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Verhältniswahl übertragbar auf Mehrhe...

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Archiv bis 17. November 2005MMA33 17.11.05, 15:15h 
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Philipp Wälchli (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. November 2005 - 19:52 Uhr:   

Die Ausgangsfrage lautete allerdings ausdrücklich umgekehrt; die Übertragbarkeit der amerikanischen Verfahren auf Deutschland zu untersuchen bzw. deren denkbare Auswirkungen, bietet daher keine Antwort auf die eingangs gestellte Frage.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 10:23 Uhr:   

"Vielleicht kommt ja die neue große Koalition im Laufe der Legislaturperiode auch auf ähnliche Wahlrechtsreform-Ideen wie die letzte."

Das ist nun wirklich eine interessante Spekulation.
Meines Wissens scheiterte die Einführung eines Mehrheitswahlrechts in den 60ern ja daran, dass die SPD kalte Füße bekam als ihr klar wurde, dass sie dadurch gegenüber der Union ihre Unterlegenheit zementieren würde.

Heutzutage ist die Sache aber anders:
Seit 1994 waren die Wahlergebnisse immer knapp, zweimal lag die SPD vor der Union.
Ein Mehrheitswahlrecht würde die SPD bei der Sitzvergabe sogar tendenziell leicht bevorzugen, weil sie ihre Direktmandate im Schnitt knapper gewinnt als die Union.
Auf jeden Fall hätten heutzutage sowohl SPD als auch Union bei einem Mehrheitswahlrecht realistische Chancen auf eine absolute Mehrheit.
Dessen Einführung läge heutzutage daher - anders als in den 60ern - im Interesse aller Großkoalitionäre.

Allerdings hat sich natürlich mittlerweile die Traditionslinie des Verhältniswahlrechts in Deutschland stark verfestigt.
In den 60ern hätte die Bevölkerung eine entsprechende Wahlrechtsänderung vielleicht noch leichter geschluckt. Nach 60 Jahren mit Verhältniswahlrecht würde dessen Abschaffung von weiten Teilen der Bevölkerung wahrscheinlich als Revolution von Oben angesehen werden.

Aber ich bin dennoch mal gespannt, ob das Thema in dieser Legislaturperiode angegangen wird.

So wie die Dinge nunmal liegen, sind die Chancen, dass eine "kleine" Koalition (d.h. bestehend aus einem großen und nur einem kleinen Partner) in Zukunft noch Wahlen gewinnt mittlerweile arg reduziert. Das schmälert naturgemäß den Einfluss von SPD und Union. Da ist die Versuchung, für klare Verhältnisse zu sorgen, sicherlich schon da...
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 11:15 Uhr:   

@MMA:
> Was würde hier passieren, wenn wir das dortige,
> recht klar darstellbare Zweiparteiensystem
> hätten?
Also ich halte das US-Parteiensystem für nicht so "klar darstellbar".
Nach unserem Verständnis sind das kaum Parteien, eher lockere Bündnisse von Einzelkandidaten - Parteiwechsel sind ja nicht unüblich.

So etwas könnte man gar nicht auf Deutschland übertragen - egal wie man das Wahlrecht ändert.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 11:51 Uhr:   

@Florian:
> Auf jeden Fall hätten heutzutage sowohl SPD
> als auch Union bei einem Mehrheitswahlrecht
> realistische Chancen auf eine absolute Mehrheit.
Da wäre ich mir an deren Stelle nicht so sicher.

Die Einführung eines Mehrheitswahlrechts würde einen Riesenärger geben.
Vielleicht würde die Mehrheit das schlucken - aber die ablehnende Minderheit wäre deutlich größer als das Potential von FDP/PDS/Grünen.
Und die Zustimmungsseite würde das nicht sehr wichtig nehmen - für die Ablehnungsseite dagegen wäre es DAS Thema überhaupt, und würde extrem viel Engagement provozieren.

Die drei Oppositionsparteien würden deutlichen Wählerzuwachs bekommen, und durch Konzentration ihrer Kräfte auf aussichtsreiche Wahlkreise (die wären dann ja auch deutlich kleiner) und taktische Absprachen würden sie m. E. deutlich mehr Direktmandate bekommen als heute.

Nur mal als Beispiel: Das BTW-Ergebnis vom September brachte der Union bei den Direktmandaten einen hauchdünnen Vorsprung von 150 zu 145 (SPD) bei 4 Mandaten für PDS/Grüne.
Bei einem Mehrheitswahlrecht hätte es m. E. für keine der beiden großen Parteien eine Mehrheit gegeben.

> So wie die Dinge nunmal liegen, sind die
> Chancen, dass eine "kleine" Koalition (d.h.
> bestehend aus einem großen und nur einem
> kleinen Partner) in Zukunft noch Wahlen gewinnt
> mittlerweile arg reduziert.
Nur weil es jetzt einmal (das erste Mal) nicht geklappt hat, würde ich da noch keinen Trend sehen.
Sowohl bei der PDS als auch bei den Grünen ist auch durchaus noch offen, ob sie 2009 wieder ins Parlament kommen.
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Frank Schmidt (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 13:38 Uhr:   

Der Vorschlag der großen Koalition 66-69 war kein volles Mehrheitswahlrecht, sondern Mehrpersonenwahlkreise, die 3 oder 4 Abgeordnete wählen sollten. In solchen Wahlkreisen bekäme jede der großen Parteien sicher einen Sitz, während die kleinen ziemlich sicher draußen wären. Allerdings würde ein solches Wahlrecht die PDS wegen ihrer Stärke im Osten schwächer beeinflussen als FDP und Grüne, und ein Patt wäre genauso möglich wie jetzt.

Mit Mehrpersonenwahlkreisen meine ich dabei kleine, voneinander unabhängige Wahlkreise mit Verhältniswahl. Diese gab es in den USA nicht auf Bundesebene; dort konnten Staaten sich entscheiden, ob sie ihr Gebiet in Wahlkreise aufteilen oder über alle Sitze im ganzen Staat abzustimmen. Das war keine Verhältniswahl, sondern viele nebeneinander stattfindende Mehrheitswahlen mit jeweils eigenen Kandidaten. Wenn im Staat also eine Partei weit mehr Anhänger hatte als die andere, konnte sie alle Sitze gewinnen. Bei einer Aufteilung in Wahlkreise dagegen gibt es meistens einige Gebiete, wo die Minderheit regional vorne liegt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 15:42 Uhr:   

> In solchen Wahlkreisen bekäme jede der großen
> Parteien sicher einen Sitz, während die kleinen
> ziemlich sicher draußen wären.
Das wäre deutlich leichter für die kleinen Parteien als das englische Mehrheitswahlrecht.

Jede der drei kleinen Parteien hat lokale Hochburgen, in denen sie einen Platz drei oder vier schaffen kann (gemeint ist die dritte bzw. vierte Zuteilung, nicht nur die Reihenfolge).

So ein Wahlrecht bedeutet nämlich auch, daß die kleinen Parteien sich auf aussichtsreiche Wahlkreise konzentrieren können - die großen Parteien müssen weiterhin flächendeckend kämpfen.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 18:15 Uhr:   

Ok, machen wir mal das Gedankenexperiment und nehmen an, in Deutschland würde in 4er-Wahlkreisen gewählt.

Wirkung auf die PDS:
Die PDS würde in allen Ostwahlkreisen einen Kandidaten durchbringen, in manchen vielleicht sogar 2. Ergebnis wären ca. 5% aller Abgeordneten-Sitze.

Wirkung auf FDP und Grüne:
Um eine realistische Chance auf 1 Sitz zu haben, bräuchte man (je nach Wahlverfahren) grob gesagt mindestens die Hälfte der Stimmenzahl der zweitstärksten Partei. D.h. grob gesagt mindestens 15% der Stimmen in einem Wahlkreis.
Erschwert wird dies durch mögliches Jerrymandering der großen Parteien - und dadurch, dass die für FDP und Grünen "interessanten" Wahlkreise ziemlich deckungsgleich sein dürften, so dass man sich dort gegenseitig Stimmen wegnimmt. Um wie bisher je gut 7% der Abgeordneten zu stellen müssten die beiden in jeweils 25% der Wahlkreise über die "15%-Hürde" kommen. Halte ich für sehr unrealistisch.
Meine Prognose wäre, dass nur eine der beiden Parteien das neue Wahlrecht mit substanzieller Sitzzahl überleben würde - und zwar bei eher unter 5% der Sitze. Favorit wären hier für mich eher die Grünen, weil die noch klarere Hochburgen haben als die FDP (Vorteil der FDP wäre hingegen, dass sie sich im Parteienspektrum gegenüber den Alternativen Union, SPD, PDS besser als die Grünen profilieren könnten).

Wirkung auf SPD und Union:
Die sonstigen Parteien werden wie gesagt bei nicht mehr als 10% der Sitze liegen.
Damit eine Partei die absolute Mehrheit holt reicht es also aus, wenn die Sitze unter Union und SPD im Verhältnis 50 zu 40 verteilt würden.

Das ist aber gar nicht so leicht möglich wie man meinen sollte. Durch die 4er-Wahlkreise sind Erdrutschsiege viel schwerer zu erreichen als bei 1er-Wahlkreisen wie in Großbritannien.

Gesamtergebnis:
- eine PDS mit ostdeutscher Machtbasis und ca. 5% aller Sitze
- eine großstädtische Alternativ-Partei (FDP oder Grüne) mit ca. 5% der Sitze
- 2 große Parteien Union und SPD die beide eine Chance auf eine absolute Mehrheit haben, allerdings keine Gewissheit. Sofern die PDS weiterhin von der SPD als nicht koalitionstauglich eingestuft würde, wäre auch in Zukunft die mögliche Notwendigkeit einer großen Koalition nicht vom Tisch.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 18:37 Uhr:   

> Mehrpersonenwahlkreise, die 3 oder 4 Abgeordnete wählen sollten.

Bei einem derartigen Wahlrecht würden praktisch alle Wahlkreise in den neuen Bundesländern sowie in den östlichen Stadtteilen Berlins und nun auch im Saarland je einen Abgeordneten von Linkspartei.PDS, CDU und SPD stellen, in unterschiedlicher Zuteilungsreihenfolge, das wäre bei 3er Wahlkreisen aber egal. Ein Wahlkampf muss dort dann praktisch nicht mehr geführt werden, da passiert erst bei extremen Schwankungen noch irgendetwas.

Lässt man den Bundestag dann bei etwa der jetzigen Größe, hätte die Linkspartei.PDS quasi automatisch und unveränderlich immer 50 bis 60 Abgeordnete, je nach Zuschnitt der Mehrpersonenwahlkreise. Das gilt auch dann, wenn sie relativ schwach oder relativ gut abschneidet.

Eine absolute Mehrheit für SPD oder CDU/CSU im Bundestag ist dann sogar recht unwahrscheinlich.

Bei einem derartigen Wahlrecht würde es praktisch immer eine rotrote Koalition oder eine rotschwarze Koalition geben müssen, also das Gegenteil vom angestrebten Ziel.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 18. November 2005 - 18:45 Uhr:   

2 Poster, 1 Gedanke, hatte Florians Posting noch nicht gekannt. Ich denke, die Linkspartei.PDS wird bei einer solchen Regelung jedoch deutlich über 5 % und eher bei 8 bis 10 % der Abgeordneten liegen (ein Drittel der Abgeordneten auch bei 4er Wahlkreisen, und das in etwa einem Fünftel bis einem Viertel aller Wahlkreise). Auf Grüne und FDP kommt es dann nicht mehr an.
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JohnRawls (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 19. November 2005 - 06:47 Uhr:   

Eine Veränderung des Wahlrechtes würde auch eine Veränderung der Parteienlandschaft mit sich ziehen. In den o.g. Gedankenspielen könnte es z.B. zu Zweckbündnisses FDP/Grünen kommen, aus denen eine Annäherung erwächst oder ganz andere Gedankenmodelle. Ein einfaches Umrechnen auf die derzeitige Parteienlandschaft greift aber sicher zu kurz.
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C.-J. Dickow (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 21. Januar 2007 - 16:15 Uhr:   

Auch wenn das Milchmädchen um die Ecke guckt, habe ich das Zweitstimmen-Ergebnis der Bundestagswahl in den 299 Wahlkreisen mal unter Hare/Niemeyer auf ein Wahlrecht mit 4er-Wahlkreisen umgelegt. Heraus kam:

SPD 428 Sitze (=35,8% der Sitze)
CDU 349 Sitze (=29,2% der Sitze)
FDP 189 Sitze (=15,8% der Sitze)
CSU 90 Sitze (=7,5% der Sitze)
Linke 71 Sitze (=5,9% der Sitze)
Grüne 68 Sitze (=5,7% der Sitze)
Einzelkandidat 1 Sitz (=0,1% der Sitze)

Der erfolgreiche Einzelbewerber wurde im Wahlkreis Weiden angenommen, wo ein Einzelkandidat namens Dippel 13,6% der Erststimmen erreicht hat. Auffällig ist: In mehr als der Hälfte der Wahlkreise ist die Verteilung 2-1-1, so daß die drittstärkste Partei einen Sitz erhält. aus dem Trend fallen einerseits Sachsen und Thüringen, wo jeder Wahlkreis eine 1-1-1-1-Verteilung bringt und andererseits Schleswig-Holstein, mit einer Verteilung von 2-2 in acht der elf Wahlkreise. Nur in zwei Wahlkreisen (Rottal-Inn, Straubing) erhielt eine Partei drei Sitze (das wäre 2002 im Übrigen anders gewesen, weil die CSU deutlich stärker und die FDP, die in Bayern 36 mal zum Zuge kommen würde, weniger als halb so stark war). Ebenfalls nur in zwei Wahlkreisen (Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg) erhielt die Linke zwei Mandate. Lediglich einmal ging eine der Volksparteien leer aus, die CDU im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost.

Auswertung West - Berlin - Ost:
SPD 339 - 16 - 73
CDU 284 - 11 - 54
FDP 155 - 4 - 30
CSU 90 - 0 - 0
Linke 9 - 9 - 53
Grüne 58 - 8 - 2
Einzelbewerber 1 - 0 - 0
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Sonntag, 21. Januar 2007 - 17:02 Uhr:   

@C.-J. Dickow
Wie sähe das bei dHondt oder Sainte-Laguë aus?
Zweitstimmen aber Einzelbewerber?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 22. Januar 2007 - 10:40 Uhr:   

Milchmädchen hin oder her - das ist schon eine interessante Berechnung.
Denn im Gegensatz zu den vorher recht plausibel klingenden Vermutungen werden Grüne und PDS geschwächt, die FDP deutlich gestärkt.
Während es bei den Volksparteien kaum Änderungen gibt.
Hätte ich nicht erwartet. Offenbar hilft die etwas gleichmäßigere Verteilung ihrer Wähler den Liberalen, in ihren guten Gebieten den Zuschlag zu kriegen.
Während Grüne und PDS mit ihrer stärkeren Hochburg-Konzentration diesen Zuschlag deutlicher kriegen, aber öfters leer ausgehen - in Summe bedeutet das dann Mandatsverluste.

Wie sind denn im Beispiele eigentlich die 4-er-Wahlkreise gebildet worden?
Das ist ja schon das erste Gerrymandering-Problem.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 22. Januar 2007 - 18:14 Uhr:   

Eine interessante Aufstellung von C.-J. Dickow. Martin Fehndrichs Frage ist allerdings sehr berechtigt, denn bei einer Auszählung nach d'Hondt käme etwas ganz anderes heraus.

Die FDP (oder eine der anderen drittstärksten Parteien) müsste dann nämlich jeweils zumindest mehr als Hälfte der Stimmen der zweitstärksten Partei bekommen, um dieser deren zweiten und damit insgesamt den vierten Sitz des Wahlkreises abzunehmen. Das schafft sie aber nur eher selten, dann hätten wieder Grüne und Linke die besseren Karten.

@Ralf Arnemann: Wie sind denn im Beispiel eigentlich die 4-er-Wahlkreise gebildet worden? - Wie es aussieht noch gar nicht; die Gesamtzahl der Mandate ist im Beispiel 4 mal 299 (davon 4 * 53 Ost, 4 * 12 Berlin).

Würde man die Zahl der Mandate wieder auf 299 reduzieren wollen, hätte Berlin noch drei Wahlkreise (6 bei 598), da träte das Gerrymandering-Problem in der Tat sehr deutlich zu Tage.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 23. Januar 2007 - 10:08 Uhr:   

@Good Entity:
In der Tat - da sind einfach den bestehenden Wahlkreisen vier Mandate zugeteilt worden, das hatte ich übersehen.

Wobei diese Methode auch völlig vernünftig ist, um einen ersten Eindruck zu bekommen, OHNE über Gerrymandering diskutieren zu müssen.

Falls man das umsetzen würde, müßten die 4-er-Wahlkreise etwa so groß sein wie derzeit 2 Wahlkreise, denn in so einem Verfahren würden ja wohl dann keine Listen mehr verwendet.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 23. Januar 2007 - 18:15 Uhr:   

Das Resultat bei kleinen Wahlkreisen hängt extrem vom Verrechnungsverfahren ab. Ich habe die 4er-Wahlkreise mal mit d'Hondt durchgerechnet.

SPD 560
CDU 426
CSU 124
Linksp. 64
Grüne 18
FDP 3
Hohmann 1

Ich habe unterstellt, daß Hohmann (21,5% Erststimmen in Fulda ein Mandat bekommen hätte.

Neben dem Bias zugunsten der SPD fällt besonders das schlechte Resultat für die FDP auf. Nur in Dresden I, Hochtaunus und Main-Taunus hätte es zu einem Mandat gereicht, wobei in Dresden nur die außergewöhnlichen Umstände für das sehr gute FDP-Ergebnis gesorgt haben. Der FDP schadete vor allem ihre recht gleichmäßige Wählerverteilung. Auch gibt es nicht so viele Wahlkreise, wo sie das Mandat nur knapp verpaßt hätte (z.B. München-Land, Rhein-Sieg-Kreis II, Böblingen). Die Grünen sind in Großstädten und die Linkspartei im Osten und im Saarland hingegen stärker konzentriert.

Die CSU hätte - trotz des relativ schlechten Abschneidens - in 3/4 aller bayerischen Wahlkreise 3 der 4 Mandate geholt und mit 49,2% der Stimmen 124 der 180 bayerischen Sitze (=68,9%) bekommen.
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clovis
Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Februar 2007 - 15:02 Uhr:   

Guten Tag!

Zu der Ausgangsfrage des Stranges: Ohne genaue Detailkenntnis zu haben, denke ich, dass ein US-Gliedstaat problemlos seine Repräsentanten mit einer Verhältniswahl bestellen könnte. Im Falle großer Staaten wäre das sinnvoll, bei kleinen, die nur einen Repräsentanten in den Kongress schicken, natürlich nicht. Nimmt man als Beispiel Kalifornien, dann könnte wahrscheinlich einfach durch ein Kalifornisches Gesetz Verhältniswahl bei den Repräsentanten eingeführt werden, was entweder durch die kalifornische Legislative oder durch Volksbegehren und –entscheid geschehen kann.

Ob ein solches Anliegen allerdings Interesse fände, ist eine andere Frage und ob die speziell deutsche Form der „personalisierten Verhältniswahl“ Gefallen fände eine dritte.

Mir ist aber bei dieser Gelegenheit eine Variante einer personalisierten Verhältniswahl eingefallen, von der ich noch nie gehört habe und die daher neu sein könnte. Es orientiert sich STV-Verfahren, versucht aber für den Wähler einfacher zu sein und auch die Auszählung der Stimmen zu vereinfachen.

Wie bei STV gibt es einen großen Pool von Kandidaten für alle Sitze aus allen Parteien, wobei die Parteizugehörigkeit der Kandidaten nur emblematischen Charakter hat und keine formale Rolle bei der Sitzzuteilung spielt. Jeder Wähler hat genau eine Stimme, die er an genau einen Kandidaten vergibt.

Es wird eine handvoll gut bekannter und beliebter Kandidaten geben, die erheblich mehr Stimmen erhalten als für einen Sitz notwendig wäre und viele Kandidaten, die nicht genug Stimmen bekommen. Statt nun nach umständlicher Berechnung aus zweit-, dritt- und sonstigen Präferenzen des Wählers eine Übertragung der Stimmen zu extrahieren, wäre die Idee, dass dies von den Kandidaten entscheiden wird.

Im ersten Schritt würden die erfolgreichen Kandidaten als Sachwalter des Wählerwillens ihre überflüssigen Stimmen an Kandidaten ihrer Wahl verteilen. Danach würden immer noch zu schwache Kandidaten nach einer bestimmten Regel ausscheiden, z.B. der mit den wenigsten Stimmen. Der Ausscheidende Kandidat entscheidet, an welchen verbleibenden Kandidaten er seine Stimmen weitergibt. Das wird so lange wiederholt, bis alle Sitze vergeben sind.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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gelegentlicher Besucher (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Februar 2007 - 16:08 Uhr:   

@clovis

Die Wahl in Einerwahlkreisen ist bundesgesetzlich vorgeschrieben, 2 U.S.C. §2c. Ein Staat der tatsächlich eine Verhältniswahl einführen wollte könnte aber vermutlich eine Änderung durchsetzen, diese Vorschrift soll im wesentlichen rassistisch motivierte Blockwahlen verhindern.

Zu Ihrem Vorschlag: Etwas ähnliches (nicht genau das Gleiche) gibt es für den australischen Senat. Dieser wird im Prinzip nach STV gewählt, jede Partei reicht aber eine vorgeschlagene Durchnummerierung ein. Der Stimmzettel ist dann zweigeteilt, die Wähler können entweder auf der oberen Hälfte einen der Vorschläge ankreuzen (above-the-line voting) oder auf der unteren Hälfte selbst nummerieren (below-the-line voting). In der Praxis wählen fast alle oben. Auch selbst chancenlose Parteien haben so einen gewissen Einfluss durch die Verfügung, wo ihre above-the-line-Stimmen hin übertragen werden sollen. Ansonsten hat das Verfahren in der Praxis starke Ähnlichkeit mit einer Listenwahl
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clovis
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Februar 2007 - 10:07 Uhr:   

gelegentlicher Besucher,

ein US-Bundesgesetz wie 2U.S.C. §2c war mir nicht bekannt. Es ist sicher eine gewisse Hürde.

Das von Ihnen beschriebene "above the line voting" zum australischen Senat implementiert eine Listenwahl mit starren Listen. Das von mir beschriebene Verfahren hätte schon deutlich flexiblere Listen.

Das "below the line voting" hebt zwar die starren Listen theoretisch auf, spielt aber offenbar keine praktische Rolle. Ich denke das hat auch eine systematische Ursache, die ich mal als "demokratisches Paradoxon" bezeichne. Will ein Wähler diese Möglichkeit nutzen und stellt er an sich den Anspruch, dies nicht erratisch/zufällig zu machen, bedeutete das für ihn einen erheblichen Aufwand, sich über die einzelnen Kandidaten zu informieren. Dieser Aufwand ist durch das statistisch geringe Gewicht seiner Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Das gilt im Übrigen abgeschwächt natürlich für alle Wahlen, an denen sehr viele Wähler teilnehmen.

Ich will das nochmal an einem Beispiel aus Deutschland erläutern. Die SPD gab es ja eine Weile lang in den drei Geschmacksrichtungen "Schröder", "Scharping" und "Lafontaine". Wollte ein Wähler mit "below the line voting" eine dieser Geschmacksrichtungen herausheben, müßte er sich über die Zuordnung aller Hinterbänkler zu diesen Richtungen informieren. Das könnte er bei meinem Verfahren an die Top-Dogs delegieren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Clovis
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die die du nicht kennst
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 12. November 2009 - 17:07 Uhr:   

hallo ich habe eine wie ich finde ziemlich komplizierte frage vor mir:

warum haben unsere verfassungsväter das bundesgesetz-verfahren so kompliziert gemacht?

bitte helft mir :]
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fmoks
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Dezember 2009 - 18:52 Uhr:   

Das liegt an der deutschen Mentalität. Alles kompliziert machen um sich so überlegener zu fühlen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Dezember 2009 - 20:24 Uhr:   

"Das liegt an der deutschen Mentalität. Alles kompliziert machen um sich so überlegener zu fühlen."
Schwachsinn. Man sehe sich nur mal die Auseinandersetzung um die Gesundheitsreform im US-Kongress an. Das ist bestimmt nicht durchschaubarer als ein Gesetzgebungsverfahren in Deutschland.

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