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Max
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 12:59 Uhr: | |
Beim Stöbern in den Diskussionsforen ist mir ein Verfahren eingefallen, dass sicher nicht perfekt ist, aber a) einen mehrheitsbildenden Effekt hat, b) kleine Parteien nicht ausschließt, c) und darüber hinaus einfach ist! Man nehme den deutschen Bundestag mit 600 Abgeordneten. Das Bundesgebiet unterteilt man in 30 Wahlkreise (übr die Einteilung muss ich mir noch Gedanken machen), in jedem Wahlkreis werden 20 Abgeordnete nach folgendem Schema gewählt: Stärkste Partei: 11 Sitze Zweitstärkste: 6 Sitze Drittstärkste: 2 Sitze Viertstärkste: 1 Sitze Gewissermaßen eine Kombination aus Mehrheitswahl und Proporz. Wenn eine Partei bundesweit stärkste Kraft wird, hat sie die absolute Mehrheit sicher. Zugleich ist aber die Präsens kleiner Parteien im Bundestag sichergestellt. Im Osten würde die LINKSPARTEI wohl flächendeckend auf Rang 1-3 landen. Im Westen würden Grüne , LINKSPARTEI und FDP sich um die Plätze 3 und 4 streiten. Vereinzelt würden wohl auch rechtsextreme Parteien Mandate erringen, in Bayern möglicherweise die ÖDP(?). Meinungen? |
Wilko Zicht
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 13:33 Uhr: | |
Wie jedes Wahlsystem, das einen mehrheitsbildenden Effekt (auch) durch Unterteilung des Wahlgebietes zu erreichen versucht, ist es anfällig für Mehrheitsumkehr und andere Unstimmigkeiten, die durch eine ungleiche Hochburgenbildung verursacht werden. Wenn man unbedingt größere Parteien gegenüber kleineren bevorzugen will, sollte man dies durch ein Potenzieren der bundesweiten Stimmenzahlen machen. |
Sascha
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 13:37 Uhr: | |
Ich finde es eher zweifelhaft, dass Wahlrecht an der bestehenden Parteienlandschaft auszurichten. Durch das oben beschriebene Verfahren können die Wahlergebnisse vielleicht noch stärker als beim Mehrheitswahlrecht in Einerstimmkreisen verfälscht werden. Deine Aussage, dass eine absolute Mehrheit an Stimmen auch eine absolute Mehrheit an Sitzen zu Folge hat, ist für mich nicht nachvolziehbar. Ich persönliche würde Mehrstimmenwahlkreise deiner Art nicht ablehnen, aber dann bitte doch die Sitze nach Hare/Niemeyer oder so verteilen. |
Florian
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 13:42 Uhr: | |
ich habe mal eine kleine Simulation gemacht auf Basis der Wahl 2002 und unter der (vereinfachenden) Annahme, dass innerhalb eines Bundeslandes die Wahlkreise kein unterschiedliches Stimmverhalten haben. Sitz-Ergebnis (Änderung ggü. dem Original-Ergebnis 2002): SPD: 272 (+21) CDU: 188 (-1) CSU: 50 (-8) Grün: 41 (-14) FDP: 37 (-10) PDS: 12 (+10) Wenn man mal vom Spezialfall PDS absieht scheint es tatsächlich so zu sein, dass dieses Verfahren die relativ stärkste Partei (in diesem Fall SPD) leicht begünstigt. Allerdings nicht unbedingt ausreichend, um eine absolute Mehrheit zu sichern. Muss allerdings nicht immer der Fall sein. Zum Beispiel würde die CSU unter dem neuen Verfahren leiden, weil ihr der riesige Vorsprung zur SPD nicht mehr so stark honoriert würde wie bisher. Gegenüber dem tatsächlichen Ergebnis hätte das neue System fast keine Änderung der Mehrheits-Möglichkeiten im Bundestag gebracht. Mit einem Unterschied: In diesem System hätte Rot-Gelb (anders als im bisherigen System) 2002 eine knappe Sitz-Mehrheit gehabt. |
Max
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 14:01 Uhr: | |
Zitat Sascha: "Deine Aussage, dass eine absolute Mehrheit an Stimmen auch eine absolute Mehrheit an Sitzen zu Folge hat, ist für mich nicht nachvolziehbar." Natürlich ist das nicht mathematisch beweisbar, aber wenn man von der Bundesrepublik ausgeht stimmt es schon. Wenn eine Partei in Deutschland über 50% der Stimmen erhält, wird sie in fast jedem der von mir vorgesehenen 30 Wahlkreise stärkste Kraft sein. Und wenn eine Partei z.B. in 27 Walhkreisen "Erster" und in den übrigen 3 Wahlkreisen "Zweiter" wird, erhält sie 27*11 + 3*6 Sitze = 315 von 600 Sitzen. @Florian: Tja, dass deine Simulation enttäuscht mich ein wenig. Ich hatte erwartet, dass die großen Parteien mehr von meinem wahlsystem profitieren würden. Die Stärkung der PDS habe ich erwartet, schließlich stärkt mein Wahlsystem regional verankerte Parteien. Wahrscheinlich sind die Wahlkreise auch zu groß, um kleineren Parteien eine Chance gegen FDP/Grüne/Linkspartei zu geben. Möglicherweise kann sich die NPD in einem der ostdeutschen Wahlkreise auf Platz 4 vorkämpfen. Ich denke, ich überlege mir noch mal ein besseres System... :-) |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 14:51 Uhr: | |
Nun ja, der mehrheitsbildende Effekt dürfte in der Regel schon vorhanden sein. Allerdings wird es umgekehrt mit dem Ausschluss der kleinen Parteien problematisch. Mit geltender 5%-Hürde sind ja grundsätzlich bis zu 20 Parteien möglich, weil 5% = 1/20; wenn gerade jede Partei genau 5% des Gesamtergebnisses erreichte, dann kämen auch maximal 20 Parteien in den Bundestag. In der Praxis werden es aber weniger sein. Was macht man aber in dem System, wenn es z. B. 6 Parteien gibt? Und wenn diese dann noch ähnlich stark sind bzw. die Unterschiede klein? U. U. genügen dann wenige Stimmen, damit eine schwache Partei 11 von 20 Sitzen erhält. Das lässt sich so machen, aber es wird nicht unbedingt als sonderlich demokratisch und einleuchtend erscheinen. Eine andere Lösung mit Stimmengewichtung nach dem Rang auf Grund des erzielten Resultats habe ich ja in einem andern Diskussionsfaden besprochen. |
Lars Tietjen
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 17:21 Uhr: | |
Wenn man die 2002 Zweitstimmen nimmt und die Wahlkreise 1-10; 11-20; usw. bis 291-299 zu jeweils einen Wahlkreis im Sinne des obigen Vorschlages zusammenfasst, bekommt man bei dem Wahlsystem folgendes Ergebnis: SPD 295 CDU 167 CSU 50 GRÜ 43 FDP 29 PDS 16 (Diese Modellrechnung war extrem theoretisch.) Wenn man die Wahlkreise anders zuschneidet sieht das Ergebnis anders aus... Gegen ein solches Wahlsystem spricht u.a., dass es eine sehr deutliche Verzerrung zwichen Stimmen- und Mandatszahl gibt. Die natürliche Hürde kann theoretsich bis zu knapp 20% liegen. Echte Vorteile kann ich nicht erkennen. Wenn man große Parteien stärken will, gibt es andere Möglichkeiten. |
Florian
| Veröffentlicht am Donnerstag, 04. August 2005 - 18:58 Uhr: | |
Die Modellergebnisse von Lars und mir weichen ja schon ganz schön voneinander ab. Wobei der einzige Unterschied zwischen den Modellen der ist, dass die Wahlkreise anders geschnitten sind. Da wird das Jerrymandering sicherlich eine sehr spannende Aufgabe. Man stelle sich das z.B. in NRW vor (Basis 2002): NRW hätte ca. 4 Wahlkreise. Wenn man die richtig schneidet, dann liegt die SPD in jedem Wahlkreis vor der CDU. Wenn man aber die CDU-Hochburgen in einem Wahlkreis zusammenfasst, dann liegt die CDU in diesem Wahlkreis problemlos vorne. In einem Fall hätte die CDU somit aus NRW 24 Sitze zu erwarten, im anderen Fall 29 Sitze. Angesichts der Tatsache, dass die beiden Blöcke "Links" und "Bürgerlich" in Deutschland schon seit Jahren fast gleichauf liegen, wäre es absolut wahlentscheidend, wer die Wahlkreise zuschneiden darf. |
tg
| Veröffentlicht am Freitag, 05. August 2005 - 08:17 Uhr: | |
Das Umrechnen realer Wahlergebnisse auf ein anderes Wahlsystem ist nur der erste Schritt, um die Folgen dieses Systems zu verstehen. Dann aber muß man auch überlegen, welche taktischen Möglichkeiten sich für Parteien und Wähler ergeben. Es könnte sich z. B. für die CSU anbieten, in einem Wahlkreis, wo sie eine 2/3-Mehrheit sicher hat, eine zweite Liste aufzustellen. Platz 1 wäre trotzdem garantiert, und je nachdem, wie ausgeglichen die Stimmen verteilt werden, gäbe es noch Platz 2 oder 3 dazu. Optimal wäre eine Aufspaltung in "Liste Christsozialer Frauen" und "Liste Christsozialer Männer", dann sollte die ungefähre Halbierung der CSU-Stimmen wohl gelingen, und PLatz 1 und 2 wären gesichert. Interessant ist auch noch, daß ein ähnliches Wahlsystem tatsächlich existiert: Die 2. Kammer in Spanien. Dort erhält jede Festlandsprovinz 4 Abgeordnete; 3 von der stärksten und 1 von der zweitstärksten Partei. Es wäre interessant zu erfahren, ob es eine Provinz mit einer derart starken Partei gibt, daß diese eine Aufspaltung riskieren kann. Vielleicht gibt es hier ja einen Experten für Spanien? |
Max
| Veröffentlicht am Freitag, 05. August 2005 - 12:36 Uhr: | |
Ich finde das Prinzip auch nachwievor nicht schlecht. Kombinieren könnte man es mit einem Präferenzstimmensystem. z.B. 1. SPD (11 Stimmen) 2. Grüne (6 Stimmen) 3. Familienpartei (2 Stimmen) 4. APPD (1 Stimme) Allerdings sind mir 30 Wahlkreise á 20 Abgeordnete etwas zu wenig. Bei so großen Wahlkreisen sind die Chancen von Außenseiterparteien einfach zu klein. |
sebu
| Veröffentlicht am Freitag, 05. August 2005 - 17:46 Uhr: | |
Nach wie vor gilt jedoch, dass ein Verhältniswahlsystem vorgeschrieben ist, was ich hier nicht so erkennen kann. Prinzipiell hat jedes Wahlsystem Vor- und Nachteile, für den Bundestag stehen die Wähler im Mittelpunkt! D.h. es wäre einem Wahlsystem der Vorzug zu geben, das die Wähler bzw. ihre Erfolgswerte möglichst gleich behandelt, auch wenn eine absolute Stimmenmehrheit nicht auf eine absolute Sitzmehrheit abgebildet wird - ich finde das nicht so problematisch, die Parteien würden zwar meckern, sich aber daran gewöhnen. Das wär' eben dann umgekehrt wie beim Mehrheitswahlrecht. |
Max
| Veröffentlicht am Freitag, 05. August 2005 - 21:53 Uhr: | |
Wo ist ein Verhältniswahlrecht vorgeschrieben? Im Grundgesetz? Das kann man ja ändern, wie es in den Jahren der Großen Koalition überlegt wurde. |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Samstag, 06. August 2005 - 12:11 Uhr: | |
"Nach wie vor gilt jedoch, dass ein Verhältniswahlsystem vorgeschrieben ist, was ich hier nicht so erkennen kann." Nein, im GG steht das jedenfalls nicht, nur einige Landesverfassungen schreiben Verhältniswahl vor. Wenn man ein "mehrheitsbildendes und minderheitenfreundliches Wahlrecht" will kann sich ja mal das Wahlrecht in Ungarn und vor allem in Griechenland ansehen. |
Max
| Veröffentlicht am Samstag, 06. August 2005 - 13:24 Uhr: | |
So weit ich weiß, erhält die stärkste Partei in Griechenland automatisch die absolute Mehrheit der Mandate, und es gibt eine 3%-Hürde. Über Ungarn weiß ich nichts. |
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