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Gesetzeslücke in Österreich?

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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 01. September 2006 - 19:08 Uhr:   

Nach den gestern von den Landeswahlbehörden abgesegneten Listen für die Nationalratswahl enthalten alle neun Landeswahlvorschläge von Hans-Peter Martin nur einen Kandidaten. Nicht eindeutig ist in der Nationalratswahlordnung geregelt, was passiert, wenn auf einen dieser Landeswahlvorschlag mehr als ein Sitz entfallen sollte. In § 107 Abs. 8 (zum 3. Ermittlungsverfahren) steht:
"Übersteigt die so für eine Partei ermittelte Gesamtmandatszahl die Summe der dieser Partei im ersten und im zweiten Ermittlungsverfahren zugefallenen Mandate, so erhält sie soviele weitere Mandate zugewiesen, wie dieser Differenz entspricht."
Die Formulierung läßt zwei Interpretationen zu: Entweder werden, falls eine Landesparteiliste nicht genug Bewerber hat, entsprechend mehr Sitze im 3. Ermittlungsverfahren über die Bundesliste zugewiesen, oder die nicht zu besetzenden Sitze des Landeswahlvorschlages verfallen.

Völlig konfus wird es aber, wenn man §112 Abs. 1 berücksichtigt:
" Ist auf dem Landeswahlvorschlag die Landesparteiliste durch Tod oder durch Streichung (§ 111 Abs. 4) erschöpft, so hat die für die Berufung zuständige Landeswahlbehörde den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Partei, die den Landeswahlvorschlag eingebracht hat, aufzufordern, binnen 14 Tagen bekanntzugeben, welche von den auf den übrigen Landeswahlvorschlägen aufscheinenden zu berücksichtigenden Wahlwerber im Fall der Erledigung von Mandaten von der Landeswahlbehörde auf freiwerdende Mandate zu berufen sind."

Es ist also nicht der Fall geregelt, daß die Erschöpfung der Landesparteiliste bereits bei der Wahl selbst eintritt. Dieser Fall ist aber unabhängig davon möglich, wie man §107 auslegt.

Zwei Erklärungen für die konfus erscheinende Regelung sind m.E. denkbar:
1) Es war die Intention des Gesetzgebers, daß die Mandate verfallen, wenn schon bei der Wahl selbst eine Erschöpfung der Liste eintritt.
2) Der Gesetzgeber hat schlampig gearbeitet und das Gesetz nicht genügend durchdacht.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Samstag, 02. September 2006 - 10:42 Uhr:   

Ich tippe da mehr auf die bei Wahlgesetzen übliche schlampige Arbeit. Sonst würde im Gesetz explizit stehen, daß Sitze, die nicht besetzt werden können, verfallen. Dafür spricht auch, daß auf allen drei Ebenen die selben Leute kandidieren können und erstaunlicherwiese - entscheiden können, auf welcher Ebene sie ihre Wahl annehmen und damit, wer Nachrücker sein soll.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 18. Juni 2011 - 18:08 Uhr:   

Zum neuen Wahlrecht in Österreich: Die Behauptung im Twitter-Feed, taktisches Wählen sei nicht mehr möglich halte ich für falsch. Natürlich ist taktisches Wählen weiter möglich. Nur drei Beispiele:

a) Ich bin Anhänger einer Partei, die nach allen Umfragen nicht ins Parlament kommen wird. Ich wähle daher eine andere als meine präferierte Partei, um mit meiner Stimme zu verhindern, daß die nach Umfragen knapp vor der absoluten Mehrheit der Mandate stehende größte Partei, eine Alleinregierung bilden kann. - Klarer Fall von taktischem Wählen, ohne Taktik hätte ich die präferierte Partei gewählt, obwohl sie keine Chance hat.

b) Ich bin Anhänger einer Partei, die nach Umfragen sicher in das Parlament kommt. Nach diesen Umfragen erält die stärkste Partei dann eine absolute Mehrheit der Mandate, wenn eine bei den Umfragen an der Sperrklausel stehende Partei nicht in das Parlament kommt. Ich wähle daher die von mir inhaltlich abgelehnte kleine Partei, um die absolute Mehrheit der größten Partei zu verhindern (eventuell sogar mit der Aussicht, daß meine präferierte Partei dann Koalitionspartner wird). - Klarer Fall von taktischem Wählen, ohne Taktik wäre ich das Risiko der absoluten Mehrheit der größten Partei eingegangen.

c) Ich bin Anhänger einer Partei, die sicher im Parlament vertreten ist. Die nach den Umfragen größte Partei steht knapp vor der absoluten Mehrheit, hat aber angekündigt, im Falle des Verfehlens derselben mit einer kleineren Partei zu koalieren, die gerade die Koalition mit meiner präferierten Partei aufgekündigt hat. Um zu verhindern, daß diese kleine Partei für den Koalitionsbruch auch noch belohnt wird, wähle ich die größte Partei und nicht meine präferierte Partei. - Klarer Fall von taktischem Wählen, ohne Taktik hätte ich die ungeliebte Koalition in Kauf genommen.

Letzterer Fall ist übrigens gerade in Hamburg eingetreten, wo viele CDU-Anhänger SPD gewählt haben, um zu verhindern, daß die GAL nach dem Koalitionsabruch auch noch mit einer weiteren Senatsbeteiligung belohnt wird.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 04. April 2013 - 23:09 Uhr:   

Die Landtagswahl in Tirol zeigt weitere und gravierendere Lücken in der Nationalratswahlordnung: Es können mehrere gültige Bundeswahlwahlvorschläge derselben Partei eingereicht werden. Ein Bundeswahlvorschlag ist von mindestens einen Zustellungsbevollmächtigten (entspricht der Vertrauensperson in Deutschland) eines Landeswahlvorschlags zu unterzeichnen. Nicht geregelt ist, was passiert, wenn verschiedene Zustellungsbevollmächtigte unterschiedliche Listen einreichen. Genau das ist jetzt in Tirol passiert, wo man für die Landtagswahlordnung weitgehend von der Nationalratswahlordnung abgeschrieben hat. Dort können Kreiswahlvorschläge für jeden der neun Bezirke und Landeswahlvorschläge eingereicht werden. Für das Team Stronach wurden gleich drei Landeswahlvorschläge eingereicht. Eine wurde zurückgezogen, neben der quasi-offiziellen Liste blieb eine weitere eines inzwischen abgesetzten Landesgeschäftsführers üblich. Diese wurde letztlich von der Landeswahlbehörde zugelassen, weil sie zuerst eingereicht wurde.

Hier hat quasi ein Ausgestoßener statt der richtigen Partei eine Liste eingereicht. Gut möglich, dass dies zur Ungültigkeit der Wahl führt. Möglich wird das, weil in Österreich sinnfrei zwischen politischer Partei (also der Parteiorganisation) und einer wahlwerbenden Partei unterschieden wird. Parteinamen sind nicht geschützt. Jeder kann eine SPÖ-, ÖVP- FPÖ-, Grüne-Liste usw. einreichen. Wohl gibt es eine Regelung für den Fall, dass unterschiedliche Landeswahlvorschläge bei Nationalratswahlen mit denselben oder ähnlichem Namen im gleichen Land antreten, aber auch die ist lückenhaft (§ 44 NRWO), kann zu massiven Problemen führen und einer Partei auch Sitze kosten. Wenn man eine Partei ärgern will, braucht man nur eine Liste mit ihrem Namen einzureichen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 21. August 2015 - 16:01 Uhr:   

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