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Für eine 0,75-Sitze-Hürde

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Martin Wilke (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. November 2006 - 23:11 Uhr:   

Bei jeder Verhältniswahl gibt es eine Sperrklausel, die eine Partei überwinden muß, um Sitze zu erhalten. Dies kann eine künstliche Sperrklausel sein, wie etwa die 5%-Hürde, die bei Landtags- und Bundestagswahlen gilt, oder die 3%-Hürde, die bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gilt. Eine solche Hürde führt zur Verzerrung des Wählerwillens, grenzt kleine Parteien aus, vermindert einen offenen Parteienwettbewerb und ist zumindest auf kommunaler Ebene unnötig.

Doch auch wenn es keinerlei künstliche Hürde gibt, erhält nicht jede noch so kleine Partei Parlamentssitze. Denn sie muß zumindest die natürliche Hürde überwinden: genug Stimmen für einen ersten Sitze zu erhalten.

Diese natürliche Hürde ist jedoch nicht identisch mit der durchschnittlichen Stimmenzahl für einen Sitz (100% / Anzahl der zu vergebenden Sitze). Da sich bei der Umrechnung von Wählerstimmen in Parlamentssitze stets rechnerische Sitz-Ansprüche ergeben, die nicht ganzzahlig sind, sondern Nachkommaanteile aufweisen, genügen für den ersten Sitz in der Regel weniger Stimmen als für einen ganzen Sitz nötig sind.

Es ist einleuchtend, daß eine Partei, die genug Stimmen für einen ganzen Sitz bekommen hat, diesen Sitz auch erhalten soll. Fraglich ist, inwieweit eine Partei tatsächlich einen Sitz erhalten soll, die zwar die natürliche Sperrklausel überwunden hat, aber weniger Stimmen erhalten hat als für einen ganzen Sitz notwendig sind.

Die genaue Höhe der natürlichen Sperrklausel hängt von der Anzahl der insgesamt zu vergebenden Mandate, von der Anzahl der teilnehmenden Parteien, von deren Stimmenverteilung und vom Stimmauszählungsverfahren ab. Das insgesamt proportionalste Verfahren stellt dabei das Divisorverfahren mit Standardrundung nach Saint-Laguë dar. Vereinfacht kann man sagen, daß eine Partei ihren ersten Sitz ab einem rechnerischen Sitzanspruch von 0,5 Sitzen erhält, ihren zweiten Sitz ab 1,5 Sitzen, den dritten ab 2,5 Sitzen usw.

Wenn eine Partei oder Wählvereinigung ihren ersten Parlamentssitz allerdings bereits bei einem Stimmenanteil erhält, der einem rechnerischen Anspruch von 0,5 Sitzen entspricht, lohnt es sich für eine Partei, die Stimmen im Wert von 1,0 bis unter 1,5 Sitzen erwartet, sich in zwei getrennte Liste aufzuspalten. Denn während sie mit einer gemeinsamen Liste nur einen Sitz erhält, da der zweite Sitz erst bei mehr als 1,5 Sitzen sicher ist, hätte sie bei einer Aufspaltung gute Chancen, zwei Sitze zu erhalten, da jede der getrennten Listen für ihren ersten Sitz nur genug Stimmen für 0,5 Sitze erhalten muß.

Eine solche strategischen Spaltungen würde jedoch unattraktiv, wenn eine Partei auch bei Spaltung erst dann zwei Sitze erhielte, wenn sie zusammen Anspruch auf mindestens 1,5 Sitze hat. Dies wäre der Fall, wenn eine Partei ihren ersten Sitz erst ab einem rechnerischen Anspruch von 0,75 Sitzen erhält.

Da bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen in jedem Bezirk 55 Sitze vergeben sind, entspricht jeder Sitz 1,8181 % der Wählerstimmen. Wenn eine Partei oder Wählervereinigung erst ab 0,75 Sitzen in die BVV einziehen soll, ergibt dies eine künstliche Sperrklausel von 0,75 * 1/55 = 1,3636 %.

Zwar könnte eine Partei, die ein Ergebnis zwischen 2,25 und 2,5 Sitzen erwartet, sich theoretisch in drei Parteien aufspalten und darauf hoffen, daß diese jeweils mehr als 0,75 erreichen – und alle zusammen somit drei statt zwei Sitze erhalten – doch dies ist für die Partei weit weniger kalkulierbar und daher weniger attraktiv.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. November 2006 - 23:22 Uhr:   

Das ist wohl auch die Motivation hinter dem modifiziertem Sainte Laguë, anfangs statt durch 0,5, durch 0,7 zu teilen.
http://www.wahlrecht.de/lexikon/dansk.html
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Martin Wilke (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 24. November 2006 - 00:36 Uhr:   

Der Unterschied ist, daß der Divisor 0,7 alle Listen betrifft, nicht nur jene, mit weniger als 0,7 oder 0,75 Sitzen.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 24. November 2006 - 21:21 Uhr:   

Eine fixe Sperrhürde trifft auch alle Parteien. Gegen eine Aufspaltungsstrategie dürfte beides ähnlich gut wirken.
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Martina Schmidt (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 18:39 Uhr:   

Sollte das Saint-Lague-Verfahren auf Bundesebene also bei Bundestagswahlen nicht 2006 eingeführt werden laut wahlrecht.de?

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