestagswahlrecht. Danach können, wenn ein Stadt- oder Landkreis mehere Wahlkreise vollständig umfasst, die Bewerber für diese Wahlkreise in einer gemeinsamen Mitglieder- oder Vertreterversammlung aufgestellt werden, alle Teilnehmer wählen bei allen Wahlkreisen mit. Bisher war das in Baden-Württemberg nur in den Stadtkreisen möglich. Das ist natürlich bedenklich. Sonst müssen Partreien penibel darauf achten, dass nur im jeweiligen Gebiet wahlberechtigte Personen an der Aufstellungsversammlung teilnehmen und hier ist es dann plötzlich kein Problem, wenn mehr als die Hälfte der Teilnehmer außerhalb des Wahlkreises wohnt, wobei das bei Landkreisen noch weniger einsichtig ist als bei kreisfreien Städten. Bei Bundestagswahlen sind aber relativ wenige Wahlkreise betroffen. Bei der derzeitigen Wahlkreiseinteilung sind es 51 der 299 Wahlkreise, von denen nur 12 in Landkreisen liegen. In Baden-Württemberg wäre die Relevanz viel größer. In Baden-Württemberg wären 10 Landkreise mit insgesamt 27 Wahlkreisen betroffen, so dass zusammen mit 8 Wahlkreisen in Stadtkreisen (Stuttgart 4, Mannheim 2, Karlsruhe 2) für 35 der 70 Wahlkreise gemeinsame Aufstellungsversammlungen möglich wären. Wenn in einer Versammlung Bewerber für zwei bis vier Wahlkreise gewählt werden und nicht nur für einen, ist natürlich gewisser Raum für Quotenfrauen und das ist mit Sicherheit der Grund für diese Änderung.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 02. Mai 2015 - 16:27 Uhr:   

Obwohl die FAZ als Qualitätszeitung gilt, enthält dieser Artikel über das Landtagswahlrecht soviel Unsinn, dass ich gar nicht auf alles eingehen will.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wahlrecht-in-baden-wuerttemberg-behindert-erneuerung-der-cdu-13562340.html

Der Artikel beklagt angeblich negative Folgen des baden-württembergischen Wahlsystems. Das hat wirklich Verbesserungspotential, aber aus ganz anderen Gründen.

Der Unsinn fängt schon damit an, dass der Unterschied zu anderen Wahlsystemen falsch dargestellt wird. Der entscheidende Unterschied zu anderen Ländern ist nicht, dass es bloß eine Stimme gibt. Das war in vielen anderen Ländern auch über Jahrzehnte der Fall und ist es im Saarland jetzt noch. Entscheidender Unterschied ist, dass es keine Listen gibt. Das ist aber primär aber gerade nicht für die CDU wichtig, sondern für die übrigen Parteien. Die CDU ist seit Jahrzehnten eindeutig stärkste Partei und gewann seit 1968 immer alle oder fast alle Sitze als Direktmandate. Das wird sich auf absehbare Zeit. Am beklagten geringen Einfluss der Landespartei auf die personelle Zusammensetzung der Fraktion würde sich also gerade bei der CDU fast nichts ändern.

Sehr selektiv ist auch die Darstellung angeblich sozialistischen Verhältnisse bei der Kandidatenaufstellung, weil der CDU-Abgeordnete im Wahlkreis Reutlingen mit 96,2% wieder aufgestellt wurde. Abgesehen von der Frage, was denn schlimm daran ist, wenn ein unumstrittener Abgeordneter mit breiter Mehrheit wieder aufgestellt wird, sah es im nicht weit entfernten Wahlkreis Ehingen komplett anders aus. Da gewann der Sieger gegen seinen Gegenkandidaten mit 534 zu 388 Stimmen. Insgesamt waren 933 CDU-Mitglieder zur Versammlung erschienen, eine extrem gute Mobilisierung bei ca. 100000 Wahlberechtigten im Wahlkreis (etwa halb soviel wie ein durchschnittlicher Bundestagswahlkreis).


Hanebüchen wird es hier:

Auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Frauen in Einstimmenwahlkreisen häufig davor zurückschrecken, überhaupt anzutreten, weil sie die Härte solcher Auseinandersetzungen scheuen.

Wer harte politische Auseinandersetzung nicht ertragen kann, ist in einem Parlament falsch – egal ob Mann oder Frau. Außerdem gewinnt man die Aufstellung für die Partei im Wahlkreis eher, indem man Anhänger mobilisiert, und weniger dadurch, auf den Gegner einzudreschen, Letzteres wirkt schnell kontraproduktiv. Oft verläuft die Front ja geographisch, soll heißen die Bewerber haben die meisten Anänger in der Ecke des Wahlkreises, in der sie wohnen (so war es auch in Ehingen). Die implizite Unterstellung, dass Frauen netter zueinander sind als Männer untereinander oder Männer zu Frauen, ist auch gewagt. Vor allem aber geht die Behauptung völlig am Kern vorbei: In Parlamenten sitzen deshalb viel mehr Männer als Frauen, weil Männer sich viel häufiger politisch engagieren. So einfach ist das. Alles andere ist ideologischer Quatsch. Selbst bei den Grünen-Mitgliedern sind Männer deutlich in der Überzahl, obwohl die Wähler überwiegend weiblich sind. Auf Listen ist das männliche Übergewicht deswegen nicht so groß, weil die Parteien sich um einen gewissen Frauenanteil bemühen. Bei Einerwahlkreisen kann es natürlich keine Quoten geben.


Gar nicht überzeugend ist auch die Begründung, warum Listen eingeführt werden sollten:

Das gäbe den Parteien die Möglichkeit, mehr Frauen, Quereinsteiger und Fachleute ins Parlament zu bringen

Das ist nun wirklich naive Träumerei, die ein Politologe nicht von sich geben dürfte, ohne rot zu werden. Seit wann ist denn Fachkompetenz in irgendeinem Gebiet ein Kriterium bei der Kandidatenaufstellung? Der Grüne Energie-"Experte" Fell wurde zum Beispiel bei der letzten Bundestagswahl abserviert, obwohl die "Energiewende" doch so ein wichtiges Anliegen der Grünen ist. Ganz allgemein spielt Fachkompetenz keine große Rolle in der Politik. Dass von der Leyen und Nahles (übrigens beide über Landeslisten gewählt) Fachfrauen für Verteidigung bzw. Arbeit sind, wird niemand behaupten.

Was sollen Quereinsteiger sein? Nichtmitglieder oder total inaktive Parteimitglieder werden natürlich kaum aufgestellt, weder im Wahlkreis noch auf der Liste. Dass man einen Prominenten von außerhalb des Politbetriebs als Zugpferd auf einen vorderen Platz hievt, wie einst Rudolf Augstein bei der FDP (der nach ein paar Wochen wieder weg war), kommt in Praxis fast nicht vor. So etwas wäre auch allenfalls sinnvoll, wenn es Präferenzstimmen gäbe, aber die sind ja, wie man im FAZ-Artikel lernen kann, ganz schlecht, da frauenfreundliche Listen starr sind. Man bekommt auch nur selten einen aussichtsreichen Listenplatz, wenn man nicht in einem Wahlkreis aufgestellt worden ist. Maximal wird ein Außenseiter vom Kanzlerkandidaten der größten Oppositionspartei als Ministerkandidat präsentiert, wie Jost Stollmann oder Paul Kirchhoff (Minister wurden übrigens beide nicht).

Dass man mit einer starren Liste mehr Frauen reinbringt, stimmt sogar. Aber warum soll es denn erstrebenswert sein, dass Frauen wegen ihres Geschlechts bevorzugt werden? Profitieren würde von der Liste natürlich auch Apparatschicks auf der Suche nach einem Abgeordnetenmandat. Ganz konkret würde es Alexander Bonde nutzen, einem Apparatschik, dessen Vita sich liest wie eine von einem Grünenhasser ausgedachte Karikatur: Nachdem er erst mit 20 Abitur machte, dann natürlich verweigerte und Zivildienst machte, studierte er erst Jura und schmiss hin. Dann begann er ein neues Studium (Diplom-Verwaltungswirt) und schmiss wieder hin, um Mitarbeiter der grünen Landtagsabgeordneten Dederer zu werden (die übrigens später zur CDU übertrat). Gut ein Jahr später wurde er mit 27 Jahren in den Bundestag gewählt, wo er achteinhalb Jahre blieb, bis er 2011 Landwirtschaftsminister in Baden-Württemberg wurde. Mit Landwirtschaft hatte er bis dahin nie zu tun, außer dass er anderthalb Jahre stellvertretendes Mitglied im Landwirtschaftsausschuss war. Soviel zum Thema Fachleute. Immerhin hat er eine grüne Bilderbuchkarriere hingelegt, aber diese ist jetzt bedroht. Es besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen nach der nächsten Wahl nicht mehr in der Landesregierung sitzen und dann wäre er komplett ohne bezahltes politisches Amt, wenn er nicht einen Landtagssitz als Auffangnetz bekommt. Gäbe es eine Liste, würde er als Minister sicher einen aussichtsreichen Platz bekommen, aber so muss er sich einen Wahlkreis mit möglichst vielen Grünen-Wählern suchen. Seine Wahl fiel auf Freiburg I, wo er den bisherigen Grünen-Abgeordneten verdrängen wollte. Das löste bei den Grünen dort heftige Reaktionen aus. Deswegen verzichtete er dort auf eine Kandidatur und wird wohl keinen aussichtsreichen Wahlkreis bekommen. Dieser High Potential wird also dem Landtag wegen des Fehlens einer Liste vorenthalten bleiben. Er ist aber genau der Typ Politiker, den die Wähler üblicherweise nicht haben wollen.

(Beitrag nachträglich am 02., Mai. 2015 von frings editiert)
 Link zu diesem Beitrag

Nikolaus
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 02. Mai 2015 - 18:07 Uhr:   

Mal von dem starken Bonde-Bashing abgesehen, stimme ich Ihnen zu. Ein Ministerpräsident ist allerdings nicht verpflichtet, nur auf Kreisdelegiertenversammlungen aufgestellte Personen zu Ministern zu berufen. Und wer wo "Fachperson" ist oder nicht, bleibt immer persönliche Einschätzung.
Mir geht eher eine andere Sache auf den Keks: Sind Abgeordnete per se mehr oder weniger legitimiert, je nachdem, ob sie über ein Direktmandat oder eine Liste einziehen?
Manche Leute behaupten ja, dass Listenkandidaten besonders stramme "Parteisoldaten" sein müßten, da sie ja eben von ihren Parteien aufgestellt würden. Wer die Direktkandidaten festlegt, wissen diese Leute dann entweder nicht (dann sind sie ziemlich dumm), oder sie sagen es nicht (dann wollen sie Stimmung machen).
In besagtem FAZ-Artikel beschäftigt mich etwas anderes: Es heißt hier sinngemäß, dass es beim Einstimmen-Wahlrecht ohne Landeslisten bliebe, "lediglich das Zählverfahren wird geändert". Was ist damit gemeint? Nur das jetzt landkreisweit mögliche Aufstellungsverfahren für die Wahlkreisbewerber oder etwas anderes?
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 02. Mai 2015 - 18:43 Uhr:   

"Manche Leute behaupten ja, dass Listenkandidaten besonders stramme "Parteisoldaten" sein müßten, da sie ja eben von ihren Parteien aufgestellt würden."
In der Praxis kommt man kaum auf die Liste, wenn man nicht im Wahlkreis aufgestellt wurde. Oder andersrum: Fast alle über Listen gewählte Abgeordneten waren auch Wahlkreiskandidaten. Einen Unterschied in der "Linientreue" gibt es da kaum. Natürlich kann sich mit sicherem Wahlkreis etwas mehr Widerspruch leisten, aber in aller Regel wird nach Parteilinie gestimmt.


"In besagtem FAZ-Artikel beschäftigt mich etwas anderes: Es heißt hier sinngemäß, dass es beim Einstimmen-Wahlrecht ohne Landeslisten bliebe, "lediglich das Zählverfahren wird geändert""
Einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landtagswahlgesetzes gab es in dieser Wahlperiode keinen. Geändert wurde das Zuteilungsverfahren für Kommunalwahlen von d'Hondt auf Sainte-Lague, was bei Landtagswahlen aber schon bei der letzten Wahl galt. Vermutlich also ein Irrtum des Autors.
 Link zu diesem Beitrag

Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 04. Mai 2015 - 15:49 Uhr:   

"In der Praxis kommt man kaum auf die Liste, wenn man nicht im Wahlkreis aufgestellt wurde."

Das kenne ich aus Hamburg aber anders. Bei SPD und CDU hat kaum einer führenden Listenkandidaten in einem Wahlkreis kandidiert, insbesondere auch beide Spitzenkandidaten nicht. Bei der SPD haben vom Spitzenpersonal überhaupt nur Schulsenator Rabe (Bergedorf) und Fraktionschef Dressel (Alstertal-Walddörfer) in Wahlkreisen kandidiert, diese beiden standen dafür nicht auf der Landesliste. Bei der CDU ist (bis auf den bisherigen PGF und neuen Fraktionsvorsitzenden Trepoll, der nur in Harburg aber nicht auf der Landesliste kandidierte) die komplette bisherige Führungsriege nur auf der Landesliste angetreten, mit der Folge, dass bis auf Spitzenkandidat Wersich keiner von denen mehr in der Bürgerschaft sitzt und dies von der veröffentlichten Meinung zum Anlaß genommen wird, das Wahlrecht zu kritisieren, nach dem Motto "Es kann nicht sein, dass die prominenten Lisenkandidaten nicht ins Parlament kommen, aber dafür irgendwelche Wahlkreiskandidaten, die wir nicht kennen und denen ihr Stadtteil wichtiger ist, als die Gesamtstadt, ansonsten hätten sie ja auf der Landesliste kandidiert."
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Mai 2015 - 19:33 Uhr:   

"Das kenne ich aus Hamburg aber anders. Bei SPD und CDU hat kaum einer führenden Listenkandidaten in einem Wahlkreis kandidiert, insbesondere auch beide Spitzenkandidaten nicht."
Hamburger Bürgerschaftswahlen sind hier natürlich nur bedingt vergleichbar, weil es da auch auf Wahlkreisebene Listen gibt. Bei Bundestagswahlen sieht es schon anders aus. 2013 war nur ein Gewählter aus Hamburg nicht (auch) Wahlkreiskandidat (Klimke/CDU). Dabei gibt es tatsächlich in Hamburg noch mehr Ausnahmen von der Regel als anderswo. Dass Bewerber mit sicherem Wahlkreis auf einen Listenplatz verzichten oder weit unten platziert werden, kommt sehr oft vor.
 Link zu diesem Beitrag

marvin
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Mai 2015 - 20:20 Uhr:   

Was soll es bringen, wenn Bewerber mit sicherem Wahlkreis auf einen (sicheren) Listenplatz verzichten? Das ist doch höchstens für die Optik gut.

Angenommen, eine Partei bekommt nach Abzug der Direktmandate noch n Sitze über die Liste. Wenn alle Kandidaten, die Direktmandate gewonnen haben, auf der Liste gar nicht oder weit unten stehen, gehen die Listensitze an Platz 1 bis n. Wenn nun ein Direktmandat zusätzlich auf der Liste vorne steht (und alle anderen Listenkandidaten einen Platz weiter hinten), dann gehen eben die Listensitze bis Platz n+1. Es bekommen also genau dieselben Leute die Listensitze...
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Mai 2015 - 22:38 Uhr:   

"Was soll es bringen, wenn Bewerber mit sicherem Wahlkreis auf einen (sicheren) Listenplatz verzichten? Das ist doch höchstens für die Optik gut."
Nicht unbedingt. Es gibt ja oft auch einen Regionalproporz auf der Landesliste. Verzichtet z. B. CDU-Kandidat in Ostwestfalen mit sicherem Wahlkreis auf einen vorderen Platz, dann kann ein anderer aus der Region mit weniger sicherem Wahlkreis weiter nach oben.
 Link zu diesem Beitrag

Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. Mai 2015 - 18:56 Uhr:   

Gerade bei der CDU in Hamburg war ja das Problem, dass Personen mit vermeintlich sicherem Listenplatz (wie z.B. der neue Landesvorsitzende, der auf Platz 2 der Landesliste kandiderte) nicht auf dem noch sichereren Wahlkreisplatz abgesichert, mit der Folge, dass der Großteil ihrer bisherigen landespolitischen Prominenz nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten ist.

Man kann natürlich aber sagen, dass das zurecht so passiert sei, weil genau diese Leute es in den letzten vier Jahren auch verpasst haben, die CDU als Alternative zur alleinregierenden SPD aufzubauen.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 23. Januar 2018 - 22:43 Uhr:   

Die CDU-Fraktion hat eine im Koalitionvertrag vorgesehene Einführung von Landeslisten einstimmig abgelehnt:
https://www.swr.de/swraktuell/bw/geplante-wahlrechtsreform-im-landtag/-/id=1622/did=21029604/nid=1622/5kb679/index.html

Das ist zu begrüßen. Der Widerstand in der CDU-Fraktion (und nicht nur dort) war von Anfang an groß. Es geht sicher nicht nur um die Sache, sondern auch um einen Machtkampf in der CDU. Der grünenfreundliche Landesvorsitzende Strobl wäre desavouiert, wenn dies das letzte Wort sein sollte. Aber es wurde auch inhaltlich argumentiert:
https://www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-cdu-gegen-baden-wuerttembergische-wahlrechtsreform-landesliste-ist-auch-keine-loesung-_arid,331672.html

(Beitrag nachträglich am 23., Januar. 2018 von frings editiert)
 Link zu diesem Beitrag

Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. Januar 2018 - 13:30 Uhr:   

Erfreulich, dass die grün-ideologische Wahlrechtsreform in BW scheitert. Sie würde eine Schwächung der Einflußmöglichkeiten der Bürger bedeuten, da diese - jenseits der Parteimitglieder - in dem Fall überhaupt keinen Einfluß mehr darauf haben, welche Persönlichkeiten in den Landtag einziehen.

Peinlich dass die CDU sich im Koalitionsvertrag darauf eingelassen hat (obwohl es keine linke Mehrheit in BW gibt).

Wenn die Grünen ihre Wahlrechtsreformvorschlag so toll finden, könnte sie hierzu ja eine Volksbefragung vorschlagen. Der Vorschlag würde m.E. nach krachend durchfallen.

Etwas anderes wäre die Erwägung ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht einzuführen. Im Hinblick auf die Zersplitterung des Parteiensystem erscheint die Einführung dieses in den meisten übrigen Bundesländern und im Bund bestehenden Wahlsystems indes nicht empfehlenswert.
 Link zu diesem Beitrag

Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. Januar 2018 - 16:03 Uhr:   

Was genau soll denn linksideologisch an dem Wahlrechtsvorschlag sein?
Ich hab eher den Eindruck, das Wahlrecht soll sich Richtung Mainstream der Lösungen in den Bundesländern insgesamt angenähert werden.
Die Reihung nach Stimmzahl der im Wahlkreis unterlegenen Kandidaten führt dazu, dass sich zu den Wahlkreissiegern aus den Hochburgen nur weitere Kandidaten aus den "Mittelburgen" gesellen - sehr ländliche Rotgrüne und sehr großstädtische Schwarze sind chancenlos. Die Tiefburgen werden nicht in dem Ausmaß in den Fraktionen repräsentiert, in denen sie zum Landesergebnis beigetragen haben.

Entscheidungen durch Mitglieder statt durch Delegierte sind eher bei den Grünen beheimatet und die Grünen haben in den Hansestädten gezeigt, dass sie auch Wahlrechtsvorschläge machen können, die stärker auf die Auswahl von Personen setzen.
Das lässt den Vorwurf angeblich entmündigender grüner Wahlrechtsideologien als schräg erscheinen, zeigt aber auch einen denkbaren Lösungsweg.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. Januar 2018 - 21:12 Uhr:   

@Jan W.
"Was genau soll denn linksideologisch an dem Wahlrechtsvorschlag sein?
Ich hab eher den Eindruck, das Wahlrecht soll sich Richtung Mainstream der Lösungen in den Bundesländern insgesamt angenähert werden."
Richtig, das passt linken Ideologen besser in den Kram.

"sehr ländliche Rotgrüne und sehr großstädtische Schwarze sind chancenlos."
SPD und Grüne gewinnen auch Sitze im ländlichen Raum. Die CDU hat bei der Bundestagswahl alle Direktmandate in Baden-Württemberg gewonnen - chancenlos ist sie fast nirgends. Regionale Ausgewogenheit wird auch mit Listen nicht unbedingt erreicht, im nordrhein-westfälischen Landtag kann man davon höchstens bei der FDP sprechen.

"Entscheidungen durch Mitglieder statt durch Delegierte sind eher bei den Grünen beheimatet"
Aufstellungsversammlungen in Wahlkreisen sind inzwischen bei allen Parteien meist Mitgliederversammlungen. In welchem Flächenland veranstalten die Grünen Parteitage und Augstellungsversammlungen auf Landesebene als Mitgliederversammlungen? In BW tun sie das jedenfalls nicht. Die Landesliste zur BTW wurde von ca. 200 Delegierten gewählt.
https://www.gruene-bw.de/gruene-waehlen-vorsitzende-und-landesliste/


@Marc
"Peinlich dass die CDU sich im Koalitionsvertrag darauf eingelassen hat (obwohl es keine linke Mehrheit in BW gibt)."
Stimmt, das würde ich aber eher bezüglich der kompletten Koalition sagen.

"Wenn die Grünen ihre Wahlrechtsreformvorschlag so toll finden, könnte sie hierzu ja eine Volksbefragung vorschlagen. Der Vorschlag würde m.E. nach krachend durchfallen."
Das glaube ich auch. Rot-Grün hatte im Koalitionsvertrag 2011 ein "geschlechtergerechtes" Wahlrecht vereinbart, was immer das sein sollte. Getan hat Rot-Grün dann bis 2016 nichts.
 Link zu diesem Beitrag

Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. Januar 2018 - 22:58 Uhr:   

@TF
Der Wahlrechtsmainstream der Bundesländer stammt aus einer Zeit, bevor die Grünen sich gegründet haben.
Die Unionsdominanz bei einer völlig anderen Wahl ist natürlich ein sehr schräges Argument - vor allem weil es sie bei Landtagswahlen nicht gibt.
Und der NRW-Landtag, der erfolglos versucht, 70% der Mandate direkt zu vergeben und dabei ein besonders krasses Beispiel für exzessiven Überhang ist, taugt hier ebensowenig als Argument.

Es ging mir um die Aufstellungsversammlungen, bei denen die Grünen eher zur Mitgliederversammlung neigen, während andere Parteien häufiger (auch aufgrund der Masse) auf Delegierte setzen. Und auch etwa um Urwahlen.

Übrigens finde ich Parteitagsdelegierte deutlich demokratischer als traditionelle regionale Hochburgenstrukturen - das bestehende System sorgt ja nur dafür, dass die eine (Wahl-)Kreismitgliederversammlung einen nahezu sicheren MdL wählt, während die andere einen reinen Zählkandidaten nominieren darf.
Am Ende wählen die Leute eben doch selten den Kandidaten sondern rein nach Parteifarbe.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. Januar 2018 - 23:59 Uhr:   

"Der Wahlrechtsmainstream der Bundesländer stammt aus einer Zeit, bevor die Grünen sich gegründet haben."
Stimmt teilweise. Die Zweitstimme wurde außer in Bayern und Berlin erst nach Gründung der Grünen eingeführt, Einerwahlkreise gab es außer in Rheinland-Pfalz und natürlich im Osten schon vorher. Dass ändert aber nichts daran, dass den Grünen dies offenbar lieber ist als die Regelung in BW.

"Es ging mir um die Aufstellungsversammlungen, bei denen die Grünen eher zur Mitgliederversammlung neigen, während andere Parteien häufiger (auch aufgrund der Masse) auf Delegierte setzen. Und auch etwa um Urwahlen."
Stimmt nicht, wie schon gesagt. Außer CDU und SPD haben die Parteien sowieso kaum genügend Mitglieder je Wahlkreis für ein Delegiertensystem, aber selbst bei denen ist die Mitgliederversammlung inzwischen üblich. Beispiel mit über 900 Teilnehmern:
https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/alb-donau/manuel-hagel-ist-landtagskandidat-der-cdu-im-wahlkreis-ehingen-18766439.html

So hoch war die Teilnehmerzahl natürlich nur, weil der Amtsinhaber nicht mehr antrat. Vor der letzten Bundestagswahl gab es bei der Mitgliederversammlung der CDU in Cloppenburg-Vechta 1837 Teilnehmer bei 7300 Mitgliedern dort, auch da war der Sitz offen.
http://www.cdu-cloppenburg.de/lokal_1_5_4_Silvia-Breher-Gewinnt-Urwahl.html
 Link zu diesem Beitrag

Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. Januar 2018 - 00:12 Uhr:   

Ganz ehrlich: eine Zweitstimme ist ja jetzt nicht unbedingt suspekt.
Neu ist in dem Sinne auch eher die Erststimme, weil sie dem Wähler der kleinen Partei X ermöglicht, abweichend von der entscheidenden Stimme für Partei X, den Kandidaten des Wunschseniorpartners Y zu unterstützen.
Das bedeutet aber in der Regel nur, dass das Direktmandatsduell mit höheren Prozenten genauso endet.

Und inwiefern soll jetzt ein Durchschleifen der Hochburgenstrukturen eine höhere Legitimität als ein Delegiertenvotum haben?
 Link zu diesem Beitrag

J.A.L.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. Januar 2018 - 07:54 Uhr:   

@Jan W.:

Ich verstehe nicht ganz dein grundsätzliches Problem damit, dass aus Bezirken, wo eine Partei mehr Wähler und wahrscheinlich auch mehr Mitglieder hat („Hochburgen“), auch mehr Abgeordnete dieser Partei entsandt werden.

Das scheint mir sogar logisch und folgerichtig. Im Gegenteil: jedes andere Ergebnis wäre erklärungsbedürftig und demokratietheoretisch erstmal bedenklich.
 Link zu diesem Beitrag

Christian Haake
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. Januar 2018 - 15:24 Uhr:   

@J.A.L.
Das Problem ist, dass aus Hochburgen nicht einfach nur "mehr" Abgeordnete kommen, sondern eventuell "alle", obwohl ein nicht unerheblicher Anteil der Stimmen aus den anderen Gebieten kommt.

Beispiel:
Die Partei hat zur Parlamentswahl (gesamt 20 Sitze, 10 gleich große Wahlkreise A bis J) landesweit 25% Anteil erhalten, also Anrecht auf 5 Sitze. Angenommen, sie ist durch ihre Wählerstruktur in Städten gut vertreten (Wahlkreise A-C), im Umland halbwegs (D-F), im Rest schwach. Folgendes Wahlergebnis führte zu den 25%:
A: 43%
B: 42%
C: 39%
D: 26%
E: 25%
F: 23%
G: 15%
H: 14%
I: 12%
J: 11%

Dieses Wahlergebnis sei typisch, also nur schwach schwankend. Dann gehen von dieser Partei die Sitze, nach relativem Anteil in den Wahlkreisen verteilt (BaWü-Regelung nach den Direktmandaten), von ihren 5 Sitzen immer 3 in die Städte, 2 ins Umland (hier D und E, vllt. auch mal abwechselnd an F), aber nie ins Restgebiet - und das, obwohl letzteres über ein Fünftel der Stimmen beiträgt, also eigentlich Anspruch auf einen der fünf Sitze erheben könnte.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. Januar 2018 - 21:47 Uhr:   

@Christian Haake
So krass sind die Unterschiede in der Praxis nicht und viele Wahlkreise liegen eng beieinander und eng am Durchschnitt. Beispiel: Die SPD holte 2016 ihren letzten Sitz im Regierungsbezirk Stuttgart mit 14,1 %. Es gab fünf Wahlkreise in diesem Regierungsbezirk, wo die SPD weniger als 1 %-Punkte darunter lag und 10 Wahlkreise, wo sie weniger als 2 %-Punkte darunter lag. Auch die Hochburgen sind dort nicht alle stabil. Früher war die Stadt Stuttgart SPD-Hochburg, derzeit hat sie dort keinen Sitz.
 Link zu diesem Beitrag

Martial00120
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 26. Januar 2018 - 08:33 Uhr:   

@Thomas Frings
Das gilt aber nicht für den Regierungsbezirk Tübingen. Dort ist der Unterschied bei der SPD des Preises für das Mandat krass unterschiedlich zwischen Nord und Süd.

@Christian
ich habe dir eine Privatnachricht geschrieben
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 20. März 2018 - 21:04 Uhr:   

Heute vor 30 Jahren: Die CDU bekommt 49 % der Stimmen und mit 66 von 125 Sitzen zum fünften Mal hintereinander die absolute Mehrheit. Jetzt ist die CDU Juniorpartner der Grünen und diese Rolle gefällt dort vielen offenbar. Nicht wenige haben sich servil zum Koalitionsvertrag bekannt, nachdem die CDU-Fraktion sich klar gegen eine Reform aussprach.

Die Grünen haben als Kompromiss vorgeschlagen, eine Landesliste einzuführen, auf der nur Wahlkreiskandidaten stehen können. Da haben aber das Innen- und das Justizministerium verfassungsrechtliche Bedenken. Jetzt kommt Strobl mit dem Vorschlag, dass die Parteien selbst entscheiden sollen, ob sie eine Landesliste aufstellen oder nicht. Strobls Parteifeind und Fraktionsvorsitzender Reinhart hat sich noch nicht öffentlich geäußert, die Fraktion soll am 10.4. darüber beraten.

Dass der Parteivorsitzende erst an die Öffentlichkeit geht, bevor er mit der Fraktion redet, ist nicht schlau und sehr bezeichnend für die Zustände im Landesverband. Die Reformgegner sind dumm oder in einer Position der Schwäche, wenn sie sich darauf einlassen.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 24. April 2018 - 22:53 Uhr:   

CDU und Grüne haben die Wahlrechtsreform heute beerdigt.

Beitrag verfassen
Beitrag:
Fett Kursiv Unterstrichen Erstelle Link Clipart einfügen

Benutzername: Hinweis:
Dies ist ein geschützter Bereich, in dem ausschliesslich registrierte Benutzer Beiträge veröffentlichen können.
Kennwort:
Optionen: HTML-Code anzeigen
URLs innerhalb des Beitrags aktivieren
Auswahl:

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite