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Unechte Teilortswahl in Baden-Württem...

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Marc Oliver Kersting
Veröffentlicht am Samstag, 28. Juli 2001 - 11:04 Uhr:   

Ich schreibe gerade meine Magisterarbeit zur unechten Teilortswahl in Baden-Württemberg. Da sich die Literatur- und Datenlage als relativ dürftig erwiesen hat, bin ich für alle Hinweise (bzgl. existierender Arbeiten zu diesem Thema oder bestehender Umfragen) dankbar, die ich zu diesem Thema bekomme.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Samstag, 28. Juli 2001 - 12:09 Uhr:   

Ein wenig steht auf der Kommunalwahlrechtsseite

http://www.wahlrecht.de/kommunal/baden-wuerttemberg.htm

Weitergehende Information habe ich im Netz bisher auch nicht gefunden, vor allem nicht das kommunale Wahlgesetz. Verkürzt könnte man das System beschreiben als mehrere Mehrpersonenwahlkreise, wobei die Wähler in allen Wahlkreisen wählen.
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H.-P.
Veröffentlicht am Dienstag, 27. Mai 2003 - 18:57 Uhr:   

Die Gemeindeordnung Baden- Württembergs steht unter

http://www.andreas-paust.de/go/bawue.htm

im Netz.
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Thomas Walter
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 13:20 Uhr:   

In unserem Ort (3500 Einwohner, Hauptort mit zwei Teilorten) wurde die unechte Teilortswahl durchgeführt.
Dabei entstand ein Ausgleichssitz. Bisher gab 14 Gemeinderäte, jetzt sind es 15.
Wie kommt dies zustande?
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Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 06. Juli 2004 - 14:06 Uhr:   

Im Artikel zur Kommunalwahl in BaWü findet sich zur unechten Teilortswahl unter anderem noch dieser Kommentar von Wilko:

"Die Zahl der nötigen Ausgleichsmandate könnte deutlich reduziert werden, wenn im ersten Verteilungsschritt (Sitzverteilung im Wohnbezirk) statt d'Hondt ein unverzerrtes Sitzzuteilungsverfahren angewendet würde, d.h.ein Verfahren, welches weder kleine noch große Parteien systematisch begünstigt."

Ich halte diese Aussage für ein wenig zu gewagt (vor allem im Hinblick auf das "deutlich"). Wären die Zahlen im Netz nicht so schrecklich unsortiert, würde ich mir die Mühe machen, mal für eine größere Gruppe von Orten den Effekt der doppelten d'Hondt-Anwendung nachzurechnen. Bisweilen aber nur folgende Bemerkungen:
1. In den Gemeinden, in denen die Sitze nach unechter Teilortswahl verteilt werden, treten gar nicht so viele Ausgleichsmandate auf, wie man befürchtet.
2. Wird im ersten Verfahren standardgerundet, im zweiten jedoch abgerundet, so erhöht das in einigen Fällen sogar die Wahrscheinlichkeit, dass noch mehr Ausgleichsmandate vergeben werden müssen, weil plötzlich die kleineren Listen einen auszugleichenden Überhang erzielen. Die Oberverteilung nach d'Hondt kann man aber nicht so einfach in Frage stellen, denn dieses Verfahren entspricht eher dem Charakter der Personenwahl, was ja durchaus erwünscht ist.
3. Das oftmals größere Problem ist vielmehr, dass die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Teilorte nicht proportional zur Zahl der Wahlberechtigten vorgenommen wird. Ausreißerergebnisse in kleinen Teilorten fließen somit als überproportionale Verzerrung in die Gesamtverteilung ein.
4. Dank der Möglichkeit des Kumulierens haben es die einzelnen Listen nicht zwingend nötig, in jedem Teilort eigene Kandidaten aufzustellen, ohne deswegen gleich Stimmen zu verschenken. Durch solche Auslassungen kommen Ausreißerergebnisse ebenso erst zustande wie gemeindeweite "Spitzenkandidaten", die in einem kleinen Teilort wohnen. Nicht selten trägt aber genau das auch zum Ausgleich der theoretischen Verzerrung bei.
5. Schließlich gibt es bei den Wählergemeinschaften mancherorts den Brauch, formal auf mehreren Listen anzutreten, weil anderenfalls das Kandidatenmaximum zu schnell erreicht wäre. Solange gleichzeitig auch noch Parteilisten antreten, ist das dann auch der einzige Weg, weil die Möglichkeit einer reinen Personenmehrheitswahl damit erloschen ist. Durch eine geschickte Verteilung der jeweiligen Ortsteilstimmenkönige auf die getrennten Listen kann man ebenfalls eine Verzerrung erwirken.

Die zeitraubende Untersuchung mache ich vielleicht auch noch, dann könnte man die Aussagen auch besser untermauern.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 03:14 Uhr:   

Mörsberg:

Wie viele Teilorte hat denn eine Gemeinde in der Praxis? Davon wird es letztlich abhängen, welches Verfahren in der Vorverteilung weniger Ausgleichssitze verursacht, falls es in der Oberverteilung unbedingt d'Hondt sein muss (wofür ich keine Rechtfertigung seh).

Richtig ist, dass schon ein einziges Mandat, das eine kleine Partei "zu viel" bekommt, annähernd zu einer Verdopplung der Größe nach Ausgleichsmandaten führen kann. Bei nur wenigen Teilorten wär dieses Risiko wahrscheinlich höher als die mehrfache (im Allgemeinen nicht nur doppelte) Anwendung von d'Hondt.

> dieses Verfahren entspricht eher dem Charakter der Personenwahl

Warum das? Wenn es wirklich vorrangig eine Personenwahl sein sollte, dürfte man gar kein Sitzverteilungsverfahren nehmen, das sich ausschließlich an den Parteien orientiert. Ganz im Gegenteil fällt bei einer Personenwahl auch noch das einzige Argument für d'Hondt weg, dass es nämlich Zusammenschlüsse fördert.

> Das oftmals größere Problem ist vielmehr, dass die Verteilung
> der Sitze auf die einzelnen Teilorte nicht proportional zur Zahl
> der Wahlberechtigten vorgenommen wird.

Das ist wahrscheinlich richtig. Die Richtschnur wird ja vermutlich auch da d'Hondt sein (auch wenn es nicht konkret vorgeschrieben ist), was sich insbesondere dann verheerend auswirken kann, wenn die Größen (und simultan oft die politischen Strukturen) sehr unterschiedlich sind. Völlig unabhängig vom Verfahren bei der Oberverteilung müsste man hier Sainte-Laguë nehmen, um Abweichungen zu minimieren. Hare/Niemeyer kann hier im Extremfall genauso schlimm wie d'Hondt sein.

> Dank der Möglichkeit des Kumulierens haben es die einzelnen Listen
> nicht zwingend nötig, in jedem Teilort eigene Kandidaten
> aufzustellen, ohne deswegen gleich Stimmen zu verschenken.

Den Sinn der Regelung, dass man zwar nicht mehr Bewerbern Stimmen geben darf, als im Teilort zu wählen sind, aber durchaus mehr Stimmen verteilen darf, als dem Teilort zustehn, versteh ich ohnehin nicht. Überhaupt hab ich bei sämtlichen Wahlgesetzen in Baden-Württemberg den Eindruck, dass der Gesetzgeber wenig bis keinen Überblick über die Bedeutung seiner Beschlüsse gehabt hat. Und in den Wahlordnungen werden die eigentlichen Probleme auch geschickt umgangen und in der Praxis rein nach Gefühl gehandhabt.
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iwiwiwm
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 12:39 Uhr:   

c07:
Den Sinn der Regelung, dass man zwar nicht mehr Bewerbern Stimmen geben darf, als im Teilort zu wählen sind, aber durchaus mehr Stimmen verteilen darf, als dem Teilort zustehn, versteh ich ohnehin nicht. Überhaupt hab ich bei sämtlichen Wahlgesetzen in Baden-Württemberg den Eindruck, dass der Gesetzgeber wenig bis keinen Überblick über die Bedeutung seiner Beschlüsse gehabt hat. Und in den Wahlordnungen werden die eigentlichen Probleme auch geschickt umgangen und in der Praxis rein nach Gefühl gehandhabt.


Der typische Madigmacher, von allem, was man nicht versteht oder was etwas besonderes ist. Schon beim Landtagswahlrecht war ihm nichts recht, jetzt auch beim Kommunalwahlrecht nicht. Daß die Bürger dadurch größte Freiheiten beim Wählen besitzen (und diese auch nutzen!), daß auch auf die kleinen Ortschaften Rücksicht genommen wird -- ihm egal. Ihm wäre es wohl am liebsten, man führe das NRW- Wahlrecht ein, eine Stimme abzugeben und geschlossenen Listen. Das hört sich zwar einfacher an, ist aber als Kommunalwahlrecht im höchsten Maße ungeeignet.
Mir kann auch niemand weißmachen, man könne den Bürgern kumulieren und panaschieren nicht erklären. Und auch die unechte teilortswahl. Man muß es nur mal versuchen.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 14:27 Uhr:   

> Wie viele Teilorte hat denn eine Gemeinde in der Praxis? Davon
> wird es letztlich abhängen, welches Verfahren in der Vorverteilung
> weniger Ausgleichssitze verursacht
Entscheidend ist weniger die Anzahl als die Größe der Teilorte. Wenn mehrere sehr kleine Teilorte einem großen Hauptort gegenüberstehen, und auf die Teilorte nur je 1 oder 2 Mandate entfallen, dann kann die Verzerrung beträchtlich sein. Andererseits gibt es auch Beispiele, wo eine Verteilung von 17-2-1-2-2 auf die Teilorte bei fünf Listen gerade mal zu einem Ausgleichsmandat führt (Bad Urach, Lkr. Reutlingen). Bei mehrpoligen Gemeinden kommt es auch auf die Gesamtgröße und den Zerstückelungsgrad an. Bei 5-3-3-2-2-3 und drei Listen (St. Johann, gleicher Landkreis) sind 2 Ausgleichssitze auch noch im Rahmen. Größere mehrpolige Städte und Gemeinden wenden meistens keine UTW (mehr) an, da ergibt sich das ausgewogene Verhältnis zwischen den Stadtteilen auch annähernd automatisch.

> > dieses Verfahren entspricht eher dem Charakter der Personenwahl
> Warum das? Wenn es wirklich vorrangig eine Personenwahl sein
> sollte, dürfte man gar kein Sitzverteilungsverfahren nehmen, das
> sich ausschließlich an den Parteien orientiert.
Weil man eine bestimmte volle Anzahl von Stimmen für einen Sitz benötigt. Die Listen gewährleisten nur, dass die Umverteilung unter den Bewerbern, die unterhalb dieser Marge liegen, oder von solchen mit Überhang sich nur innerhalb des von der Liste gesteckten Rahmens stattfindet.

> > Verteilung der Sitze auf die einzelnen Teilorte nicht proportional
> Die Richtschnur wird ja vermutlich auch da d'Hondt sein
Eher im Gegentum. Aus rechnerischen 12-3-1-4 nach St-Laguë wird da lieber ein politisches 11-3-2-4 gemacht (Pliezhausen, Lkr. Reutlingen, wobei das Beispiel etwas doof ist, weil annähernd gleicher Anspruch vorliegt). Die kleineren Teilorte sind also eher überrepräsentiert.

> Den Sinn der Regelung, dass man zwar nicht mehr Bewerbern Stimmen
> geben darf, als im Teilort zu wählen sind, aber durchaus mehr
> Stimmen verteilen darf, als dem Teilort zustehn, versteh ich
> ohnehin nicht.
Wobei die Probleme hier aber die Bewerberobergrenze und das Häufelmaximum sind. Wer ein wenig auf die Listenzugehörigkeit achtet, dem sind schon durch das Kandidatenlimit genug Grenzen gesetzt. Ansonsten hilft die Regelung vermutlich sogar, Überhangmandate durch taktisches Wählen zu begrenzen - falls ansonsten genügend Wähler die Wirkungen richtig einschätzen könnten.

> Überhaupt hab ich bei sämtlichen Wahlgesetzen in Baden-Württemberg
> den Eindruck, dass der Gesetzgeber wenig bis keinen Überblick über
> die Bedeutung seiner Beschlüsse gehabt hat.
Wenn man nach "einfachen" Modellen wählt, etwa nach starren Listen, erspart man sich natürlich viele dieser Detailprobleme. Andererseits vergibt man sich auch viele Vorteile. Die UTW in BaWü ist wie auch das Modell zur Kreistagswahl ein typisches Kompromissmodell, das zunächst ein interessanter Ansatz war (und ist). Der Fehler ist nur, dass es in der Zwischenzeit nicht evaluiert und ggf. angepasst wurde.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 14:52 Uhr:   

Ich hab im Prinzip nichts gegen die unechte Teilortswahl. Nur die konkrete Umsetzung ist mangelhaft. U.a. können auch die Ausgleichsmandate den mühsam erreichten Teilortsproporz wieder völlig zerstören. Die Wähler haben zwar bei der Wahl relativ große Freiheit (wobei da sehr viel mehr denkbar wär), aber das Ergebnis hängt zu einem guten Teil von Zufällen ab.

Das Kommunalwahlrecht in NRW ist halt ganz was anderes. Es hat auch seine Mängel (z.B. den, dass man eine Partei ohne Wahlkreiskandidaten nicht wählen darf). Welche Art von Wahlsystem man bevorzugt, ist eine politische Entscheidung. Ich hab hier nur von rein technischen Mängeln geredet, die relativ objektiv beurteilbar sind, sobald man sich auf ein paar grundlegende Prinzipien (wie die Gleichheit der Wahl) geeinigt hat.


Mörsberg:
[d'Hondt für Personenwahl]
> Weil man eine bestimmte volle Anzahl von Stimmen für einen Sitz benötigt.

Bei Sainte-Laguë ist die nötige Anzahl sogar noch genauer bestimmt. Der höhere Level von d'Hondt lässt sich nur rechtfertigen, wenn man die Umverteilung innerhalb der Listen für unbedingt erstrebenswert hält.

> Ansonsten hilft die Regelung vermutlich sogar, Überhangmandate
> durch taktisches Wählen zu begrenzen

Kommt drauf an, was die Alternative wär. Bei zwingender Verteilung der Stimmen auf die Teilorte gemäß den zustehenden Sitzen wird im Allgemeinen der Überhang minimiert, zumindest bei nicht verzerrenden Verfahren.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 15:17 Uhr:   

> U.a. können auch die Ausgleichsmandate den mühsam erreichten
> Teilortsproporz wieder völlig zerstören.
Das ist wohl wahr. Und hier werden die großen Teilorte klar bevorzugt.
> Die Wähler haben zwar bei der Wahl relativ große Freiheit (wobei
> da sehr viel mehr denkbar wär), aber das Ergebnis hängt zu einem
> guten Teil von Zufällen ab.
Ich behaupte mal, dass der Wählerwille im allgemeinen ziemlich gut umgesetzt wird. Die Zufälle sind bei den Wählergemeinschaften sehr gering. Sie treten bei den Parteien auf, wenn die gemeindeinternen Schwankungen relativ hoch sind. Da ist das Übel dann aber wieder ein geringeres, solange die Parteizugehörigkeit ein bedeutendes Kriterium darstellt. Sehr viele Zufälle beruhen auf den Auslassungen einzelner Teilorte durch die Listen.

> Der höhere Level von d'Hondt lässt sich nur rechtfertigen, wenn
> man die Umverteilung innerhalb der Listen für unbedingt
> erstrebenswert hält.
Das ist eben wieder so ein Kompromiss. Die listeninterne Umverteilung betont die Listenzugehörigkeit und ist eine Konzession an die Parteien. Ein Maximum an Personalisierung wünschen sich dagegen die Wählergemeinschaften, am liebsten Personenmehrheitswahl. Zwischen beidem muss ein Ausgleich getroffen werden. Das kann man wahrscheinlich "besser" regeln als derzeit, nur denken sich vermutlich die meisten, der Aufwand einer Neuregelung rechtfertigt nicht die vermutlich geringfügigen praktischen Auswirkungen.

> Bei zwingender Verteilung der Stimmen auf die Teilorte gemäß den
> zustehenden Sitzen wird im Allgemeinen der Überhang minimiert
Dann müsste man aber auch den Kandidaten freistellen, in welchem Teilort sie antreten (Stimmenfänger in zu kleinen Teilorten wären dann Verschwendung). Das öffnet aber anderen taktischen Spielen Tür und Tor und wird deshalb auch nicht zugelassen.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 16:42 Uhr:   

Mörsberg:
> Ein Maximum an Personalisierung wünschen sich dagegen die
> Wählergemeinschaften, am liebsten Personenmehrheitswahl.

Das kann aber leicht in ein Minimum an Personalisierung ausarten, wenn die Zahl der Kandidaten und die Streuung ihrer Beliebtheit sehr groß ist, weil dann effektiv nur die Zufälle maximiert werden.

> (Stimmenfänger in zu kleinen Teilorten wären dann Verschwendung)

Die Frage ist, ob dieses Konzept unterstützenswert ist. Wenn ja, dann ist es natürlich ein Argument, eine Überhäufelung zuzulassen (zumindest in den kleinen Teilorten).
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Mörsberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 21:25 Uhr:   

> > (Stimmenfänger in zu kleinen Teilorten wären dann Verschwendung)

> Die Frage ist, ob dieses Konzept unterstützenswert ist.

Ja, wie soll man das denn sonst machen, wenn der prominenteste, wichtigste, bekannteste, profilierteste oder beste Kopf der Liste halt ausgerechnet im winzigsten Teilort wohnt? Man kann ihn ja nicht zwingen, umzuziehen.
Außerdem ist das Häufelmaximum doch eine mindestens genauso unsinnige Beschränkung.

> Das kann aber leicht in ein Minimum an Personalisierung ausarten,
> wenn die Zahl der Kandidaten und die Streuung ihrer Beliebtheit
> sehr groß ist
Auf Gemeindeebene fällt mir kein Beispiel ein, wo das ein Problem wäre. Das ist mehr der Fall beim Bürgermeistereffekt der Kreistagswahlen, den wir woanders diskutiert haben. Da treten wirklich oft Zufälle auf, wenn mehr Kandidaten gewählt werden, als es Bürgermeister im Wahlkreis gibt und unter den weiteren Bewerbern dann minimale Abstände entscheiden.
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c07
Veröffentlicht am Mittwoch, 07. Juli 2004 - 22:44 Uhr:   

Die unechte Teilortswahl will ja gerade den Teilorten die ihnen zukommende Bedeutung sichern. Das kann halt auch mal einen Nachteil bedeuten. Allerdings haben sie schon den Nachteil, dass ihnen potenziell relativ viel Fremde in ihre Listen reinpfuschen können, was so in der Praxis ein bisschen abgemildert wird, ohne die prinzipielle Möglichkeit dazu zu nehmen. In dem Zusammenhang spielt sogar das Häufelmaximum eine wesentliche Rolle.

Wenn die Intention also wirklich sein sollte, dass die Teilorte zu einem guten Teil ihr Ergebnis selber bestimmen, die anderen aber trotzdem einen gewissen begrenzten Einfluss darauf haben, wär es vielleicht klüger, die Aufteilung der Stimmen eines Wählers auf die Teilorte zu fixieren, aber bei der Auszählung so zu gewichten, dass die eigenen Einwohner insgesamt z.B. 50% vom gesamten Stimmengewicht im Teilort haben.

Zur reinen relativen Mehrheitswahl von Personen: Eigentlich ist es da so gut wie immer ein Problem, dass die letzten Sitze extrem billig sind. Wenn zunächst nach Listen verteilt wird, ist das zwar nicht viel anders, aber die faktische Umverteilung von Stimmen zwischen den Kandidaten hat dann zumindest eine Beschränkung in den Listengrenzen.
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iwiwiwm
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juli 2004 - 10:54 Uhr:   

c07:
Ich hab im Prinzip nichts gegen die unechte Teilortswahl. Nur die konkrete Umsetzung ist mangelhaft. U.a. können auch die Ausgleichsmandate den mühsam erreichten Teilortsproporz wieder völlig zerstören. Die Wähler haben zwar bei der Wahl relativ große Freiheit (wobei da sehr viel mehr denkbar wär), aber das Ergebnis hängt zu einem guten Teil von Zufällen ab.

Falsch! Welchen Teilortsproporz sollen Ausgleichsmandate zerstören? Abgesehen, daß Ausgleichsmandate auch in kleinere Teilorte gelangen können (zugegeben passiert selten; aber ist bei dieser Wahl bei uns geschehen), aber der Sinn der unechten Teilortswahl besteht hazptsächlich darin, den Ortschaften Sitze sicher zugestehen (lieber zwei Sitze sicher als drei vielleicht!). Die Sitze können ja nicht prozentgenau zugeordnet werden. Bei uns hat eine Ortschaft mit 8 % und eine mit 13 % jeweils 11 % der Sitze sicher (Wie es der Wähler wollte, bekam die Ortschaft mit 13 % diesmal sogar ein Ausgleichsmandat, das nur nebenbei). Ob die prozentzahl variiert ist nebenbei, wichtig sind die garantierten Sitze und die bleiben sicher.
So hängt das Ergebnis nicht von Zufällen ab, natürlich schon, aber nicht hauptsächlich.
Welche weiteren Freiheiten wären denn denkbar?

Die unechte Teilortswahl will ja gerade den Teilorten die ihnen zukommende Bedeutung sichern. Das kann halt auch mal einen Nachteil bedeuten. Allerdings haben sie schon den Nachteil, dass ihnen potenziell relativ viel Fremde in ihre Listen reinpfuschen können, was so in der Praxis ein bisschen abgemildert wird, ohne die prinzipielle Möglichkeit dazu zu nehmen. In dem Zusammenhang spielt sogar das Häufelmaximum eine wesentliche Rolle.

Umgekehrt genauso. Das ist ja auch der Sinn.

Wenn die Intention also wirklich sein sollte, dass die Teilorte zu einem guten Teil ihr Ergebnis selber bestimmen, die anderen aber trotzdem einen gewissen begrenzten Einfluss darauf haben, wär es vielleicht klüger, die Aufteilung der Stimmen eines Wählers auf die Teilorte zu fixieren, aber bei der Auszählung so zu gewichten, dass die eigenen Einwohner insgesamt z.B. 50% vom gesamten Stimmengewicht im Teilort haben.

Das ist nicht so. Alle sollen über alle abstimmen, jeder Gemidnerat soll ben doch ein Vetreter der gesamten Gemeinde sein, nicht nur einzelner Wohnbezirke. Es ist doch fast schon ehrenrührig, einem Stadtrat vorwerfen zu wollen, er vertrete nur seinen Bezirk.
Somit ist jeder Gewichtungsvorschlag Quatsch.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juli 2004 - 15:15 Uhr:   

iwiwiwm:
> der Sinn der unechten Teilortswahl besteht hazptsächlich darin,
> den Ortschaften Sitze sicher zugestehen

Dann könnte man allerdings gleich nur 2/3 (z.B.) der Sitze in den Teilorten verteilen und den Rest gemeindeweit (nach dem selben System wie die Ausgleichsmandate). Dann hätte man nicht die enormen Schwankungen bei der Gemeinderatsgröße.

> Wie es der Wähler wollte

"Der Wähler" als Sammelbegriff will gar nichts (insbesondere auch keine Koalitionen). Es will nur jeder einzelne Wähler was. Was das in der Summe ergeben soll, ist der Wille des Gesetzgebers, der einiges davon an den Zufall delegieren kann.

> Welche weiteren Freiheiten wären denn denkbar?

Die Stimme könnte völlig frei auf einzelne Kandidaten aufteilbar sein, und für jede Stimmvergabe könnte ein Transfer definiert werden, falls der Kandidat überbucht oder chancenlos ist. Für die Mehrzahl der Wähler würd schon einfaches STV mehr Freiheiten bedeuten (Mindestsitze für die Teilorte ließen sich dabei dadurch realisieren, dass dortige Kandidaten nicht gestrichen werden, solang die Mindestsitze nicht erreicht sind). Aber mehr Freiheiten können u.U. auch mehr Aufwand bedeuten. Gemeindeweites STV wär z.B. schon sehr unhandlich.

> Somit ist jeder Gewichtungsvorschlag Quatsch.

Dann versteh ich allerdings auch nicht die Einschränkung, dass ein Wähler nicht mehr Kandidaten wählen darf, als in einem Teilort Sitze zu vergeben sind.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juli 2004 - 15:16 Uhr:   

Zur weiteren Unterfütterung der Debatte mal die Beispiele der Rekordhalter in Sachen Überhang und Ausgleich, gemessen an der prozentualen Vergrößerung des Gremiums gegenüber der Sollzahl. Nicht überall waren die Daten wirklich gut aufbereitet, aber es lassen sich doch einige Tendenzen erkennen:
1. Beimerstetten (Alb-Donau): 18 statt 12 Sitze (50% mehr).
Überhangverursacher war eine Wählergruppe mit insgesamt bescheidenen 14,9% und 3 Sitzen. Verteilung auf die Teilorte war leider nicht im Netz.
2. Igersheim (Main-Tauber): 28 statt 19 Sitze (47,4%).
Überhangverursacherin war die einzige grüne Kandidatin, die in ihrem Teilort einen Sitz errang, was gemeindeweit nur 3,3% ausmachte. Eine neutrales Verfahren auf TO-Ebene hätte gar nichts gebracht, nur eine neutrale Gesamtwertung. Der Ausgleich hätte eigentlich noch um zwei Sitze höher ausfallen müssen, aber die CDU hatte dafür nicht genügend Kandidaten aufgestellt.
3. Balingen (Zollernalb): 47 statt 33 Sitze (42,4%).
Überhangverursacherin war die CDU mit insgesamt 36,2%. Balingen ist in 11 TO eingeteilt, die Sollsitzverteilung beträgt 14-2-2-1-5-1-2-1-1-3-1. Die Anwendung neutraler Verfahren hätte ein bisschen was gebracht, nämlich in dem 3er und in einem 2er. Das Hauptproblem der vielen kleinen Teilorte kriegt man dadurch aber noch nicht in den Griff. Und die relativ hohe Listenzahl (6) kann man ja auch nicht ändern.
4. Ellwangen (Ostalb): 37 statt 26 Sitze (42,3%).
Auch hier verursachte auf der Ebene der Listen die CDU mit 49,2% den Überhang, was ihr im vorliegenden Fall eine absolute Mehrheit bescherte. Eigentlicher Grund sind aber wiederum die vielen Mini-Wahlkreise, in dieser Gegend sogar meistens aus mehreren Dörfern bestehend: Sollverteilung ist 13-2-2-2-1-1-1-1-1-1-1. In den 2er-Wahlkreisen könnte ein neutrales Verfahren noch helfen, aber nur, wenn die CDU bei d'Hondt beide Sitze erhält. Normal ist in solchen Fällen aber CDU 1 und FWV 1.
5. Kupferzell (Hohenlohe): 25 statt 18 Sitze (38,9%).
Den Überhang verursachte mit der FWV (38,2%) die eine der beiden großen Wählervereinigungen. Kupferzell besteht aus 10 TO-WK. Die Sollaufteilung beträgt 9-1-1-1-1-1-1-1-1-1. Neutrale Verfahren bringen da ÜBERHAUPT NIX.
6. Efringen-Kirchen (Lörrach): 25 statt 18 Sitze (38,9%).
Überhang dank CDU mit 41,8%. Verteilung auf 12 TO (bei 18 Gesamtsitzen!). Da ist die Gesamtzahl von sieben Überhang- und Ausgleichsitzen bei vier Listen (darunter gewohnt unregelmäßig verteilte Grüne) fast schon moderat.

Fazit: In allen genannten Gemeinden sind Grenzfälle aufgetreten. Im Fall 1 und 2 kann man diese als einmalig bezeichnen, in den anderen vier Fällen sind sie jedoch regelmäßig und systembedingt (in Balingen gab es 1999 sogar 2 Extrasitze mehr). Was man aber gut erkennt - und das war für mich auch der wesentliche Auslöser, ist, dass die Anwendung eines neutralen Verfahrens im ersten Auszählschritt nicht viel hilft, ein neutrales Verfahren im zweiten Schritt nur dann, wenn eine relativ kleine Liste den Überhang produziert hat (1 und 2). Möchte man die Extrasitze reduzieren, dann sollte man eher darüber nachdenken, eine Mindestgröße für einzelne Teilorts-WKe festzulegen, etwa in Höhe von drei Sitzen.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juli 2004 - 16:19 Uhr:   

Intressant. Also kommen wirklich extreme Vergrößerungen gar nicht vor (das KomWG erlaubt ja bis zu +100%). Die 1er-Wahlkreise sind natürlich wirklich ein ganz grundsätzliches Problem. Das hat dann in den Teilorten nichts mehr mit Verhältniswahl zu tun.

Übrigens kann die Listenerschöpfung sogar erzwungen sein. Einer Partei können nämlich durchaus mehr Sitze zustehn, als sie überhaupt Kandidaten aufstellen darf.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. Juli 2004 - 16:28 Uhr:   

> Übrigens kann die Listenerschöpfung sogar erzwungen sein. Einer
> Partei können nämlich durchaus mehr Sitze zustehn, als sie
> überhaupt Kandidaten aufstellen darf.
Daran hats in Igersheim nicht gelegen, wär aber knapp geworden. Der CDU standen 18 Sitze zu, sie hätte bis zu 19 Kandidaten aufstellen können. Tatsächlich waren es halt nur 16.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 07. September 2008 - 02:29 Uhr:   

@ c07:

Du schreibst: "Zur reinen relativen Mehrheitswahl von Personen: Eigentlich ist es da so gut wie immer ein Problem, dass die letzten Sitze extrem billig sind. Wenn zunächst nach Listen verteilt wird, ist das zwar nicht viel anders, aber die faktische Umverteilung von Stimmen zwischen den Kandidaten hat dann zumindest eine Beschränkung in den Listengrenzen."

Das könnte man doch mit einer Regelung wie folgt lösen: Es wird zunächst eine Sitzzahl A (nach der Zahl der Einwohner, der Wahlberechtigten oder sonst wie) festgelegt. Jeder Kandidat, der mindestens einen rechnerischen Anspruch von einem halben Sitz erringt (also: erzielte Stimmen x A / gültige Stimmen insgesamt = 0,5 oder größer) bekommt einen Sitz, unabhängig davon, ob dann A über- oder unterschritten wird. Verteilen sich die Stimmen nur auf einige wenige Bewerber oder auf zu viele schrumpft der Gemeinderat, im höchsten Fall erhöht er sich auf 2*A. Die einzige Frage, die sich stellt, ob man nicht mindesten 1/2*A Sitze verteilen sollte, falls die Zahl durch übermässiges Splitting nicht erreicht wird, um einen funktionsfähigen Gemeinderat zu bekommen.

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