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Spiegelbildlichkeit der anderen Art

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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 00:47 Uhr:   

Die Sitze werden um die abgegebenen ungültigen Stimmen gekürzt.
Beispiel:
Ein Parlament hat 600 Sitze und 80 Millionen Wahlberechtigte. 60 Millionen gehen zur Wahl. 10 Millionen wählen Parteien,
die schließlich an der Sperrklausel scheitern. Ihre Stimmen werden damit ungültig. 3 Millionen geben gleich ungültige Stimmen ab.
Ergebnis:
Vergeben werden nur 470 Sitze.
Die Nichtwähler bleiben als Uninteressierte bei der Rechnung unberücksicht. Wer seinen Protest als Nichtwähler zum Ausdruck bringen
will, muß dies durch Abgabe einer ungültigen Stimme bewirken. Dafür kann auf dem Wahlzettel sogar ein Kasten vorgedruckt sein.

Nicht kompliziert genug ?
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Ralf Lang
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 10:15 Uhr:   

Ich halte das für ungünstig. Ungültige Stimmzettel erfüllen formale Kriterien nicht - ihnen eine Bedeutung zu geben, wäre unlogisch.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 10:41 Uhr:   

Erst einmal langsam lesen:
Der Vorschlag scheint (ich schreibe "scheint", weil es aus den Formulierungen nicht vollends klar wird) zwei Komponenten zu haben:
Einerseits werden die Sitze, die bei rein proportionaler Verteilung an Parteien gingen, die allerdings an der 5%-Hürde gescheitert sind, nicht auf die andern Parteien verteilt, sondern einfach nicht besetzt. Anderseits werden auch Sitze nicht besetzt, die dem Anteil ungültiger Stimmen entsprechen, die tatsächlich abgegeben wurden, aber nicht für eine Partei oder nicht korrekt.
Für den zweiten Punkt wird ferner angeregt, die ausdrückliche Möglichkeit einer "Ungültig-Stimme" zu schaffen.
Die Missverständnisse rühren wohl daher, dass auf alle diese verschiedenen Kategorien der Begriff "ungültig" angewandt wird, was verwirrend wirkt.
Es handelt sich also um an sich durchaus korrekt abgegebene Stimmen, die aber erfolglos bleiben, weil sie der "falschen" Partei zugesprochen wurden, ferner um Stimmen, die an keine Partei gingen oder sonst nicht korrekt waren. Wollte man eine eigene, ausdrücklich anzukreuzende Option einführen, dann entspräche dies etwa der anderswo schon besprochenen "Gegen-alle"-Option oder eher "Für niemand".
Ausdrücklich NICHT vorgeschlagen ist hingegen die Berücksichtigung von Stimmen, die gar nicht abgegeben wurden, d. h. deren Inhaber sich noch nicht einmal zum Wahllokal bemüht haben.

Soweit mein Versuch, den Vorschlag aufzudröseln. Nun eine knappe Kommentierung:
Grundsätzlich hatten wir die verschiedenen Elemente des Vorschlages in anderen Diskussionssträngen schon. Es erübrigt sich daher, auf jeden Punkt im einzelnen ausführlichst einzugehen.
Ich halte stark schwankende Parlamentsgrössen institutionell und arbeitstechnisch für problematisch. Zudem besteht die Gefahr, dass das Kürzen der parlamentarischen "Pfründen" zu einem unkontrollierten Anwachsen para-parlamentarischer Posten führt, die de facto durchs Volk nicht kontrolliert werden können und deren Inhaber letztlich auf Lebenszeit angestellt sind.
In der Sache muss man sich ferner fragen, was ein derart verkleinertes Parlament bringt: Die machtverhältnisse zwischen den Parteien, die tatsächlich Sitze erhalten, bleiben dadurch unverändert, einmal davon abgesehen, dass durch die ein wenig anders erfolgende Berechnung einige andere Rundungsfehler auftreten werden. Diese Rundungsfehler werden, weil auf weniger Sitze bezogen, eher grösser ausfallen, was an sich ein Nachteil einer proportionalen Vertretung ist.
Eine Einschränkung ihrer Macht erfahren die verbliebenen Parlamentarier nicht. Eher wird der Einzelne, weil er Teil einer kleineren Gruppe ist, aufgewertet, also mächtiger. Anders wäre es nur, wenn man die gesetzliche Grösse des Parlamentes auf dem Zielwert beliesse. Dann müssten gewisse Mehrheiten nach der Zahl der gesetzlichen Mitglieder berechnet werden und lägen also auf dem alten Wert, wohingegen es weniger Abgeordnete gäbe. Dadurch kämen allerdings wichtige Entscheidungen kaum mehr zustande, eine verfassungsändernde Mehrheit wäre bspw. noch schwerer zu erreichen als heute. Auch schon die Kanzlermehrheit wäre problematisch. Dadurch würden faktisch grosse Koalitionen erzwungen, diese stünden eher noch mehr als heute unter Konsensdruck.
Unkorrekt abgegebene und aus diesem Grund ungültige Stimmen zu berücksichtigen, halte ich für absurd: Sie werden eben nicht berücksichtigt, weil sie nicht berücksichtigt werden können. Begründbar wäre also nur die Option, ausdrücklich "leer", "üngültig", "gegen alle", "für niemand" oder was auch immer wählen zu lassen - dies wäre immerhin eine klar zum Ausdruck gebrachte Entscheidung. Allerdings halte ich dies nicht für sinnvoll und wünschbar, weil Wahlen im allgemeinen dazu dienen, funktionsfähige Gremien zu bestellen, und nicht dazu, deren Arbeit zu behindern oder sie gleich gar nicht zu bestellen. Wie ich andersow bereits sagte, halte ich es nicht für sinnvoll, Wahlen zu einer verkappten Volksabstimmung über das bestehende Institutionengefüge zu machen; Wahlen dienen einzig und allein dazu, im vorgegebenen verfassungsrechtlichen, institutionellen Rahmen funktionsfähige Gremien zu bestellen. Will man etwas an der Verfassung oder am Institutionengefüge ändern, so gibt es dafür sinnvollere und weit tauglichere Wege.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 12:40 Uhr:   

Hallo, allgegenwärtiger Herr Wächtli. Sie haben meinen Vorschlag richtig "auseinandergebröselt". Nur so scheint er ja verständlich zu sein. Gut, daß es jemand gibt, der mein Gestammel zu deuten weiß.
Man sieht, auch aus noch so einfachen – bewußt auf wenige Worte reduzierten - Vorschlägen kann man etwas machen.
Ihre nur so hervorsprudelnden – und sich bei Widerspruch gewiß noch ins Unerschöpfliche vermehrenden - Bedenken allerdings (soweit noch überschaubar) erscheinen mir nicht als ganz so gewichtig:

1.
Sie sagen: "Zudem besteht die Gefahr, daß das Kürzen der parlamentarischen "Pfründen" zu einem unkontrollierten Anwachsen para-parlamentarischer Posten führt, die de facto durchs Volk nicht kontrolliert werden können und deren Inhaber letztlich auf Lebenszeit angestellt sind."
Sind da die Möglichkeiten nicht bereits ausgereizt ? Haben Sie schon einmal ausgelotet, wieviele Mitarbeiter im Bundestag und in den Landes- und Kommunal-Parlamenten herumwuseln ? Wissen Sie wie viel politische Posten es in den Ministerien und Verwaltungen gibt ?
Bei weniger Abgeordneten würde wenigstens schon mal die Zahl der persönlichen Mitarbeiter schrumpfen, wenn auch schnell wieder neue Posten erfunden werden würden. Die Aufblähung des Beamtenapparats kann man ebenso wenig durch eine Vielzahl von Abgeordneten bremsen wie Bestechungen durch möglichst hohe Gehälter für die Amtsträger. Solche fadenscheinige Zweckargumente sollten nicht auch noch von klugen, selbstlosen Leuten weitergetragen werden.

2.
Die auf die Splitterparteien entfallenden Stimmen stehen gerecht betrachtet den etablierten Parteien nicht zu. Sinn des Ausschlusses von Splitterparteien ist die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Die ist schon gegeben, wenn die vom Volk gewählten Splitterparteien ausgeschlossen sind. Es ist nicht notwendig, ihre Sitze unter den privilegierten Parteien zu verteilen. Allein das rechtfertigt meinen Vorschlag (der sicherlich nicht neu sein dürfte *)

3.
Wieso sollen stark schwankende Parlamentsgrößen "arbeitstechnisch problematisch" sein ? Wird denn wirklich gearbeitet oder werden nicht im wesentlichen die Anweisungen der finanzkräftigen oder sonst mächtigen Lobbyisten koordiniert ?
Außerdem würde die Parlamentsgröße gar nicht so stark schwanken. Es würde bei jeder Wahl eine ähnliche Zahl von unbesetzten Sitzen geben.

4.
Wieso brauchen wir so viele Abgeordnete, wenn de facto ohnehin Fraktionszwang besteht und das Rede- und Antragsrecht des einzelnen Abgeordneten sehr beschränkt ist ?

5.
Es ist nicht unterscheidbar, aus welchen Gründen unkorrekte Stimmen abgegeben werden. Ist es Absicht, Ungeschicklichkeit oder Schlamperei ? Drum würde ich alle gleich behandeln, aber wirksamer als die Wähler, die sich den Weg zur Wahlurne oder zum Briefkasten ersparen, auch wenn sie durchaus respektable Gründe dafür haben.
Diese Punkt erscheint mir aber ohnehin unwichtig. Das war nur eine Idee am Rande.

*
Sehr überspitzte Anmerkung:
Die alten Hasen in diesem Forum erheben deutlich oder auch sehr fein immer mal wieder den Vorwurf, daß etwas schon längst irgendwo im Forum durchgenudelt worden sei. Wenn es nach diesen alten Recken geht, dürfte also nur der hier schreiben, der erst mal andächtig alles gelesen hat, was hier schon verewigt worden ist. An dem sollte wohl auch nicht gerührt werden.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 15:04 Uhr:   

@ A. Meyer:
Sie bringen da 2 Dinge durcheinander:

Wie groß sinnvollerweise das Parlament sein sollte, darüber lässt sich sicher streiten. Ich persönlich finde auch, dass es in Deutschland zu viele Bundestagsabeordnete gibt.

Es kann daher durchaus überlegenswert sein, die Zahl der Mandate zu reduzieren.

Aber:
Kann es denn wirklich vernünftig sein, die Zahl der Mandate von etwas vollkommen sachfremden wie der Wahlbeteiligung abhängig zu machen?

Käme man zu dem Ergebnis, (sagen wir mal) 400 Abgeordnete wäre die Optimalgröße um eine optimale Parlamentsaberit zu gewährleisten, dann sollten es auch 400 Abgeordnete sein und nicht (nur weil die Wahlbeteiligung schwankte) auf einmal 600 oder nur 200.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 15:31 Uhr:   

Die Zahl der Abgeordneten in einem Parlament ist ja kein Selbstzweck oder soll ausschließlich für eine Vollbeschäftigung von Mathematikern sorgen, die sich um gerechtestmögliche Verteilungen kümmern.

Vielmehr soll diese Zahl ja so groß sein, dass die gewählten Vertreter des Volkes bestimmte, ihnen vorgegebene Aufgaben erfüllen können. Aus diesem Grunde ist die Größe eines Kommunalparlamentes von der Einwohnerzahl des betreffenden Ortes abhängig und Nordrhein-Westfalen hat mehr Landtagsabgeordnete als das Saarland.

Deshalb schaffen Überhangmandate einen offensichtlich nicht benötigten Arbeitskräfteüberschuss im Parlament und sollten möglichst vermieden werden.

Durch Stimmen an Parteien, die ohne Mandat bleiben, ändert sich am Arbeitsanfall des Parlaments aber gar nichts, ebensowenig durch die Zahl der Nichtwähler oder Ungültigwähler.

Wenn ein Parlament mehr Abgeordnete besitzt als zur Bewältigung der Arbeit benötigt werden, dann sollte es auf die benötigte Größe reduziert werden, wie dies ja auch schon des öfteren gemacht wurde und sicherlich auch noch häufiger durchgeführt werden sollte, als dies geschieht. Eine von der Zahl der 4 % - Parteien oder der Erfüllung von Formalkriterien durch die Wähler beim Ausfüllen der Stimmzettel abhängige Zahl von Abgeordneten führt aber vom Problem gänzlich ab oder ist, wie Ralf Lang es ausdrückt, unlogisch.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 15:55 Uhr:   

Unglaublich, wie viele beflissene Menschen es gibt.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 17:55 Uhr:   

ad 1: Wenn man die Kürzung von Parlamentssitzen als Mittel gegen überbordende Selbstbedienungsmentalität einsetzen will, dann sollte man sich eben nur überlegen, was man damit erreicht. Wenn es weniger Parlamentarier gibt, dann ist es meiner ganz unmassgeblichen Meinung nach nicht zwingend, dass die Zahl der persönlichen Mitarbeiter sinkt, sondern viel eher zu erwarten, dass diese Zahl steigt und dass bisher bestehende Beschränkungen fallen werden - denn nun brauchen diese weniger Parlamentarier ja zusätzliche Mitarbeiter, um die steigende Geschäftslast pro Abgeordneten bewältigen zu können - logisch, nicht wahr? Man braucht nur mal in die USA zu schauen: Dort kommen 535 Bundesparlamentarier auf eine rund fünfmal grössere Bevölkerung als jene der BRD. Die Abgeordneten beschäftigen daher ganze Bureaux, um "ihre" Arbeit tun und "ihre" Wahlkreise betreuen zu können. Natürlich sind beide Systeme nicht wirklich völlig vergleichbar, aber es liegt nahe, dass die bisherigen Parlamentskollegen einfach als zusätzliche parlamentarische Mitarbeiter eingestellt werden. Möchte man dies vermeiden, so denke ich, dass die naheliegende und sachgerechte Lösung darin besteht, eben ab und an über die Grösse, die ein Parlament haben soll, über Struktur der Verwaltung usw. zu sprechen und gehörig Druck zu machen, dass dort vernünftige Grössenordnungen eingehalten werden.

ad 2: Dieses Argument scheint mir zwei Ebenen zu vermengen. Natürlich trifft es zu, dass Stimmen, die an Parteien (oder genauer: Listen) gefallen sind, die gescheitert sind, nicht unmittelbar an andere Parteien (Listen) gehen können. Ich erlaube mir, wiederum auf die Diskussionen betreffend Alternativstimmen-Systeme oder Durchrangieren der Wahlvorschläge zu verweisen, die ja eben gerade an diesem Punkt ansetzen wollen. Aber diese Aussage stösst sich nicht daran, dass Sitze an Parteien fallen, die diese nicht erhalten hätten, wenn andere Parteien erfolgreich gewesen wären. In jeglichem Wahlsystem gibt es irgendwelche Fälle, in denen Stimmen anfallen, die gewissermassen "verloren" gehen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn jemand weniger Stimmen erhalten hat, als bei den denkbar günstigsten Bedingungen minimal für den Gewinn eines Sitzes erforderlich wären. Je nach Wahlsystem können dies sogar teilweise erhebliche Summen von Stimmen sein, etwa in einem absoluten Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen. Die Tatsache, dass es Wähler gibt, die leer ausgehen, rechtfertigt allerdings nicht die Behauptung, dass ein Teil der zugeteilten Sitze der übrigen Parteien nicht durch das Wahlergebnis gedeckt seien. Dies gilt nur in Wahlsystemen, in denen es eine mehr oder weniger feste Zuordnung zwischen Stimmen und Sitzen gibt. Dies sind aber nur die automatischen und halbautomatischen Verfahren. In jeglichem sonstigen Wahlverfahren spielt es letztlich keine Rolle, wie das Verhältnis zwischen Sitzen und Stimmen aussieht.
Bei einem Verhältniswahlrecht betrachtet man alle Stimmen gewissermassen als "Kuchen". Nun schneidet man den Kuchen entlang der Parteigrenzen entzwei. Die Stücke, die daraus hervorgehen, werden unterschiedlich gross sein, je nach der Zahl der Wähler, die sich für eines der Lager entschieden haben. Nun nimmt man einen anderen "Kuchen" oder meinetwegen eine Torte, einen Fladen oder auch eine Pizza, und versucht nun, diesen zweiten "Kuchen" ebenso zu zerschneiden wie den ersten. In praxi geht dies so, dass man die Zentren (Mittelpunkte) exakt übereinandermontiert und dann durch die Schnitte im einen Kuchen mit einer Klinge in den andern Kuchen fährt und diesen genau gleich einschneidet. Zentrieren und Nachschneiden sind denn sinngemäss auch die beiden üblichen methodischen Schritte eines proportionalen Sitzzuteilungsverfahrens. Daran sieht man folgendes: Wir betrachten nicht einzelne Sitze und nicht einzelne Stimmen (das wären vergleichsweise etwa die Krümel oder Mehlkörner), sondern wir vergleichen "Kuchen" miteinander, also Gesamtheiten, und deren "Schnitte", also die Proportionen innerhalb dieser Gesamtheiten. Der Sinn eines Sitzzuteilungsverfahrens besteht darin, den grösseren "Kuchen" so gut als möglich auf den kleineren "Kuchen" abzubilden.
Im deutschen Wahlrecht hat man sich nun einmal aus verschiedenen Gründen dazu entschieden, einzelne Fraktionen (Bruchteile) des "Kuchens" nicht zu berücksichtigen, wenn sie zu klein sind. Dies ist eine Manipulation der Grösse der zu verteilenden Kuchen, der Gesamtheiten. Die Gesamtheit der Stimmen kann allerdings auch durch andere Faktoren beeinflusst werden, bspw. durch das Auftreten oder Nichtauftreten bestimmter Parteien oder von Einzelkandidaturen in den Wahlkreisen, durch Schwankungen der Stimmbeteiligung und noch einige mehr. Dies beeinflusst allerdings immer nur den grossen "Kuchen", nicht den kleinen. Weshalb man da in einem Punkt eine Ausnahme machen sollte, ist mir nicht klar. Wenn man sich entschieden hat, nur den "Kuchen" als Gesamtheit zu betrachten, dann darf dies nicht davon abhängig gemacht werden, ob einige Krümel auf dem Tisch liegen bleiben.

ad 3: Das ist eben nicht gesagt. Man schaue einmal in die Türkei: Dort besteht das gegenwärtige Parlament nur aus den Vertretern zweier Parteien. Alle andern sind an der dort geltenden 10%-Hürde gescheitert. Der Ausgangs-"Kuchen" war also verhältnismässig klein. Wollte man dies nach dem vorgeschlagenen Modell umsetzen, wären in der Türkei nur rund ein Drittel aller Sitze im Parlament besetzt. Solange es nur links die KP und rechts die Nationalisten gab, die auch zusammen nur wenig über 5% aller Stimmen hinauskamen, mag dies ja wenig ausgemacht haben. Wenn aber eine ganze Reihe Splitterparteien antreten, die je nur ihre 3% landesweit holen, kann dies aber eben auch schon mal 30% ausmachen. Damit muss man rechnen.

ad 4: Auch diesen Punkt haben wir im Forum schon verschiedentlich durchgekaut. Ich erlaube mir wiederum, darauf hinzuweisen, dass einschlägige Argumente in den jeweiligen Diskussionssträngen nachgelesen werden können. Wir brauchen sie daher auch nicht alle hier in extenso durchzukauen. Ein solche Vorschlag war beispielsweise, den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen je nach dem exakten Wahlergebnis (Stimmenanteil bundesweit) unterschiedliche Stimmkraft im Bundestag zu geben, so dass die Gesamtstimmkraft einer Fraktion im Parlament immer genau demselben Anteil entspräche wie am Gesamtwahlergebnis. Darauf hatte ich geantwortet, dann könne man ja gleich dazu übergehen, nur noch eine Person pro Liste zu wählen, dieser aber die gesamte Stimmkraft ihrer Liste zu geben, was alles viel vereinfachen würde. Ein solches "Parlament" wäre allerdings dann nur noch ein Zerrbild. Zudem könnte es seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Ein Parlament weist zum Beispiel viele Ausschüsse auf: Einige arbeiten Eingaben aus der Bevölkerung durch, geben Empfehlungen ans Plenum ab, wie auf Bechwerden zu reagieren sei, antworten den Absendern im Namen des Parlaments, leiten die Eingaben an die zuständigen Behörden weiter usw. Ein anderer Ausschuss behandelt vielleicht nur Eingaben aus der Armee, deren Angehörige in einer besonderen (engen und daher nicht immer ganz freien) Beziehung zum Staat stehen. Ein solcher Ausschuss mag unsinnig wirken, aber vielleicht ist er das Organ, das am wirksamsten einem Militörputsch vorbeugt. Daneben gibt es Ausschüsse, die vor allem prüfen und überwachen: Sie gehen die Rechenschaftsberichte verschiedener staatlicher Stellen durch, prüfen deren Rechnungen, versuchen Ungereimtheiten und Misswirtschaft zu entdecken und legen, falls sie etwas entdecken, den Finger auf den wunden Punkt. Daneben gibt es Delegationen und Abordnungen, etwa solche beim Europarat und in anderen internationalen Institutionen. Wieder andere Gremien beraten Erlassvorlagen durch, stellen die Abrechnungen über die Diäten zusammen oder beaufsichtigen das Personal des Parlamentes, bis hin zur Verwaltung des Gebäudes. Alle diese Aufgaben mögen im Einzelfall unwichtig scheinen, man wird in fast jedem Fall sagen können, ein Verzicht auf dieses oder jenes dieser Gremien sei problemlos. Beispielsweise kann man die Abrechnung der Diäten und die Verwaltung des Parlamentsgebäudes auch der Exekutive zuweisen - allerdings erhält diese dann einen Hebel, das Parlament unter Druck zu setzen, etwa durch verzögerte oder verweigerte Auszahlung der Diäten oder durch die Vornahme einer grossen Renovation des Parlamentsgebäudes unmittelbar vor einer wichtigen Abstimmung, in der sich eine Mehrheit gegen den Vorschlag der Regierung abzeichnet. Man kann auch sagen, dass es keinen Grund gebe, den Europarat mit Ressourcen des Parlamentes zu alimentieren - allerdings verzichtet man damit auch auf internationalen Einfluss. Daneben hat ein Parlament aber auch eine repräsentative Aufgabe, und dies nicht zuletzt auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Es ist zumindest ein netter Zug, wenn bei einem öffentlichen politischen Streitgespräch über bundespolitische Themen in Kleinhintertupfing auch mal ein Abgeordneter im Bundestag aus Obertupfing anwesend ist statt nur der Parteivorsitzende aus Grosshintertupfing, der noch nicht einmal als Tourist in Berlin war. Bei einem Land gegebener Grösse und Bevölkerungszahl wird dieser nette Zug aber eben unter einer gewissen Grösse des nationalen Parlamentes unmöglich bleiben. Summa summarum gibt es daher eine ganze Anzahl Gründe, warum zumindest nationale Parlamente in aller Regel schon eine gewisse Grösse so von 200 Mitgliedern an aufwärts haben und auch haben sollen.

ad 5: Gewiss, dies ist ein Nebenpunkt. Indes weise ich darauf hin, dass eben "ungültig" sehr verschiedenes bedeuten kann. Eine Möglichkeit besteht darin, einen Wahlzettel einzuwerfen, auf dem keine Option angekreuzt ist. Dies mag man, wenn man will, als Ausdruck einer Willensäusserung ansehen, die mit allen wählbaren Optionen (Listen und Einzelkandidaturen) unzufrieden ist. Für zwingend halte ich eine solche Interpretation allerdings nicht. Daneben kann ein Wahlzettel aber auch als ungültig gewertet werden, weil er zwei Kreuze für zwei verschiedene Listen aufweist. Dies mag aus Dummheit geschehen sein, vielleicht steckt aber auch bloss der Versuch dahinter, das System "zu überlisten". Wäre dem so, so wäre es dreist, und Dreistigkeit sollte in keiner Weise belohnt werden. Ein weiterer Grund kann sein, dass jemand eine Bemerkung auf den Wahlzettel geschrieben hat. Vielleicht steht da nun zu lesen: "Politiker sind alles A..." Würde jemand eine solche Aussage in einer Diskussion von Angesicht zu Angesicht andern an den Kopf werfen, müsste er sich wohl ziemlich sicher vor dem Strafrichter verantworten. Soll man eine solche Tat, begangen mittels Wahlzettel, auch noch belohnen? Mir scheint daher nach wie vor, dass ungültige Stimmen eben als ungültig behandelt und nicht irgendwie gewertet werden sollten.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juni 2007 - 19:36 Uhr:   

@Florian: Hatte leider Dein Posting noch nicht gesehen, als ich meins schrieb, hätte ich mir dann fast schenken können. Lag daran, dass ich vorsorglich


quote:

erst mal andächtig alles gelesen hab, was hier schon verewigt worden ist.




Das hatte einfach zuviel Zeit gekostet ...

@Alfred Mayer:


quote:

Unglaublich, wie viele beflissene Menschen es gibt.




Ja super, ich bin auch ganz überwältigt. Aber bekommen denn nur "alte Recken" wie Philipp Wälchli eine inhaltliche Stellungnahme?
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 09. Juni 2007 - 17:25 Uhr:   

"Unglaublich, wie viele beflissene Menschen es gibt."

Dieser Kommentar ist ja nun wirklich eine Frechheit.
Sie stellen einen Vorschlag zur Diskussion und bekommen eine sehr substanzielle und nuancierte Debatte darüber.
Dass sich Leute die Mühe gemacht haben, Ihren Vorschlag zu analysieren empfinden Sie als "Beflissenheit".
Hätte es Ihnen denn besser gefallen, wenn der Vorschlag einfach ignoriert worden wäre?

Wohl kaum.
Dann liegt es wohl daran, dass nicht alle in diesem Forum gleich in Begeisterungsstürme ausgebrochen sind? Dass es Forumteilnehmer gewagt haben, Schwächen des Modells anzusprechen?

Meine Güte!
Dann lassen Sie's halt, wenn Sie Kritik nicht vertragen können.
Oder schreiben Ihre Ideen nur noch in Foren, deren Teilnehmer Ihrer Grundannahme zustimmen, dass im Parlament ja ohnehin nicht "echt" gearbeitet wird und Abgeordnete daher ohnehin ein lästiges Übel sind.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Juni 2007 - 11:39 Uhr:   

Na na, mal mit der Ruhe bitte!
Nicht jeglicher Ausruf, den mal wer von sich gibt, braucht auch gleich beleidigend gemeint zu sein. Vielleicht mag ja dahinter ehrliche Überraschung stecken?

Falls sich im übrigen Notoriker hier betätigen, die beispielsweise wider besseres Wissen ihre fixen Ideen wiederkäuen und kritische, aber zutreffende Argumente mit unflätigen Bemerkungen abtun (wie auch schon gesehen), dann kann man ja (wie ich auch schon gemacht habe) unter entsprechender Anzeige künftig solche Trolle ignorieren.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Montag, 11. Juni 2007 - 13:14 Uhr:   

"Unglaublich, wie viele beflissene Menschen es gibt."
Diesen Satz würde ich gern ungeschehen machen. Ich habe da leider meinen Frust freien Lauf gelassen, daß es immer brave Untertanen gibt, die stets dafür bereit stehen, die bestehenden Machtverhältnisses um jeden Preis zu verteidigen. Das trifft aber bei verständiger Betrachtung auf die Beiträge oben nicht zu.
Ich hätte besser geschwiegen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 12. Juni 2007 - 11:34 Uhr:   

Nun ja, "brave Untertanen" ...
Lassen wir dies lieber mal so stehen.
Die bestehenden Machtverhältnisse würden allerdings durch ein System der eingangs skizzierten Art nicht wirklich verändert.
Nehmen wir einmal an, wir hätten 100 Sitze zu vergeben. 2% der Stimmen sind unkorrekt, missverständlich, enthalten ehrverletzende Bemerkungen usw. 4 Listen haben je rund 3% erhalten und fallen daher fort. 7% der Stimmen sind leer (Enthaltung) bzw. haben ausdrücklich für die Option "niemand" gestimmt (wenn das denn vorgesehen wäre). Das ergibt dann in der Summe 21% aller abgegebenen Stimmen, die nicht bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden, sondern nur leere Sitze erzeugen.
"Unser" Parlament wird dann also von 100 vorgesehenen Sitzen bloss deren 79 aufweisen, 21 bleiben ja eben leer bzw. werden nicht vergeben.
Die vier verbliebenen Listen erhalten jeweils rund 35%, 24%, 12% und 8%. Dies ergibt dann für diese Listen auch entsprechend 35, 24, 12 und 8 Sitze auf nun noch total 79 statt 100 Sitze.
Nun haben also die vier Fraktionen im Parlament folgende Stärken:
35/79tel, 24/79tel, 12/79tel und 8/79tel.
Wenn wir traditionell auf 100 Sitze verteilen wollten, dann müssten wir die 79% aller Stimmen den 100% aller Sitze gleichsetzen. Das ergibt dann eine Gleichung der Art:
x / 79 = x' / 100
Diese Gleichung müssen wir durch Einsetzen des x für jede Liste lösbar machen und anschliessend nach x' auflösen. x ist also der Stimmenanteil einer Liste, x' der Sitzanteil einer Liste.
Wenn wir dies tun, ergibt sich, dass die Listen je Anspruch auf 35/79*100, 24/79*100, 12/79*100 bzw. 8/79*100 haben. Mit andern Worten: Wir spreizen zwar die Zahle der zugeteilten Sitze von insgesamt 79 auf insgesamt 100, aber das Kräfteverhältnis wird dadurch nicht verschoben, abgesehen von den Fällen, in denen durch die anders ausfallen Rundung von Bruchteilsansprüchen auf eine andere Zahl von Mandaten leichte Rundungsdifferenzen entstehen.
Wir verändern also (abgesehen von eventuell auftretenden Rundungsabweichungen) durch eine höhere oder tiefere Sitzzahl die Kräfteverhältnisse zwischen den Listen nicht.

Dies ist im übrigen auch nicht erstaunlich, sondern das Wesen eines propotionalen Verteilungssystems: Dieses soll ja eben der Erhaltung der Kräfteverhältnisse dienen. Dazu bilden diese Verfahren die Verhältnisse von einer bestimmten Zahl (Stimmenzahl) auf eine andere Zahl (Sitzzahl) ab. Dies kann auch über mehrere Stufen gehen, etwa: Stimmen im Volk - Sitze im Parlament - Sitze in einem vom Parlament gewählten Ausschuss - Sitze im Ausschuss-Präsidium. Wird dies sauber durchgeführt, gleichen sich die Kräfteverhältnisse auf allen Ebenen bis auf die rundungsbedingten Abweichungen, die unvermeidlich, aber bei einem guten Abbildungsverfahren minimal sind.
Mathematisch liegt dem die Struktur einer Verhältnisgleichung zugrunde:

a / b = c / d = e / f

So geschrieben zeigt sich rasch, dass sich auf keiner Seite etwas ändern kann (sonst wäre es ja keine Gleichung mehr), sondern dass stets dasselbe Verhältnis bestehen bleibt. Übrigens ist dies eine schon ziemlich alte Erkenntnis, denn immerhin liegen schon den platonischen Gleichnissen, etwa klar ersichtlich dem Höhlengleichnis, die Strukturen einer Verhältnisgleichung zugrunde. Also ziemlich Kalter Kaffee inzwischen.

So leid es mir also tut, dies sagen zu müssen: Durch "Kürzen" bzw. Nichtvereilen von Sitzen eines Parlamentes werden die Machtverhältnisse grundsätzlich nicht im geringsten verändert, solange die Wahl grundsätzlich nach Verhältniswahlsystem erfolgt. Im Gegenteil erreicht man dadurch höchstens, dass der einzelne Abgeordnete an Macht gewinnt. Dies kann man wollen oder auch nicht wollen. Wenn bisherige Hinterbänkler plötzlich mehr Macht erhalten und diese auch (miss-)brauchen, dann halte zumindest ich dies für kontraproduktiv.

Wenn man also kein "braver Untertan" sein möchte, sondern die "bestehenden Machtverhältnisse um jeden Preis" verändern will - dann muss man einen andern Weg suchen, durch den man die Machtverhältnisse tatsächlich und nicht nur dem Schein nach beeinflussen kann.
Wer darauf hinweist, dass die Veränderung der Parlamentsgrösse eine Schein-Lösung ist, entpuppt sich also nicht als braver Untertan, der die bestehenden Machtverhältnisse um jeden Preis verteidigt, sondern zeigt nur, dass er eben zwischen echten und scheinbaren Lösungen zu unterscheiden weiss.
Schon in der Bibel steht, man solle sanft wie eine Taube, aber auch klug wie eine Schlange handeln. Mindestens ist es beim Erreichen eines Zieles zweckdienlicher, schlau genug zu sein, eine taugliche Lösung zu finden. Im übrigen gilt ja immer noch das Wort, dass das Gegenteil von Gut nicht Schlecht ist, sondern Gut Gemeint.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Dienstag, 12. Juni 2007 - 18:19 Uhr:   

Natürlich werden die Machtverhältnisse nicht verändert. Es geht nur darum, daß die Parteien, die Kleinen durch einfaches Gesetz ausschließen, nicht auch noch ihre Posten bekommen sollen. Wenn man sich einig war, daß zum Beispiel der Bundestag (rund) 600 Abgeordnete haben soll, war noch nicht gesagt, wie viele Kleine die 5 % meistern würden. Es hätte sein können, daß z,B. fünf kleine Parteien einziehen würden. Wenn die Großen ohne die Kleinen regieren wollten, müßten sie das unter dem Störfeuer der Kleinen mit 450 Abgeordneten tun. Meint hier jemand, das ginge nicht ? Wenn doch, warum soll das dann auf einmal nicht gehen, wenn die dank 5%Kausel unbesetzten Sitze frei bleiben ?

Die Machtverhältnisse lassen sich als Folge der 5%Klausel allenfalls durch ein Alternativstimmenwahlrecht vgl. http://www.wahlrecht.de/forum/messages/172/2548.html?1180918750 verändern.
Vielleicht würde allein schon der drohende Machtverlust ausreichen, um die Machtinhaber für die Bedürfnisse der Ohnmächtigen zu sensibilisieren.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 12. Juni 2007 - 23:21 Uhr:   

Da müsste man sich mal entscheiden, was man will. Zwei Hasen auf einmal jagen ist leider etwas schwierig.
- Wenn es darum geht, MACHTVERHÄLNISSE zu verändern, dann wären wohl andere Mittel als die vorgeschlagenen tauglich, etwa Verzicht auf eine Sperrhürde, qualifizierte Mehrheiten für alle wichtigeren Entscheidungen, Einführung von Volksentscheiden, Bildung einer Regierung aus Vertretern aller Parteien u. dgl. mehr.
- Wenn es um die Grösse des Bundestages geht, dann besteht die einfachste Lösung darin, diese entsprechend im Gesetz festzulegen.
- Wenn es darum geht, dass "Parteien, die [ergänze: die] Kleinen durch einfaches Gesetz ausschliessen, nicht auch noch ihre [scilicet: der Kleinen] Posten bekommen sollen", dann ist in der Tat eine Lösung wie vorgeschlagen näher in Betracht zu ziehen.
ABER: 1.) dienen alle diese Massnahmen je unterschiedlichen Zielen, und 2.) gibt es durchaus ernsthafte Einwendungen dagegen, die man besser doch erst einmal bedenkt, bevor man sie mit populistischen Schlagworten vom Tisch fegt.
Die Kleinen sind ja nicht primär deswegen klein, weil die Grossen sie nicht gross werden lassen, sondern weil sie in der wahlberechtigten Bevölkerung wenig Unterstützung finden. Wenn man sich einige Länder anschaut, in denen das Wahlverfahren kürzlich geändert wurde, so wird man feststellen, dass es einen signifikanten Einfluss auf das Wahlergebnis gab, dass dieser sich aber in engen Grenzen hält. Allein eine Umstellung wie etwa der Wechsel von d'Hondt zu Hare oder einem ähnlichen Zählsystem kann einige Sitze zu den kleinen Listen verschieben - aber die politischen Kräfteverhältnisse nicht wesentlich verändern.
Für Deutschland stellt sich allerdings ein anderes Problem: Wenn man die bisherige Regelung aufgibt, nach der Listen ausfallen, wenn sie eine bestimmte Stärke unterschritten haben, dann werden Vertreter kleinerer Parteien in den Bundestag einziehen und Sitze einnehmen, die bisher die grösseren Parteien (auch die Grünen und die FDP sind ja nicht wirklich "gross"!) innehatten. Damit würde es noch schwerer, Koalitionen zu bilden. Zum Vergleich kann man einmal nach Italien oder Israel blicken, wo sich zig Parteien an einer Koalition beteiligen müssen, damit es überhaupt eine Mehrheit gibt. Wenn zudem radikal-extremistische Parteien darunter sind, die von der überwiegenden Mehrheit als nicht koalitionsfähig beurteilt werden, dann fallen deren Sitze zur Mehrheitsbeschaffung fort, der Druck wird eher grösser, dass als "einzig machbare Alternative" grosse Koalitionen gebildet werden - mit den entsprechenden Folgen natürlich.
Wenn ich mir so die Äusserungen in diesem Forum anschaue von Leuten, die gegen die "grossen" oder "etablierten" Parteien schiessen, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sie auch noch grosse Koalitionen auf Dauer zementieren möchten.
Wenn man ferner argumentiert, dass die Sitze im Bundestag nur "Posten" seien, die sich die "Grossen" unter den Nagel reissen, also sprich wohl: Pfründen, die den Parlamentariern ein gutes Leben ermöglichen sollen - dann stellt sich ohnehin die Frage, was Leute, die das Problem so betrachten, am besten tun sollen. Wie ich schon bemerkte, könnten die dannzumal gekürzten Rest-Parlamentarier unter Hinweis auf höhere Arbeitslast einfach zusätzliche Mitarbeiter einstellen und die Zahl der Sinekuren noch vermehren. Dazu brauchen sie wohl noch nicht einmal ein einfaches Gesetz, dazu reichen ein paar simple Entscheidungen aus, die noch nicht einmal Gesetzesform benötigen. Aber damit ist das Problem ja auch nicht geschaffen und erst recht nicht gelöst: Wenn man Parlamentarier bloss als Pfründenjäger sieht, dann müsste man sich doch wohl schon überlegen, wie man solche Personen gegen verantwortungsbewusste Leute auswechseln könnte, die ernsthafte Arbeit leisteten. Oder aber man kann sogar zur Auffassung gelangen, dass Parlamentarier immer und überall ihre Pflichten zu vernachlässigen, am Volkswohl vorbei zu handeln und nur ihr eigenes Wohlergehen im Auge zu halten geneigt seien. Dann müsste man konsequenterweise den Parlamentarismus beseitigen.

Nur am Rande möchte ich einmal noch darauf hinweisen, dass es noch ein paar praktische Probleme in der Durchführung beim deutschen Bundestagswahlrecht gäbe: Bekanntlich wird idealerweise die Verteilung der Sitze auf die Listen allein nach den Zweitstimmen vorgenommen, auf die danach die errungenen Direktmandate angerechnet werden. Nun gelten diese Idealbedingungen allerdings seit langem regelmässig nicht, so dass Überhangmandate anfallen. Überhangmandate entstehen dadurch, dass weniger anrechenbare Listenmandate vergeben wurden, als Direktmandate errungen wurden. Wenn wir nun dazu übergehen wollten, die Listenmandate, die an gescheiterte Listen fielen, leer zu lassen, dann würde sich auch die Zahl der den grossen Parteien zufallenden Listenmandate verringern, so dass weniger ihrer Direktmandate angerechnet werden könnten, es also mehr Überhangmandate gäbe. Damit wäre dann der ganze schöne Kürzungs-Effekt so ziemlich wieder verpufft. Ohne also das System als ganzes zu verändern, wäre dies ohnehin nur Schaumschlägerei.

Einem Alternativstimmensystem stehe ich persönlich grundsätzlich wohlwollend gegenüber; ich habe allerdings darauf hingewiesen, dass es ein Problem ergäbe, wenn Leute, die einer gescheiterten Partei ihre Stimme gegeben hätten, ihre Alternativstimme einer andern Partei gegeben hätten, die ebenfalls scheiterte. Dann wäre nämlich auch die Alternativstimme wertlos.
Wenn man nun schon "die Machtinhaber" gegen die "Ohnmächtigen" setzt, dann steht aber auch zu vermuten, dass jemand, der so denkt, seine Alternativstimme, nachdem er der Partei der Systemveränderer schon seine Stimme gegeben hat, nicht noch der Machtinhaber-Partei CDU oder SPD geben will, sondern dann vielleicht doch lieber der Querulanten-Partei, der Liste unabhängiger Rechthaber oder am Ende der Aktion gegen Parlamentarismus. Und die Wähler, die primär der Aktion gegen Parlamentarismus die Stimme geben, werden ihrerseits die Alternativstimme kaum einer der etablierten Parteien geben, sondern vielleicht der Querulanten-Partei oder den Systemveränderern. Und weil alle diese Splittergruppen schon in der ersten Runde rausfliegen, sind dann auch die über Kreuz verteilten Alternativstimmen futsch.
Daher scheint mir ein komplexeres System, das eine Reihung aller Parteien oder etwas derartiges vorsieht, am Ende besser geeignet, den Zweck zu erfüllen, dass keine Stimme unberücksichtigt bleibt. Wenn man dieses Ziel anstrebt, sollte man daher schon eher ein solches System zu seiner sicheren Erreichung favorisieren.

Womit ich zu einem generellen Fazit komme: Die ganze Sache scheint mir nämlich insgesamt zu wenig durchdacht. Dies fängt schon einmal bei den Zielsetzungen an: Welches Ziel sollte durch "Kürzung" des Bundestages erreicht werden? Erst wenn das Ziel bestimmt ist, kann auch über den Weg dahin gesprochen werden. Doch auch dieser Weg scheint mir zweifelhaft. Schliesslich müsste man vielleicht auch noch über die Folgen und mögliche Nebenwirkungen nachdenken.
Das alles ist bisher entweder nicht oder noch viel zu wenig geschehen.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Donnerstag, 14. Juni 2007 - 02:17 Uhr:   

Zitat Wälchli:
"Wenn man nun schon "die Machtinhaber" gegen die "Ohnmächtigen" setzt, dann steht aber auch zu vermuten, dass jemand, der so denkt, seine Alternativstimme, nachdem er der Partei der Systemveränderer schon seine Stimme gegeben hat, nicht noch der Machtinhaber-Partei CDU oder SPD geben will, sondern dann vielleicht doch lieber der Querulanten-Partei, der Liste unabhängiger Rechthaber oder am Ende der Aktion gegen Parlamentarismus."

Die Idee ist, den Wählern, die ihre Stimme statt der ihren Interessen am nächsten kommenden aber aussichtslosen Partei der zweitbesten aber aussichtsreichen Partei geben, damit die Stimme nicht wirkungslos wird bzw nicht in die verkehrte Richtung wirkt, von dem Risiko zu befreien.
Für wen ohnehin nur aussichtslose Parteien in Betracht kommen, ändert sich durch ein Alternativstimmen-Wahlverfahren natürlich nichts oder wenig. Muß es ja auch nicht.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Donnerstag, 14. Juni 2007 - 14:58 Uhr:   

Na ja, dann sollte man aber soviel Aufwand lieber lassen und auch nicht gross davon reden, man wolle wirklich was ändern. Schaumschlagen gefällt mir in der Konditorei eindeutig besser.

Im übrigen wäre es auch ein netter Zug, gelegentlich ausführlich auf eine ausführliche Argumentation einzugehen, statt sich das herauszupicken, was man meint, am einfachsten "erledigen" zu können.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 15. Juni 2007 - 01:16 Uhr:   

Zitat Wälchli:
"Na ja, dann sollte man aber soviel Aufwand lieber lassen und auch nicht gross davon reden, man wolle wirklich was ändern. Schaumschlagen gefällt mir in der Konditorei eindeutig besser."

Wo liegt der große Aufwand, wenn der Wähler auch noch eine Ersatzstimme für den Fall eines "Fehlwurfs" erhält ?
Wenn Sie sich beklagen, daß ich nicht auf alle Ihre Argumente eingehe, sollten Sie möglichst sachlich bleiben. So freiweg zu behaupten, ich (bzw. die Urheber der Idee) wollten wirklich gar nichts ändern, geht an dem Umstand dabei, daß andere als etablierte Parteien endlich eine Chance bekämen, weil die Wähler nicht mehr befürchten müssten, ihre Stimme könne als Folge der 5%Klausel unwirksam sein. Die derzeit nicht abwählbaren Inhaber der Macht müßten sich dann zumindest mehr Mühe geben, z.B. ein bißchen mehr auf die Bewahrung des sozialen Friedens und der ökologischen Zukunft achten.
Aber das haben sie doch längst erkannt. Warum dann so daneben liegende, unverständige Feststellungen ?
Ein Nachteil dieses Forums ist das Drauflosschreiben und dann auch noch übel zu nehmen, wenn ursprünglich wohlmeinende Leute genervt aufgeben. Man hat den Eindruck, daß die wenigen Dauerposter, denen zu allem irgendetwas, ja irgendetwas einfällt, unter sich bleiben wollen.
Leider habe ich mit meiner Bemerkung über "beflissene Untertanen" einen großen Fehler gemacht. Ich danke Ihnen, daß Sie mir das nicht groß übel genommen haben. Hätten Sie das nur, anstatt jetzt in der Sache unsachlich auf mich los zu gehen.
Wenn Sie dieses Forum als Trainingsfeld für den Umgang mit Unverständnis sehen sollte,, sollte das ausdrücklich gesagt werden.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 15. Juni 2007 - 11:08 Uhr:   

Es ist für eine bestimmte Geisteshaltung bezeichnend, immer nur aus EINER Sicht zu denken. Gewiss, für den Wähler ist der Aufwand nicht gross, neben den Systemveränderern auch noch die Querulanten anzukreuzen. Nur muss das auch jemand auswerten. Zuerst dürfen die Leute also mal die Stimmen auszählen, danach auch die Alternativstimmen, um dann festzustellen, dass auch diese gescheitert sind. Eine Übung für die Katze also. Aber damit nicht genug: Es müssen auch entsprechende Wahlzettel gedruckt werden, es muss Aufklärung erfolgen, sonst wird wieder gerufen, das System sei unverständlich, es werde manipuliert usw. Sodann nimmt auch die Gefahr von Verwechslungen und Fehlern zu.
Das alles unter dem Etikett "Keine Fehlwürfe mehr" (Auch dazu eine Frage zur Geisteshaltung: Was soll man dazu sagen, dass jemand eine Wahlentscheidung als "Wurf" ansieht? Ist dies nur bewusst saloppe Sprache oder allen Ernstes ein Vergleich mit einem Würfelspiel oder einer Lotterie?). ABER: DAS STIMMT GAR NICHT! Im vorgeschlagenen System ist es immer noch möglich, einen solchen "Fehlwurf" zu tun, und zwar einen doppelten.
Nach dem Rezept aus dem vorletzten Posting müsste man in einem Alternativstimmensystem also 1. seiner Lieblingspartei (vielleicht mal nicht den "Chaoten" oder den "Systemveränderern", sondern vielleicht eher der Liste "Soziales" oder der Partei "Weltverbesserer") die Stimme geben und 2. die Alternativstimme dann doch einer der grossen, etablierten Parteien.
Mit Verlaub: Das ist absurd! Unter dem Gesichtspunkt "Machtveränderung" ist es ohnehin untauglich, vielleicht sogar kontraproduktiv.
Ich bin nicht unbedingt sicher, dass die heutigen Wähler von Splitterparteien oder heutige Nichtwähler alle eine andere Machtverteilung wünschen, nehme dies aber einmal als gegeben an und unterstelle ZUSÄTZLICH, dass diese alle ein ERNSTHAFTES Interesse daran haben, ihre Ziele auch durchzusetzen.
Was geschieht nun aber, wenn sie sich tatsächlich nach dem nicht von mir vorgeschlagenen Modell verhalten und ihre Stimme einer kleinen Partei geben, ihre Alternativstimme aber einer der grossen? Wenn die kleinen Parteien scheitern, was ja anzunehmen bleibt, dann werden die grossen Parteien mächtiger, weil ja nun über die Alternativstimmen zusätzliche Stimmen zu ihnen gelangen! Das kann aber nicht ernsthaft die Idee sein, wenn man eine Umverteilung der Macht wünscht. Ein solches Ergebnis wäre auch kein Ansporn für die grossen Parteien, ihren Kurs zu ändern, denn sie profitieren ja von dem System!
Ein vernünftiger Wähler einer der oben genannten kleinen Parteien dürfte also auf keinen Fall seine Alternativstimme einer der grossen Parteien geben, denn damit würde er diesen nicht schaden, sondern ihnen nützen. Also liegt es sehr nahe, dass er seine Alternativstimme einer andern nicht-etablierten Partei gibt - und damit ist die Wahrscheinlichkeit wiederum gross, dass die Alternativstimme ebenfalls scheitert.
Es müssten also in namhaftem Umfang Wähler der grossen Parteien nun "gefahrlos" dank Alternativstimme zu kleinen Parteien wechseln, oder es müssten sich Neuwähler, die bisher nicht gewählt haben, zur Wahl für kleine Parteien bewegen lassen oder aber es müssten sich die Wähler gescheiterter Parteien bei künftigen Wahlen gleichsam auf die paar erfolgreichsten darunter konzentrieren.
Aus verschiedenen, vor allem soziologischen Gründen halte ich dies alles nicht für sehr wahrscheinlich.
Somit kommt der Punkt, an dem ich ein wirklich kritisches Urteil fälle, nämlich dass es eben nicht zutrifft, dass ein Alternativstimmensystem ZWINGEND garantiert, dass keine Stimme verloren geht. Wer dies sagt und propagiert, verbreitet daher einen Irrtum, eine Unwahrheit oder Lüge. Es handelt sich dann um eine Täuschung des einfachen Wählers, dem etwas vorgegaukelt wird, was tatsächlich nicht zutrifft. Und das finde ich nun moralisch unschön.
Das bestehende System hat Mängel (das hat auch niemand bestritten, nicht einmal der Bundestag selbst - warum sonstn novelliert er dauernd das Wahlgesetz?), aber wenigstens ist es in dem Punkt ehrlich, als klar ist, dass man seine Stimme auch "verlieren" kann, indem man sie einer Partei gibt, die letztlich scheitert.
Aber wenn ich das nun sage und dafür wirklich jede Menge Argumente vorbringe, dann ziehe ich mir den Vorwurf zu, "unsachlich" zu sein, ja "danebenliegende, unverständige Feststellungen" zu verbreiten. Daran schliesst sich dann gleich eine generelle Polemik gegen das gesamt Forum ein.
Da stellt sich vielleicht doch die Frage, wer hier unsachlich argumentiert.
Ich halte nach wie vor die Forderung, dass so wenig Stimmen als irgend möglich "verloren" gehen sollten, für demokratisch begründet, und zwar sehr gut begründet. Allerdings trenne ich diese Forderung von der Forderung nach Machtumverteilung. Ein Wahlsystem sollte ja zunächst einmal Macht verteilen, nämlich entsprechend dem Kräfteverhältnis unter den Wählenden, in diesem Sinne aber auch: gerecht. Wenn ein Wahlsystem das leistet und in diesem Sinne Macht "gerecht" verteilt, gibt es auch keinen Grund, Macht umverteilen zu wollen.
Wenn aber das Ziel ist, keine Stimmen verloren gehen lassen zu wollen, dann ist eben eine Alternativstimme nur die halbe Miete - und dabei stehen Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis.
Schon anders sieht es aus, wenn man statt eines Rauswurfes in der ersten Runde ein etwas komplexeres System anwendet, das der Verteilung in einem STV-System gleicht: Man könnte z. B. zunächst nur alle Stimmen auswerten und schauen, welche Listen nicht 5% erreicht haben. Dann schmeisst man aber diese nicht aus der Wertung, sondern nur die Liste unter 5% mit den wenigsten Stimmen. Anschliessend verteilt man die Alternativstimmen der Wähler dieser Liste auf alle verbliebenen Listen und schaut, ob nun eine oder mehrere über 5% gelangen. Anschliessend streicht man wieder die schlechteste Liste usf., bis keine Liste mehr unter 5% übrig geblieben ist. Auch dabei können Stimmen unwirksam verfallen, aber deutlich weniger. Oder aber man geht wie bemerkt zu einem System über, in dem es soviele Alternativstimmen gibt wie Alternativen oder eben auch zu einem Rangordnungs- oder Reihungsverfahren wie STV o. dgl.
Wenn einem dies zu aufwendig, zu komplex oder auch zu wenig transparent erscheint, dann bliebe immer noch zu erwägen, die 5%-Hürde aufzuheben oder alles zu lassen, wie es ist, und den Leuten klar zu sagen, dass sie das Risiko tragen, ihre Stimme könnte verfallen. Das wäre letztlich immer noch klar und ehrlich, jeder könnte selbst entscheiden, ob er auf Risiko stimmen will oder nicht.
Wiederum darf man fragen, was daran unsachlich sei. Ist es vielleicht die Weigerung, sich mit Argumenten und differenzierter Kritik allseitig auseinanderzusetzen? Oder was ist es sonst?
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 15. Juni 2007 - 13:41 Uhr:   

Ich bekenne, diesem Schwall von angedachten Gesichtspunkten und den bei einer
Antwort unausweichlichen Verästelungen nicht gewachsen zu sein,
Nur soviel:
Kennen Sie das Bayer. Kommunalwahlsystem ? Es ist viel viel komplizierter beim Auszählen.
Haben Sie auch noch eine Wächterfunktion über die Deutsche Sprache. Ist das in Anführungszeichen gebrauchte Wort "Fehlwurf" wirklich so schlimm. Wollen wir uns wirklich mit Sprachstudien aufhalten. Wie viel Zeit haben Sie denn und welchen Zeitaufwand erwarten Sie von Ihren Lesern ?
Leider gibt es in diesem Forum keinen sichtbaren Counter. Wieviele Zugriffe hat das Forum denn überhaupt ? Warum haben Sie nötig, auch unregistrierte Poster zuzulassen, die frei von jeder Verantwortung drauf los schreiben können.
Geht es hier um wichtige Anliegen oder soll es der Unterhaltung dienen ?
Ihr Stolz wirklich jede Menge Argumente vorzubringen, ist Ihr grundlegender Fehler. Es fehlte gerade noch, daß Sie die Zahl der hier eingebrachten zählen.
Man kann Leser sehr schnell ermüden, wenn man "den Denkvorgang mitschreibt".
Aber hierher zurück:
Von ZWINGENDEN Ergebnissen war nie die Rede.
Niemand wäre durch ein AltSTWV gezwungen, ersatzweise eine Großpartei zu wählen. Jetzt ist er aber dazu gezwungen, wenn er seine Stimme nicht wirkungslos machen will. Wenn er überhaupt nicht zur Wahl geht, kommt seine Stimme nämlich allen Großparteien zugute. Ich weiß jetzt nicht mehr so ganz, ob Sie sich vorstellen können, daß ein Wähler eine Großpartei vor einer anderen bevorzugen kann, obwohl er eigentich beide ablehnen möchte, das aber in diesem Wahlsystem nicht kann. Es sei denn, die für die Splitterparteien abgegebenen Sitze würden nicht vergeben. Dann wäre nämlich die Wirkung zu erwarten, daß sich die etablierten mehr um die potentiellen Wähler kleienr Parteien bemühen müßten.
Ein Wahlsystem ist kein Wert für sich und auch kein wertfreies Gesellschaftsspiel. Es geht um Demokratie. Deshalb kann nicht gleichgültig sein, ob es eine 5%Klausel gibt oder nicht, die die Machtverhältnisse zementiert.
Gut erwägen wir, die 5%Klausel aufzuheben. Ich bin voll für eine Aufhebung. Nur wird dieses Forum sie nicht abschaffen können.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 15. Juni 2007 - 14:07 Uhr:   

Erst einmal vielen Dank für die ach so netten Worten, die Belehrungen über Anstand und Benimm einschliesslich der psychoanalytischen Diagnose.
Ich muss jetzt den Vorschreibern Recht geben, die schon beim ersten Zwischenfall einen Troll lokalisierten: Wer wie ein Afred Mayer auf andere eindrischt, braucht sich wirklich nicht zu wundern, wenn niemand mehr auf ihn eingeht. Dies werde ich inskünftig auch nicht mehr tun. Denn absolut lernresistente Charaktere sind nicht mehr als Zeitverschwendung.

Im übrigen nur noch dies: Wenn man wirklich etwas ändern möchte, müsste man sich erst einmal entscheiden, was man für ein Ziel hat. Wenn man jedoch in einem Satz dies als Ziel angibt und sich im nächsten oder spätestens übernächsten selbst widerspricht, dann kann man das Ziel, das man gar nicht hat, auch nicht erreichen, denn einen Weg nach Überall-und-Nirgendwo gibt es nun mal nicht.

In diesem Sinne: Ende der Diskussion und Ende aller Diskussionen, die mit einem Afred Mayer nicht geführt werden können.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Freitag, 15. Juni 2007 - 19:03 Uhr:   

Schade um dieses Forum.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Samstag, 16. Juni 2007 - 00:59 Uhr:   

Was haben Sie denn gegen Ihresgleichen Meister Wälchli ? Trolle sind doch was Nettes.
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ag (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 16. Juni 2007 - 15:24 Uhr:   

@Alfred Mayer:
Zurecht gehört das Nachtreten beim Fußball zu den am härstesten bestraften Fouls -- und am wenigsten wird es goutiert, wenn vom Verlierer ausgeführt.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Juni 2007 - 09:08 Uhr:   

Wer steckt denn überhaupt hinter "ag" ?
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AeD (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Juni 2007 - 09:16 Uhr:   

@Alfred Mayer
Wer ein wenig im Forum liest, wird das herausfinden (sollte man überhaupt auch vor und während inhaltlicher Diskussionen tun).
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Juni 2007 - 15:43 Uhr:   

Und wer steckt hinter Aed ? Ich meine, welche Person und nicht die bisher sichtbar gewordenen Äußerungen.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Juni 2007 - 20:52 Uhr:   

Keine Ahnung - aber wen interessiert das? Hinter "Alfred Mayer" kann auch real etwa Hera Lind, Brad Pitt, Angela Merkel oder Gregor Gysi stehen, das ist doch völlig unwichtig. Ich kenne keinen von denen persönlich und vermutlich auch nicht den Mann oder die Frau, die sich hier "Alfred Mayer" nennen möchten, oder von mir aus auch "Philipp Wälchli", "AeD" oder "ag".

Wenn ich mit konkreten Personen sprechen will, würde ich das nicht ausgerechnet in einem Internetforum versuchen. Wenn ich Meinungen (gerne abweichend von meiner eigenen, die kenne ich nämlich schon), Theorien, Kommentare von am gleichen Thema interessierten Fremden haben möchte, dann schon.

Aber man kann zum Sinn eines Forums sicherlich auch eine andere Meinung haben.
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Alfred Mayer
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Juni 2007 - 22:04 Uhr:   

Hallo Good Entidy
Du hast völlig recht. Allerdings kann ein registrierter Teilnehmer für seine Auslassungen zur Verantwortung gezogen werden. Aus der Anonymität heraus erteilte Belehrungen belustigen da schon etwas und fordern die Suche nach einer passenden Antwort heraus.
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AeD (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 18. Juni 2007 - 15:45 Uhr:   

Also Hera Lind bin ich nicht, die war mal live im Fernsehen, während ich hier was schrieb, Brad Pitt kommt der Sache schon näher, jedenfalls vom Geschlecht her ...

Spass beiseite: Hier und im Rest des WWW können alle - angemeldete und nicht angemeldete - Diskussionsteilnehmer zur Verantwortung gezogen werden, aber nur für straf- und zivilrechtlich relevante Dinge.
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mma
Veröffentlicht am Montag, 18. Juni 2007 - 16:27 Uhr:   

@AeD
"Brad Pitt kommt der Sache schon näher, jedenfalls vom Geschlecht her ..."

Nicht gerade überraschend. Die Geschlechterverteilung auf www.wahlrecht.de dürfte so unausgewogen sein, dass die Damen eine Fünfprozenthürde nicht überwinden könnten.
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Richard Seyfried
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2007 - 00:39 Uhr:   

Schade, dass diese Runde VORERST in überflüssigen Identitätsspekulationen und dergleichen geendet ist. Von der Idee her, wärs interessant gewesen.
Und in den meisten inhaltlichen Punkten kann ich Alfred Mayer voll zustimmen. Die wichtigsten Kriktikpunkte erscheinen mir nicht schlüssig.

@ Vorschlag, die Stimmgewichte von Parteien, die an der 5%-Hürde scheitern nicht mehr auf die größeren Parteien zu verteilen

Einer der häufigst genannten Einwände läuft darauf hinaus, dass es bei der Festlegung der Zahl der Abgeordneten primär um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments geht. In diese Richtung argumentieren etwa Good Entity ("Vielmehr soll diese Zahl ja so groß sein, dass die gewählten Vertreter des Volkes bestimmte, ihnen vorgegebene Aufgaben erfüllen können."), Florian ("Kann es denn wirklich vernünftig sein, die Zahl der Mandate von etwas vollkommen sachfremden wie der Wahlbeteiligung abhängig zu machen?") und am vielleicht drastischsten Phillipp Wälchli ("... halte ich dies nicht für sinnvoll und wünschbar, weil Wahlen im allgemeinen dazu dienen, funktionsfähige Gremien zu bestellen, und nicht dazu, deren Arbeit zu behindern oder sie gleich gar nicht zu bestellen").

Angesichts dieser geballten Kritik bis Polemik habe ich mich gefragt, was für die Funktionsfähigkeit des Parlaments die wichtigste Untergrenze bei der Abgeordnetenzahl ist. Da räumlichen Faktoren im Internetzeitalter kaum mehr eine ähnliche Bedeutung zukommt wie in der Zeit der Postkutschen, als viele Parlamente entstanden, fallen an der Wahlkreisgröße orientierte Argumentationen heute meines Erachtens flach. Entscheidend erscheint mir, dass auch die kleinste Fraktion über so viele Abgeordnete verfügen soll, dass sie alle Themen einigermaßen gut abdecken kann. 1 Abgeordneter kann das bei der heutigen Fülle an Materien UNMÖGLICH schaffen und ist auf die Vorarbeit von Kollegen angewiesen.
Nehmen wir an, das Wahlrecht sieht 600 Abgeordnete und eine 5%-Hürde vor. In diesem Fall erhält eine Partei mit mindestens 5% der Stimmen mindestens 30 Abgeordnete. Das ist offenbar der Wert, der vom Gesetzgeber als notwendig für ein voll arbeitsfähiges Parlament gesehen wird (Ob diese Zahl richtig oder zu hoch gewählt ist, ist dabei für das Prinzip egal)
Dieser meines Erachtens entscheidende Wert verändert sich, wenn man dem Vorschlag Alfred Mayers folgt, NICHT. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten immer GLEICHermaßen gegeben. Die Kritik an Mayers Vorschlag führt daher ins Leere. Ganz im Gegenteil ist es sogar so, dass das derzeitige Wahlrecht hier willkürlich ist. Scheitern viele Kleinparteien an der 5%-Hürde, so ist die kleinste Fraktion, selbst wenn sie nur 5,01% der Stimmen erhält automatisch bereits größer, als es für die Arbeitsfähigkeit erforderlich ist. Sie erhält ja nicht nur 30 sondern bei 10% verlorenen Stimmen bereits 33 Mandate. Die Mandatszahl kann aber nicht gesenkt werden, da vor der Wahl nicht klar ist, wieviele Stimmen aufgrund der Sperrklausel in den Mistkübel wandern. Der Vorschlag Alfred Mayers schneidet daher in meiner Analyse in puncto "Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit mit möglichst wenigen "überzähligen" Abgeordneten" besser ab als die derzeitige Regelung!

@ Protest durch Nichtwähler

Hier bin ich für das Ankreuzen eines eigenen Kästchens "Keine Partei von allen, leerer Parlamentssitz" als Voraussetzung dafür, dass Sitze leer bleiben können. Sonst sind ungültige Stimmen kein eindeutiger Ausdruck des Wählerwillens und können missbräuchlich eingesetzt werden.

@ Alternativstimmen

Hier stimme ich Alfred Mayers Vorschlag erneut voll zu, Begründung im nächsten Beitrag, da ich mal zwischendurch senden will. Vielleicht gibts ja schon Reaktionen.
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Richard Seyfried
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2007 - 02:10 Uhr:   

@ Alternativstimmen und warum ich sie befürworte

Diese Diskussionsrunde hat auch noch auf das Thema Alternativstimmen bezug genommen. Einmal mehr kam der Vorschlag von Alfred Mayer, die Kritik ging in verschiedene Richtungen:

Phillip Wälchli war es zu unvollständig:
"Ich habe allerdings darauf hingewiesen, dass es ein Problem ergäbe, wenn Leute, die einer gescheiterten Partei ihre Stimme gegeben hätten, ihre Alternativstimme einer andern Partei gegeben hätten, die ebenfalls scheiterte. Dann wäre nämlich auch die Alternativstimme wertlos."
...
"Daher scheint mir ein komplexeres System, das eine Reihung aller Parteien oder etwas derartiges vorsieht, am Ende besser geeignet, den Zweck zu erfüllen, dass keine Stimme unberücksichtigt bleibt."

Genau in die entgegengesetzte Richtung kritisiert - Überraschung! - widerum Phillip Wälchli etwas weiter unten:

"Es ist für eine bestimmte Geisteshaltung bezeichnend, immer nur aus EINER Sicht zu denken. Gewiss, für den Wähler ist der Aufwand nicht gross, neben den Systemveränderern auch noch die Querulanten anzukreuzen. Nur muss das auch jemand auswerten. Zuerst dürfen die Leute also mal die Stimmen auszählen, danach auch die Alternativstimmen, um dann festzustellen, dass auch diese gescheitert sind."

Wenn man die zwei Kritiken ein und derselben Person übereinanderlegt, ergibt sich beinahe schon, warum das Zusatzkreuzerl für die Alternativstimme die logisch sinnvollste Kompromisslösung ist.
1. Sie führt in den meisten Fällen dazu, dass ein Wähler nicht überraschend sein gesamtes Stimmgewicht verliert, weil die gewählte Partei an der 4- bzw. 5%-Hürde scheitert. Es kommt immer wieder vor, dass Parteien in den Umfragen weniger als 1 oder 2 Prozent unter der Sperrklausel liegen. Dann sind die Sympathisanten dieser Partei in einer Zwickmühle. Wählen sie die Partei, riskieren sie eine Stimme für den Mistkübel. Wählen sie sie nicht, riskieren sie, dass genau diese Stimme dazu führt, dass die betreffende Partei nicht ins Parlament einzieht, was eine Verschiebung von etwa 30 Mandaten(!) bedeutet. Diese Situation ist gegenüber den betreffenden Wählern definitiv UNGERECHT. Wenn sie sich verschätzen, haben sie keine Chance, gleichberechtigt an der Mandatsverteilung mitzuwirken.

Gibt es ein Alternative Vote, so können derartige Probleme fast immer vermieden werden.
1. Es ist relativ unwahrscheinlich, dass 2 Parteien so knapp rund um die Sperrklausel liegen, dass nicht abgeschätzt werden kann, ob sie den Einzug ins Parlament schaffen.
2. Es ist noch unwahrscheinlicher, dass ein Wähler dann ausgerechnet diese beiden Parteien als Erst- und Zweitpräferenz hat.
3. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass das so viele Wähler betrifft, dass das Problem einen tatsächlichen Einfluss auf die Mandatsverhältnisse hat.

Ergo:
Das derzeitige Wahlrecht löst das Problem zu 0%.
Alternativstimmen lösen das Problem fast immer.
Reihungen aller Parteien lösen das Problem zu 100%.

Schauen wir uns jetzt das zweite "Gegenargument" von Phillip Wälchli an, der Aufwand beim Auszählen sei unnötig hoch.

Hier gibt es eindeutige Erfahrungen mit der Auszählung von Alternative Votes durch Zählmaschinen in einem dichten Ballungsraum wie London (Bürgermeisterwahl). Dort gab es keine signifikanten Probleme. Auch eine händische Auszählung muss nicht zwangsläufig in einem zusätzlichen getrennten Auszählungsschritt erfolgen, es reicht ein vernünftiges Auszählungsraster.

Ganz anders sieht die Situation bei einer kompletten Reihung der Parteien aus. Hier sind Auszählungsmaschinen nicht sinnvoll einsetzbar: Das haben zuletzt die Regionalwahlen in Schottland deutlich gezeigt, wo es letztlich 7% ungültige Stimmen gab !!! Maschinen können händisch eingetragene Zahlen nicht einwandfrei lesen. Auch für Menschen wird die Auszählung schwierig, da tatsächlich in mehreren Schritten ausgezählt werden muss. Ein Raster, das fünf oder mehr Präferenzen abdecken könnte, gibts nicht.

Ergebnis hier:
Zusätzlicher Arbeitsaufwand beim derzeitigen System: 0%
Zusätzlicher Arbeitsaufwand bei Alternative Vote: gering
zusätzlicher Arbeitsaufwand bei Reihung aller Parteien: enorm

Gesamtergebnis: Alternative Vote ist auch nach den vom flammenden Kritiker Wälchli selbst ins Spiel gebrachten Kriterien die ideale Kompromisslösung, da es bei keinem Kriterium durchfällt sondern überall einigermaßen gut abschneidet.

"Alternative Votes" können übrigens nicht nur zum Ausgleich von Ungerechtigkeiten aufgrund der Sperrklausel eingesetzt werden, sondern etwa auch um Stichwahlen einzusparen oder um die parlamentarische Mehrheitsbildung zu erleichtern (Stichwort Minderheitenfreundlich Mehrheitsbildendes Wahlrecht). Ist das System einmal etabliert, öffnet es weitgehende demokratiepolitische Möglichkeiten.
Mein eigener Wahlrechtsvorschlag (Achtung Eigenwerbung, führt über das Thema dieser Diskussion hinaus) arbeitet deshalb sogar mit einer Drittpräferenz: http://members.chello.at/richards7/bundestag.html
http://members.chello.at/richards7/drittstimme.html
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2007 - 09:52 Uhr:   

Seufz, manche Leute sind offensichtlich wirklich LERN-RESISTENT. Ich spare mir daher eine eingehendere Antwort auf obige Ausführungen - denn wer im Ansatz schon völlig falsch liegt, kann auch in den Einzelheiten nicht punkten.

Zitat: "@ Vorschlag, die Stimmgewichte von Parteien, die an der 5%-Hürde scheitern nicht mehr auf die größeren Parteien zu verteilen"

Dies zeugt nur von völliger Ignoranz, was das Wesen des Wahlsystems angeht: Stimmengewicht ist ein Begriff, der sinnvollerweise nur auf Stimmen von Wählern angewandt werden kann und der etwas darüber aussagt, inwiefern einzelne Stimmen das Ergebnis beeinflussen. In der vorgeschlagenen "Lösung" bleibt es aber so: Stimmen von gescheiterten Parteien beeinflussen das Ergbnis nicht, sie haben also ein Stimmengewicht von 0.
Im übrigen tut man mit der Alternativstimme faktisch genau dies, denn wer eine möglicherweise scheiternde Partei wählt, muss, um nicht auch seine Alternativstimme zu "verschenken", diese einer Partei geben, die sicher gewinnt, also an eine der grossen - womit diese faktisch noch mächtiger werden dürften als heute. Wer hingegen auf keinen Fall eine der etablierten Parteien wählen will, muss entweder seine Alternativstimme leer lassen, womit sie ohnehin verfällt, oder sie einer andern kleinen Partei geben, womit die Wahrscheinlichkeit, dass auch diese verloren geht, enorm steigt. Das hat ja ein A. M. im Prinzip auch offen so gesagt, womit sich eben fragt, was damit wirklich bezweckt werden soll: Viel Aufwand für nichts, oder was denn konkret?
Was die Nicht-Besetzung von Sitzen, die (theoretisch) an gescheiterte Parteien gefallen wären, bewirkt, habe ich oben schon dargestellt, ich erlaube mir, mich selbst zu zitieren:
"Nehmen wir einmal an, wir hätten 100 Sitze zu vergeben. 2% der Stimmen sind unkorrekt, missverständlich, enthalten ehrverletzende Bemerkungen usw. 4 Listen haben je rund 3% erhalten und fallen daher fort. 7% der Stimmen sind leer (Enthaltung) bzw. haben ausdrücklich für die Option "niemand" gestimmt (wenn das denn vorgesehen wäre). Das ergibt dann in der Summe 21% aller abgegebenen Stimmen, die nicht bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden, sondern nur leere Sitze erzeugen.
"Unser" Parlament wird dann also von 100 vorgesehenen Sitzen bloss deren 79 aufweisen, 21 bleiben ja eben leer bzw. werden nicht vergeben.
Die vier verbliebenen Listen erhalten jeweils rund 35%, 24%, 12% und 8%. Dies ergibt dann für diese Listen auch entsprechend 35, 24, 12 und 8 Sitze auf nun noch total 79 statt 100 Sitze.
Nun haben also die vier Fraktionen im Parlament folgende Stärken:
35/79tel, 24/79tel, 12/79tel und 8/79tel.
Wenn wir traditionell auf 100 Sitze verteilen wollten, dann müssten wir die 79% aller Stimmen den 100% aller Sitze gleichsetzen. Das ergibt dann eine Gleichung der Art:
x / 79 = x' / 100
Diese Gleichung müssen wir durch Einsetzen des x für jede Liste lösbar machen und anschliessend nach x' auflösen. x ist also der Stimmenanteil einer Liste, x' der Sitzanteil einer Liste.
Wenn wir dies tun, ergibt sich, dass die Listen je Anspruch auf 35/79*100, 24/79*100, 12/79*100 bzw. 8/79*100 haben. Mit andern Worten: Wir spreizen zwar die Zahle der zugeteilten Sitze von insgesamt 79 auf insgesamt 100, aber das Kräfteverhältnis wird dadurch nicht verschoben, abgesehen von den Fällen, in denen durch die anders ausfallen Rundung von Bruchteilsansprüchen auf eine andere Zahl von Mandaten leichte Rundungsdifferenzen entstehen.
Wir verändern also (abgesehen von eventuell auftretenden Rundungsabweichungen) durch eine höhere oder tiefere Sitzzahl die Kräfteverhältnisse zwischen den Listen nicht.

Dies ist im übrigen auch nicht erstaunlich, sondern das Wesen eines propotionalen Verteilungssystems: Dieses soll ja eben der Erhaltung der Kräfteverhältnisse dienen. Dazu bilden diese Verfahren die Verhältnisse von einer bestimmten Zahl (Stimmenzahl) auf eine andere Zahl (Sitzzahl) ab. Dies kann auch über mehrere Stufen gehen, etwa: Stimmen im Volk - Sitze im Parlament - Sitze in einem vom Parlament gewählten Ausschuss - Sitze im Ausschuss-Präsidium. Wird dies sauber durchgeführt, gleichen sich die Kräfteverhältnisse auf allen Ebenen bis auf die rundungsbedingten Abweichungen, die unvermeidlich, aber bei einem guten Abbildungsverfahren minimal sind.
Mathematisch liegt dem die Struktur einer Verhältnisgleichung zugrunde:

a / b = c / d = e / f

So geschrieben zeigt sich rasch, dass sich auf keiner Seite etwas ändern kann (sonst wäre es ja keine Gleichung mehr), sondern dass stets dasselbe Verhältnis bestehen bleibt. Übrigens ist dies eine schon ziemlich alte Erkenntnis, denn immerhin liegen schon den platonischen Gleichnissen, etwa klar ersichtlich dem Höhlengleichnis, die Strukturen einer Verhältnisgleichung zugrunde. Also ziemlich Kalter Kaffee inzwischen.

So leid es mir also tut, dies sagen zu müssen: Durch "Kürzen" bzw. Nichtvereilen von Sitzen eines Parlamentes werden die Machtverhältnisse grundsätzlich nicht im geringsten verändert, solange die Wahl grundsätzlich nach Verhältniswahlsystem erfolgt. Im Gegenteil erreicht man dadurch höchstens, dass der einzelne Abgeordnete an Macht gewinnt. Dies kann man wollen oder auch nicht wollen. Wenn bisherige Hinterbänkler plötzlich mehr Macht erhalten und diese auch (miss-)brauchen, dann halte zumindest ich dies für kontraproduktiv."
Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2007 - 15:50 Uhr:   


quote:

Einer der häufigst genannten Einwände läuft darauf hinaus, dass es bei der Festlegung der Zahl der Abgeordneten primär um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments geht. In diese Richtung argumentieren etwa Good Entity ("Vielmehr soll diese Zahl ja so groß sein, dass die gewählten Vertreter des Volkes bestimmte, ihnen vorgegebene Aufgaben erfüllen können.")




Da werde ich ganz richtig interpretiert, und auch Florian und Philipp Wälchli, wie mir scheint.


quote:

habe ich mich gefragt, was für die Funktionsfähigkeit des Parlaments die wichtigste Untergrenze bei der Abgeordnetenzahl ist.




Auch Richard Seyfrieds Überlegungen gehen offenbar in diese Richtung. Ich halte es auch für richtig, Parlamente so groß wie nötig und so klein wie möglich zu gestalten und dann muss eben die Größe von Wahlkreisen an das Problem und nicht das Problem an die Größe der Wahlkreise angepasst werden.


quote:

Entscheidend erscheint mir, dass auch die kleinste Fraktion über so viele Abgeordnete verfügen soll, dass sie alle Themen einigermaßen gut abdecken kann.




Das dagegen scheint mir gänzlich unlogisch. Der SSW in Schleswig-Holstein muss nicht alle Themen abdecken, für seine speziellen Interessen der dänischen Minderheit reichen 1, 2 oder 3 Abgeordnete völlig aus. Andererseits: Wenn eine Fraktion im Bundestag mit 30 Abgeordneten komplett ausgestattet ist, warum deckeln wir dann nicht die Zahl der Abgeordneten pro Fraktion auf 30? Und wozu mehrere Fraktionen, denn nach Richard Seyfrieds Meinung ist doch der Bundestag so bereits arbeitsfähig, denn


quote:

Dieser meines Erachtens entscheidende Wert verändert sich, wenn man dem Vorschlag Alfred Mayers folgt, NICHT. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten immer GLEICHermaßen gegeben. Die Kritik an Mayers Vorschlag führt daher ins Leere.




Meine Kritik ist nicht zwingend polemisch gemeint und ich schließe mich Philipp Wälchlis "Sitzen, sechs" Argumentation auch nicht an (habe halt keine Lehrerausbildung). Ich frage mich allerdings schon, womit sich in Richard Seyfrieds Politikbild eigentlich die "überzähligen" (Ü30)Abgeordneten einer Fraktion beschäftigen oder warum es egal ist, wieviele Fraktionen im Parlament sitzen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2007 - 20:00 Uhr:   

Was eine "Sitzen, sechs" Argumentation sein soll, entgeht mir. Die Zahl der Parlamentarier scheint mir auch nicht unbedingt sooo furchtbar entscheidend. Wenn man allerdings einmal eine Zahl als sinnvoll festgelegt hat, sollte man sie nicht einfach so mir nichts dir nichts ändern.

Im Gegenteil, ich halte folgende zwei Argumente für entscheidend:
1. Der Kürzungs-Vorschlag bringt das eben gerade nicht, was seine Urheber wollen (Machtumverteilung): Kürzen allein ändert die Kräfteverhältnisse nicht. (Wenn man so will, dann bitte sehr "Mathematik, Logik: sechs")
2. Die Alternativstimme garantiert nicht den beabsichtigten Effekt, kleinen Parteien mehr Sitze zu verschaffen.

Damit haben sich aber leider die Verfechter dieser beiden Vorschläge bisher nicht auseinandersetzen wollen.
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Richard Seyfried
Veröffentlicht am Montag, 09. Juli 2007 - 02:09 Uhr:   

@Good Entity

1. zum SSW: Der nimmt tatsächlich eine außergewöhnliche verfassungsrechtliche Sonderstellung ein. Hier zählt der Minderheitenschutz als Grundwert einfach mehr als Überlegungen zu einer sinnvollen Mindestfraktionsgröße. Diese Güterabwägung halte ich auch für gut und richtig so, der Sonderfall spricht aber nicht generell gegen meine Argumentation.

2. "Wenn eine Fraktion im Bundestag mit 30 Abgeordneten komplett ausgestattet ist, warum deckeln wir dann nicht die Zahl der Abgeordneten pro Fraktion auf 30?"

Deine Frage ist in diesem Zusammenhang durchaus berechtigt. Diskussionen, ob jede Abgeordnetenstimme in einem Parlament unbedingt durch eine natürliche Person repräsentiert werden muss, gab es auch immer wieder. Außer im europäischen Rat, wo 1 Regierungsvertreter je nach Größe seines Landes tatsächlich unterschiedliche Stimmgewichte hat, hat sich eine derartige Lösung meines Wissens aber bisher nirgends durchgesetzt. Es überwiegt das Denken, dass es wichtig ist, dass die Stimme jedes Abgeordneten gleich viel wert ist, auch wenn dann Riesenfraktionen mit über 200 Abgeordneten entstehen. Ich kann damit auch leben.

3. "womit sich in Richard Seyfrieds Politikbild eigentlich die "überzähligen" (Ü30)Abgeordneten einer Fraktion beschäftigen"

Das lässt sich ganz einfach beantworten. Die gleiche Arbeit wird einfach auf mehr Personen verteilt, beziehungsweise im Idealfall auch gründlicher mit einer zusätzlichen Gegenkontrolle erledigt.

4."warum es egal ist, wieviele Fraktionen im Parlament sitzen"

Derartiges oder Ähnliches habe ich nie behauptet. Ich trete selbstverständlich dafür ein, dass in einem Parlament möglichst alle relevanten Ideen und gesellschaftlichen Strömungen vertreten sind.

@ Phillip Wälchli

ad 1. Kürzungsvorschlag

Wer außer dir behauptet, dass der Kürzungsvorschlag eine "Machtumverteilung" bewirken soll? Auch Alfred Mayer hat sich weiter oben schon gegen diese deine Unterstellung gewehrt. Du kannst deine Gegenargumentation nicht einfach darauf aufbauen, dass du etwas krititisierst, was du selbst erfindest.
Dementsprechend sind auch deine ausführlichen Ausführungen zur Konstanz von Verhältnissen völlig üerflüssig, weil das eh klar ist und von niemandem je in Frage gestellt wurde. Übrigens geht dein Zahlenbeispiel auch deshalb an meiner Argumentation vorbei, weil du "missverständliche Stimmen" und dergleichen zur Reduzierung der Abgeordnetenzahl einsetzt. Das sehe ich ausdrücklich nicht vor.
Lies dir das, was du kritisierst also bitte wenigstens durch, sonst machts keinen Sinn zu diskutieren. Aber jetzt ernsthaft:

Argumentationen, die in Diskussionen für eine Kürzung der Abgeordetenzahl tatsächlich herangezogen werden, sind nicht "Machtumverteilung" sondern etwa folgende:

1.) Die Parteien haben dadurch einen stärkeren Druck, gute von der Bevölkerung akzeptierte Lösungen herbeizuführen, während es bisher oft reicht, wenn der politische Gegner aus erfolglosen Verhandlungen und dergleichen noch angepatzter hervorgeht. Reine Negativwahlkämpfe wären innerhalb der Parteien tendentiell weniger populär, weil sie zu vermeerten "Keine von allen Parteien" Stimmen führen können. Leere Abgeordnetensitze wiederum ändern zwar nicht die "Machtverhältnisse", bedeuten für Hinterbänkler aber sehr wohl, dass sie ihren "Job" verlieren können. Diese werden daher Druck in Richtung Parteizentrale machen, dass eine "positivere" Politik gemacht wird.

2. Unzufriedene "Protestwähler" erhalten eine Möglichkeit ihren Protest wirksam auszudrücken. Dadurch wird die Gefahr gemindert, dass reine Protestwähler für extreme Parteien stimmen, weil ihnen das als wirksamste Form des Protests im derzeitigen System erscheint.

ad 2.) Alternativstimme

Hier unterstellt Philipp Wälchli "den beabsichtigten Effekt, kleinen Parteien mehr Sitze zu verschaffen". Auch hier handelt es sich um eine freie Erfindung von Philipp Wälchli.

Daher auch hier eine erneute kurze Übersicht typischer Argumentation für ein Alternative Vote (AV).

1. Hier geht es in erster Linie um die Gleichbehandlung von WÄHLERN, nicht um die Sitze von Parteien. Wähler, deren "Lieblingspartei" nicht die Sperrklausel überspringt, können im folgenden Auszählungsschritt nicht mehr mitbestimmen. Dadurch sind sie gegenüber anderen Wählern im Nachteil, deren Stimme in allen Auszählungsschritten berücksichtigt wird. Durch ein Alternative Vote kann diese Benachteiligung in den meisten Fällen vermieden werden.

2. Für Wähler, die eine Partei favorisieren, deren zu erwartender Stimmenanteil knapp unter der Sperrklausel liegt, ergibt sich ein taktisches Glücksspiel. Sollen sie diese Partei wählen, oder aber doch lieber die ihnen am zweitnächsten stehende, die den Einzug ins Parlament sicher schafft? Wahlentscheidungen sollten aber meinem Ideal nach primär auf Überzeugungen und nicht auf Spekulation und Glück basieren.

3. Ohne AV kann es zu einer Verzerrung der Machtverhältnisse kommen.
Ist die politische Landschaft in zwei Lager gespalten, nennen wir sie rinks und lechts, dann kann das Wahlergebnis auf den Kopf gestellt werden, wenn eine Partei mit 4,9% den Einzug ins Parlament aufgrund einer 5%-Hürde knapp verfehlt:

Lager Rinks: Partei A 35% Partei B 8% Partei C 5,1%, gesamt 48,1%
Lager Lechts: Partei D 37% Partei E 10% Partei F 4,9%, gesamt 51,9%

Nach derzeitigem Wahlrecht würde das Lager Rinks die Wahlen gewinn, obwohl es deutlich weniger Stimmen erhält, da alle 48,1% der Stimmen für das Lager Rinks in der Mandatsverteilung berücksichtigt werden, aber nur 47% der Stimmen des Lagers Lechts.

Ein Alternative Vote würde ein derart paradoxes Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern. Wahrscheinlich würden die meisten Alternativstimmen der Wähler, die Partei F gewählt haben, an die Parteien D und E gehen. Dadurch würde das Lager Lechts auch nach Mandaten als Wahlsieger hervorgehen.

4. Ein AV könnte noch nicht etablierten Parteien in Einzelfällen tatsächlich dazu verhelfen, die Sperrklausel zu überwinden, da aufgrund des AV niemand Angst haben muss, dass seine Stimme in den Mistkübel wandert, wenn er sie einer nicht etablierten Partei gibt. Das Ziel lautet aber auch hier nie "kleinen Parteien mehr Sitze zu verschaffen" sondern ausdrücklich nur allen Bürgern eine freie Wahlentscheidung ohne taktische Bedenken zu ermöglichen (vgl.2.).

5. Der manipulative Einfluss von Umfragen wird weitgehend reduziert. Zur Zeit kann die Frage, ob die Wähler glauben, dass eine Partei ins Parlament einzieht das Wahlergebnis deutlich beeinflussen. Ist die vorherrschende Meinung "eher ja", werden Bürger im Zweifelsfall genau diese Partei wählen, um ihr über die Hürde zu helfen. Ist die vorherrschende Meinung "nein, geht sich wohl nicht aus" dann werden sie diese Partei eher nicht wählen. Hier können entsprechende Umfragedaten (auch falsche oder tendentiöse) das Wahlverhalten sehr unmittelbar beeinflussen. Bei einem AV fällt diese Komponente weg, der Wähler weiß in jedem Fall, dass seine Stimme zählt.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 09. Juli 2007 - 11:59 Uhr:   

Jetzt muss ich etwas sagen, was vielleicht bösartig klingen mag, aber es drängt sich anhand der Fakten auf: Gilt vielleicht "Lesen, sechs"?

Immerhin steht im ersten Posting meines allerschärfsten Kritikers folgender einleitender Satz:
"@ Vorschlag, die Stimmgewichte von Parteien, die an der 5%-Hürde scheitern nicht mehr auf die größeren Parteien zu verteilen"

Wie bitte schön sollen wir diese Äusserung verstehen? WELCHE GEWICHTE sollen nicht mehr auf die grösseren Parteien verteilt werden, indem Sitze, die ohne 5%-Hürde an bestimmte kleine Parteien fielen, nicht besetzt werden?
Bevor diese Frage nicht geklärt ist, gehe ich auf keine weiteren Äusserungen besagten selbsternannten Kritikers mehr ein! Er soll endlich sagen, was er da für Gewichte an wen verteilen bzw. nicht verteilen will.
Ich habe dagegen geantwortet, dass durch das Nichtbesetzen von (hypothetisch) an andere Parteien fallenden Sitzen die GEWICHTE zwischen den verbleibenden Parteien nicht verschoben werden, verglichen mit der Aufteilung dieser Sitze anteilmässig unter den verbleibenden Parteien - einige anders ausfallende Rundungsfehler in beiden Systemen einmal abgezogen.
Also, ich warte einmal auf verbindliche Antwort statt neuer Ausflüchte, Überschlägen und (leider auch) Ausfällen.
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mma
Veröffentlicht am Montag, 09. Juli 2007 - 12:12 Uhr:   

("Leere Abgeordnetensitze wiederum ändern zwar nicht die "Machtverhältnisse", bedeuten für Hinterbänkler aber sehr wohl, dass sie ihren "Job" verlieren können.")

Bei vollen Abgeordnetensitzen können sie ihn doch auch verlieren.

("Diese werden daher Druck in Richtung Parteizentrale machen, dass eine "positivere" Politik gemacht wird.")

Wenn sie ihren Job verlieren, interessiert ihr Lamentieren die Parteizentrale evtl. gar nicht mehr.

("2. Unzufriedene "Protestwähler" erhalten eine Möglichkeit ihren Protest wirksam auszudrücken. Dadurch wird die Gefahr gemindert, dass reine Protestwähler für extreme Parteien stimmen, weil ihnen das als wirksamste Form des Protests im derzeitigen System erscheint.")

Eine extremistische Partei zu wählen ist für Leute, die die verhassten Politiker schocken wollen, viel interessanter als ein leerer Stuhl.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 09. Juli 2007 - 12:51 Uhr:   

@ R. Seyfried:
Danke für die gute Argumentationsführung.

Ihre beiden Argumente "Pro Kürzungsvorschlag" erscheinen mir übrigens auch sehr überzeugend.

Mir scheint allerdings, dass Sie die Gegenargumentation nicht ausreichend klar erkennen.
Es erscheint mir z.B. nicht machbar, dass eine "Volkspartei" wie die SPD mit 30 Abgeordneten funktionieren kann.
Konkret funktionieren ja m.W. Fraktionen so, dass sie einzelne Politikbereiche an einzelne Spezialisten delegieren, die in den entsprechenden Ausschüssen sitzen und über den Bereich der Gesamtfraktion berichten und so deren Entscheidungsfindung vorbereiten.
Bei nur 30 Fraktionsmitgliedern könnten auch wichtige Politikbereiche häufig nur von 1 Abgeordneten abgedeckt werden.
Dies gibt diesem einen Abgeordneten eine ungeheure Macht.
Für eine (zwangsläufig) heterogene Volkspartei ist es aber kaum machbar, sich auf nur einen Spezialisten für (sagen wir mal) die Finanzpolitik zu einigen. Es gibt da doch zwangsläufig immer mehrere Parteiströmungen die berücksichtigt werden müssen.
(Es ist ja auch die "Leistung" einer Partei im Politikbetrieb, verschiedene Strömungen aus der Bevölkerung aufzugreifen, zu kanalisieren, diesen Strömungen eine Stimme zu geben, etc.etc.).
Zugegeben: Kleine Fraktionen sind gezwungen, so zu arbeiten. Die FDP tut sich aber nun mal auch leichter, eine Finanzpolitik "aus einem Guss" zu vertreten, eben weil sie nicht so breite Bevölkerungsschichten repräsentieren muss.

Gleiches gilt übrigens auch für das Repräsentieren der Fraktion nach Außen und für die Kontaktaufnahme nach Außen.
Mit einer größeren (=i.d.R. einflussreicheren) Fraktion wollen sich auch mehr Interessenvertreter unterhalten. Sie muss ja auch mehr Interessen unter einen Hut bringen. Entsprechend hat sie mehr Bedarf, nach außen zu gehen und zu kommunizieren.

Ergo: Eine Partei, die von vielen gewählt wird, muss auch mehr und heterognere Interessen abdecken. Entsprechend fällt bei ihr auch mehr Arbeit an, diese Interessen zu berücksichtigen, zu bündeln, zu gewichten, gegeneinander abzuwägen, etc.

Hinzu kommt z.B. noch das Korruptionsargument:
Aus den genannten Gründen wäre die Unionsfraktion mit 30 Abgeordneten hoffnungslos überlastet.
Sie müsste noch viel mehr als heute in vielen Bereichen auf die Empfehlung eines einzelnen Spezialisten vertrauen. Dieser eine Spezialist ist dann aber natürlich ein sehr naheliegendes Bestechungsziel (sobald er auch nur einen Kollegen hat, der am gleichen Thema arbeitet, kann er es sich nicht mehr erlauben, allzu schamlos Partikularinteressen in seinen Vorschlägen zu berücksichtigen).

Alternative wäre für die große(n) Regierungspartei(en) natürlich, sich noch mehr als heute einfach auf die Empfehlung der Regierung zu verlassen und diese dann einfach abzunicken.
Aber auch dies scheint mir nicht unbedingt im Sinne des Erfinders zu sein.

Wenn wir nun ein Parlament mit neun 5-8% Parteien hätten, dann wären diese Minifraktionen hingegen m.E. durchaus arbeitsfähig.
Jede von Ihnen würde dann ja relativ klare Partikularinteressen einzelner Bevölkerungsgruppen verfolgen und hätte nicht einen so großen Informationsverarbeitungsbedarf wie die heutigen 30-40%-Parteien.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 09. Juli 2007 - 23:30 Uhr:   

@Richard Seyfried: Deine Aussage war "Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten immer GLEICHermaßen gegeben." Die Zahl der Abgeordneten pro Fraktion möchtest Du opimalerweise konstant bei z.B. 30 ansetzen.

Also ist es nach Deiner Logik doch völlig egal, ob nun ein, zwei, drei, sechs oder zehn Fraktionen im Parlament sitzen, also 30, 60 oder 600 Abgeordnete, denn "Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten immer GLEICHermaßen gegeben."

Und genau das halte ich für falsch. Wenn ich in Berlin über dringend zu ändernde gesetzliche Regelungen für die Zollvorschriften bei Containern in Seehäfen reden möchte, ist es mir nahezu egal, aus welcher Fraktion der Abgeordnete stammt. Von der Problematik in Seehäfen sollte er allerdings Ahnung und auch dafür Interesse haben, also aus Hamburg, Bremen oder von mir aus Rostock oder Emden sein. Es hängen immer Arbeitsplätze an solchen Entscheidungen, da sind die Interessen der Abgeordneten von Linkspartei und CDU sehr häufig identisch.

Für Fragen der gesetzlichen Regelungen im grenzüberschreitenden Nahverkehr in die Tschechische Republik ist dieser Abgeordnete dann allerdings der total falsche Gesprächspartner, ebenso bei Gesetzen zum speziellen Arbeitsrecht von Seilbahnführern.

Es sollte schon Abgeordnete geben, die evangelisch/katholisch/muslimisch/jüdisch/religionslos sind, Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, Lehrer und Juristen, Kaufleute, Naturwissenschaftler und Arbeiter, Kinderlose, Mütter und Väter, Motorradfahrer und Segler. Es ist weder erforderlich noch sinnvoll, dass dies irgendwie proportional verteilt ist, aber es sollte schon eine erhebliche Vielfalt an Kenntnissen und Interessen vertreten sein.

Die Mehrzahl der Gesetze wird zwischen den Fraktionen nicht in Konfrontation diskutiert, sondern wird überwiegend einvernehmlich abgesegnet, weil eine Handvoll begriffen hat, was das Gesetz soll oder warum es abgeschafft werden muss, und der Rest das dann diesen Kollegen glaubt und durchwinkt. Nur ist diese Handvoll bei jedem Gesetz eine andere.

@Philipp Wälchli: Gemeint ist natürlich eine "Setzen, sechs" - Argumentation, etwa im Stil von "Seufz, manche Leute sind offensichtlich wirklich LERN-RESISTENT."
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Richard Seyfried
Veröffentlicht am Donnerstag, 12. Juli 2007 - 23:02 Uhr:   

@Florian

Danke auch dir/Ihnen für die sehr sachliche Argumentation.

In meiner Antwort auf Good Entitys durchaus ironische Frage, warum wir die Zahl der Abgeordneten nicht gleich auf 30 reduzieren, war ich zum Teil schlicht aus Zeitgründen tatsächlich extrem unvollständig und kurz angebunden. Auch hier Danke für die ausführliche und anschauliche Begründung.

Zum "Korruptionsargument":
Ist eine gute Argumentationslinie. Wie sehen Sie dieses Problem eigentlich in bezug auf den Europäischen Rat. Dort gibt es tatsächlich nur einen Vertreter pro Land mit mehreren Stimmen in einem gesetzgebenden Gremium. Die große Macht des Rates und damit eines einzelnen Fachministers eines großen Landes erscheint mir persönlich enorm problematisch.
Dabei gehts jetzt gar nicht unbedingt darum, dass ein Minister als Person korrupt ist. Jeder Mensch kommt aber aus einem gewissen Umfeld, das ein bestimmtes Denken hat und zum Teil auch interessengeleitet ist. Es kann daher für das inhaltliche Ergebnis bei einer Gesetzesmaterie einen riesigen Unterschied machen, ob eine bestimmte Sachfrage in einem Land z.B. dem Umwelt-, oder dem Wirtschafts bzw. Landwirtschaftsminister zugeordnet ist.

@Good Entity

Die Aussage "Die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes ist unabhängig von der Gesamtzahl der Abgeordneten immer GLEICHermaßen gegeben." bezieht sich auf eine Diskussion, bei der die Zahl der Fraktionen nie zur Debatte stand, sondern um die Zuordnung der "Keine Partei von allen" Stimmen. Ob diese die Gesamtzahl der Mandate reduzieren oder nicht, hat auf die Zahl der Parteien im Parlament keinerlei Einfluss.

Insofern ist es mir auch nach mehrmaligem Durchlesen ein Rätsel, wie du das so interpretieren kannst, dass mir die Zahl der Fraktionen egal ist.

Selbstverständlich zielt weder meine Argumentation noch jene von Alfred Mayer davor tatsächlich darauf ab, die Zahl der Mandate pro Fraktion generell auf 30 zu reduzieren. Ziel ist es lediglich, die Grenze so zu setzen, dass die KLEINSTE Fraktion diese (im konkreten Beispiel) 30 Abgeordneten möglichst KNAPP und nicht unnötig hoch überschreitet.

Sollte sich übrigens tatsächlich aufgrund der 5%-Hürde ein Parlament mit nur einer Fraktion einstellen (die noch dazu selbst nur knapp die 5%-Hürde überspringt) wie in deinem Beispiel, glaube ich, dass die Tatsache, dass dann weniger Abgeordnete im Parlament wären, wesentlich weniger problematisch ist, als die Tatsache, dass nur eine Partei im Parlament vertreten ist. Wenn dir aber das eine Sorge ist, müsstest du eigentlich gegen die Sperrklausel und für ein Alternative Vote kämpfen, nicht aber primär gegen ein paar leere Parlamentssitze.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 15:03 Uhr:   


quote:

Ziel ist es lediglich, die Grenze so zu setzen, dass die KLEINSTE Fraktion diese (im konkreten Beispiel) 30 Abgeordneten möglichst KNAPP und nicht unnötig hoch überschreitet




Und genau das ist aus meiner Sicht grober Unfug.

Wenn wir etwa wie in den USA oder fast auch in Deutschland Ende der 1960er Jahre ein Zweiparteiensystem mit zwei etwa gleich starken Parteien hätten und eine Bundestagswahl mit 50 % zu 47 % bei 3 % Sonstigen ausgeht, besteht der Bundestag dann noch aus vielleicht 62 oder 63 Abgeordneten, nämlich 30 für die kleinere (und damit zugleich kleinste) und 32 oder 33 für die größere Fraktion.

Das ist für die Masse der zu lösenden Aufgaben nicht mehr arbeitsfähig und die gesamte politische Verantwortung glitscht in eine nicht gewählte abstrakte Bürokratie ab.

Kommt dann die drittgrößte Partei plötzlich und unerwartet auf 5,1 % , muss der Bundestag aufgrund dieses im Übrigen nahezu identischen Wahlergebnisses plötzlich von 62 auf rund 600 Abgeordnete, also auf das Zehnfache, erweitert werden, obwohl die Menge an Arbeit konstant geblieben ist. Und dann fällt die drittgrößte Partei beim übernächsten Mal wieder auf 4,9 %....

Also, entweder brauchen wir ein Parlament mit nur 60 (z.B. Saarland, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern) oder aber eines mit 600 Abgeordneten, aber keine zufällig zusammengewählte Anzahl. Eine andere oder gar keine Sperrklausel ändert daran wenig beziehungsweise macht es sogar noch extremer. Eine Reduzierung der Sperrklausel auf etwa 2 % würde den Bundestag bei einem Spektrum mit 2 großen und 1 kleinen Partei nach Richard Seyfrieds System zwischen 60 und 1500 Abgeordneten hin und her schwanken lassen.
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mma
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 16:48 Uhr:   

("Eine Reduzierung der Sperrklausel auf etwa 2 % würde den Bundestag bei einem Spektrum mit 2 großen und 1 kleinen Partei nach Richard Seyfrieds System zwischen 60 und 1500 Abgeordneten hin und her schwanken lassen.")

Das ist die Frage. Bis zu 1440 Abgeordnete, die von Mandatsverlust betroffen wären, plus der ganze Rattenschwanz an Mitarbeitern etc. würden sich bestimmt etwas einfallen lassen, damit gerade das n i c h t passiert, dass also die Kleinpartei um jeden Preis ins Parlament kommt. Die jeweils letzte im Parlament verblieben Kleinfraktion (Grüne, Linkspartei oder) FDP würde von Herrn Seyfrieds Vorschlag also eine Ewigkeitsgarantie erhalten.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 18:34 Uhr:   

Nehmen wir doch einfach einmal das Schweizer Bundesparlament:
Der Nationalrat besteht aus 200 Abgeordneten. Diese Abgeordneten bestellen zunächst einmal ein Bureau (für Neudeutsche: Büro), d. h. Präsidium und Hilfskräfte. Dann werden einige ständige Kommissionen beschickt, darunter die Geschäftsprüfungskommission und im Schnitt etwa eine Kommission pro Regierungsbereich (Departement, entspricht im Ausland ungefähr einem Ministerium). Bei typischerweise um die zehn Mitglieder in einer Kommission sind damit schon mal rund 90 Abgeordnete verteilt; dazu kommen ein paar mit dem Ständerat gemeinsame Kommissionen, parlamentarische Delegationen und für besonders aufwendige Geschäfte oder solche, die keiner ständigen Kommission zugewiesen werden können, ad-hoc-Kommissionen bzw. nichtständige Kommissionen. Das bedeutet, dass im Schnitt ein Abgeordneter im Nationalrat ein bis zwei zusätzliche Funktionen oder Mandate in Ausschüssen usw. übernehmen muss. Im Ständerat sieht es so aus, dass die Mitglieder im Schnitt drei bis vier zusätzliche Chargen übernehmen müssen, da er weniger als ein Viertel der Zahl der Mitglieder des Nationalrates aufweist. Da beide Kammern nicht genau gleich organisiert sind, gibt es bei der Arbeitsbelastung ein paar Unterschiede.
Wenn man diese Belastung auf ein anderes Land umrechnet, das vielleicht auch grösser ist und mehr internationale Verpflichtungen wahrnemen muss, auch mehr internationalen Organisationen angehört, dann ergibt sich, dass dann, wenn man davon ausgeht, dass ein einzelner Abgeordneter sinnvoll nur höchstens drei zusätzliche Funktionen bzw. Delegationsmandate ausüben kann, hochgerechnet, dass eben doch Parlamentsgrössen ab ca. 300 Personen nötig sind, eher sogar mehr.

Im übrigen habe ich stets darauf hingewiesen, dass die Grösse eines Parlamentes nach gewissen Kriterien, die einem Parlament und dem jeweiligen politischen System eigen sind (z. B. regionale Represäntation in einem Land o. dgl.), auszurichten sind. Die Grösse eines Parlamentes halte ich daher für eine relativ untergeordnete Grösse.
Hingegen möchte ich immer noch erfahren, was GENAU die Verfechter dieser "Kürzung" eines Parlamentes mit ihrem Verfahren eigentlich erreichen wollen. Die Antwort steht nach wie vor aus.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 19:19 Uhr:   

@ Philipp:

Richard Seyfried hat Ihre Frage obenstehend schon mal beantwortet. Ich darf zitieren:


1.) Die Parteien haben dadurch einen stärkeren Druck, gute von der Bevölkerung akzeptierte Lösungen herbeizuführen, während es bisher oft reicht, wenn der politische Gegner aus erfolglosen Verhandlungen und dergleichen noch angepatzter hervorgeht. Reine Negativwahlkämpfe wären innerhalb der Parteien tendentiell weniger populär, weil sie zu vermeerten "Keine von allen Parteien" Stimmen führen können. Leere Abgeordnetensitze wiederum ändern zwar nicht die "Machtverhältnisse", bedeuten für Hinterbänkler aber sehr wohl, dass sie ihren "Job" verlieren können. Diese werden daher Druck in Richtung Parteizentrale machen, dass eine "positivere" Politik gemacht wird.

2. Unzufriedene "Protestwähler" erhalten eine Möglichkeit ihren Protest wirksam auszudrücken. Dadurch wird die Gefahr gemindert, dass reine Protestwähler für extreme Parteien stimmen, weil ihnen das als wirksamste Form des Protests im derzeitigen System erscheint.


Grundsätzlich finde ich beide Argumente überzeugend.
Allerdings gibt es halt auch die schon mehrfach erwähnten Nachteile einer solchen Lösung - die für mich auch eindeutig gewichtiger sind.
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Roger (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 22:21 Uhr:   

1.) Wieso sollte es keine Negativwahlkämpfe geben? Wenn die anderen Parteien Sitze verlieren, ist das für Abgeordnete der Partei A ersteinmal gut.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 13. Juli 2007 - 23:22 Uhr:   

Das sind leider keine Antworten auf meine oben gestellte Frage. Insonderheit stehen sie zur eingangs erhobenen Behauptung im Widerspruch - und auf inkonsistente Positionen rational einzugehen, ist nicht möglich.
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Richard Seyfried
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 04:48 Uhr:   

@ Good Entity

Das Zahlenbeispiel ist erneut falsch. Wenn die Festlegung wie im besprochenen Beispiel lautet: Eine Partei, die genau 5% der Stimmmen erhält, erhält 30 Mandate, die Stimmen für kleinere Parteien hingegen verfallen, dann ergibt das nach einem typischen derzeitigen amerikanischen Wahlergebnis mit ca. 49% für Partei A und ca. 48% für Partei B ein Mandatsergebnis von:

Partei A 30/5*49=294
Partei B 30/5*48=288
Etwa 18 Sitze würden, da die übrigen 3% der Wählerstimmen zu leeren Sitzen führen, freibleiben.

(Eine "tatsächliche" Übertragbarkeit des Ergebnisses gibt es natürlich nicht, da das Wahlverhalten anders wäre, es geht mir nur um die Richtigstellung des Rechenfehlers)

Die Ausgangsüberlegung war immer nur: Wie viele Mandate sollte eine Partei MINDESTENS haben, wenn sie nur knapp über die 5%-Hürde kommt. Die Forderung, die kleinste Fraktion automatisch auf 30 Abgeordnete zu reduzieren, wurde nie erhoben.

@mma

Einen eigenen Vorschlag von mir gibts in dieser Diskussion nicht, dafür habe ich eine eigene Site unter http://members.chello.at/richards7/eigenerentwurf2.html .
Kritik und Anregungen zu "Herrn Seyfrieds Vorschlag" sollten sich daher auf diesen Entwurf beziehen.

Den angeblichen Vorschlag hier hat mir Good Entity untergeschoben. Ich habe nur versucht, zu begründen, warum Alfred Mayers Vorschläge für mich durchaus Sinn ergeben.

Konkret gehts dabei um 2 Bereiche:

1. Sitzkürzung (Ich zitiere das Anfangsstatement von Alfred Mayer)
"Die Sitze werden um die abgegebenen ungültigen Stimmen gekürzt.
Beispiel:
Ein Parlament hat 600 Sitze und 80 Millionen Wahlberechtigte. 60 Millionen gehen zur Wahl. 10 Millionen wählen Parteien,
die schließlich an der Sperrklausel scheitern. Ihre Stimmen werden damit ungültig. 3 Millionen geben gleich ungültige Stimmen ab.
Ergebnis:
Vergeben werden nur 470 Sitze.
Die Nichtwähler bleiben als Uninteressierte bei der Rechnung unberücksicht. Wer seinen Protest als Nichtwähler zum Ausdruck bringen
will, muß dies durch Abgabe einer ungültigen Stimme bewirken. Dafür kann auf dem Wahlzettel sogar ein Kasten vorgedruckt sein. "

Diesen konkreten Vorschlag unterstütze ich mit einer kleinen Einschränkung (eigenes Zitat):

"@ Protest durch Nichtwähler
Hier bin ich für das Ankreuzen eines eigenen Kästchens "Keine Partei von allen, leerer Parlamentssitz" als Voraussetzung dafür, dass Sitze leer bleiben können. Sonst sind ungültige Stimmen kein eindeutiger Ausdruck des Wählerwillens und können missbräuchlich eingesetzt werden."

Zweiter Themenbereich war dann das "Alternative Vote", das ich ebenfalls unterstütze.

@ Roger

"Wieso sollte es keine Negativwahlkämpfe geben?"

Die Frage lässt 2 Deutungen zu, daher 2 Antwortversuche. Suchen Sie sich einfach die passende aus.

1. Ich glaube, dass negatives Campaigning inzwischen einen so hohen Stellenwert hat, dass es für engagierte Leute immer unattraktiver wird, sich das "schmutzige Geschäft" Politik anzutun. Das schadet meiner Ansicht nach inzwischen auch der politischen Substanz, weshalb ich mir hier eine Trendumkehr wünschen würde.

2. Meine Hoffnung ist die oben bereits angeführte, dass es innerhalb der Parteien Abgeordnete gibt, die ein Interesse an genau ihrem gefährdeten Sitz haben und "Keine Partei von allen" Stimmen daher fürchten. Diese würden ja dazu führen, dass weniger Sitze vergeben werden. Damit sinkt auch die Chance des einzelnen Abgordneten, einen Sitz zu erhalten. Abgeordnete mit "wackeligen" Listenplätzen müssen daher an einem positiven Politikbild insgesamt interessiert sein.

Es ist aber leider tatsächlich so, dass die Parteizentrale trotzdem weiterhin reines Negative Campaigning betreiben kann, da diese "Keine Partei von allen Stimmen" die Machtverhältnisse zwischen den Parteien selbst nicht beeinflussen können.

Negativwahlkämpfe wirds also, da gebe ich Ihnen völlig recht, weiter geben, bereits ein kleiner Impuls in die Gegenrichtung wäre ein Erfolg.
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Roger (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 08:28 Uhr:   

Negativ Campaining trifft aber nicht die "wackeligen" Listenplätzen der eigenen Partei, sondern nur die der anderen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 12:02 Uhr:   

Die bisherigen Auslassungen sind weitestgehend schlicht und einfach blosse Spekulationen darüber, was wäre, wenn ...
Daher noch ein letztes Mal grundsätzlich nachgefragt:
Wozu soll es UNMITTELBAR dienen, die Grösse eines Parlamentes von der Wahlbeteiligung oder einem vergleichbaren Faktor wie gescheiterte Parteien, Keine-Partei-Option o. dgl. abhängig zu machen? Welches wichtige Problem lässt sich damit lösen, das durch das bestehende Wahlverfahren NICHT gelöst wird, bzw.: welches wichtige Problem lässt sich dadurch BESSER lösen als durch eines der bestehenden Systeme?
Wenn das Scheitern von Parteien an der 5%-Hürde mit den dadurch gegebenen Folgen als Problem empfunden wird - warum wird dann nicht einfach die Abschaffung oder Senkung dieser Hürde gefordert?
Und schliesslich: Wozu soll es nützlich und vorteilhaft sein, eine Wahloption "Protest" in ein Wahlverfahren einzubauen?
Noch einmal zur Erinnerung: Ein Staat besitzt eine Verfassung. Diese Verfassung sagt, wie der Staat aufgebaut ist, welche Organe er hat und wie diese zu bestellen sind. Ferner legt die Verfassung auch gewisse Ziele des Staates fest, ausserdem Leitlinien für die Politik usw.
Damit ist grundsätzlich die Identität des betreffenden Staates bestimmt. Wenn einem der betreffende Staat, so wie er nun einmal ist, nicht passt, dann muss man eine entsprechende Änderung seiner Verfassung anstreben. Auf der Ebene von Wahlen hingegen sind solche grundsätzlichen Fragen im Prinzip ausgeblendet, da sich diese INNERHALB der Verfassung bewegen und nicht OBERHALB derselben.
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Ich (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 13:45 Uhr:   

@Philipp Wälchli:
Wahlen sind eine dokumentation des Volkswillens und so wie es möglich ist, zwischen verschiedenen Parteien auszuwählen, so sollte es auch möglich sein für die Dauer der Legislaturperiode zu dokumentieren, daß eine bestimmte Menge der Wahlberechtigten alle zur Verfügung stehenden Wahloptionen ablehnt. Auch diese Gruppe der Wahlberechtigten sollte - durch freibleibende Plätze im Parlament - über den Wahltag hinaus als schwärende Wunde der Öffentlichkeit deutlich machen können, wie groß jeweils die Nichtzustimmung zu den zur Auswahl stehenden Parteien/Wählergruppen ist. Einfache Nichtwähler, die also nur zu faul sind zum Wahllokal zu gehen oder Briefwahl zu beantragen, würde ich dabei außen vor lassen und "Freisitze" nur verteilen, wenn sich mindestens 5% der Wähler für den "gegen-alle-Button" entscheiden.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 15:40 Uhr:   

@ P. Wälchli:

Ich unterstütze die Grundidee dieses Threads ausdrücklich nicht.

Dennoch sollte es aber doch möglich sein, den dahinter stehenden Gedankengang zu erkennen.
Versuchen wir's also nochmal:

"Welches wichtige Problem lässt sich damit lösen, das durch das bestehende Wahlverfahren NICHT gelöst wird?"

Folgendes Problem:
Es gibt in Deutschland einen gewissen Bodensatz an (in Ermangelung eines besseren Wortes) "Politikverdrossenen".
Also Leute, die sich von den bestehenden etablierten Parteien nicht vertreten fühlen, warum auch immer.
In der Praxis ist es dann so, dass diese Leute entweder gar nicht wählen oder aber, dass sie "Protest" wählen. Also Parteien, von denen sie eigentlich auch selbst wissen (sollten), dass die ihre Probleme auch nicht lösen werden.
Sie meinen aber, durch diese Stimmabgabe "denen da oben" zumindest ihren Unmut demonstrieren zu können.

Wir brauchen nicht darüber zu reden, dass das eine infantile Haltung ist.

Aber die Folge dieser Haltung ist schon ein gewisses Problem. Sie kann nämlich zum Parlamentseinzug von Parteien führen, die für das Gemeinwesen keine konstruktive Arbeit leisten.
(Ich meine damit insbesondere solche Skurilitäten wie die "Allgemeine Pogo-Partei". Im weiteren Sinne aber auch gefährliche Extremisten von links bis rechts, deren Attraktivität für ihre Klientel eben gerade nicht ihre Lösungskompetenz ist, sondern lediglich die Tatsache, dass sie nicht den etablierten Parteien angehören).

Dieser (verirrten, kindischen) Wählerklientel würde das vorgeschlagene Wahlrecht eine Möglichkeit geben, ihren infantilen Denkweise ein Ventil zu verschaffen, dass - anders als heute - die prozentuale Sitzverteilung nicht beeinflusst.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 14. Juli 2007 - 20:03 Uhr:   

@ich
"Wahlen sind eine dokumentation des Volkswillens "

Jein: Wahlen sind immer kanalisierte Formen der Willensäusserung. Wenn wir hypothetisch annehmen, es gäbe in einem bestimmten Gebiet eine Bevölkerung, die keinerlei staatliche Organisation kennt, dann könnten eines Tages alle dort Wohnhaften zu einer Versammlung zusammentreten und erst einmal frei darüber sprechen, ob sie sich überhaupt eine Art staatlicher Organisation geben wollten und falls ja, nach welchen Gesichtspunkten usw. Das ist aber eine völlig andere Art der Willensbildung und Willensäusserung, denn schon bei einer ganz normalen Abstimmung kann nur mit Ja oder Nein gestimmt werden bzw. nur über die verschiedenen alternativen Vorschläge (Anträge) - hingegen nicht über irgendwelche andern denkbaren Möglichkeiten. Genauso ist es bei Wahlen auch: Wahlen stehen immer in einem bestimmten organisatorischen Rahmen, z. B. ist es in der BRD nicht möglich, den Präsidenten zu wählen (das tut die Bundesversammlung), in Frankreich hingegen kann der gewöhnliche Bürger das tun.
Die Frage, die implizit an den Bürger (Wähler) gestellt wird, lautet eben nicht: "Was ist deine Meinung?", sondern: "Wen willst du im Bundestag sehen?" - und DAS ist ein wesentlicher Unterschied.
Oder nochmals meine altbekannte Formel: Wahlen dienen dazu, funktionsfähige Organe zu bestellen - und zu sonst nichts.

@Florian
Ja, gewiss gibt es solche Leute - bloss: Stellt ihre Haltung ein WESENTLICHES Problem dar, das auf diese Weise gelöst werden soll und kann? Die einfachste und naheliegendste Antwort wäre, wieder vermehrt zu informieren, wozu Wahlen dienen und wozu nicht bzw. welche Möglichkeiten es dabei oder auf anderen Wegen gibt, seine Meinung zu äussern. Wenn z. B. eine Million Bürger eine Petition einreicht, in der eine Änderung der Verfassung begehrt wird, dann wird wohl auch der deutsche Bundestag darüber nicht so einfach hinweggehen, sondern sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Dies wäre jedenfalls eine wesentlich sachgerechtere Art der Meinungsäusserung als ein "ich-will-keinen-da-oben"-Wahlschein.

@alle
Eigentlich warte ich ja immer noch darauf, dass einmal die Urheber und Verfechter des Vorschlags eine klare Antwort geben und nicht andere für sie sprechen - aber vielleicht ist das ja auch typisch für die Problemlage?

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