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Fragen zu negativem Gewicht, externem...

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Sonstiges (noch nicht einsortierte Themen) » Fragen zu negativem Gewicht, externem Überhangmandat, u.a. « Zurück Weiter »

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Jörg
Veröffentlicht am Montag, 24. Oktober 2005 - 20:04 Uhr:   

Guten Abend,

mit viel Interesse habe ich Ihre Ausführungen zu den Wahlsystemen und ihren Eigenschaften gelesen.
Nun stellen sich mir drei Fragen, auf die ich eine Antwort erhoffe:

1. Auf Ihren Seiten schreiben Sie, dass ein negatives Gewicht auch dann auftreten kann, wenn kein Stimmensplitting erlaubt ist. Wie kann dies ein? Überhangmandate und daraus evtl. resultierende negative Gewichte können doch nicht auftreten, wenn für Wahlkreiskandidat und Partei dieselbe Stimme abgegeben wird!? Oder kommt dieser Effekt bei unterdurchschnittlich kleinen (also wählerschwachen) Wahlkreisen zustande, wo sich die Stimmen für das relative Verhältnis nicht so stark auswirken, aber trotzdem eine "ganze Person" (wie bei größeren Wahlkreisen auch) von diesen Wahlkreisen benannt wird?

2. Sie schreiben, dass im Moment ein externen Überhangmandat faktisch nur bei der CSU auftreten könnte. Ist dies so zu erklären, dass Anhänger anderer Parteien in Bayern die CSU-Kandidaten mit ihrer Erststimme wählen würden, weil andere Kandidaten ohnehin keine Chance hätten, aber ihre Zweitstimme an ihre bevorzugte Partei abgeben, da sich diese Stimme in jedem Fall auf das relative Verhältnis auswirkt?

3. In den Ausführungen zur Bundestagswahl steht folgender Satz:
"Unberücksichtigt bleiben dabei die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Einzelbewerber oder Parteibewerber ohne angeschlossene Landesliste abgegeben haben."
Warum ist dies so? Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht?


Danke für die Beantwortung der Fragen im Voraus!


Jörg
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Frank Schmidt
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2005 - 12:02 Uhr:   

1. Ich verstehe das so, dass zusätzliche Erststimmen sich nur dann positiv auswirken, wenn sie eine Niederlage in einen Sieg verwandeln, zusätzliche Zweitstimmen können dagegen ein negatives Gewicht haben. Wenn es nur eine Stimme für den lokalen Kandidat und die Landesliste gäbe, wäre das Gewicht negativ, wenn es Überhangmandate im Land gibt, die Stimme aber kein weiteres Überhangmandat herbeiführt (etwa in einem Wahlkreis, den die Siegerpartei bereits klar gewinnt, oder in einem, in dem sie klar verliert).

2. Die SPD und CDU haben Länder, in denen sie die meisten oder alle Wahlkreise gewinnen, und solche, wo sie kaum Wahlkreise gewinnen. Insgesamt gewinnen sie viel mehr Mandate als Wahlkreise. Das ist bei der CSU anders, die nur in Bayern antritt und dort fast alle ihre Sitze in Wahlkreisen gewinnt.

3. Bei den meisten Wahlkreisgewinnern ist es so, dass ihre Partei durch Zweitstimmen bereits den Sitz sicher hat; es wird also die Partei durch den Wahlkreissieg nicht stärker vertreten sein. Im Allgemeinen werden die Sitze nur durch Zweitstimmen legitimiert, und Erststimmen unbedeutend. Im Fall eines Einzelkandidaten oder Parteibewerbers ohne Landesliste ist aber nur die Erststimme von Bedeutung, deshalb wird bei einem solchen Sieg die Zweitstimme gestrichen, weil sonst beide Stimmen Gewicht hätten. (Bei dieser Begründung werden allerdings Überhangmandate nicht berücksichtigt, die auch nur durch Erststimmen legitimiert sind)
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2005 - 13:47 Uhr:   

Ergänzung zur Frage 1: Wenn das Stimmensplitting wegfällt, bleiben die anderen möglichen Ursachen für Überhangmandate unverändert bestehen: Geringe Wahlbeteiligung, schwache Wahlkreissieger, Wahlkreiseinteilung. In Sachsen-Anhalt z.B. lag die SPD in diesem Jahr auch nach Zweitstimmen in allen Wahlkreisen vorn - mit 32,7% landesweit. An der Zahl der dortigen Überhangmandate hätte sich also nichts geändert, wenn die Wähler dort die Erststimme genauso wie die Zweitstimme abgegeben hätten. Dies gilt auch für Baden-Württemberg, Brandenburg, Saarland und Hamburg. Nur in Sachsen hätte es ein Überhangmandat weniger gegeben, weil in Dresden ja die SPD nach Zweitstimmen vorne lag. In Thüringen hat das Stimmensplitting evtl. sogar Überhangmandate verhindert. Jedenfalls lag die SPD dort nach Zweitstimmen in zwei weiteren Wahlkreisen vorn.
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Florian
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2005 - 15:19 Uhr:   

Zu Frage 1 noch ein Beispiel zum besseren Verständnis:

In einem Land treten 3 Parteien an.
In jedem Wahlkreis sei das Ergebnis genau gleich:
Bei Erst- und Zweitstimmen bekommt Partei A 30%, Partei B 30% und Partei C 40%.

Insgesamt seien regulär 20 Sitze zu vergeben, davon 10 für Direktmandate.
Partei C stehen dann 8 Sitze zu. Sie bekommt aber alle 10 Direktmandate.
Folge: 2 Überhangmandate für Partei C.

Ganz allgemein:
Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch ohne Splitting zu Überhangmandaten kommt ist umso höher, je niedriger der notwendige Stimmenanteil den man braucht, um ein Direktmandat zu gewinnen.
Wenn es nur 2 große Parteien mit Chancen auf Direktmandate gibt, dann liegt der nötige Stimmenanteil nicht weit unter 50%. Ohne Splitting wird es dann nur wenige bzw. keine Überhangmandate geben.
Bei 3 großen Parteien sinkt der notwendige Stimmenanteil aber auf rund 30% - entsprechend gibt es für Überhangmandate viel Spielraum.
Dies ist die Situation in einigen ostdeutschen Bundesländern.
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ja
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2005 - 16:02 Uhr:   

Zu Frage 2:
Das dürfte so gemeint sein, dass eine zur Vermeidung von Überhangmandaten vorgeschlagene interne Verrechnung von Überhangmandaten (es würden dann einer Partei, die in einem Bundesland Überhangmandate erreicht hat, in anderen Bundesländern entsprechend Mandate abgezogen) bei der CSU natürlich nicht funktionieren würde, da es keine andere Landesliste gibt, der Sitze abgezogen werden könnten.

Zu Frage 3:
Erreichen erfolgreiche Wahlkreiskandidaten als Einzelbewerber den Bundestag (wir im Falle der beiden PDS-Kandidatinnen 2002), dann werden diese Sitze aus der weiteren Berechnung herausgenommen, sie sind also gewissermaßen vorweg gesetzt.
Damit nun diejenigen Wähler, die mit der Erststimme diese Kandidaten und mit der Zweitstimme eine der im Bundestag vertretenen Parteien gewählt haben, ihre Stimme nicht doppelt einbingen können (einmal bei dem "Vorweg" und einmal über die Zweitstimme) werden ihre Stimmen bei der Verteilung der noch nicht über den "Vorweg" abgezogenen Sitze nicht berücksichtigt.
Bei der Bundestagswahl 2002 wurde dieses Verfahren nachträglich für die beiden von der PDS gewonnenen Wahlkreise angewendet, ohne etwas an der Sitzverteilung zu ändern.
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Wahlrechtskritiker
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2005 - 16:50 Uhr:   

@Jörg

Ergänzung zu Ihren Fragen zu Punkt 3:

"Warum ist dies so?"

Absicht des Gesetzgebers ist es, dem Wähler zwar 2 Stimmen zu geben, aber im Ergebnis nur eine erfolgreich werden zu lassen.

(1) In dem von Ihnen angeführten Fall (Wahlkreisbewerber ohne zugeordnete Landesliste) ist dies offensichtlich so. Hier handelt es sich sozusagen um den klassischen Fall eines Wahlverfahrens mit Alternativstimmgebung (durch Erst- und Zweitpräferenz): die Zweitstimme wird nur dann erfolgreich, wenn die Erststimme ohne Wirkung bleibt, wenn also der Bewerber, der die Erststimme erhalten hat, nicht erfolgreich ist.

(2) Bei nichtsplittenden Wählern, die einem erfolgreichen Wahlkreisbewerber ihre Erststimme geben, wird das Ziel, daß nur eine Stimme erfolgreich werden soll, indirekt erreicht: durch die Verrechnung des erfolgreichen Wahlkreisbewerbers mit den Sitzen der zugeordneten Landesliste werden die Zweitstimmen seiner Wähler gleichsam aufgezehrt. Hier entsteht ein ähnliches Ergebnis, wie wenn man nach dem Muster der Einzelbewerber- Wahl verfahren würde: Der erfolgreiche Wahlkreisbewerber wird nicht auf die Landesliste angerechnet, dafür werden jedoch die Zweitstimmen seiner Wähler nicht berücksichtigt.

(3) Es gibt aber andere Fälle, für die der Gesetzgeber keine Vorsorge getroffen hat, um zu verhindern, daß beide Stimmen erfolgreich sind. ("Berliner Zweitstimmen" bei der BTW 2002)

Ich halte das Zwei-Stimmen-Verfahren, wie es vom Bundeswahlgesetz ausgestaltet ist, für bedenklich:
  • Es wird von den meisten Wählern nicht intuitiv erfaßt. Sonst gäbe es nicht so häufig das große Erstaunen über die Einzelbewerber-Regelung, obwohl doch gerade hier das dem Zwei-Stimmen-Verfahren zugrundeliegende Prinzip sichtbar wird.
  • Die verfassungsrechtlich einwandfreie Umsetzung ist offensichtlich schwierig.



"Was hat sich der Gesetzgeber dabei gedacht?"

Insgesamt nicht genug!

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